16.8.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 192/1


Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zu dem „Geänderten Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße“

(2006/C 192/01)

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN

aufgrund des „Geänderten Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße“ (KOM(2005) 319 endg. — 2000/0212 (COD));

aufgrund des Beschlusses des Rates vom 27. September 2005, den Ausschuss der Regionen gemäß Artikel 265 Absatz 1 und Artikel 71 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu diesem Thema zu ersuchen;

aufgrund des Beschlusses seines Präsidenten vom 23. März 2005, die Fachkommission für Kohäsionspolitik mit der Ausarbeitung einer diesbezüglichen Stellungnahme zu beauftragen;

gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 des Rates vom 26. Juni 1969 über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs, zuletzt geändert durch die Richtlinie (EWG) Nr. 1893/91;

gestützt auf den Vorschlag für eine Verordnung KOM(2000) 7 endg., geändert durch KOM(2002) 107 endg., über Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Anforderungen des öffentlichen Dienstes und der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für den Personenverkehr auf der Schiene, der Straße und auf Binnenschifffahrtswegen;

gestützt auf seine Stellungnahme zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Anforderungen des öffentlichen Dienstes und der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für den Personenverkehr auf der Schiene, der Straße und auf Binnenschifffahrtswegen“ (CdR 292/2000 fin (1)) (KOM(2000) 7 endg. — 2000/0212 (COD));

gestützt auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 24. Juli 2003 in der Rechtssache C-280/00 Altmark Trans GmbH und Regierungspräsidium Magdeburg gegen Nahverkehrsgesellschaft Altmark GmbH und das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 11. Januar 2005 in der Rechtssache C-26/03 Stadt Halle — RPL Recyclingpark Lochau GmbH gegen Arbeitsgemeinschaft Thermische Restabfall- und Energieverwertungsanlage TREA Leuna;

gestützt auf den von der Fachkommission für Kohäsionspolitik am 2. Dezember 2005 angenommenen Entwurf einer Stellungnahme (CdR 255/2005 rev. 1) (Berichterstatter: Bernard Soulage, Erster Vizepräsident des Regionalrates Rhône-Alpes (FR/SPE));

verabschiedete auf seiner 63. Plenartagung am 15./16. Februar 2006 (Sitzung vom 16. Februar) folgende Stellungnahme:

I.   Allgemeine Bemerkungen

Der Ausschuss der Regionen

vertritt die Auffassung, dass der öffentliche Verkehr durch die Vereinheitlichung der Wettbewerbsbedingungen und eine Verbesserung der Rechtssicherheit gefördert wird;

ist der Ansicht, dass die Wettbewerbsbedingungen für die Erbringung von öffentlichen Verkehrsdienstleistungen harmonisiert und klargestellt werden müssen, um eine größere Transparenz hinsichtlich der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und der Vergütung der Dienstleistungen sicherzustellen.

1.   In Bezug auf die vertragliche Festlegung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen

1.1

befürwortet der Ausschuss die Anerkennung der Besonderheit der staatlichen Beihilfen für die Erbringung wirtschaftlicher Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und die Begriffsbestimmung für öffentliche Dienstleistungsaufträge, mit der die Rechte und Verpflichtungen aller Beteiligten klar darlegt werden;

1.2

begrüßt der Ausschuss die neutrale Formulierung der Verordnung im Zusammenhang mit den von den jeder einzelnen zuständigen Behörde verfolgten sozialen und territorialen Zielen;

1.3

spricht sich der Ausschuss für die Vertragslogik aus, in der die Bedeutung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen für die Verwirklichung der Ziele des sozialen und territorialen Zusammenhalts anerkannt wird. Mittels der öffentlichen Dienstleistungsverträgen können die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und ihre Kosten in transparenter Weise dargelegt werden.

2.   In Bezug auf die Organisation der Dienstleistungen

2.1

befürwortet der Ausschuss, dass den nachgeordneten Gebietskörperschaften in dem Verordnungsvorschlag unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips der erforderliche flexible Handlungsspielraum geboten wird, um der Besonderheit und der Komplexität der lokalen Bedürfnisse bezüglich öffentlicher Verkehrsdienstleistungen im Zusammenhang mit den Zielen des sozialen und territorialen Zusammenhalts der Gebietskörperschaften bestmöglich Rechnung zu tragen;

2.2

bekräftigt der Ausschuss sein Bekenntnis zum Grundsatz der Selbstverwaltung der lokalen Gebietskörperschaften, mit dem diesen das Recht zugestanden wird, souverän über die Art der Erbringung der öffentlichen Verkehrsdienstleistungen zu entscheiden, wie dies in der Rechtsordnung der meisten Mitgliedstaaten der Fall ist;

2.3

begrüßt der Ausschuss die freie Wahl der Handhabung der Dienstleistungserbringung für die zuständigen Behörden. Dies ist ein erster Schritt zur Berücksichtigung der vielfältigen örtlichen Anforderungen und der mannigfaltigen Produktionsbedingungen;

2.4

unterstützt der Ausschuss grundsätzlich die Bestimmung hinsichtlich der geographischen Eingrenzung der Tätigkeit interner Betreiber (siehe Artikel 5 Absatz 2), mit der der Verdacht auf „unvereinbare“ staatliche Beihilfen weitgehend ausgeräumt werden kann, gleichzeitig jedoch die Möglichkeit der Vergabe an einen internen Betreiber sichergestellt wird. Der Grundsatz der geographischen Eingrenzung schränkt seiner Meinung nach die Möglichkeit für eine Gebietskörperschaft nicht ein, die Kontinuität bestimmter Verkehrsdienste über die Grenzen ihres Verwaltungsgebietes hinaus sicherzustellen;

2.5

wiederholt der Ausschuss seine Befürwortung einer Marktöffnung im öffentlichen Nahverkehr gemäß den Grundsätzen eines „regulierten Wettbewerbs“, der zum einen die Notwendigkeit bekräftigt, den Bedürfnissen der verwundbarsten Teile der Gesellschaft und der in einem benachteiligten Umfeld lebenden Arbeitsuchenden gerecht zu werden, und zugleich auch ökologisch nachhaltig ist;

2.6

begrüßt der Ausschuss die Anerkennung der Zuständigkeit der zuständigen Behörden für die vertragsmäßige Gestaltung der Dienstleistungsaufträge. Die zuständigen Behörden können zwischen der Vergabe eines oder mehrerer Verträge für die Verkehrsbedienung wählen und haben auch in Bezug auf die Aufteilung der Risken freie Hand;

2.7

stimmt der Ausschuss der vorgeschlagenen Flexibilität bei der Auftragsvergabe zu: Der Dienstleistungsvertrag kann Gegenstand von Verhandlungen sein (Artikel 5 Absatz 3) oder im Fall einer Unterbrechung des Verkehrsdienstes direkt vergeben werden (Artikel 5 Absatz 5);

2.8

stellt der Ausschuss mit Befremden fest, dass der Personennahverkehr auf Binnenwasserstraßen und Seewegen in diesem neuen Verordnungsvorschlag nicht berücksichtigt wurde. Er bedauert, dass der Verordnungsvorschlag nicht auch für die öffentlichen Personenverkehrsdienste auf Binnenschifffahrtswegen gilt, sind diese doch Teil des öffentlichen Nahverkehrsnetzes.

3.   In Bezug auf die Erbringung von Verkehrsdiensten

3.1

hält der Ausschuss fest, dass Privatinitiativen auf den auf einzelstaatlicher Ebene deregulierten Märkten für öffentliche Personenverkehrsdienste durch den Verordnungsvorschlag nicht eingeschränkt werden (keine ausschließlichen Rechte und keine Ausgleichsleistungen);

3.2

vertritt der Ausschuss die Auffassung, dass der Verordnungsvorschlag die Herausbildung neuer marktbeherrschender Stellungen im öffentlichen Personennahverkehrsnetz verhindern und den Zugang der KMU zu diesem Markt sicherstellen kann;

3.3

zeigt sich der Ausschuss angesichts des vorgeschlagenen ausgewogenen Kräfteverhältnisses zwischen den zuständigen Behörden und den großen Verkehrsunternehmen zufrieden. Für die Gewährleistung eines reibungslos funktionierenden Nahverkehrs müssen die Regionen einen starken Einfluss auf die Planung und Organisation der öffentlichen Personenverkehrsdienste ausüben. Der ständig ansteigende Berufspendelverkehr stellt gleichzeitig hohe Anforderungen an die Koordinierung zwischen der nationalen und der regionalen Ebene bei der öffentlichen Auftragsvergabe im Bereich öffentlicher Personenverkehrsdienste;

3.4

befürwortet der Ausschuss, dass der Eisenbahnregional- und -fernverkehr von den Bestimmungen von Artikel 5 ausgenommen wird;

3.5

hinterfragt der Ausschuss die Umsetzung der vorgeschlagenen Bestimmungen für die Bewertung der Frage, ob es sich lediglich um eine Ausgleichsleistung für die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen handelt. Die Schwierigkeit (ja Unmöglichkeit) dieser Bewertung könnte zu Rechtsunsicherheit führen;

3.6

merkt der Ausschuss an, dass keinerlei Rahmen für die Direktvergabe von Aufträgen im Eisenbahnregional- oder -fernverkehr vorgesehen ist. Einige Unternehmen werden sowohl im Direktverfahren vergebene Dienstleistungsaufträge für den Regional- oder Fernverkehr erfüllen als sich auch auf Ausschreibungen bewerben. Es gilt, auf etwaige Wettbewerbsverzerrungen zu achten.

4.   In Bezug auf die Form des Textes

4.1

bringt der Ausschuss seine Verwunderung darüber zum Ausdruck, dass die Europäische Kommission die Wahl des verbindlichsten gemeinschaftsrechtlichsten Instruments, und zwar die Verordnung, in keiner Weise rechtfertigt;

4.2

hält fest, dass der Verordnungsvorschlag aufgrund der unterschiedlichen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten oftmals ungenaue Begriffsbestimmungen enthält, überlässt es jedoch den Mitgliedstaaten, diese in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet zu präzisieren. Dies gilt insbesondere für die Bestimmung des Begriffs „Stadtgebiet“ (Artikel 2 Buchst. (m)), für den die Zone, in der Verkehrsbedürfnisse bestehen, nur selten mit dem tatsächlichen Zuständigkeitsbereich der Behörde übereinstimmt.

II.   Empfehlungen

Änderungsanträge

Empfehlung 1

Artikel 1 Ziffer 2

Von der Kommission vorgeschlagener Text

Änderungsvorschlag des AdR

2.

Diese Verordnung gilt für den innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Personenverkehr mit der Eisenbahn und andere Arten des Schienenverkehrs sowie auf der Straße, mit Ausnahme von Verkehrsdiensten, die hauptsächlich aus Gründen historischen Interesses oder zu touristischen Zwecken betrieben werden.

2.

Diese Verordnung gilt für den innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Personenverkehr mit der Eisenbahn und andere Arten des Schienenverkehrs sowie auf der Straße, mit Ausnahme von Verkehrsdiensten, die hauptsächlich aus Gründen historischen Interesses oder zu touristischen Zwecken betrieben werden.

Begründung

Im Zusammenhang mit dem Anwendungsbereich des Verordnungsvorschlags bedauert der Ausschuss den verkehrsträgerbezogenen Ansatz, mit dem die Bedeutung der Förderung der Intermodalität im Rahmen der integrierten Beförderungsmaßnahmen auf kommunaler Ebene unterschätzt wird. Der Ausschuss schlägt vor, die Aspekte der Intermodalität zu berücksichtigen, um die Gebietskörperschaften dazu anzuhalten, die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen in Form von Dienstleistungsaufträgen an Multimodal-Systeme zu vergeben (U-Bahn, Straßenbahn, Bus, Standseilbahn, Wasserwege, Parkplätze, Fahrrad- und Autoverleih, multimodale Bahnhöfe, Informationssysteme usw.).

Empfehlung 2

Artikel 2 Buchstabe (j): Begriffsbestimmungen

Von der Kommission vorgeschlagener Text

Änderungsvorschlag des AdR

(j)

„interner Betreiber“ ist ein Betreiber, über den die zuständige Behörde die vollständige Kontrolle ausübt, die der über ihre eigenen Dienststellen entspricht. Um festzustellen, ob eine solche Kontrolle gegeben ist, sind Faktoren heranzuziehen wie die Vertretung in Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsgremien, entsprechende Festlegungen der Satzung, Eigentumsrechte, tatsächlicher Einfluss auf und tatsächliche Kontrolle von strategischen Entscheidungen und einzelnen Managemententscheidungen;

(j)

„interner Betreiber“ ist ein Betreiber, über den die zuständige Behörde die vollständige Kontrolle ausübt, die der über ihre eigenen Dienststellen entspricht. Um festzustellen, ob eine solche Kontrolle gegeben ist, sind Faktoren heranzuziehen wie die Vertretung in Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsgremien, entsprechende Festlegungen der Satzung, Eigentumsrechte, tatsächlicher Einfluss auf und tatsächliche Kontrolle von strategischen Entscheidungen und einzelnen Managemententscheidungen; . Die Eigenschaft eines internen Betreibers schließt jedwede Beteiligung eines Privatunternehmens mit mehr als 33% am Kapital des Dienstleisters aus. Direktvergabe an den internen Betreiber ist auch dann möglich, wenn abweichend von Artikel 2 (j) der interne Betreiber zum Zwecke der Restrukturierung eine Kooperation mit einem externen Betreiber eingeht, auf den die Behörde keine Kontrolle ausübt. Nach Ablauf des in vorstehendem Fall direkt vergebenen Auftrags kommt der interne Betreiber für eine erneute Direktvergabe nicht mehr in Betracht;

Begründung

Im Zusammenhang mit der Begriffsbestimmung für die internen Betreiber fordert der Ausschuss eine größere Genauigkeit bei der Bestimmung des Begriffs an sich wie auch bei den Vorschriften für die Kontrolle der Gebietskörperschaft über diesen Betreiber.

Mit der ursprünglichen Empfehlung wird im Grunde die Rechtsprechung des Urteils „Stadt Halle“ vom 11. Januar 2005 (Rechtssache C-26/03) bekräftigt, in dem es in Ziffer 49 heißt: „[…] schließt dieauch nur minderheitlicheBeteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital einer Gesellschaft, an der auch der betreffende öffentliche Auftraggeber beteiligt ist, es auf jeden Fall aus, dass der öffentliche Auftraggeber über diese Gesellschaft eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen.“

Konkret bedeutet das Urteil „Stadt Halle“, dass die Beteiligung eines jedweden privaten Akteurs an einem lokalen oder regionalen öffentlichen Unternehmen unabhängig von der Höhe der Beteiligung zwangsläufig zur Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge führt, die mit extrem hohem Verwaltungsaufwand verbunden sind. Weiterhin bedeutet dies de facto eine Antastung der in Artikel 295 EGV festgelegten Neutralität in Bezug auf das Eigentum sowie eine Einschränkung des Handlungsrahmens öffentlich-privater Partnerschaften (ÖPP). Das Urteil „Stadt Halle“ schafft mehr Probleme für gemischtwirtschaftliches Unternehmen als es löst.

Daher fordert der AdR die europäischen Rechtsetzungsinstanzen auf, nicht stillschweigend hinzunehmen, dass das Gemeinschaftsrecht von der Rechtsprechung der Gemeinschaft diktiert wird, und eine Obergrenze vorzuschlagen, unterhalb derer davon ausgegangen wird, dass die zuständige Behörde eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und somit auf die Einleitung eines Ausschreibungsverfahrens verzichten könnte.

Der Verordnungsentwurf dient der Schaffung eines regulierten Wettbewerbsmarktes in der Europäischen Union. Dies setzt funktionierende Unternehmen — ob privat oder öffentlich — voraus. Die Beihilferegeln des EG-Vertrags sollen verhindern, dass staatliche Stellen den Wettbewerb mit öffentlichen Mitteln zugunsten bestimmter Unternehmen verzerren. Sie sollen aber nicht dazu dienen, öffentliche Unternehmen von Markt zu verdrängen. Damit sich öffentliche Verkehrsunternehmen auf die Öffnung des Marktes vorbereiten können, bedarf es Übergangsbestimmungen; andernfalls sind sie aufgrund der in der Vergangenheit mit dem öffentlichen Auftrag verbundenen „Lasten“ (wie z.B. Tariflöhne, Bedienungsangebote in nachfrageschwachen Zeiten und für bestimmte Bevölkerungsgruppen) gegenüber privaten Unternehmen benachteiligt. Es sollte daher öffentlichen Unternehmen in einem definierten Übergangszeitraum gestattet werden, durch Beteiligung von privatem Kapitel die Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen, ohne dass dies — innerhalb der Übergangsfrist — automatisch zu einem Ausschreibungszwang führt. Ansonsten bliebe für öffentliche Unternehmen nur der Zwang zur Privatisierung oder der Verzicht auf effizientere Strukturen. Da sich die Kommission an anderer Stelle im Verordnungsentwurf zu Lasten des internen Betreibers über die Rechtsprechung des EuGH („Teckal“-Urteil bezüglich der geografischen Eingrenzung) hinwegsetzen will (unter Hinweis auf ihre Rolle als Initiatorin von Gesetzgebungsverfahren), sollte der AdR seinerseits nicht davor zurückschrecken, im Interesse der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften die Rechtsprechung des EuGH („Stadt Halle“-Urteil bezüglich der Vorgaben für Direktvergabe) zu modifizieren.

Empfehlung 3

Artikel 2 Buchstabe (m): Begriffsbestimmungen

Von der Kommission vorgeschlagener Text

Änderungsvorschlag des AdR

(m)

„Regional- oder Fernverkehr“ ist jeder Verkehrsdienst, der nicht zur Erfüllung der Verkehrsbedürfnisse eines Stadtgebiets oder eines Ballungsgebietes oder zur Verbindung eines Ballungsgebietes mit seinem Einzugsbereich bestimmt ist.

(m)

„Regional- oder Fernverkehr“ ist jeder Verkehrsdienst, der nicht zur Erfüllung der Verkehrsbedürfnisse eines Stadtgebiets oder eines Ballungsgebietes oder zur Verbindung eines Ballungsgebietes mit seinem Einzugsbereich bestimmt kein spezieller Stadt- oder Vorortverkehrsdienst ist.

Begründung

In Bezug auf die in Artikel 5 Absatz 6 enthaltene Ausnahmeregelung wäre es bedauerlich, wenn in diesem Bereich aufgrund unterschiedlicher Auslegungen eine Rechtsunsicherheit geschaffen wird. Der Ausschuss schlägt daher zur Verbesserung der Regional- oder Fernverkehrsdienstleistungen vor, entweder im Text selbst zu präzisieren, dass die Mitgliedstaaten ihrerseits die Dienstleistungen festlegen müssen, die unter Artikel 2 Buchstabe (m) fallen, oder eine Begriffsbestimmung zu wählen, die juristische bewährte Konzepte enthält. In diesem Fall schlägt der Ausschuss vor, die Begriffsbestimmung auf der Grundlage des geographisch bedingten Verkehrsbedarfs („Ballungsraum“, „Stadtgebiet, ‚Einzugsbereich‘) durch eine dienstleistungsbezogene Begriffbestimmung zu ersetzen, die insbesondere mit den ‚Eisenbahnpaketen‘ im Einklang steht. In den Richtlinien (EG) Nr. 2001/13 (Artikel 1 Absatz 2 Buchst. b) und (EG) Nr. 2001/14 (Artikel 1 Absatz 3 Buchst. b) ist in diesem Zusammenhang von ‚Personenverkehrsdiensten im Stadtverkehr oder Vorortverkehr‘“ die Rede. Seit 1991 besteht auch in der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 (Artikel 1 Absatz 1.), geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 1893/91, eine begriffliche Einteilung nach Dienstleistungen.

Empfehlung 4

In Bezug auf Vorhaben, auf die die Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Aufträge Anwendung finden,

fordert der Ausschuss eine klare Vorrangregel für die Bestimmungen des Verordnungsentwurfes gegenüber den Regeln der allgemeinen Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Aufträge nach dem Grundsatz speziellerer Rechtsnormen (lex specialis);

schlägt der Ausschuss vor, dass die Vergabe von Konzessionen Gegenstand präziser Bestimmungen in dieser Verordnung ist, in denen ihre Regelung im Vergleich zu den Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Richtlinie 93/37/EWG und 2004/18/EG) erläutert wird;

fordert der Ausschuss, dass BOT-Verträge (Built Operate and TransferBauen Betreiben Zurückgeben) in Artikel 5 Absatz 1 und Artikel 8 Absatz 1 ausdrücklich behandelt werden. In der Verordnung müssen unbedingt die rechtlichen Bedingungen für den Fall festgelegt werden, dass ein ausschließliches Recht (und/oder eine Ausgleichsleistung) mit umfangreichen Infrastrukturarbeiten verbunden ist.

Empfehlung 5

Artikel 4 Absatz 6

Von der Kommission vorgeschlagener Text

Änderungsvorschlag des AdR

6.

Falls erforderlich kann die Laufzeit des Auftrags unter Berücksichtigung der Amortisationsdauer der Wirtschaftsgüter höchstens um die Hälfte verlängert werden, wenn der Betreiber einen wesentlichen Anteil der für die Erbringung der Verkehrsdienste, die Gegenstand des öffentlichen Dienstleistungsauftrags sind, insgesamt erforderlichen Wirtschaftsgüter bereitstellt und diese ausschließlich an die betreffenden Verkehrsdienste gebunden sind.

6.

Falls erforderlich kann die Laufzeit des Auftrags unter Berücksichtigung der Amortisationsdauer der Wirtschaftsgüter höchstens um die Hälfte verlängert werden, wenn der Betreiber einen wesentlichen Anteil der für die Erbringung der Verkehrsdienste, die Gegenstand des öffentlichen Dienstleistungsauftrags sind, insgesamt erforderlichen Wirtschaftsgüter bereitstellt und diese ausschließlich an die betreffenden Verkehrsdienste gebunden sind. Materielle und immaterielle Investitionen können eine Verlängerung der Vertragslaufzeit rechtfertigen, wenn ein Sekundärmarkt besteht oder ihr Restwert zu Vertragsende ohne Schwierigkeiten geschätzt werden kann.

Begründung

Die in Artikel 4 Absatz 6 enthaltene Ausnahmeregelung für die Amortisationsdauer der Wirtschaftsgüter darf die Wettbewerbsdynamik keinesfalls bremsen, indem die Vertragslaufzeit ohne wirtschaftlich begründete Rechtfertigung verlängert wird.

Empfehlung 6

Artikel 4 (neuen Absatz hinzufügen)

Änderungsvorschlag des AdR

4.8

Absätze 5 und 6 dieses Artikels finden keine Anwendung, wenn die Richtlinien über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen gelten. In diesem Fall wird die Laufzeit öffentlicher Dienstleistungsaufträge auf höchstens 30 Jahre ab dem tatsächlichen Beginn der Arbeiten festgelegt.

Begründung

Der Ausschuss schlägt vor, die Vergabe von Arbeits- und Betriebskonzessionen in einem gesonderten Artikel zu regeln, da die Betriebsdauer ein grundlegender Parameter für die wirtschaftliche Ausgewogenheit eines Vorhabens ist. Für diesen Fall muss eine Abweichung von der im Verordnungsvorschlag vorgesehenen Maximallaufzeit von 22,5 Jahren festgelegt werden.

Empfehlung 7

Artikel 5 Absatz 4

Von der Kommission vorgeschlagener Text

Änderungsvorschlag des AdR

4.

Die zuständigen Behörden können entscheiden, öffentliche Dienstleistungsaufträge für Dienste mit einem geschätzten jährlichen Durchschnittswert unter einer Million EUR oder einer jährlichen Verkehrsleistung von weniger als 300 000 km direkt zu vergeben.

4.

Die zuständigen Behörden können entscheiden, öffentliche Dienstleistungsaufträge für Dienste mit einem geschätzten jährlichen Durchschnittswert unter einer 1,5 Millionen EUR je Unternehmen oder einer jährlichen Verkehrsleistung von weniger als 3 500 000 km direkt zu vergeben.

Begründung

Der Ausschuss schlägt vor, die Direktvergabe mehrerer Aufträge an einen einzigen Dienstleister durch die zuständige Behörde ausdrücklich zu untersagen, wenn der Gesamtbetrag des Vertrags die in Artikel 5 Absatz 4 genannte Höchstgrenze übersteigt. Dieser Artikel darf keinesfalls dazu dienen, die Verpflichtung zur Ausschreibung zu umgehen, sondern soll angewendet werden, um die Verhängung von Transaktionskosten für eine Ausschreibung zu vermeiden, wenn es sich bei der vergebenen Dienstleistung um eine „geringfügige“ Dienstleistung handelt oder wenn die zuständige Behörde die Ausschreibung aufgrund des damit verbundenen Konkurrenzdrucks durch einen Vergleich mehrerer „kleiner Anbieter“ in ihrem Gebiet ersetzt. Der Ausschuss regt außerdem an, dass die Festlegung der Obergrenzen von jedem einzelnen Mitgliedstaat aufgrund der einzelstaatlichen Wirtschaftsbedingungen vorgenommen wird.

Empfehlung 8

Artikel 8 Absatz 2 und 3

Von der Kommission vorgeschlagener Text

Änderungsvorschlag des AdR

2.

 Jede zuständige Behörde stellt sicher, dass

a)

 binnen vier Jahren nach Inkrafttreten dieser Verordnung gemessen am Wert mindestens die Hälfte ihrer öffentlichen Dienstleistungsaufträge für Busverkehrsdienste nach den Bestimmungen dieser Verordnung vergeben werden und

b)

 binnen acht Jahren nach Inkrafttreten dieser Verordnung alle ihre öffentlichen Dienstleistungsaufträge für Busverkehrsdienste nach den Bestimmungen dieser Verordnung vergeben werden.

3.

 Jede zuständige Behörde stellt sicher, dass

a)

 binnen fünf Jahren nach Inkrafttreten dieser Verordnung gemessen am Wert mindestens die Hälfte ihrer öffentlichen Dienstleistungsaufträge für Schienenverkehrsdienste nach den Bestimmungen dieser Verordnung vergeben werden und

b)

 binnen zehn Jahren nach Inkrafttreten dieser Verordnung alle ihre öffentlichen Dienstleistungsaufträge für Schienenverkehrsdienste nach den Bestimmungen dieser Verordnung vergeben werden.

2.

 Jede zuständige Behörde stellt sicher, dass

a)

 binnen vier Jahren nach Inkrafttreten dieser Verordnung gemessen am Wert mindestens die Hälfte ihrer alle öffentlichen Dienstleistungsaufträge für Busverkehrsdienste nach den Bestimmungen von Artikel 4 dieser Verordnung vergeben werden entsprechen und

b)

 binnen acht Jahren nach Inkrafttreten dieser Verordnung alle ihre öffentlichen Dienstleistungsaufträge für Busverkehrsdienste nach den Bestimmungen von Artikel 5 dieser Verordnung vergeben werden.

3.

 Jede zuständige Behörde stellt sicher, dass

a)

 binnen fünf Jahren nach Inkrafttreten dieser Verordnung gemessen am Wert mindestens die Hälfte ihrer alle öffentlichen Dienstleistungsaufträge für Schienenverkehrsdienste nach den Bestimmungen von Artikel 4 dieser Verordnung vergeben werden entsprechen und

b)

 binnen zehn Jahren nach Inkrafttreten dieser Verordnung alle ihre öffentlichen Dienstleistungsaufträge für Schienenverkehrsdienste nach den Bestimmungen von Artikel 5 dieser Verordnung vergeben werden.

Begründung

In ihrer derzeitigen Fassung ziehen die beiden Absätze große Probleme für die zuständigen Behörden nach sich, die ihr Netz von einem einzigen Anbieter betreiben lassen wollen. In weniger als vier oder fünf Jahren müssten sie nämlich einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag formulieren und eine Ausschreibung vornehmen.

Empfehlung 9

Artikel 8 Absatz 5

Von der Kommission vorgeschlagener Text

Änderungsvorschlag des AdR

5.

Von den Absätzen 2, 3 und 4 ausgenommen sind Dienstleistungsaufträge, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung nach einem fairen Wettbewerbsverfahren vergeben wurden, sofern ihre Laufzeit begrenzt und mit den Laufzeiten gemäß Artikel 4 Absatz 5 vergleichbar ist. Solche Verträge können für ihre vorgesehene Laufzeit gültig bleiben.

5.

Von den Absätzen 2, 3 und 4 ausgenommen sind Dienstleistungsaufträge, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung nach einem fairen Wettbewerbsverfahren vergeben wurden, sofern ihre Laufzeit begrenzt und mit den Laufzeiten gemäß Artikel 4 Absatz 5 vergleichbar ist. Solche Verträge können für ihre vorgesehene Laufzeit gültig bleiben.

Begründung

In Bezug auf den Übergangszeitraum sollten die Verträge, die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung geschlossen wurden und die vor dem Ende des Anwendungszeitraumes dieser Verordnung auslaufen, bis zum vereinbarten Vertragsende weiterlaufen, um Gerichtsverfahren zum Ausgleich des erlittenen Schadens zu vermeiden.

Empfehlung 10

Artikel 8 Absatz 6 (streichen)

Von der Kommission vorgeschlagener Text

Änderungsvorschlag des AdR

Die zuständigen Behörden können während der zweiten Hälfte der in den Absätzen 2 und 3 genannten Übergangszeiträume Betreiber, die nicht nachweisen können, dass der Wert der öffentlichen Verkehrsdienste, für die sie gemäß dieser Verordnung einen Ausgleich erhalten oder ausschließliche Rechte genießen, nicht mindestens 50% des Werts aller von ihnen erbrachten öffentlichen Verkehrsdienste, für die sie einen Ausgleich erhalten oder ausschließliche Rechte genießen, ausmacht, von der Teilnahme an Ausschreibungsverfahren ausschließen. Dieses Kriterium gilt nicht für Aufträge, die als Notmaßnahme gemäß Artikel 5 Absatz 5 vergeben wurden.

Wenden die zuständigen Behörden diese Möglichkeit an, so tun sie dies ohne Diskriminierung und schließen alle potenziellen Betreiber aus, die dieses Kriterium erfüllen, und sie unterrichten potenzielle Betreiber zu Beginn des Vergabeverfahrens für öffentliche Dienstleistungsaufträge von ihrer Entscheidung.

Sie teilen der Kommission ihre diesbezügliche Absicht mindestens zwei Monate vor der Veröffentlichung der Ausschreibung mit.

Die zuständigen Behörden können während der zweiten Hälfte der in den Absätzen 2 und 3 genannten Übergangszeiträume Betreiber, die nicht nachweisen können, dass der Wert der öffentlichen Verkehrsdienste, für die sie gemäß dieser Verordnung einen Ausgleich erhalten oder ausschließliche Rechte genießen, nicht mindestens 50% des Werts aller von ihnen erbrachten öffentlichen Verkehrsdienste, für die sie einen Ausgleich erhalten oder ausschließliche Rechte genießen, ausmacht, von der Teilnahme an Ausschreibungsverfahren ausschließen. Dieses Kriterium gilt nicht für Aufträge, die als Notmaßnahme gemäß Artikel 5 Absatz 5 vergeben wurden.

Wenden die zuständigen Behörden diese Möglichkeit an, so tun sie dies ohne Diskriminierung und schließen alle potenziellen Betreiber aus, die dieses Kriterium erfüllen, und sie unterrichten potenzielle Betreiber zu Beginn des Vergabeverfahrens für öffentliche Dienstleistungsaufträge von ihrer Entscheidung.

Sie teilen der Kommission ihre diesbezügliche Absicht mindestens zwei Monate vor der Veröffentlichung der Ausschreibung mit.

Begründung

Dieser Artikel ist besonders zweideutig und birgt die Gefahr von Diskriminierungen und Rechtsstreitigkeiten.

Brüssel, den 16. Februar 2006

Der Präsident

des Ausschusses der Regionen

Michel DELEBARRE


(1)  ABl. C 253 vom 12.9.2001, S. 9.