16.5.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 115/75


Prospektivstellungnahme des Ausschusses der Regionen zum Thema „Die Sicherheit der einzelnen Verkehrsträger und ihre Finanzierung“

(2006/C 115/17)

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN

gestützt auf das Befassungsschreiben von Kommissionsmitglied Wallström an Präsident Straub vom 3. Juni 2005, in dem der Ausschuss der Regionen gemäß Artikel 265 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft um Stellungnahme zum Thema „Die Sicherheit der einzelnen Verkehrsträger und ihre Finanzierung“ ersucht wird;

gestützt auf das Weißbuch „Europäisches Regieren“, das die Europäische Kommission 2001 vorlegte und in dem der Ausschuss der Regionen aufgefordert wird, „bei der Prüfung der Politik eine proaktivere Rolle zu spielen, beispielsweise durch Erstellung explorativer Berichte, schon bevor die Kommission Vorschläge unterbreitet“;

gestützt auf das Protokoll über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Kommission und dem Ausschuss der Regionen vom September 2001, in dem der Ausschuss der Regionen „zur Erarbeitung strategischer Dokumente [ermutigt wird], in denen er eine Zwischenbilanz zu Themen zieht, die [die Kommission] als wichtig erachtet; in diesen ‚vorausschauenden Berichten‘ werden Probleme in Bereichen, für die der Ausschuss der Regionen über angemessene Informationsmittel vor Ort verfügt, eingehend analysiert“;

aufgrund des Beschlusses seines Präsidenten vom 25. Juli 2005, die Fachkommission für Kohäsionspolitik mit der Ausarbeitung einer diesbezüglichen Stellungnahme zu beauftragen;

gestützt auf seine Stellungnahme zu den Mitteilungen der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament „Terroranschläge — Prävention, Vorsorge und Reaktion“, „Prävention und Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung mithilfe von Maßnahmen zur Verbesserung des Informationsaustausches und zur Förderung der Transparenz und der Rückverfolgbarkeit von Finanztransaktionen“, „Abwehrbereitschaft und Folgenbewältigung bei der Terrorismusbekämpfung“, „Schutz kritischer Infrastrukturen im Rahmen der Terrorismusbekämpfung“ (KOM(2004) 698 endg. — KOM(2004) 700 endg. — KOM(2004) 701 endg. — KOM(2004) 702 endg.) — CdR 456/2004 fin);

gestützt auf den von der Fachkommission für Kohäsionspolitik am 30. September 2005 angenommenen Stellungnahmeentwurf (CdR 209/2005 rev. 1) (Berichterstatter: Herr Neill, Mitglied der London Assembly (UK/EVP));

in Erwägung folgender Gründe:

1)

Die Sicherheit der Verkehrssysteme ist seit jeher ein Hauptanliegen von Verkehrsunternehmen und der wichtigsten Beteiligten, darunter Behörden und Passagiere. Die jüngsten terroristischen Gräueltaten in London und Madrid gemahnen jedoch eindringlich daran, dass es notwendig ist, die Sicherheit von Verkehrssystemen in der gesamten Europäischen Union verstärkt in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken. Der Ausschuss der Regionen begrüßt die Absicht der Europäischen Kommission, gegen Ende des Jahres 2005 eine Mitteilung zu diesem Thema vorzulegen und dabei auch auf die Finanzierung von Sicherheitsmaßnahmen einzugehen. Die Mitgliedstaaten und die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften sollten vorrangig Überlegungen anstellen, wie sie auf diese Mitteilung nach ihrer Veröffentlichung reagieren wollen.

2)

Der AdR begrüßt ferner die Maßnahmen, die auf gemeinschaftlicher und nationaler Ebene in den Bereichen der Luft-, See- und Güterverkehrssicherheit ergriffen bzw. geplant werden.

3)

Die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten warnen, dass die Gefahr terroristischer Anschläge auf zivile Einrichtungen auf absehbare Zeit weiter bestehen werde. Diese Bedrohung gilt insbesondere für Verkehrssysteme, da diese regelmäßig von einer großen Zahl von Menschen genutzt werden, oftmals jedoch keine systematischen Sicherheitskontrollen durchgeführt werden können.

4)

Da sie für zahlreiche Verkehrsfragen zuständig sind, kommt den regionalen und lokalen Gebietskörperschaften sowie den entsprechenden Behörden beim Abwenden dieser Gefahr und bei der Begrenzung der Folgen eines möglichen terroristischen Anschlags eine Schlüsselrolle zu.

5)

Kein Verkehrssystem kann jemals vollkommen sicher sein. Das Risiko eines terroristischen Anschlags wird stets bestehen. Deshalb müssen Strategien zu seiner Reduzierung und Bewältigung entwickelt und/oder auf den neuesten Stand gebracht werden. Als Reaktion auf die terroristischen Anschläge der letzten Jahrzehnte sowie auf die Anschläge vom 11. September 2001 und der darauf folgenden Anschläge beschäftigen sich weltweit Experten mit der Vertiefung der Kenntnisse im Bereich des Risikomanagements. Die Herausforderung besteht nun darin, dieses Wissen auf komplexe Netze wie Verkehrssysteme mit ihren zahlreichen unterschiedlichen Akteuren aus dem öffentlichen und privaten Sektor anzuwenden und die Frage zu beantworten, wie die dadurch gegenüber den bisherigen Gepflogenheiten erforderlich werdenden Änderungen finanziert werden sollen.

6)

Ein unproblematischer Zugang zu einer leistungsfähigen, angemessen bepreisten Verkehrsinfrastruktur ist ein wesentlicher Bestandteil des Lebens in den EU-Mitgliedstaaten. Einerseits nehmen die EU-Bürger natürlich häufig lokale Verkehrssysteme in Anspruch; andererseits sind sie aber auch auf ein umfassendes Verkehrs- und Logistiknetz angewiesen, das nicht nur Arbeitsplätze und wirtschaftliche Möglichkeiten schafft, sondern auch für die Versorgung mit Grundstoffen, einschließlich der Nahrungsmittelversorgung, unerlässlich ist. Gegen die Bedrohung durch Terrorismus müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden, doch dürfen sie keine unverhältnismäßigen Behinderungen des Verkehrsnetzes verursachen. Würde es entsprechend der Absicht der Terroristen zu anhaltenden Verkehrsstörungen großen Ausmaßes kommen, so hätte das ernsthafte Folgen für das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben der EU.

7)

Zweck des vorliegenden Berichts ist es keineswegs, die gesamte Bandbreite an Aktionen einer Anti-Terror-Strategie zu behandeln. Vielmehr wird der Schwerpunkt auf Aspekte gelegt, die in die Zuständigkeit der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften fallen, und vorrangig auf solche, die den Betrieb öffentlicher Verkehrsdienste betreffen. Insbesondere sollen im Folgenden einige Bereiche ermittelt werden, denen die Gebietskörperschaften besondere Aufmerksamkeit schenken sollten (und es in zahlreichen Fällen bereits tun). Ferner soll geprüft werden, inwiefern durch eine Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten auf EU-Ebene noch mehr für die Sicherheit getan werden kann.

verabschiedete auf seiner 62. Plenartagung am 16./17. November 2005 (Sitzung vom 17. November) einstimmig folgende Stellungnahme:

Standpunkte des Ausschusses der Regionen

Zu behandelnde Themenbereiche

1.   Zusammenarbeit

1.1

Eine effektive Sicherheit der Verkehrsnetze hängt von einer möglichst engen Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten ab — angefangen beim Personal vor Ort, das für den Betrieb der Verkehrsdienste sorgt, über ihre Vorgesetzten und die politischen Entscheidungsträger (auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene), denen gegenüber sie rechenschaftspflichtig sind, bis hin zur Polizei und den Geheimdiensten. Zusammenarbeit ist die Voraussetzung für ein konsequentes Auftreten zum Zwecke der Abschreckung und wirksames Handeln im Falle eines Anschlags, um z.B. zu gewährleisten, dass gleichzeitig den Passagieren Hilfe geleistet, Beweismittel sichergestellt und der Betrieb schnellstmöglich wieder aufgenommen werden kann. Die Einbeziehung von Vertretern der höheren Führungsebene in allen Organen ist dabei von wesentlicher Bedeutung.

1.2

Bei einem solchen Zusammenwirken muss ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Vertraulichkeit dort, wo sie geboten ist, und einem Informationsaustausch zwischen den Behörden, den Mitgliedstaaten und der Öffentlichkeit dort, wo es möglich ist, erzielt werden. Ist der private Sektor beteiligt, beispielsweise als Betreiber von Verkehrsdiensten oder als Anbieter von Dienstleistungen, die in unmittelbarer Nähe von Verkehrsknotenpunkten erbracht werden (z.B. Reinigungsdienste oder Einzelhändler/andere Unternehmen auf Bahnhöfen), so sollte er umfassend in die Sicherheitsstrategien einbezogen werden.

1.3

Die Zusammenarbeit muss sowohl auf die Regionen eines Mitgliedstaates als auch grenzübergreifend in der EU ausgeweitet werden, so dass bewährte Praktiken verbreitet werden können und alle zuständigen Behörden — von den Notdiensten bis hin zu den Verkehrsbehörden — im Falle eines terroristischen Anschlags unverzüglich informiert werden und entsprechende Maßnahmen ergreifen können.

1.4

Neben der Analyse früherer Anschläge in der EU, insbesondere der Zugattentate von Madrid 2004, sollte die EU auch von anderen Ländern der Welt, in denen ebenfalls terroristische Anschläge verübt wurden (z.B. in New York, Tokio und Moskau) lernen (1). Darüber hinaus sollte auch auf die in anderen Sektoren gemachten Erfahrungen zurückgegriffen werden (beispielsweise durch einen Vergleich der Reaktionen im Luftverkehr mit denen im Land- und Seeverkehr).

1.5

Die grundlegenden Elemente einer europäischen Zusammenarbeit im Bereich Verkehrssicherheit sind bereits vorhanden, doch sollten diese Anstrengungen intensiviert werden. Verkehrsunternehmen arbeiten bereits in Foren wie der Arbeitsgruppe Sicherheit des Internationalen Vereins für öffentliches Verkehrswesen (UITP) zusammen. Die Zusammenarbeit zwischen Bahnpolizei und Eisenbahnunternehmen erfolgt in Europa im Rahmen von COLPOFER (Collaboration des services de police ferroviaire et de sécurité), einem dem Internationalen Eisenbahnverband (UIC) angeschlossenen Gremium (2). Die niederländischen, deutschen, belgischen, italienischen und britischen Bahn- und U-Bahnpolizeikräfte tauschen Informationen und bewährte Praktiken aus und vertiefen ihre Zusammenarbeit im Rahmen von RAILPOL. Die niederländische Polizei hat die Leitung und das Sekretariat von RAILPOL inne, dessen Arbeit teilweise mit EU-Geldern finanziert wird. Weitere Mitgliedstaaten möchten dieser Gruppe beitreten, was unterstützt werden sollte.

2.   Schulung und Planung

2.1

Die Verkehrs- und Notdienste, die bei den jüngsten Anschlägen von London zum Einsatz kamen, wurden für ihre reibungslose Reaktion gewürdigt. Es scheint, dass dies auf eine sachgerechte Ausbildung und Krisenplanung in unterschiedlichen Diensten zurückzuführen war. Ein wirkungsvoller Einsatz der Humanressourcen könnte beispielsweise die Bildung von Teams von Fachleuten umfassen, u.a. zur gezielten polizeilichen Überwachung von Verkehrsnetzen, oder Verkehrs- und Polizeikräfte, die speziell für die Auswertung der Bilder von Überwachungskameras geschult sind.

2.2

Regelmäßige Schulungen für das Personal im Verkehrswesen unter Beteiligung aller zuständigen Einrichtungen, einschließlich Übungen, bei denen terroristische Anschläge simuliert werden, sind von unschätzbarem Wert, insbesondere für das richtige Handeln unmittelbar nach einem Anschlag.

2.3

Die Eventualfallplanung kann von der Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit nach Auftreten eines Zwischenfalls bis hin zur Sicherung der Kontinuität der normalen Geschäftstätigkeit reichen. Diese Pläne können regelmäßig geprobt und nach alltäglichen Zwischenfällen, wie technischen Pannen oder Schadeinwirkung durch Dritte (z.B. Wasserrohrbruch oder schwere Straßenverkehrsunfälle) aktualisiert werden. Außerdem sollte die Eventualfallplanung grenzüberschreitende Aspekte berücksichtigen, beispielsweise durch eine klare Aufgabenzuweisung für Zwischenfälle an oder bei einem Grenzübergang oder durch das Zurverfügungstellen fachlicher Hilfe an ein Land, dem es selbst an entsprechenden Ressourcen mangelt.

2.4

Die Risikoanalyse ist ein wesentlicher Bestandteil der Planung und Schulung. Sie umfasst die Beobachtung globaler Bedrohungen, die systematische Analyse vergangener Anschläge, um Lehren daraus zu ziehen, sowie die Bewertung hin und wieder auftretender Einzelvorfälle (beispielsweise unbeaufsichtigtes Gepäck) in dem Bemühen, unnötige Beeinträchtigungen möglichst zu vermeiden.

2.5

Auch den Fahrgästen und den geschäftlichen Nutzern der öffentlichen Verkehrsdienste kommt eine wichtige Rolle zu. Sie brauchen jedoch klare und leicht zugängliche Informationen u.a. darüber, wie eine versehentliche Alarmauslösung vermieden werden kann, was sie tun sollen, wenn sie etwas Verdächtiges bemerken, oder wie sie sich im Falle eines Anschlags verhalten sollen. Diese Informationen sollten in Kurzform im Verkehrssystem selbst und in ausführlicher Fassung auf einschlägigen Internetseiten stehen. Darüber hinaus sind Strategien zu entwickeln, um den Passagieren das Gefühl der Sicherheit des Verkehrsnetzes zu vermitteln, beispielsweise durch eine sichtbare Präsenz des Personals/der Polizei oder durch Plakatierung (3).

2.6

Es ist zweckmäßig, in den Schulen, anderen Bildungseinrichtungen und Betrieben Lehrgänge über mögliche terroristische Anschläge und das Verhalten während solcher Anschläge durchzuführen sowie Merkblätter und andere Anschauungsmittel auszuhändigen, um eine erhöhte Aufmerksamkeit zu erreichen und die Folgen einer möglichen Panik zu verringern.

3.   Nutzung der Informationstechnik

3.1

Wirksame geschlossene Kameraüberwachungssysteme (CCTV-Systeme) haben sich sowohl bei der Abschreckung als auch bei der Aufdeckung von Verbrechen als unerlässlich erwiesen. Diese Systeme müssen gewissen Normen und klaren Anforderungen an die Betriebsweise entsprechen, damit beispielsweise Daten heruntergeladen werden können, während das System weiterhin überwacht. Darüber hinaus verfügen möglicherweise Firmen, die sich an Stationen und Haltestellen bzw. Teilen der Verkehrsinfrastruktur angesiedelt haben, über eigene Kameraüberwachungssysteme. Bei richtiger Einweisung und Schulung können diese Ressourcen als zusätzliche „Augen und Ohren“ dienen, um die Sicherheit im Umfeld von Verkehrssystemen zu verbessern, ohne die Firmen in ihrer normalen Geschäftstätigkeit zu sehr zu stören.

3.2

Robuste Mobilfunknetze sind ebenfalls überaus wichtig. Auch wenn es in gewissen Umständen nötig sein kann, Mobilfunknetze abzuschalten oder ihre Benutzung den Notdiensten vorzubehalten, spielen sie im Ernstfall in der Regel doch eine wichtige Rolle. So muss es beispielsweise Mitarbeitern eines Verkehrsdienstes, die sich vor Ort am Schauplatz eines Zwischenfalls befinden, möglich sein, per Mobiltelefon Verbindung mit einer Leitstelle aufzunehmen. Ebenso kann es sein, dass Flug-/Fahrgäste dringend mit Freunden oder Familienangehörigen sprechen müssen, was bei einem Anschlag zur Minderung von Besorgnis und Verwirrung beitragen könnte.

4.   Bauliche Gestaltung

4.1

Bei der Bereitstellung oder Beschaffung von Verkehrsdiensten und Infrastrukturanlagen ist es wichtig, dass im Rahmen der vertraglichen Leistungsbeschreibung den Sicherheitsauflagen in vollem Umfang Rechnung getragen wird. Ferner sollte erwogen werden, ob angesichts einer sich ändernden Sicherheitslage nicht ein gewisser Spielraum zur Änderung dieser Auflagen gewährleistet werden sollte.

4.2

Verkehrsbehörden und sonstige Inhaber von Verkehrsgelände sollten dazu angehalten werden, bestehende Einrichtungen, wie z.B. Terminals und Fahrzeuge, baulich so zu gestalten, dass das Verstecken von Sprengsätzen erschwert, die Evakuierung erleichtert und die Zahl der Opfer und das Ausmaß der Schäden im Falle einer Explosion oder eines sonst wie gearteten terroristischen Anschlags begrenzt wird. So ist die weitverbreitete Nutzung von Glas und Leichtbaumaterial in modernen Gebäuden, insbesondere dort, wo betriebliche und kommerziell genutzte Flächen eng nebeneinander bestehen, möglicherweise nicht mehr angemessen. Gleichzeitig haben sich eine Raumgestaltung mit gut einsehbaren Blicklinien und die Eliminierung von Versteckmöglichkeiten als wirksam erwiesen.

5.   Finanzierung und Ressourcen

5.1

Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit von Verkehrsnetzen werden zusätzliche Mittel erfordern. In vielen Fällen werden dies umfangreiche und/oder langfristig aufzuwendende Ressourcen sein, z.B. modernere Informationstechnik, zusätzliche Wendepunkte im Schienennetz, mehr Busse, mehr Personal, genauere Überwachung, mehr Schulungen und umfangreichere Informationskampagnen. Solche neuen Initiativen werden sicher über bestehende Investitionspläne, die hauptsächlich auf die Erneuerung der Verkehrsinfrastruktur und -netze ausgerichtet sind, hinausgehen. Es kann sogar sein, dass die derzeitigen Finanzverfahrenswege zur Genehmigung von Verkehrsinvestitionen für die Beschaffung von Mitteln für Gefahrenabwehrmaßnahmen in manchen Fällen nicht geeignet sind.

5.2

Wenn auch die Betreiber von Verkehrsnetzen im öffentlichen und privaten Sektor sowie sonstige zuständige Stellen entscheiden müssen, welche Abhilfemaßnahmen für sie jeweils am geeignetsten sind, ist es von wesentlicher Bedeutung, dass nach Festlegung der Prioritäten die Umsetzung nicht wegen Uneinigkeit über die Finanzierung hinausgezögert wird. Die Kommission, die Mitgliedstaaten und die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften sollten sicherstellen, dass diese Schlüsselfrage angemessen angegangen wird.

5.3

Aus diesem Grund muss die Frage der Finanzierung gleich zu Anfang, gleichzeitig mit anderen Fragen behandelt werden. An der Veranschlagung der potenziellen Kosten muss zwar noch weiter gearbeitet werden, doch kann sich durchaus herausstellen, dass es aufgrund des Umfangs der erforderlichen Maßnahmen unmöglich sein wird, die Gesamtkosten für die Sicherheitsmaßnahmen den Passagieren anzulasten, ohne die Attraktivität öffentlicher Verkehrsmittel ernsthaft zu gefährden. Sprunghafte Fahrpreiserhöhungen sind gerade zu einer Zeit zu vermeiden, da die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel aus zahlreichen (ökologischen, gesundheitlichen, wirtschaftlichen) Gründen gefördert werden sollte.

5.4

Bei der Kostenbewertung sollten die Mitgliedstaaten und staatlichen Behörden auch berücksichtigen, mit welchen Kosten ein Verzicht auf die Bemühungen um eine Minderung der Gefahr und der Folgen eines terroristischen Anschlags verbunden wäre. Neben den direkten Kosten für die aus einem Anschlag resultierenden Personen- und Sachschäden könnte es möglicherweise auch zu Einnahmeverlusten kommen, da bei Tourismus, Reisen, Investitionen und anderen Wirtschaftstätigkeiten über einen längeren Zeitraum hinweg ein Rückgang zu verzeichnen sein würde.

5.5

Koordinierte, möglicherweise zeitgleich verübte Anschläge auf ausgewählte kritische Teile einer oder mehrerer Infrastrukturen mit der Absicht, ein möglichst großes Chaos anzurichten und/oder die Zahl der Opfer und die Panik zu erhöhen, können die potenziellen Folgen erheblich vermehren. Die Angaben in der folgenden Tabelle veranschaulichen das Ausmaß und die Tragweite.

Verluste durch Anschläge

Beschreibung

Kosten

Geschätzte Kosten in der gesamten Lieferkette durch eine per Container beförderte Massenvernichtungswaffe

770 Mrd. EUR

Kurssturz auf den europäischen Märkten (FTSE) unmittelbar nach den Bombenanschlägen von Madrid

42 Mrd. EUR

Kosten der 2003 weltweit verübten Cyber-Angriffe auf Unternehmen

9,6 Mrd. EUR

(Direkte und indirekte) Kosten der Anschläge auf die Zwillingstürme des World Trade Center am 11. September 2001

64 Mrd. EUR

Quelle: Deloitte Research (Wechselkurs 1 EUR = $ 1,3)

5.6

Andererseits ist darauf hinzuweisen, dass eine Verbesserung der Sicherheit von Verkehrssystemen mit weiteren potenziellen Vorteilen einhergeht. Maßnahmen zur Abschreckung von Terroristen schrecken auch andere von Diebstahl, Vandalismus und Überfällen ab. Besser gestaltete und überwachte Bahnhöfe und Flughäfen erhöhen das Vertrauen bei Nutzern und Passagieren, mit der möglichen Folge einer verstärkten Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel insgesamt. Eine verbesserte Krisenplanung und praktische Übungen zur Reaktion auf Anschläge großen Ausmaßes können sich auch bei nichtterroristischen Notfällen als nützlich erweisen.

Empfehlungen des Ausschusses der Regionen

1.

Der Ausschuss der Regionen ruft die Kommission und die Mitgliedstaaten dazu auf, der Sicherheit der Verkehrssysteme höchste Priorität einzuräumen. Der AdR ist der Auffassung, dass die öffentlichen Behörden auf allen Ebenen (der gemeinschaftlichen, nationalen, regionalen und kommunalen) über kohärente und miteinander vereinbare Strategien verfügen müssen, die auf ihre jeweiligen Zuständigkeiten abgestimmt sind, damit sie Gefahren abwehren und die Folgen von Anschlägen, die sich dennoch nicht verhindern ließen, eindämmen können.

2.

Der AdR betont, dass zwar Sicherheitsstrategien geschaffen bzw. verbessert werden müssen, dass jedoch die öffentlichen Verkehrssysteme weiter in der Lage sein müssen, den Betrieb reibungslos fortzuführen, da andernfalls sozial, wirtschaftlich und umweltpolitisch nachteilige Folgen entstehen.

3.

Der AdR ruft die EU und die Mitgliedstaaten auf, öffentliche Verkehrsunternehmen und alle zuständigen Stellen zu einer engeren Zusammenarbeit in und zwischen den Mitgliedstaaten auf der Grundlage der bereits bestehenden Netze von Verkehrsbetreibern und Verkehrspolizeikräften zu ermutigen.

4.

Nach Auffassung des AdR könnten bei einer solchen Zusammenarbeit vorrangig die Grundsätze für einen Informationsaustausch festgelegt werden, um eine größere Sensibilisierung für terroristische Bedrohungen zu erreichen, die Durchführung von Risikobewertungen zu ermöglichen und aus früheren Vorfällen und erfolgreichen Maßnahmen in verschiedenen Bereichen zu lernen.

5.

Der AdR würdigt die Notdienste, die Verkehrsunternehmen und die Öffentlichkeit für ihre Reaktion auf die jüngsten terroristischen Gräueltaten. Der AdR betont, dass diese Reaktion insbesondere aufgrund einer guten Schulung, Eventualfallplanung und des Austausches von Informationen möglich war, und ist der Ansicht, dass diese Elemente neben einer guten baulichen Gestaltung und der Nutzung einer zweckgerechten Informationstechnik wesentliche Bestandteile einer jeden Strategie für die Sicherheit der Verkehrssysteme sind.

6.

Der AdR ruft die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, mit Betreibern von Mobilfunknetzen und öffentlichen Verkehrsunternehmen zusammenzuarbeiten, um im Interesse sowohl der Betreiber als auch der Passagiere die Entwicklung stabilerer Mobilfunkdienste für den Ernstfall zu fördern. Darüber hinaus dürfen etwaige EU-Vorschläge zur elektronischen bzw. telefonischen Datensicherung zu Sicherheitszwecken nicht eine Verwässerung der geltenden Vorschriften in den Mitgliedstaaten zur Folge haben.

7.

Der AdR erinnert die Europäische Union und die Mitgliedstaaten daran, dass auch der Straßenverkehr terroristischen Anschlägen ausgesetzt ist und dass es wichtig ist, den vorgenannten Empfehlungen — soweit sie für diesen Sektor zutreffend sind — nachzukommen. Ferner weist er darauf hin, dass der EWSA dieses Thema in einer derzeit in Ausarbeitung begriffenen Stellungnahme ausführlich behandeln will.

8.

Nach Auffassung des AdR können Strategien für die Sicherheit der Verkehrssysteme angesichts der wahrscheinlich fortbestehenden terroristischen Gefahr ohne eine wesentliche Aufstockung der Ressourcen nicht hinreichend verbessert werden. Aus diesem Grund ruft der Ausschuss die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, diese Angelegenheit als dringlich zu erachten, damit wesentliche Verbesserungen der Sicherheit nicht durch eine verfehlte Finanzplanung hinausgezögert werden.

Brüssel, den 17. November 2005

Der Präsident

des Ausschusses der Regionen

Peter STRAUB


(1)  Anhang 1 enthält eine Auflistung von Terroranschlägen der letzten Jahre.

(2)  Siehe beispielsweise die gemeinsame Erklärung von UITP und UIC zum Thema Sicherheitsmaßnahmen gegen Terrorismus im öffentlichen Verkehr: http://www.uitp.com/mediaroom/june-2004/full-declaration-geneva.de.cfm

(3)  Ein Beispiel aus den Vereinigten Staaten ist die Kampagne der Washington Metropolitan Area Transit Authority, in der die Rolle des Personals bei der Gewährleistung der Sicherheit veranschaulicht wird. Siehe Public Transport International, Mai 2004.


Anhang 1

Neuere Beispiele dramatischer und folgenschwerer terroristischer Anschläge in öffentlichen Verkehrssystemen (ohne die jüngsten Anschläge in London):

1986

Paris

Regionalexpresslinie A; ein in einer Sporttasche versteckter Sprengsatz explodiert, nachdem ein Fahrgast die Tasche aus dem Zug geschleudert hat.

1994

Baku

Zwei Bombenanschläge in der Untergrundbahn verursachen 19 Tote und 90 Verletzte.

1995

Tokio

Attentat mit dem Giftgas Sarin in der Untergrundbahn in Tokio: 12 Menschen sterben, 5600 werden verletzt.

 

Paris

Bei einem Bombenanschlag in der Station Saint Michel kommen 8 Fahrgäste ums Leben, 120 werden verletzt.

1996

Paris

Explosion in der Station Port-Royal, 4 Tote und 91 Verletzte.

 

Moskau

Explosion in einem U-Bahnwaggon, 4 Tote und 12 Verletzte.

2000

Moskau

Explosion in der unterirdischen Fußgängerzone nahe einer Metrostation. 11 Tote, 60 Verletzte.

2003

Daegu

Ein Milchbehälter mit brennbarer Flüssigkeit wird in einem Waggon in Brand gesetzt. Bei dem Feuer sterben 120 Fahrgäste, 100 werden verletzt.

2004

Moskau

Bei einem Selbstmordattentat wird im morgendlichen Berufsverkehr ein Zug der Untergrundbahn zerstört. Dabei kommen 40 Menschen ums Leben. 140 Fahrgäste werden verletzt.

2004

Madrid

Innerhalb von wenigen Minuten explodieren im morgendlichen Berufsverkehr 10 in Rucksäcken versteckte Sprengsätze in Pendlerzügen. Dabei kommen 190 Fahrgäste ums Leben, ungefähr 1400 werden verletzt. Drei weitere Sprengsätze werden gefunden und entschärft.