31.1.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 24/90


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Der soziale Dialog und die Einbeziehung der Arbeitnehmer, Schlüssel zur Antizipierung und Kontrolle des industriellen Wandels“

(2006/C 24/17)

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 1. Juli 2004, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Stellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: „Der soziale Dialog und die Einbeziehung der Arbeitnehmer, Schlüssel zur Antizipierung und Kontrolle des industriellen Wandels“.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Beratende Kommission für den industriellen Wandel nahm ihre Stellungnahme am 12. September 2005 an. Berichterstatter war Herr ZÖHRER.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 420. Plenartagung am 28./29. September 2005 (Sitzung vom 29. September) mit 138 gegen 2 Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung und Ziele

1.1

Der industrielle Wandel ist ein ständiger Prozess, in dem sich ein Industriesektor auf die sich verändernden Bedingungen innerhalb seines Wirtschaftsumfelds anpasst, um wettbewerbsfähig zu bleiben und Wachstumschancen zu schaffen.

1.2

Industrieller Wandel ist somit eine notwendige Anpassung an Änderungen der Märkte, der Technologien, der rechtlichen, sozial- oder wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sowie der Gesellschaft insgesamt. Im Idealfall werden solche Veränderungen vorhergesehen oder bewusst herbeigeführt, so dass der jeweilige Sektor pro aktiv handeln, einen allmählichen Anpassungsprozess herbeiführen und negative Folgen des Anpassungsprozesses minimieren kann.

1.3

Wird auf die Veränderungen zu spät oder gar nicht reagiert, führt das zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit und zur Gefährdung von Arbeitsplätzen. Umstrukturierungen, die erst als Reaktion darauf erfolgen, sind zumeist mit schmerzlichen Auswirkungen vor allem auf die Beschäftigung und die Arbeitsbedingungen verbunden. Eine schlecht gemanagte Umstrukturierung kann zu einem Imageverlust des Unternehmens oder eines ganzen Sektors führen sowie zu einer Stimmung, die sich generell gegen den Wandel richtet.

1.4

In welcher Form auch immer, industrieller Wandel ist ein stetiger Prozess in der Wirtschaft, der aber im Wesentlichen von den Beteiligten gestaltet werden kann und muss. Er vollzieht sich in den Unternehmen mit Auswirkungen auf alle Betroffenen in deren Umfeld (Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Regionen ...).

1.5

Der Erfolg dieses Prozesses misst sich an der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der Unternehmen oder eines Sektors auf der einen Seite und an der Sicherung von Arbeitsplätzen sowie der sozialen Bewältigung negativer Folgen auf der anderen Seite.

1.6

Dieser Erfolg kann zweifellos am besten erzielt werden, wenn die Betroffenen in die Gestaltung des Wandels mit einbezogen werden. Dass die Gestaltung des Wandels sich auf allen Ebenen in den Sektoren wie im Unternehmen vollzieht und nicht nur auf der Ebene der Unternehmensleitung, ist nicht nur für einen erfolgreichen und einvernehmlichen Anpassungsprozess von Bedeutung, sondern auch eine wichtige Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit. Der soziale Dialog sowie die Einbeziehung und Mitwirkung der Arbeitnehmer sind daher ein wesentlicher Bestandteil des europäischen Gesellschaftsmodells.

1.7

Auch eine Bestandsaufnahme der Initiativen der Europäischen Kommission im Bereich Industriepolitik der letzten Zeit genügt, um zu erkennen, dass diese der Ermittlung von Synergien und der Einbeziehung aller Betroffenen für eine erfolgreiche Verwirklichung des strukturellen Wandels zunehmend eine wichtige Bedeutung beimisst. Diese Maßnahmen können eine sozialverträgliche Gestaltung des industriellen Wandels ermöglichen, wenn die systematische Einbeziehung der Sozialpartner bei der Antizipierung und Gestaltung der Veränderungen gewährleistet ist und das Doppelziel der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sowie der Minimierung negativer sozialer Folgen konsequent verfolgt wird.

1.8

Der Ausschuss hat in seiner Stellungnahme zum Thema „Der industrielle Wandel: Bilanz und Aussichten“ (1) unter anderem folgende künftige Arbeitsfelder der CCMI empfohlen:

Suche nach gemeinsamen Ansätzen, um den industriellen Wandel vorwegzunehmen und zu bewältigen, sowie nach Wegen, wie die EU und die Mitgliedstaaten die Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität von Unternehmen durch den sozialen Dialog und die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten stärken können.

Suche nach gemeinsamen Ansätzen für die Förderung der nachhaltigen Entwicklung und die Verbesserung des sozialen und territorialen Zusammenhalts, um der Lissabon-Strategie neuen Schwung zu verleihen und den Rahmen und die Bedingungen dafür zu stärken, dass der industrielle Wandel sich so vollzieht, dass er sowohl mit dem Erfordernis der Wettbewerbsfähigkeit für die Unternehmen als auch mit dem wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt vereinbar ist (2).

1.9

Natürlich sind zur erfolgreichen Bewältigung des Wandels eine Vielzahl von Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen erforderlich. Auf der Ebene der Gemeinschaft muss der Wandel von einer horizontalen Perspektive betrachtet und von mehreren Maßnahmen (beispielsweise im Bereich der makroökonomischen Rahmenbedingungen, der Beschäftigungs- und Sozialpolitik, der finanziellen Förderinstrumente, der Industriepolitik usw.) begleitet werden.

1.10

Ziel dieser Stellungnahme ist es, die Bedeutung des sozialen Dialogs sowie der Einbeziehung und Mitwirkung der Arbeitnehmer als Schlüssel für die erfolgreiche Bewältigung des industriellen Wandels darzustellen und Schlussfolgerungen für die künftige Entwicklung des sozialen Dialogs und Gemeinschaftsmaßnahmen zu ziehen.

2.   Der Beitrag des sozialen Dialogs zur Gestaltung des industriellen Wandels

2.1

Der soziale Dialog wird auf verschiedenen Ebenen mit jeweils unterschiedlichen Akteuren praktiziert. Jede Ebene, sei es national, regional, europäisch, betrieblich, sektoral oder sektorübergreifend, kann ihren eigenen bedeutenden Beitrag bei der Vorbereitung auf den Wandel und dessen sozialverträglicher Bewältigung leisten. Um seiner Rolle gerecht zu werden, muss der soziale Dialog jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllen und es gilt, die verschiedenen Handlungsebenen aufeinander abzustimmen.

2.1.1

Um den Wandel vorausschauend zu gestalten, ist es notwendig, dass die Sozialpartner gemeinsam langfristige Perspektiven entwickeln. Voraussetzung dafür ist eine gefestigte und vertrauensvolle Partnerschaft und Dialogkultur, die es ermöglicht, langfristige Handlungsansätze aber auch einvernehmliche Lösungen in Krisenzeiten zu erzielen. Das Vorhandensein repräsentativer und stabiler Strukturen der Organisationen der Sozialpartner ist eine wichtige Handlungsvoraussetzung.

2.1.2

Es ist deshalb auch von entscheidender Bedeutung, die neuen EU-Mitgliedsländer beim Aufbau und der Stärkung der Strukturen des sozialen Dialogs zu unterstützen, um gemeinsam die Herausforderung des industriellen Wandels infolge des Integrationsprozesses zu bewältigen.

2.1.3

Um eine positive Einstellung zum Wandel zu fördern, sollte frühzeitig — auf der Grundlage einer beteiligungsorientierten Betriebs- und Unternehmenskultur — ein gemeinsames Verständnis zum Wandel und den Gestaltungsmöglichkeiten der Sozialpartner entwickelt werden. Zugleich kann der Wandel auf langfristige Sicht durch Maßnahmen wie zum Beispiel Ausbildung, multiskilling und lebenslanges Lernen vorbereitet werden. Diese Maßnahmen sollten insbesondere auch das Ziel der Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer verfolgen.

2.2

Die Sozialpartner haben sich im Rahmen einer Anhörung durch die Kommission im Jänner 2002 mit der Frage von Umstrukturierungen und deren Folgen und Bewältigung befasst. Anhand konkreter Fallbeispiele wurden bewährte Verfahren aufgezeigt. Als Ergebnis legten die Sozialpartner „Orientierungspunkte für die Bewältigung des Wandels“ fest. Der Ausschuss würde es begrüßen, wenn diese Arbeiten fortgesetzt und konkretisiert würden.

2.3

Die Antizipierung des Wandels setzt Kenntnisse über dessen Ursachen und Zusammenhänge voraus. Es ist daher wesentlich, dass sich die Sozialpartner regelmäßig zu den Perspektiven ihrer Branche und Unternehmen austauschen. Das European Monitoring Centre on Change der Dubliner Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

2.4

Darüber hinaus sind die sektorspezifischen Initiativen der EU von großer Bedeutung, die ausgehend von der Analyse der Situation und Perspektiven eines Sektors in einem umfangreichen Konsultationsprozess unter Einbeziehung der Sozialpartner, konkrete Empfehlungen für Maßnahmen zum Erlangen und Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit entwerfen.

2.5

Der EGKS-Vertrag hat auf europäischer Ebene das erste Beispiel eines sektoralen sozialen Dialogs eingeführt. Ein kontinuierlicher sozialer Dialog gekoppelt an das Instrumentarium der EGKS mit kontinuierlicher Marktbeobachtung, Forschungs- und Innovationsprogrammen, Preis- und Wettbewerbspolitik, Anpassungsmaßnahmen für die Arbeitnehmer und Regionen hat gezeigt, dass industrieller Wandel und Umstrukturierungen auf sozialverträgliche Weise gestaltet werden können. Auch heute sollten alle in den Verträgen zur Verfügung stehenden Instrumente genutzt werden, um dem Wandel zu begegnen.

2.5.1

Auch nach Auslaufen des EGKS-Vertrags ist es wünschenswert, dass dieser umfassende Ansatz in die Arbeit der heutigen EU Sektordialoge, die im Rahmen der Ausschüsse für den sektoralen sozialen Dialog stattfinden, mit einfließt. Somit könnten diese Ausschüsse neben der Behandlung sozialer Fragen verstärkt als Konsultationsgremien für alle EU-Initiativen, die auf die industrielle Entwicklung eines Sektors Einfluss nehmen, fungieren.

3.   Die Einbeziehung und Mitwirkung der Arbeitnehmer und ihre Bedeutung für den industriellen Wandel

3.1

Industrieller Wandel hat für die Arbeitnehmer Konsequenzen, die von veränderten Qualifikationsanforderungen infolge technologischer Erneuerungen und Veränderungen der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen bis zum Verlust des Arbeitsplatzes reichen können. Es ist daher wesentlich, wie sich Arbeitnehmer auf diese geänderten Bedingungen einstellen können und welche Maßnahmen getroffen werden, um negative Folgen für sie zu minimieren und positive Auswirkungen zu optimieren. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Frage, ob die Arbeitnehmer rechtzeitig und in geeigneter Form über Veränderungen informiert werden und sich in diesen Prozess einbringen können.

3.2

Nur so besteht die Möglichkeit, dass sich der Wandel nicht nur auf der Ebene der Unternehmensleitung, sondern auch im Bewusstsein der Beschäftigten vollzieht und akzeptiert wird. Gelingt es nicht, den industriellen Wandel für die Arbeitnehmer sozial verträglich zu gestalten, führt das zu Konflikten.

3.3

Die Einbeziehung und Mitwirkung der Arbeitnehmer sowie ihrer betrieblichen Arbeitnehmervertreter und ihrer Gewerkschaften bei der Gestaltung des Wandels sind somit ein wesentlicher Beitrag zur sozialverträglichen Bewältigung, dem Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und damit zur Vermeidung von Konflikten. Im Idealfall sollten sich Unternehmen zu interaktiven, proaktiv handelnden Organisationen entwickeln. Dies fördert die Innovation im Unternehmen und letzten Endes auch seine Wettbewerbsfähigkeit.

3.4

Da Unternehmensentscheidungen zunehmend in einem globalen Wirtschaftsumfeld und oft in multinationalen Konzernen getroffen werden, gewinnen neben den nationalen Möglichkeiten und Instrumenten der Arbeitnehmerbeteiligung grenzüberschreitende Strukturen der Arbeitnehmervertretung stark an Bedeutung.

3.5

Europäische Betriebsräte spielen dabei eine besondere Rolle. Es gibt bereits einige Beispiele für Vereinbarungen über Restrukturierungsmaßnahmen, die Unternehmen mit Europäischen Betriebsräten getroffen haben. Es gibt ebenso Beispiele für Vereinbarungen, die mit europäischen Gewerkschaftsverbänden getroffen wurden. Die Erfahrungen daraus sind positiv zu bewerten, da gerade in internationalen Konzernen die Gefahr besteht, dass die Verringerung sozialer Folgen an einem Standort zu Lasten eines anderen geht.

3.6

Es ist davon auszugehen, dass sich der transnationale soziale Dialog auf Unternehmensebene dynamisch weiter entwickelt. In diesem Zusammenhang muss der Ausschuss jedoch feststellen, dass diese Entwicklung für die Beteiligten nicht unproblematisch ist. Es fehlt solchen Vereinbarungen ein verlässlicher Rechtsrahmen, der die Rechtsverbindlichkeit regelt und die Legitimation sowie die traditionellen Rollen der Sozialpartner, d.h. der Arbeitgeber und der legitimierten Arbeitnehmervertreter, berücksichtigt. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch der Vorschlag über die Bereitstellung für einen optionalen Rahmen für transnationale Kollektivverhandlungen, den die Kommission in ihrer Mitteilung zur Sozialpolitischen Agenda für den Zeitraum 2005-2010 angekündigt hat, zu betrachten.

3.7

Der Ausschuss ist sich der Tatsache bewusst, dass die Instrumente und Strukturen der Arbeitnehmerbeteiligung auf der Ebene der Klein- und mittelständischen Unternehmen nicht im gleichen Maße wie auf der Ebene größerer Unternehmen entwickelt sind. Der Ausschuss ist jedoch der Meinung, dass trotz unterschiedlicher Voraussetzungen der partnerschaftliche Ansatz bei der Bewältigung des Wandels auch in diesen Unternehmen von großer Bedeutung ist.

4.   Die Politik der Gemeinschaft in Bezug auf den industriellen Wandel

4.1   Rechtsvorschriften

4.1.1

Es gibt bereits eine Reihe von Gemeinschaftsvorschriften, die einen direkten oder indirekten Bezug zum industriellen Wandel bzw. zu Restrukturierungen und ihren Folgen haben. In verschiedenen Richtlinien werden Informations- und Anhörungsrechte sowie der Schutz der Arbeitnehmer vor Folgen von Restrukturierungen geregelt (Europäische Betriebsräte, Europäische Aktiengesellschaft, Rahmen für Information und Anhörung auf nationaler Ebene, Insolvenz des Arbeitgebers, Betriebsübergang, Massenentlassungen, Anhörungsrechte bei Wettbewerbsverfahren).

4.1.2

All diese Rechtsvorschriften beziehen sich entweder auf einen sehr allgemeinen Rahmen für die Information und Anhörung oder punktuell auf bestimmte Folgen des Wandels bzw. von Restrukturierungen und sind mehr oder weniger losgelöst voneinander anwendbar. Aus Sicht des Ausschusses muss das Gemeinschaftsrecht auf diesen Grundstock aufbauend im Hinblick auf die Antizipierung des Wandels bewertet, konsolidiert und gegebenenfalls weiterentwickelt werden.

4.2   Industriepolitik

4.2.1

Mit ihrer Mitteilung „Den Strukturwandel begleiten: Eine Industriepolitik für die erweiterte Union“, vom April 2004 (3), hat die Kommission eine neue Ära der europäischen Industriepolitik eingeleitet. Der Ausschuss hat in seiner Stellungnahme vom Dezember 2004 die strategische Stoßrichtung der Kommission begrüßt. Hervorzuheben ist noch einmal der Paradigmenwechsel, den die Kommission vorgenommen hat und die Industriepolitik damit wieder ganz oben auf die Tagesordnung Europas gesetzt hat.

4.2.2

Aus Sicht des Ausschusses geht es nun vor allem darum, den sektoralen Ansatz zu vertiefen, der es ermöglicht, maßgeschneiderte Ansätze für die einzelnen Sektoren zu finden. Dabei sollen aber nicht nur jene Wirtschaftsbereiche erfasst werden, die sich in der Krise befinden, sondern in möglichst vielen Sektoren, die für Europa von Bedeutung sind, Analysen durchgeführt werden, um den Wandel frühzeitig entgegenzutreten und proaktiv zu gestalten. Der soziale Dialog muss dabei eine wesentliche Rolle spielen.

4.3   Sozialer Dialog

4.3.1

Der Europäische Rat hat auf seiner Frühjahrstagung 2004 die Mitgliedstaaten aufgerufen, Partnerschaften für den Wandel einzugehen, die die Sozialpartner, die Zivilgesellschaft und die staatlichen Stellen einbeziehen.

4.3.2

Im Hinblick auf diesen Aufruf und die Halbzeitbilanz der Lissabon-Strategie hat die Kommission ihre Mitteilung „Partnerschaft für den Wandel in einem erweiterten Europa — Verbesserung des Beitrags des europäischen sozialen Dialogs“ veröffentlicht (4).

4.3.3

Zweck dieser Mitteilung ist es, für die Ergebnisse des europäischen sozialen Dialogs zu sensibilisieren und das Verständnis zu fördern, ihre Wirkung zu verstärken und weitere Entwicklungen voranzubringen, die auf einer wirksamen Interaktion zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf verschiedenen Ebenen beruhen.

4.3.4

In ihrer Mitteilung fordert die Kommission, der soziale Dialog müsse konkrete Ergebnisse bringen. Dementsprechend empfiehlt sie den Sozialpartnern, die von ihnen erarbeiteten Texte stärker publik zu machen, sie transparenter zu gestalten und wirkungsvoller zu formulieren (zum Beispiel durch Benutzung einer leicht verständlichen Sprache), ein Follow-up zu praktizieren und die Textkategorien zu vereinheitlichen. Zu erwähnen ist in diesem Kontext, dass die Wirksamkeit des europäischen sozialen Dialogs zunehmend determiniert wird durch die Qualität der Arbeitsbeziehungen auf nationaler Ebene.

4.3.5

Die Kommission macht darin eine Reihe von Vorschlägen, die die Synergien der verschiedenen Ebenen (europäische, nationale, sektorale, Unternehmen) verstärken sollen sowie zur Stärkung der Strukturen des sozialen Dialogs und dessen Wirkung und der Folgemaßnahmen.

4.3.6

Der Ausschuss will zu diesem Zeitpunkt die Vorschläge der Kommission nicht näher kommentieren, da sich zunächst die Sozialpartner im Rahmen ihrer Autonomie damit beschäftigen müssen.

4.3.6.1

Er begrüßt jedoch jegliche Anstrengungen, die das Ziel verfolgen, den sozialen Dialog zu stärken. Dies gilt insbesondere für die Entwicklung des sozialen Dialogs in den neuen Mitgliedstaaten, wo noch erhebliche Defizite herrschen. Er weist darauf hin, dass zum Beispiel hinsichtlich der Ausbildung, der Stärkung der Strukturen sowie der technischen Unterstützung umfangreiche Anstrengungen notwendig sind, vor allem auch finanzieller Natur. Der Vorschlag der Kommission, auch einen Teil der Mittel der Strukturfonds dafür zu verwenden, erscheint in diesem Zusammenhang logisch und konsequent.

In den neuen Mitgliedstaaten führen Umstrukturierungsprozesse zu erheblichem Stellenabbau und gehen zum Großteil mit der Privatisierung von Unternehmen einher. Ein funktionierender sozialer Dialog ist notwendig, um bereits im Vorfeld dieser Prozesse entsprechende Sozialpakete auszuhandeln und deren rechtliche Durchsetzbarkeit zu gewährleisten.

4.3.6.2

Er unterstützt auch die Absicht der Kommission neue Sektoren zu ermutigen, einen sozialen Dialog aufzunehmen und Beiträge zu leisten, die Lissabonner Zielsetzungen zu verwirklichen.

4.4   Umstrukturierung und Beschäftigung

4.4.1

Die am 9. Februar 2005 angenommene Sozialagenda sieht — ebenso wie die Mitteilung zur Überprüfung der Strategie für nachhaltige Entwicklung — vor, dass die Kommission eine Strategie zur Bewältigung von Umstrukturierungsprozessen entwickelt und dabei auf eine bessere Interaktion der einschlägigen europäischen Politiken, auf eine stärkere Einbeziehung der Sozialpartner, auf eine größere Synergie zwischen Politiken und Finanzierungsinstrumenten und auf eine Anpassung der rechtlichen und tarifvertraglichen Rahmenbedingungen setzt.

4.4.2

In der, von der Kommission am 31. März 2005 vorgelegten, Mitteilung „Umstrukturierung und Beschäftigung“ (5) wird dargelegt, welche Maßnahmen die Union auf den Weg bringen oder verstärken muss, um das ihr zur Verfügung stehende Potenzial zu mobilisieren. Dabei wird sowohl eine horizontale als auch eine sektorale Perspektive eingenommen und eine Reihe von Maßnahmen in verschiedenen Politikbereichen der Gemeinschaft vorgeschlagen.

4.4.3

Der Ausschuss wird sich in einer gesonderten Stellungnahme zu dieser Mitteilung äußern. Er begrüßt jedenfalls den umfassenden bereichsübergreifenden Ansatz, den die Kommission gewählt hat. Unter dem Blickpunkt der gegenwärtigen Stellungnahme sind einige Vorschläge der Kommission hervorzuheben.

4.4.3.1

Ein besonderes Augenmerk gilt dem Ausbau des sektoralen sozialen Dialogs. Der Ausschuss teilt die Auffassung der Kommission, dass die Sozialpartner aufgrund ihrer Branchenkenntnisse eine besondere Warnfunktion ausüben können. Dieses Instrument sollte jedoch nicht nur in Krisensituationen greifen, sondern alle Situationen erfassen, in denen die Sozialpartner Handlungsbedarf sehen und nicht nur wenn sie „eine Besorgnis erregende Entwicklung“ sehen. Dies würde den Anforderungen zur Antizipation und Begleitung von Umstrukturierungsprozessen mehr entsprechen.

4.4.3.2

Der angekündigten Mitteilung über die soziale Verantwortung der Unternehmen, welche insbesondere positive Initiativen betreffen wird, die die Unternehmen in Abstimmung mit den betroffenen Parteien im Fall einer Umstrukturierung ergreifen, sieht der Ausschuss mit Interesse entgegen. Gilt es doch, neben der Weiterentwicklung der rechtlichen Grundlagen, auch darüber hinausgehende gute Praktiken der Bewältigung des Wandels publik zu machen und zu fördern. Vor allem weist der Ausschuss darauf hin, dass auch indirekt Betroffene von Restrukturierungen einzelner Unternehmen (z.B. Zulieferbetriebe, Dienstleistungsanbieter etc.) in den Prozessen berücksichtigt werden müssen.

4.4.3.3

Der Ausschuss begrüßt außerdem die Einrichtung eines „Forums für Umstrukturierungen“. Diesem soll die Aufgabe zukommen, die einschlägigen Entwicklungen zu verfolgen und die Abstimmung der einzelnen Initiativen zu fördern. In diesem Forum werden neben der Kommission auch andere europäische Organe sowie die Sozialpartner und Vertreter aus Wissenschaftskreisen einbezogen. Dies entspricht einer Fortsetzung des politikübergreifenden Ansatzes der Mitteilung. Der Ausschuss arbeitet gerne an dem Forum mit und wird seine Kompetenz einbringen.

4.4.3.4

Die Kommission plant zudem, eine zweite Phase der Anhörung der Sozialpartner zu den Themen Unternehmensumstrukturierungen und Europäische Betriebsräte. Wie schon in den Punkten 2.2, 3.5 und 3.6 erwähnt, sieht der Ausschuss Handlungsbedarf bei diesen Themenkomplexen.

5.   Schlussfolgerungen

5.1

Die erfolgreiche Bewältigung des industriellen Wandels und damit verbunden die Erhaltung und Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und Sektoren sind eine entscheidende Herausforderung, der sich Europa stellen muss und tragen entscheidend zum Erreichen der Ziele des Lissabon-Prozesses bei.

Der Erfolg dieses Wandlungsprozesses misst sich nicht nur an der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens oder Sektors, sondern auch an der erfolgreichen Sicherung von Arbeitsplätzen und der sozialen Bewältigung negativer Folgen.

5.2

Neben einer Vielzahl von Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen spielen der soziale Dialog und die Einbeziehung und Mitwirkung der Arbeitnehmer eine Schlüsselrolle bei der erfolgreichen Gestaltung des industriellen Wandels.

5.3

Der soziale Dialog muss auf einer gefestigten und vertrauensvollen Partnerschaft und Dialogkultur aufbauen und repräsentative und stabile Strukturen aufweisen. Der Ausschuss begrüßt jegliche Anstrengungen, die das Ziel verfolgen, den sozialen Dialog zu stärken. Dies gilt insbesondere für die Entwicklung des sozialen Dialogs in den neuen Mitgliedstaaten, wo noch erhebliche Defizite herrschen.

5.4

Die analytischen Instrumente, die den Sozialpartnern zur Verfügung stehen, müssen verstärkt werden. Das European Monitoring Centre on Change der Dubliner Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

5.5

Die sektorspezifischen Initiativen der EU, die ausgehend von der Analyse der Situation und Perspektiven eines Sektors in einem umfangreichen Konsultationsprozess unter Einbeziehung der Sozialpartner, konkrete Empfehlungen für Maßnahmen zum Erlangen und Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit entwerfen, sind von großer Bedeutung. Der Ausschuss unterstützt daher die Absicht der Kommission neue Sektoren zu ermutigen, einen sozialen Dialog aufzunehmen und Beiträge zu leisten, die Lissabonner Zielsetzungen zu verwirklichen.

5.5.1

Dabei sollen aber nicht nur jene Wirtschaftsbereiche erfasst werden, die sich in der Krise befinden, sondern in möglichst vielen Sektoren, die für Europa von Bedeutung sind Analysen durchgeführt werden, um den Wandel frühzeitig entgegenzutreten und proaktiv zu gestalten.

5.6

Die Einbeziehung und Mitwirkung der Arbeitnehmer sowie ihrer betrieblichen Arbeitnehmervertreter und ihrer Gewerkschaften sind ein wesentlicher Beitrag zur sozial verträglichen Bewältigung und Gestaltung des Wandels auf Unternehmensebene. Dies fördert unter anderem die Innovation und letzten Endes auch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.

5.7

Europäische Betriebsräte spielen dabei eine besondere Rolle. Es ist davon auszugehen, dass sich der transnationale soziale Dialog auf Unternehmensebene dynamisch weiter entwickelt, wie Beispiele für Vereinbarungen über Restrukturierungsmaßnahmen, die Unternehmen mit Europäischen Betriebsräten oder mit europäischen Gewerkschaftsverbänden getroffen haben, zeigen. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch der Vorschlag über die Bereitstellung für einen optionalen Rahmen für transnationale Kollektivverhandlungen, den die Kommission in ihrer Mitteilung zur Sozialpolitischen Agenda für den Zeitraum 2005-2010 angekündigt hat, zu betrachten.

5.8

Der Ausschuss begrüßt den umfassenden bereichsübergreifenden Ansatz, den die Kommission in der am 31. März 2005 vorgelegten Mitteilung „Umstrukturierung und Beschäftigung“ (6), gewählt hat. Ein besonderes Augenmerk gilt dem Ausbau des sektoralen sozialen Dialogs, der einen wichtigen Beitrag zur Antizipation und Begleitung von Umstrukturierungsprozessen leisten kann.

5.8.1

Der angekündigten Mitteilung über die soziale Verantwortung der Unternehmen sieht der Ausschuss mit Interesse entgegen.

5.8.2

Der Ausschuss arbeitet gerne an dem Forum für Umstrukturierungen mit und wird seine Kompetenz einbringen.

Brüssel, den 29. September 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  (CCMI/002); Berichterstatter: Herr Van Iersel; Mitberichterstatter: Herr Varea Nieto.

(2)  Ibidem, § 1.7.

(3)  KOM(2004) 274 endg., 20.4.2004.

(4)  KOM(2004) 557 endg.

(5)  KOM(2005) 120 endg.

(6)  KOM(2005) 120 endg.