17.3.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 65/30


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Sicherheit der Verkehrsträger“

(2006/C 65/06)

Mit Schreiben vom 2. Juni 2005 ersuchte die Europäische Kommission den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 um Ausarbeitung einer Stellungnahme zum Thema: „Sicherheit der Verkehrsträger“.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 24. November 2005 an. Berichterstatter war Herr SIMONS.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 422. Plenartagung am 14./15. Dezember 2005 (Sitzung vom 14. Dezember) mit 124 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Das Interesse für den Fragenkomplex „Gefahrenabwehr“ ist nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 (New York), November 2003 (Istanbul), 11. März 2004 (Madrid), 7. Juli 2005 (London) und all den sonstigen terroristischen Anschlägen anderswo in der Welt enorm gestiegen. Überall wurden Maßnahmen getroffen, um Personen, Verkehrsmittel und Güter sowohl in vorbeugender als auch in operationeller Hinsicht möglichst gut und umfassend zu schützen. Auf politischer Ebene ist die Gefahrenabwehr zu einem heißen Thema geworden.

1.2

Unter dem Begriff „Gefahrenabwehr“ ist in diesem Zusammenhang Folgendes zu verstehen: Maßnahmen zur Verhütung terroristischer Anschläge sowie auch Maßnahmen, um kriminelle Handlungen — insbesondere Diebstahl — zu verhindern.

1.3

Auch der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss ist diesbezüglich nicht untätig geblieben. Er hat mehrere Stellungnahmen zu dieser Thematik verabschiedet, von denen vor allem die Sondierungsstellungnahme vom 24. Oktober 2002 (1) zu erwähnen ist, für die Frau BREDIMA-SAVOPOULOU Berichterstatterin war und die sehr wertvoll ist, weil in ihr sehr ausführlich auf die Gefahrenabwehr im Seeverkehr und in der Zivilluftfahrt eingegangen wird.

1.4

Am 23. Dezember 2003 veröffentlichte die Europäische Kommission das Konsultationspapier über Gütertransportsicherheit, in dem sie um die Auffassungen der interessierten Seiten in der Frage der Gefahrenabwehr nachsucht. Des Weiteren hat die Kommission in einer Mitteilung an den Rat (2) ein Rahmenprogramm auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr vorgeschlagen, und außerdem wurde im Amtsblatt vom 12. August 2005 (3) ein Arbeitsprogramm betreffend die Sicherung gegen terroristische Angriffe veröffentlicht. Einige der in dieser Veröffentlichung enthaltenen Aspekte waren für die Ausarbeitung der vorliegenden Sondierungsstellungnahme sehr wertvoll.

1.5

In dieser Sondierungsstellungnahme soll Klarheit geschaffen werden hinsichtlich der Rolle und Zuständigkeit der einzelnen Akteure, sowohl auf einzelstaatlicher als auch auf internationaler Ebene, in Bezug auf die Abwehr von Gefahren für:

Personen (Reisende und in den verschiedenen Teilbereichen der Verkehrsketten Beschäftigte);

Verkehrsmittel, Frachtgut und Verkehrsinfrastruktur in dem letztendlichen Anliegen eines besseren Schutzes von Personen, Gütern, Verkehrsmitteln und Verkehrsinfrastruktur.

1.6

Die vorliegende Stellungnahme widmet sich ausschließlich der Abwehr von Gefahren für Verkehrsträger und nicht etwa der Sicherheit von Verkehrsträgern. Hier ergibt sich die Schwierigkeit, dass in einigen EU-Mitgliedstaaten sprachlich kein Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen besteht.

1.7

Was die Gefahrenabwehr bezüglich der Landverkehrsinfrastruktur angeht, ist zu unterscheiden zwischen den TEN-Korridoren einschließlich ihrer Schnittstellen und der der einzelstaatlichen Verkehrsinfrastruktur. Es lässt sich übrigens nicht immer feststellen, wo Subsidiarität bei den Landverkehrsträgern anfängt und wo sie endet.

Bei Maßnahmen zur Gefahrenabwehr für Landverkehrsträger ist zu bedenken, dass es in der Logistikkette zwischen sämtlichen Verkehrsträgern eine starke Wechselbeziehung gibt — und nicht nur etwa zwischen den Landverkehrsträgern, und deswegen bei Gefahrenabwehrmaßnahmen viel Koordination gefragt ist. Ein verkehrsträgerübergreifender Ansatz ist bei Gefahrenabwehrmaßnahmen übrigens auch erforderlich, um Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Verkehrsträgern zu begegnen, wobei allerdings zu bedenken ist, dass der Kostenaufwand für Gefahrenabwehrmaßnahmen von Verkehrsträger zu Verkehrsträger sehr unterschiedlich sein kann.

In der Stellungnahme wird speziell auch auf Aspekte näher eingegangen, die mit verstärkten Gefahrenabwehrmaßnahmen in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Dabei ist an Fragen zu denken wie etwa:

Wie wirken sich die Gefahrenabwehrmaßnahmen für die Arbeitnehmer aus?

Muss bei der Managementausbildung ein Unterrichtsteil „Krisenmanagement“ eingeführt werden?

Wer sollte für die Kosten von Gefahrenabwehrmaßnahmen aufzukommen haben?

Welche Rolle kommt den Versicherungsgesellschaften zu?

Da es hier um einen sehr vielschichtigen Themenkomplex geht, erscheint es ratsam, hier ein bisschen Ordnung in die Sache zu bringen und anzugeben, wie diese Sondierungsstellungnahme aufgebaut ist. In Kapitel 2, dem Allgemeinen Teil, werden die eher allgemeinen Aspekte des Fragenkomplexes „Gefahrenabwehr“ beschrieben. Dabei werden Themen angeschnitten, wie etwa die Rollenverteilung in Bezug auf Zuständigkeiten und Befugnisse zwischen der Europäischen Union, den einzelstaatlichen Behörden, den Verkehrsträgern selbst, den Reisenden, den Beschäftigten und dem Management von Unternehmen. Außerdem wird auch die rechtliche Seite dieses Fragenkomplexes beleuchtet. Abschnitt 3, der Spezifische Teil, gibt zunächst eine Übersicht über die Initiativen, die auf den verschiedenen Ebenen bezüglich einer besseren Gefahrenabwehr bereits ergriffen wurden. Anschließend wird näher auf die Gefahrenabwehr bei den einzelnen Verkehrsträgern selbst eingegangen. Abschnitt 4 beschäftigt sich mit den Kosten von Gefahrenabwehrmaßnahmen und der Frage, wer für diese Kosten aufkommen sollte. Dabei wird auch die Rolle der Versicherungsgesellschaften beleuchtet werden. Abschnitt 5 enthält eine Zusammenfassung und Schlussfolgerungen.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1   Gefahrenabwehr: Allgemeines

2.1.1

Die Bedeutung der Abwehr von Gefahren für Personen und Güter bei sämtlichen Verkehrsträgern steht in der Prioritätenliste der Politiker, politischen Entscheidungsträger und der Wirtschaft ganz weit oben. Unter Gefahrenabwehr ist die Ergreifung von Maßnahmen zum Schutz vor terroristischen und kriminellen Handlungen zu verstehen. Allerdings kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass von einem koordinierten Vorgehen bislang kaum gesprochen werden kann. Und ein solcher Ansatz ist aber dringend erforderlich, denn in einer Kette richtet sich die Stärke des Ganzen nach dem schwächsten Glied.

2.1.2

Andererseits ist die hier in Rede stehende Thematik wegen ihrer Vielschichtigkeit nicht leicht und eindeutig zu definieren. Der Subsidiaritätsaspekt schlägt beim Thema Gefahrenabwehr bei Verkehrsträgern in seiner ganzen Bandbreite durch. Es geht zum einen um die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen der Union und den einzelstaatlichen Behörden bei der Entscheidung über die zu treffenden Maßnahmen und deren Finanzierung. In gleichem Maße betrifft dies aber auch die Verantwortung und Befugnisse der am Geschehen bei den einzelnen Verkehrsbereichen Beteiligten: sprich der Reisenden, der Arbeitnehmer und des Managements.

2.2   Gefahrenabwehr im Luft- und Seeverkehr

2.2.1

Im Luft- und Seeverkehr hat sich seit dem 11. September 2001 auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr sehr wohl einiges getan. Nicht zuletzt auf der Grundlage der Sondierungsstellungnahme vom 24. Oktober 2002, die vor allem Vorschläge zur Gefahrenabwehr im Luft- und Seeverkehrssektor enthielt, hat der Europäische Rat Maßnahmen getroffen. Hier wären etwa zu nennen: die EU-Verordnung Nr. 2320/2002 über die Sicherheit in der Zivilluftfahrt, die EU-Verordnung Nr. 725/2004 zur Erhöhung der Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen und der Vorschlag für eine Richtlinie zur Verbesserung der Gefahrenabwehr in Häfen. All diese Maßnahmen sehen Regelungen im Sinne von EU-Inspektionen vor. Dabei geht es um Qualitätsprüfungen in diesen Sektoren. Was den Seeverkehr angeht, wurde das entsprechende Regelwerk in der am 10. Mai 2005 verabschiedeten Richtlinie festgeschrieben.

2.3   Gefahrenabwehr bei den Landverkehrsträgern

2.3.1

Bei den Landverkehrsträgern ist die Situation in den einzelnen Mitgliedstaaten recht unterschiedlich. Vor allem in Großstädten wie Madrid und London, aber auch in Paris, wurden auch als Reaktion auf die terroristischen Anschläge auf die öffentlichen Nahverkehrssysteme Maßnahmen zur Gefahrenabwehr getroffen. In anderen Städten und Ländern ist man noch nicht so weit, aber auch dort dringt unter dem Eindruck der jüngsten Terroranschläge allmählich ins Bewusstsein, wie wichtig Maßnahmen zur Gefahrenabwehr sind (4).

2.3.2

Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang zuerst stellt ist, wer für die Ergreifung von Gefahrenabwehrmaßnahmen zuständig ist, die Europäische Union oder die einzelstaatlichen Behörden? Sind dies die Mitgliedstaaten, dann erhebt sich die Frage, welche Rolle der Europäischen Union in diesem Bereich zukommt.

2.3.3

Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die „Gefahrenabwehr“ in die zwischen Mitgliedstaaten und Europäischer Union geteilte Zuständigkeit fällt, und die Mitgliedstaaten selbst dafür zu sorgen haben, dass die verschiedenen Landverkehrsträger Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ergreifen. Hierfür müssen sie einen entsprechenden Rahmen schaffen, der gewisse Mindestnormen enthält, die die Landverkehrsträger als Untergrenze bei den von ihnen getroffenen Maßnahmen einhalten müssen. Die Einhaltung sollte also nicht freigestellt sein. Für die Abstimmung der bei den einzelnen Landverkehrsträgern zu treffenden Maßnahmen sollten die Mitgliedstaaten ein spezielles Organ einrichten, dessen Aufgabe darin besteht, die Maßnahmen, die die Landverkehrsträger und die Lokalbehörden ergreifen wollen, zu koordinieren. Außerdem müsste diese Behörde auch dafür Sorge zu tragen haben, dass bei jeder beabsichtigten Maßnahme deren tatsächliche Umsetzung gesichert ist.

2.3.4

Die Funktion der Europäischen Union besteht nach Meinung des Ausschusses in der Koordinierung der Maßnahmen auf internationaler Ebene. Außerdem müsste die Union die Mitgliedstaaten dazu anhalten, zu einer einheitlichen Vorgehensweise zu gelangen. Wegen des grenzüberschreitenden Charakters des Personen- und Güterverkehrs und der erforderlichen Koordinierung der einzelstaatlichen Gefahrenabwehrmaßnahmen müssen die einzelstaatlichen Behörden und die Europäische Union eng zusammenarbeiten.

2.3.5

Die einzelstaatlichen Behörden müssen sich klarmachen, dass bei den Landverkehrsträgern noch großer Handlungsbedarf besteht. Es muss sich ein Dringlichkeitsbewusstsein entwickeln. Die einzelstaatlichen Behörden müssen die Verkehrsträger dazu anhalten, über Maßnahmen zur Gefahrenabwehr nachzudenken und solche Maßnahmen zu ergreifen. Ein erster Impuls in diese Richtung kann gegeben werden, indem auf europäischer Ebene Mindestnormen für die Gefahrenabwehr festgelegt werden und dadurch für die Landverkehrsträger eine Handlungsbasis geschaffen wird. Bei den einzelnen Verkehrsträgern muss sich ein Bewusstsein einstellen, dass sie ohne Gefahrenabwehrmaßnahmen äußerst verwundbar sind.

2.3.6

Daneben muss sich aber auch die Erkenntnis durchsetzen, dass die Verkehrsträger in diesem Bereich zusammenarbeiten müssen. Beispielsweise müssen die Maßnahmen zwischen Eisenbahngesellschaften, U-Bahn-Betreibern und Busunternehmen koordiniert werden. Aktionen zur Information der Reisenden über das Verhalten bei Zwischenfällen müssen aufeinander abgestimmt werden.

2.3.7

Beim Gütertransport muss den verwundbaren Knotenpunkten, wie etwa Terminals und Rangierbahnhöfen, viel Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die Zusammenarbeit zwischen den einzelstaatlichen Behörden, Lokalbehörden, einzelnen Verkehrssektoren und Betreibern von Umschlagplätzen und Terminals muss allmählich Wirklichkeit werden.

2.4   Die Rolle der verschiedenen Akteure

2.4.1

Der Schutz der physischen Infrastruktur ist nach Meinung des Ausschusses Sache der nationalen, regionalen oder lokalen Behörden.

2.4.2

Als Koordinierungsinstanz sollte das in Ziffer 2.3.3 angesprochene spezielle Organ fungieren. Es sollte sowohl Einzelaktionen auf nationaler Ebene verhindern als auch die einschlägige Politik auf internationaler Ebene verbreiten, so dass die Koordinierung auf EU-Ebene erleichtert wird.

2.4.3

Neben der Koordinierungsfunktion der EU stellt der Ausschuss zu seiner Zufriedenheit fest, dass auf Gemeinschaftsebene — über das sechste Rahmenprogramm — 3,5 Mio. EUR für Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im Personenverkehrs-, Güterverkehrs- und Energiesektor bereitgestellt werden.

2.4.4

Da „Verkehrsträger“ ein abstrakter Begriff ist und das Funktionieren der Verkehrsträger vom entsprechenden Zutun derjenigen abhängt, die die betreffenden Verkehrsträger in Anspruch nehmen (Reisende, Verkehrskunden) bzw. in diesen Sektoren tätig sind (Arbeitnehmer), sind auf diese Zielgruppen ausgerichtete Aktionen unverzichtbar. Bezüglich der Reisenden und Verkehrskunden muss dies in erster Linie in Form kontinuierlicher Aufklärungsarbeit geschehen. Ihr Verhalten muss sich vom Verhalten eines passiven Benutzers eines Verkehrsträgers in eine aufmerksame und bewusste Haltung wandeln. Die Beschäftigten eines Verkehrsträgers sind für die Konzipierung und Durchführung von Gefahrenabwehrmaßnahmen ein wesentlicher Faktor. Damit sie ihre Rolle richtig wahrnehmen können, muss ihnen nach Meinung des Ausschusses die Möglichkeit einer speziellen Ausbildung geboten werden, die auf ihre Funktion bei der Gefahrenabwehr zugeschnitten ist.

2.4.5

Das Management der Verkehrsunternehmen hat die Aufgabe, die Gefahrenabwehrkonzepte in die Unternehmensphilosophie und -kultur zu integrieren. Daneben müsste das Management den Mitarbeitern die Möglichkeit bieten, spezielle Schulungen auf diesem Gebiet zu absolvieren. Was die Unternehmensleitung selbst angeht, müsste nach Ansicht des Ausschusses in der Managementausbildung ein Ausbildungsteil „Krisenmanagement“ vorgesehen werden, damit im Ernstfall die Unternehmensleitung ihrer Aufgabe gewachsen ist.

2.5   Praktische Umsetzung der Gefahrenabwehr

2.5.1

In der Frage, inwieweit Gefahrenabwehrmaßnahmen bei den Landverkehrsträgern eher unverbindlich — etwa in Form der Zertifizierung oder eines Qualitätslabels — oder eher verbindlicher Natur — etwa durch entsprechende Rechtsvorschriften — angelegt sein sollten, ist der Ausschuss der Auffassung, dass dieses Thema viel zu wichtig ist, als dass es nach einem Freiwilligkeitskonzept angegangen werden könnte.

2.5.2

Der Ausschuss ist der Meinung, dass auf nationaler Ebene unbedingt Mindestnormen für Maßnahmen zur Gefahrenabwehr festgelegt werden sollten, mit der Empfehlung, sich nicht auf dieses Minimum zu beschränken. Es sollte auch eine entsprechende Verpflichtung vorgesehen werden, um den Austausch von Informationen über getroffene oder geplante Gefahrenabwehrmaßnahmen zu gewährleisten. Auf internationaler Ebene sollten die Staaten verpflichtet werden, auf eine Abstimmung der Maßnahmen und die Übermittlung von Informationen an internationale Dachorganisationen hinzuarbeiten.

3.   Besondere Bemerkungen

3.1

Vor einer Betrachtung, ob und welche Gefahrenabwehrmaßnahmen bei den einzelnen Verkehrsträgern getroffen wurden oder ergriffen werden müssten, erscheint es ratsam, sich zunächst einen Überblick über die Maßnahmen zu verschaffen, die auf internationaler Ebene von Dachorganisationen ergriffen wurden.

3.1.1

Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO)

Hier wird auf die IMO Bezug genommen, weil im Seeverkehrssektor bereits eine Reihe von Maßnahmen getroffen wurden, die als Beispiel für die Landverkehrsträger dienen könnten.

a.

Die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) hat den so genannten Internationalen Code für die Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen (ISPS-Code) angenommen. Dieser Code schafft einen internationalen Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen Behörden, Lokalverwaltungen, Reedereien und Hafenbehörden mit dem Ziel, Schwachstellen bei der Gefahrenabwehr auszumachen und Maßnahmen ergreifen zu können. Er betrifft gefahrenabwehrbezogene Anforderungen in Bezug auf die Sicherheit von Schiffen und Hafenanlagen. Der Code trat am 1. Juli 2004 in Kraft.

b.

Änderungen des Internationalen Übereinkommens zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS-Übereinkommen), und zwar Änderungen dieses Übereinkommens, die u.a. zur Folge haben, dass auch der verbindliche International Maritime Dangerous Goods (IMDG) Code geändert wurde. Der IMDG Code enthält ausführliche Empfehlungen für die Verpackung, Etikettierung und Aufbewahrung gefährlicher Stoffe.

Die Änderungen traten am 1. Januar 2004 in Kraft.

3.1.2

Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO)

Seit 1971 werden in der Luftfahrt auf internationaler Ebene verbindliche Vereinbarungen zur Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität getroffen. Nach einer Reihe von Flugzeugentführungen Ende der 60er Jahre beschloss die ICAO, den Basisvertrag zur Regulierung der Luftfahrt auszuarbeiten. So sieht Anhang 17 zum Übereinkommen von Chicago vor, dass bei allen Passagieren in der gewerblichen Zivilluftfahrt eine Körperkontrolle vorzunehmen ist. Diese Maßnahme ist bereits seit 1972 in Kraft, und inzwischen kann man sich kaum noch vorstellen, dass dies jemals anders gewesen sein könnte. Nach dem Anschlag auf das World Trade Center im Jahre 2001 wurde der Anhang 17 gründlich überarbeitet. Es wurden neue Normen zur Auflage gemacht, beispielsweise bezüglich der Verstärkung und Verriegelung der Cockpittüren sowie des Luftfrachttransports. Auch die Ausbildung und die Qualitätsanforderungen hinsichtlich der Kontrolle wurden strenger reglementiert.

3.1.3

Europäische Zivilluftfahrt-Konferenz (ECAC)

Auch auf europäischer Ebene wurde bei der Europäischen Zivilluftfahrt-Konferenz ECAC (European Civil Aviation Conference) eine Politik zur Gefahrenabwehr im Luftverkehr entwickelt und ausgestaltet. Selbstverständlich dienten dabei die von der ICAO festgelegten internationalen Normen als Bezugsrahmen. Bei dem ganzen Unterfangen kam ein Luftsicherungshandbuch heraus, das so genannte „Dokument 30“, das Vorschriften über die Gefahrenabwehr enthält, die zwar als maßgeblich angesehen werden, aber wegen der Satzung der ECAC leider nicht bindend sind. Deswegen beschloss der Europäische Rat am 14. September 2001 — drei Tage nach den Anschlägen vom 11. September — der EU die Zuständigkeit für die Gefahrenabwehr im Luftverkehr zu übertragen. Dieser Beschluss führte zu der Verordnung Nr. 2320/2002 „zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt“. Diese Verordnung trat am 19. Januar 2003 in Kraft. Auf dem besagten Europäischen Gipfel vom 14. September 2001 wurde außerdem beschlossen, dass die Kommission die Befugnis erhält, direkte Kontrollen in den Mitgliedstaaten durchzuführen.

3.1.4

Internationale Arbeitsorganisation (ILO)

Überarbeitung der so genannten „Seafarers' Identity Documents Convention“ (Übereinkommen über Personalausweise für Seeleute). Mit dem überarbeiteten Übereinkommen soll für eine sichere Identifizierung von Seeleuten Sorge getragen und mithin Passagiere und Besatzungsmitglieder besser gesichert und die Sicherheit der Schiffe gesteigert werden. Dabei wird die Bewegungsfreiheit der Seeleute nicht eingeschränkt, so dass sie ungehindert an Land gehen können. Bei dem überarbeiteten Übereinkommen geht es vor allem um Leitlinien für die Aufmachung und Ausstellung von Ausweispapieren für Seeleute. Die ILO und das Übereinkommen werden hier erwähnt wegen ihrer Beispielfunktion für die Landverkehrsträger.

3.1.5

Weltzollorganisation (WCO)

a.

Das revidierte Übereinkommen von Kyoto der WCO

Im Juni 1999 hat der WCO-Rat das WCO-Übereinkommen von 1974, das so genannte Übereinkommen von Kyoto in überarbeiteter Fassung angenommen. Bei diesem Übereinkommen geht es um die Vereinfachung und Harmonisierung der Zollverfahren. Ein wichtiger Aspekt des revidierten Übereinkommens ist ein größeres Augenmerk für die Transparenz und Vorhersehbarkeit der Verfahrenskette. Wesentliche Elemente des revidierten Übereinkommens sind u.a.:

der Gebrauch von Zollanmeldung vor Eintreffen der Waren, um bereits im Vorfeld selektiv vorgehen zu können,

Risikomanagementtechniken,

größtmögliche Verwendung automatisierter Systeme,

Einsatz von mit anderen Zollstellen abgestimmten Interventionen,

kontinuierliche Beobachtung und Verfügbarkeit von Informationen über Zollanforderungen, Rechtsvorschriften und

Leitlinien.

b.

WCO Zolldatenmodell

Bei diesem Modell geht es um einen standardisierten internationalen Katalog an Daten, der den Anforderungen der Behörden in Bezug auf internationale Verbringung von Waren entspricht. Es bedeutet einen Fortschritt in Richtung einheitlicher Zollinformationen, die für Gefahrenabwehrzwecke verwendet werden können. Dieses Modell ist so konzipiert, dass es in einer völlig automatisierten Umgebung funktioniert.

c.

Die WCO Zollcodierung

Ihr Vorteil liegt darin, dass jede Sendung mit einer Identifizierungsnummer versehen wird und dadurch die Sammlung von Daten zu der betreffenden Sendung vereinfacht wird.

d.

Die Richtlinien für die Frachtdaten-Vorabinformation („Advanced Cargo Information“) zielen darauf ab, im Einklang mit dem überarbeiteten Kyoto-Übereinkommen gefahrenabwehrrelevante Daten zu ermitteln, und enthalten Leitlinien für die schnelle Erhebung durch die Zollbehörden.

e.

Das Internationale Zollabkommen für Behälter (Customs Convention on Containers) umfasst technische Spezifizierungen für Container, die im internationalen Gütertransport mit Zollsiegel verwendet werden, und Verfahren für die Zulassung solcher Behältnisse. Derzeit wird das Übereinkommen aus dem Jahre 1972 im Lichte des verstärkten Augenmerks für Gefahrenabwehr überarbeitet.

Die vorstehenden Angaben der Weltzollorganisation sind als Informationen anzusehen, die für die Landverkehrsträger interessant wären. Es käme darauf an, die Aspekte herauszukristallisieren, die auf die Landverkehrsträger angewendet werden könnten.

3.1.6

Internationale Organisation für Normung (ISO)

Diese Organisation hat im Jahr 2003 Richtlinien verabschiedet, die Spezifizierungen für die mechanische Versiegelung von Frachtcontainern enthalten.

Außerdem hat die ISO eine Norm für die Verwendung funkgestützter Identifizierungs-Tags, die an Frachtcontainern angebracht werden, sowie ein gemeinsames Kommunikationsprotokoll für digitale Versiegelungen entwickelt.

3.1.7

Die Europäische Union

a.

Vor allem auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr im Seeverkehr, in Häfen und im Luftverkehr hat die EU Maßnahmen ergriffen. In Ziffer 2.3 wurden bereits einige Beispiele aufgeführt.

Zum Bereich Intermodalverkehr hat die Kommission im Dezember 2003 ein Konsultationspapier über die Sicherheit des Frachttransports veröffentlicht, in dem mögliche Bedrohungen und geeignete Maßnahmen zum Schutz der Transportkette beschrieben werden.

In diesem Dokument führt die Kommission aus, dass für alle vorgeschlagenen Maßnahmen ein Risikoprofil erstellt werden sollte, und zwar sowohl für die einzelnen Verkehrsträger als auch für die gesamte Transportkette.

In dem Konsultationspapier werden folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

Gefahrenabwehr bezüglich Infrastrukturen von europäischer Bedeutung durch die Mitgliedstaaten im Wege bestimmter Maßnahmen (Aufstellung eines jährlich anzupassenden Gefahrenabwehrplans, Risikoerfassung, Benennung einer Anlaufstelle sowie der für die Gefahrenabwehr in Bezug auf die Infrastruktur zuständigen Personen und Benennung einer für das Auditing zu diesem ganzen Bereich zuständigen behördlichen Einrichtung);

Entwicklung von Sicherheitsnormen für Dienstleister (auf Gemeinschaftsebene Festlegung von Mindestnormen für internationale Dienstleistungsanbieter, Einführung des Konzepts des „Reglementierten Beauftragten“ und „Bekannten Versenders“ bei den Landverkehrsträgern;

Anwendung des Vorabinformationskonzepts in elektronischer Form, wobei nach Maßgabe des Ergebnisses einer Risikobewertung dieses Konzept für bestimmte Routen oder Sendungen zur Auflage gemacht werden sollte;

Verwendung spezieller Siegel und Verriegelung bei risikobehafteten und sicherheitsmäßig problematischen Sendungen;

Vorkehrungen um zu verhindern, dass die Mitgliedstaaten unterschiedliche Normen einführen, die ein effizientes Funktionieren des Marktes erschweren würden. Diesbezüglich schlägt die Kommission in ihrem Papier eine Reihe von Maßnahmen vor.

b.

Die Kommissionsmitteilung vom 24. Juli 2003 und der Verordnungsvorschlag gleichen Datums, in dem die Kommission vorschlägt, den Gemeinsamen Zolltarif zu überarbeiten. Mit diesem Vorschlag wird bezweckt, die Rolle der Zollbehörden an den Außengrenzen der EU entsprechend anzupassen, um für die strengeren Gefahrenabwehrstandards bei der Ein- und Ausfuhr von Waren gerüstet zu sein.

3.1.8

Die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UN-ECE)

Die Arbeitsgruppe für Zollfragen (WP 30) der UN-ECE und der TIR-Verwaltungsausschuss (Transports Internationaux Routiers) kamen im Februar 2003 überein, das TIR-Verfahren, das bislang überwiegend noch in Papierform abgewickelt wird, Schritt für Schritt zu computerisieren. Nach dem durch ein TIR-Carnet abgedeckten Transitverfahren kann der internationale Gütertransport in Drittländer mit einem minimalen Aufenthalt an den Grenzen erfolgen, weil das TIR-Carnet ein international anerkanntes Zolldokument ist.

Die vorstehende Information bezieht sich auf den Güterstraßentransport. Der Ausschuss empfiehlt zu prüfen, inwieweit Maßnahmen dieser Art auch für andere Verkehrsträger in Betracht kämen.

3.1.9

Maßnahmen der Vereinigten Staaten

Es versteht sich von selbst, dass die Vereinigten Staaten nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 bei Gefahrenabwehrmaßnahmen an erster Stelle stehen. So trat u.a. im Jahre 2002 ein „Bioterrorismus-Gesetz“ in Kraft, das u.a. die Vorabübermittlung bestimmter Informationen über die Einfuhr von Nahrungsmittelerzeugnissen vor dem Eintreffen der betreffenden Waren in den Vereinigten Staaten vorschreibt. Außerdem müssen Nahrungsmittelhersteller und Lagerhaltungseinrichtungen sich bei der Nahrungs- und Arzneimittelzulassungsbehörde (FDA) eintragen lassen und einen Vertreter vor Ort in den Vereinigten Staaten benennen.

3.1.10

Um die Sondierungsstellungnahme nicht zu überfrachten, sollen einige der von den Vereinigten Staaten getroffenen Maßnahmen erwähnt aber nicht ausführlicher beschrieben werden.

Wenn in Europa diesbezüglich etwas unternommen wird, wäre es natürlich sinnvoll, in Erfahrung zu bringen und entsprechend zu berücksichtigen, was die getroffenen Maßnahmen gebracht haben. Als Beispiele seien hier genannt:

a.

die Container-Sicherheitsinitiative (CSI),

b.

die Customs-Trade Partnership against Terrorism (C-TPAT) [Sicherheitspartnerschaft zwischen der US-Zollbehörde mit der US-Wirtschaft zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus],

c.

die 24-Hour Advance Vessel Manifest Rule [Bekanntgabe des Lademanifests an den US-Zoll spätestens 24 Stunden vor Schiffsbeladung],

d.

das Bioterrorismus-Gesetz.

3.2

Initiativen, die die Industrie allein oder in Zusammenarbeit mit Behörden ergriffen hat:

a.

Das Business Anti-Smuggling Coalition Programme [Zusammenschluss von Unternehmen für die Schmuggelbekämpfung],

b.

das Memorandum of Understanding on Electronic Business [Verhaltenskodex für elektronischen Geschäftsverkehr],

c.

Entschließung des Internationalen Straßentransport-Verbands (IRU) über die Gefahrenabwehr im Straßenverkehr,

d.

die vom IRU entwickelten „Straßenverkehrssicherheitsleitlinien“,

e.

der derzeit vom IRU entwickelte „Standard-Sicherheitsplan“,

f.

die „Operation Sicherer Handel (OSC)“,

g.

die „Smart and Secure Tradelanes (SST)“- Initiative [Sichere Handelsrouten durch die Verwendung von RFID-Technologie].

3.3

Bei den meisten der in den vorstehenden Absätzen genannten Initiativen geht es um Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im Gütertransport im Allgemeinen bzw. Containertransport im Besonderen. Einige dieser Maßnahmen könnten nach Meinung des Ausschusses auch auf die Personenbeförderung angewandt werden.

3.4

Die Gefahrenabwehrmaßnahmen sind von Verkehrsträger zu Verkehrsträger sehr unterschiedlich. Wie bereits erwähnt sind die Seeschifffahrt, die Häfen und der Luftverkehr auf diesem Gebiet am weitesten gediehen. In der Stellungnahme des Ausschusses vom 24. Oktober 2002 (5), für die Frau BREDIMA-SAVOPOULOU Berichterstatterin war, wird dies bereits ausgezeichnet dargestellt. Deswegen soll in der vorliegenden Sondierungsstellungnahme auf diese Verkehrsträger auch nicht mehr gesondert eingegangen werden.

3.5

Ein wichtiger zu berücksichtigender Aspekt sind in diesem Bereich die empfindlichen Landverkehrsterminals und die Lagerungseinrichtungen und Umschlagplätze. Ferner könnten hier auch noch die Rohrleitungen als Transportmittel aufgeführt werden. Die Terminalbetreiber treiben zwar großen Aufwand für die Sicherung ihres Betriebsgeländes, aber nach dem Eindruck des Ausschusses ist nicht genügend ins Bewusstsein gedrungen, dass gerade die Lagerungseinrichtungen und Umschlagplätze sehr anfällig sind und Zusammenarbeit mit den Verkehrsträgern, die die Umschlageinrichtungen in Anspruch nehmen, dringend geboten ist.

3.6

Nach Meinung des Ausschusses mangelt es aber auch an Dringlichkeitsbewusstsein in Bezug auf die Gefahren, die mit dem Transport und dem Umschlag über Rohrleitungen einhergehen. Der Ausschuss macht darauf aufmerksam, dass dieses Bewusstsein sich schleunigst einstellen muss und die zuständigen Behörden Gefahrenabwehrmaßnahmen zum Schutz von sowohl Personen als auch der Infrastruktur ergreifen müssen.

3.7

Beim Schienenverkehr steht die Sicherheit des Personals, der Reisenden und des Materials traditionell sehr hoch im Kurs. Es ist zu hoffen, dass diese Kultur auch bei der Gefahrenabwehr zu einem ebenso hohen Niveau führen wird. Ganz besondere Aufmerksamkeit sollte anfälligen Punkten, wie etwa Bahnhöfen oder Rangierbereichen, gewidmet werden. Für die entsprechende internationale Koordinierung sollte die UIC Empfehlungen ausarbeiten.

Die einzelstaatlichen Eisenbahnunternehmen müssen entsprechendes Informationsmaterial entwickeln, um Reisende und Personal zu instruieren, wie sie sich im Ernstfall verhalten sollen. Beim Personal sollte diese Instruktion standardmäßig Teil der Ausbildung werden.

3.8

Die Binnenschifffahrt nimmt häufig Seehäfen für das Löschen und Laden von Fracht in Anspruch. In diesem Fall gilt auch für die Binnenschifffahrt der ISPS-Code (International Ship & Port Facility Security = Code für die Gefahrenabwehr im Schiffsverkehr und in Hafenanlagen). Nach Ansicht des Ausschusses darf eine strikte Anwendung dieses Codes aber nicht zu einer Störung der Logistikkette führen. Die Häfen, Reedereien und Inspektionsdienste haben dafür Sorge zu tragen, dass dem ISPS-Code Genüge getan wird. Was die Ausbildung des Binnenschiffspersonals angeht, ist der Ausschuss auch in diesem Fall der Auffassung, dass die Gefahrenabwehr integraler Bestandteil der Ausbildung sein sollte.

3.9

Der öffentliche Nahverkehrssektor ist sich seit den Terroranschlägen in Madrid und London seiner Verwundbarkeit bewusst. Es wurden Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen getroffen, um den Schutz und das Sicherheitsempfinden der Reisenden und des Personals drastisch zu steigern.

3.10

Das Kraftverkehrsgewerbe mit seinen vielen Reisebus- und Gütertransportunternehmen — es geht hier um mehrere Hunderttausend sehr mobile Unternehmen — ist sehr verwundbar. Dieser Sektor ist bereits seit geraumer Zeit das Ziel krimineller Handlungen. Diebstahl von Lastkraftwagen mit oder ohne Ladung ist an der Tagesordnung. Der Internationale Straßentransport-Verband (IRU) unternimmt alles Erdenkliche, um sowohl die Behörden als auch die Marktteilnehmer zur Ergreifung von Gefahrenabwehrmaßnahmen zu bewegen. So ruft er beispielsweise dazu auf, mehr bewachte Parkplätze einzurichten. Wegen der hohen Anfälligkeit dieses Sektors für Gefahren durch äußere Einwirkungen hat der Internationale Straßentransport-Verband, wie bereits in Ziffer 3.2 erwähnt, sogenannte Security Guidelines (Leitlinien für die Gefahrenabwehr) aufgestellt, die eine Reihe von Empfehlungen für Unternehmensmanagement, Kraftfahrer und Verlader enthalten. Ferner wurde ein Regulierungsrahmen für Verträge über freiwillige Zusammenarbeit mit den Zollbehörden ausgearbeitet.

3.11

Bei der Aufstellung der in Ziffer 3.10 genannten Leitlinien (Security Guidelines) wurden folgende Ausgangspunkte zugrunde gelegt:

Gefahrenabwehrmaßnahmen dürfen nicht so streng sein, dass dadurch der normale Betriebsablauf unmöglich wird.

Neu zu beschließende Gefahrenabwehrmaßnahmen müssen zu dem damit verfolgten Zweck, den damit verbundenen Kosten und Auswirkungen für den Verkehr in einem angemessenen Verhältnis stehen.

Einseitige Maßnahmen der Mitgliedstaaten können nicht gutgeheißen werden.

Gefahrenabwehrmaßnahmen müssen nachvollziehbar und akzeptabel sein.

Wegen des internationalen Charakters des Verkehrs sollten die zu treffenden Maßnahmen einheitlich, verhältnismäßig und nicht diskriminierend angewandt werden und die effizientesten Handelsströme wenn überhaupt so wenig wie möglich behindern.

Allgemein lässt sich sagen, dass bevor Maßnahmen ergriffen werden, die jeweilige Zielgruppe sich der Notwendigkeit der betreffenden Maßnahme bewusst sein muss. Es sollten also keine Gefahrenabwehrmaßnahmen zur Anwendung kommen dürfen, solange die betreffende Zielgruppe von den geplanten Maßnahmen keine Kenntnis hat. Deswegen sollte nach Ansicht des Ausschusses unbedingt rechtzeitig Information erfolgen.

3.12

Für den Werkverkehr empfiehlt der Ausschuss, dass unabhängig vom jeweiligen Verkehrsträger die für das Unternehmen verantwortliche Person die erforderlichen Gefahrenabwehrmaßnahmen zum Schutz des Personals, der Transportmittel und der Verkehrsinfrastruktur treffen muss.

3.13

Der Ausschuss stellt fest, dass bei den Behörden und den Landverkehrsträgern sich immer mehr die Erkenntnis durchsetzt, dass Gefahrenabwehrmaßnahmen in den alltäglichen Betriebsablauf eingebaut werden müssen. Diese Kohärenz lässt aber noch sehr zu wünschen übrig. Was die einzelnen Verkehrsträger angeht, hat sich vor allem im See- und im Luftverkehr wegen ihres weltweiten Charakters viel getan. Im öffentlichen Nahverkehr ist man viel aufmerksamer geworden, im Gütertransportbereich blieben die Maßnahmen weitgehend auf den Verkehrsträger beschränkt. Maßnahmen, die die gesamte Logistikkette betreffen, wurden noch nicht getroffen, obwohl die Schwachstelle gerade am Umschlagplatz vom einen zum anderen Verkehrsträger angesiedelt ist. Deswegen rät der Ausschuss den Behörden denn auch, eine übergeordnete Instanz auf nationaler Ebene zu benennen, die die gesamte Verkehrskette abdeckt.

4.   Der Kostenaspekt bei Gefahrenabwehrmaßnahmen

4.1

Dass angesichts der Zunahme krimineller und terroristischer Handlungen Maßnahmen getroffen werden müssen, um Reisende, Personal, Transportmittel und Ladung zu schützen, ist allen klar. Weniger eindeutig ist die Antwort auf die Frage, wer die Kosten für Gefahrenabwehrmaßnahmen zu tragen hat. Zumal bekannt ist, dass Gefahrenabwehr mit hohen Kosten verbunden ist. So werden bezüglich des Containerseetransports die Kosten von Gefahrenabwehrmaßnahmen auf 30 bis 40 US-$ pro Container geschätzt.

4.2

Um sich ein klares Bild darüber zu machen, wem die Kosten anzulasten sind, muss man erst einmal betrachten, welche Arten von Kosten es hier im Einzelnen gibt. Bei der Zusammenstellung der verschiedenen Kostenarten bietet sich eine Gliederung in folgende Kategorien an:

a.

Kosten im Zusammenhang mit der Festlegung von Bestimmungen und der Kontrolle ihrer Anwendung;

b.

Kosten im Zusammenhang mit der Erfassung und Analyse des Unsicherheitsgrads und Ausgaben für die Unterstützung von Drittländern, um diesen Ländern zu ermöglichen, für ein ebenso hohes Schutzniveau Sorge zu tragen wie in den EU-Mitgliedstaaten;

c.

Kosten, die als Investitionskosten anzusehen sind, wie etwa die Kosten für die Auswahl und die Ausbildung von Personal auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr sowie für die Beschaffung des für die Gefahrenabwehr erforderlichen Materials;

d.

laufende Kosten im Zusammenhang mit der Gefahrenabwehr wie etwa die Personalkosten für Sicherheitspersonal, Kosten für die Wartung des Gefahrenabwehrmaterials, Kosten für die Information über Gefahrenabwehr, Versicherungskosten im Zusammenhang mit der Gefahrenabwehr, Kosten für ordnungspolitische Maßnahmen, um darauf hinzuwirken, dass die Bestimmungen in einem akzeptablen Grade eingehalten werden.

Daneben gibt es auch Kosten, die mit Maßnahmen im Zusammenhang stehen, die vor oder nach einem außergewöhnlichen Ereignis, wie etwa einem terroristischen Anschlag, getroffen werden. Für die Anlastung dieser Art von Kosten, muss eine gesonderte Lösung gefunden werden. Zunächst einmal sollten sie zu Lasten des Staates gehen.

4.3

Was die Frage angeht, wer bzw. welche Instanz für die Zurechnung der Kosten am ehesten in Betracht kommt, erscheint es logisch, die ersten beiden Kostenkategorien der Zuständigkeit der nationalen oder diesen nachgeordneten Behörden zuzuordnen, während im Falle der Kategorien c und d wohl eher an die Unternehmen zu denken ist.

4.4

Wirtschaftlich gesehen müssen die Kosten letztlich von der Tätigkeitsebene getragen werden, die die Kosten verursacht, so dass sie in den Preis eingerechnet werden (sprich den Fahrschein im öffentlichen Nahverkehr bzw. den Gütertransporttarif). Die Preise der Güter und Dienstleistungen müssen nämlich möglichst die sozialen Grenzkosten decken, einschließlich der Kosten für die Gefahrenabwehr. Die erforderlichen Maßnahmen sind mitunter aber von derart allgemeiner Bedeutung, dass die damit verbundenen Kosten denn auch vom gesamten Gemeinwesen getragen werden müssen.

4.5

Diese Nuancierung läuft darauf hinaus, dass die Kosten für die Gefahrenabwehr letztlich vom Verbraucher getragen werden, und zwar über einen höheren Preis für das Enderzeugnis, bzw. vom Bürger, wenn der Staat Gefahrenabwehrmaßnahmen von allgemeinem Interesse finanziert, als Staatsausgaben, die vom Steuerzahler aufgebracht werden.

4.6

Die Versicherungsgesellschaften spielen nach Meinung des Ausschusses hier nur eine untergeordnete Rolle. Denn wenn in den Versicherungsbedingungen terroristische Handlungen als abgedecktes Risiko nicht ausgenommen sind, werden eventuelle Versicherungsleistungen stets in Form höherer Prämien an den Versicherten weitergegeben. Es ist allerdings so, dass ein kausaler Zusammenhang besteht zwischen dem Grad der Gefahrenabwehr und der zu zahlenden Versicherungsprämie. In dem Maße wie die Gefahrenabwehrmaßnahmen verstärkt werden, müsste die zu zahlende Prämie eigentlich günstiger werden.

4.7

Die Europäische Union kann aufgrund ihrer Aufgaben und Befugnisse lediglich eine Koordinierungs- und Kontrollfunktion wahrnehmen. Allenfalls für Aufklärungskampagnen und Informationsmaßnahmen können Mittel bereitgestellt werden. So ist etwa im 6. Rahmenprogramm ein Betrag von 3,5 Mio. EUR für Gefahrenabwehr ausgewiesen.

5.   Zusammenfassung und Empfehlungen

5.1

Der Ausschuss stellt fest, dass nach den Terroranschlägen der letzten Jahre das Interesse für die Gefahrenabwehrthematik auf sämtlichen Ebenen enorm gestiegen ist.

5.2

Vor allem im See- und im Luftverkehr wurden die erforderlichen Vereinbarungen getroffen, die in internationalen Regelungen festgeschrieben wurden. Die Umsetzung erfolgt im Wege von EU-Inspektionen.

5.3

Bezüglich der Gefahrenabwehr bei den Landverkehrsträgern ist nach Meinung des Ausschusses noch Handlungsbedarf, vor allem auch wegen der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen den einzelnen Verkehrsträgern und der Verwundbarkeit der intermodalen Lagerungseinrichtungen und Umschlagplätze. Es ist unbedingt ein koordiniertes Vorgehen erforderlich, weil das schwächste Glied die Stärke der gesamten Kette bestimmt.

5.4

Der Ausschuss macht darauf aufmerksam, dass in einigen Sprachen der Europäischen Union nicht unterschieden wird zwischen dem Begriff „Gefahrenabwehr“ und dem Begriff „Sicherheit“. Dies schafft Verwirrung, und deswegen sollte eine eindeutige Terminologie geschaffen werden.

5.5

Die Zuständigkeit für die Ergreifung von Gefahrenabwehrmaßnahmen liegt nach Ansicht des Ausschusses bei den Mitgliedstaaten. Sie müssen einen Rahmen festlegen, der bestimmte Mindestnormen enthält, die die Verkehrsträger als Minimum einhalten müssen. Für die Koordinierung der Maßnahmen sollte die öffentliche Hand eine Sonderbehörde einrichten, die zugleich auch die Umsetzung der Maßnahmen sicherstellt.

5.6

Die Rolle der Europäischen Union liegt nach Ansicht des Ausschusses vor allem in der Koordinierung von Maßnahmen auf internationaler Ebene, während die Aufgabe der nationalen und lokalen Behörden darin besteht, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, deren Umsetzung zu kontrollieren, Aufklärungsarbeit zu leisten und die Bewusstseinsbildung bezüglich Terrorismus und Kriminalität auf sämtlichen Ebenen zu fördern. Des Weiteren müssen die nationalen und lokalen Behörden auch die Zusammenarbeit zwischen den Verkehrsträgern fördern und für den Schutz der physischen Infrastruktur Sorge tragen.

5.7

Den Benutzern der Verkehrsträger kommt bei der Gefahrenabwehr eine wesentliche Rolle zu. Die Reisenden und die Verkehrskunden sollten durch entsprechende Informationsarbeit zu einer aufmerksameren und aktiveren Haltung bewegt werden, die Arbeitnehmer der Landverkehrsträger müssen eine spezielle Ausbildung erhalten, die auf ihre Rolle bei der Gefahrenabwehr bei ihrem jeweiligen Verkehrsträger zugeschnitten ist. Die Aufgabe des Unternehmensmanagements besteht nach Meinung des Ausschusses vor allem darin, die Gefahrenabwehrkonzepte in die Unternehmensphilosophie und die Unternehmenskultur einzubauen, den Arbeitnehmern die Möglichkeit zu geben, Ausbildungen auf diesem Gebiet zu absolvieren, und dafür zu sorgen, dass in die Managementausbildung ein Unterrichtsteil „Krisenmanagement“ aufgenommen wird.

5.8

Die Situation stellt sich nach dem Befund des Ausschusses bei den einzelnen Landverkehrsträgern recht unterschiedlich dar. Bei den Behörden und bei den Verkehrsträgern setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass Gefahrenabwehrmaßnahmen in den alltäglichen Betriebsablauf integriert werden müssen. Er muss aber feststellen, dass die Kohärenz hier noch sehr zu wünschen übrig lässt. Im öffentlichen Nahverkehr ist die Situation diesbezüglich besser als im Güterverkehr. Dort nämlich blieben die Maßnahmen weitgehend auf Maßnahmen bezüglich des Verkehrsträgers selbst beschränkt. Deswegen empfiehlt der Ausschuss denn auch den einzelstaatlichen Behörden, eine übergeordnete Einrichtung zu benennen, die die gesamte Verkehrskette abdeckt.

5.9

Für den Werkverkehr empfiehlt der Ausschuss, dass unabhängig vom jeweiligen Verkehrsträger die für das Unternehmen verantwortliche Person die erforderlichen Gefahrenabwehrmaßnahmen zum Schutz des Personals, der Transportmittel und der Verkehrsinfrastruktur treffen muss.

5.10

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Kosten für die Gefahrenabwehr sich im Preis des Endprodukts niederschlagen, so dass der Verbraucher hierfür aufkommt bzw. über den Staatshaushalt letztlich der Bürger in Form der Steuerentrichtung, wenn die Maßnahmen vom Staat getroffen werden.

5.11

Die Versicherungsgesellschaften spielen nach Meinung des Ausschusses hier nur eine untergeordnete Rolle. Eventuelle Versicherungsleistungen werden letztlich in Form höherer Versicherungsprämien von den Versicherten bestritten. In dem Maße wie die Gefahrenabwehrmaßnahmen verstärkt würden, müsste die zu zahlende Prämie eigentlich günstiger werden. Es ist darauf zu achten, dass die Höhe der Prämien die Marktrisiken widerspiegeln.

5.12

Die Rolle der Europäischen Union als Geldgeber ist vor allem in der Finanzierung von einschlägigen Forschungs-, Informations- und Sensibilisierungsprogrammen zu sehen.

Brüssel, den 14. Dezember 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  ABl. C 61 vom 14.3.2003, S. 174.

(2)  KOM(2005) 124 endg. vom 6.4.2005.

(3)  ABl. C 198 vom 12.8.2005, S. 1.

(4)  Die Gefahrenabwehr im ÖPNV in Großstädten wird in der Prospektivstellungnahme des Ausschusses der Regionen zum Thema „Die Sicherheit der einzelnen Verkehrsträger und ihre Finanzierung“ (CdR 209/2005), für die Herr Neill, Mitglied der London Assembly, Berichterstatter ist, ausführlich behandelt.

(5)  ABl. C 61 vom 14.3.2003, S. 174.