22.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 234/8


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates: „Neufassung der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute sowie der Richtlinie 93/6/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten“

(KOM(2004) 486 endg. — 2004/0155 und 2004/0159 (COD))

(2005/C 234/02)

Der Rat beschloss am 13. September 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu oobenerwähnter Vorlage zu ersuchen:

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 14. Februar 2005 an. Berichterstatter war Herr RAVOET.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 415. Plenartagung am 9./10. März 2005 (Sitzung vom 9. März) folgende Stellungnahme mit 124 gegen 1 Stimme:

1.   Inhalt und Anwendungsbereich des Vorschlags

1.1

Die Europäische Kommission veröffentlichte am 14. Juli 2004 einen Vorschlag für eine Richtlinie (1) zur Neufassung der zweiten Richtlinie über die angemessene Eigenkapitalausstattung (93/6/EWG) (Kapitaladäquanzrichtlinie) und der Kodifizierten Bankenrichtlinie (2000/12/EG). Dieser Richtlinienvorschlag dient der Umsetzung der neuen Basel-Rahmenvereinbarung („International Convergence of Capital Measures and Capital Standards“) in der Europäischen Union. In diesem Dokument wird auf die Richtlinie zur Neufassung als (neue) „Kapitaladäquanzrichtlinie“ Bezug genommen.

1.2

Der Anwendungsbereich der Kapitaladäquanzrichtlinie erstreckt sich auf alle in der Europäischen Union tätigen Kreditinstitute und Wertpapierfirmen. Mit dieser Richtlinie soll das Bankensystem in Europa sehr risikosensibel gemacht werden. Sie wird den Bankensektor veranlassen, im Zuge des technischen Fortschritts und Investitionen in Personalentwicklungsmaßnahmen im Laufe der Zeit zu hochsensiblen Risikobewertungstechniken zu konvergieren. Durch die Schaffung einer gesunden Arbeitsgrundlage, von der aus die Unternehmen im Wege der Kapitalreallokation expandieren und innovativ weiterarbeiten können, wird sie den Verbraucherschutz, die finanzielle Stabilität und die globale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen verbessern.

1.3

Die Kapitaladäquanzrichtlinie ist das Rechtsinstrument zur Umsetzung der vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht ausgearbeiteten neuen Baseler Rahmenvereinbarung in der EU. Der Baseler Ausschuss wurde 1974 von den Notenbankgouverneuren der Zehnergruppe (G10) ins Leben gerufen. Die Vereinbarungen dieses Gremiums sind zwar nicht rechtsverbindlich, dienen jedoch dazu, einen gemeinsamen Aufsichtsrahmen zu schaffen, die Konvergenz hin zu gemeinsamen Ansätze zu erleichtern sowie gemeinsamen Ausgangsbedingungen für international tätige Banken den Weg zu ebnen.

1.4

Der sog. Basel-I-Akkord wurde 1988 veröffentlicht. Im Jahre 1999 begann man damit, das Abkommen im Lichte der sich in den 90ern rasch entwickelnden Risikomanagement-Strategien zu erweitern. Das Resultat dieser Arbeit waren die im Juni 2004 veröffentlichten „International Convergence of Capital Measures and Capital Standards“ (2), auch „neue Baseler Rahmenvereinbarung“ genannt.

1.5

Die neue Baseler Rahmenvereinbarung gliedert sich in drei Teile, die gemeinhin als die drei „Säulen“ bezeichnet werden. Säule 1 legt Eigenkapital-Mindestanforderungen für Kreditrisiko, Marktpreisrisiko und operationelles Risiko fest. Die Kreditinstitute können über eine Menü-Auswahl zwischen unterschiedlichen Stufen der Komplexität wählen. Unter Säule 2 fällt das Aufsichtsverfahren, das im Wege eines aktiven Dialogs zwischen den Instituten und der Aufsichtsinstanz durchgeführt wird. Es dient dazu, das Vorhandensein zweckdienlicher bankeigener Verfahren zur Beurteilung der Eigenkapitalanforderungen im Verhältnis zum Risikoprofil des Finanzkonzerns sicherzustellen. Säule 3 macht den Instituten die Offenlegung ihrer Eigenkapitalunterlegung gegenüber dem Markt zur Auflage. Auf Säule 3 wird oft unter dem Stichwort „Marktdisziplin“ verwiesen, da über die Transparenz beste Praktiken und das Vertrauen der Investoren gefördert werden.

1.6

Den Banken und den Wertpapierfirmen wird eine Menü-Auswahl für die Messung ihrer Kreditrisiken und operationellen Risiken sowie für die Kreditrisikominderung zur Verfügung gestellt. Dadurch sollen die Proportionalität des Regelwerks sichergestellt und Anreize für kleinere Institute geschaffen werden, auf fortgeschrittenere Ansätze umzusteigen. Die Umsetzung der fortgeschrittenen Ansätze ist finanziell aufwändiger, da sie auf von den Instituten entworfenen internen Modellen beruhen. Ihr Vorteil liegt allerdings in einer höheren Risikosensibilität, weshalb sie eine geringere Kapitalunterlegung gestatten.

Säule 1

 

Kreditrisiko

 

Operationelles Risiko

Säule 2

Säule 3

Interne Modelle

Fortgeschrittener IRB-Ansatz

(Advanced Internal Ratings Based Approach — AIRBA)

Fortgeschrittene Kreditrisikominderung (Advanced Credit risk mitigation)

Fortgeschrittenes Verfahren zur Ermittlung der Verlustwahrscheinlichkeit

(Advanced Measurement Approach — AMA)

Standardansätze

Basis-IRB-Ansatz

(Foundation Internal Ratings Based Approach — FIRBA)

Standard Kreditrisikominderung (Standardised Credit risk mitigation)

Standardansatz

(Standardised Approach — STA)

Standardansatz

(Standardised Approach — STA)

Basisindikatoransatz

(Basic Indicator Approach — BIA)

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1

Die Kapitaladäquanzrichtlinie ist das Rechtsinstrument zur Umsetzung der neuen Baseler Rahmenvereinbarung in der EU. Der Richtlinienvorschlag der Kommission orientiert sich weitgehend an den Basel-Regeln und berücksichtigt zugleich die Besonderheiten der Europäischen Union. Ausschlaggebend ist, dass ein hohes Maß an Parallelität zwischen der Baseler Rahmenvereinbarung und den EU-Bestimmungen hergestellt wird, damit Wettbewerbsgleichheit für europäische Banken gegenüber ihren Konkurrenten gewährleistet wird, die anderen Rechtsordnungen unterliegen, in denen die Rahmenvereinbarung umgesetzt wird.

2.2

Ein Hauptunterschied zwischen der Kapitaladäquanzrichtlinie und der Baseler Rahmenvereinbarung besteht darin, dass die Bestimmungen der Richtlinie auf alle Kreditinstitute und Wertpapierfirmen in der EU Anwendung finden. Die Baseler Rahmenvereinbarung hingegen ist für international operierende Banken konzipiert. Der von der Kommission vorgesehene erweiterte Anwendungsbereich liegt im Interesse von sowohl Einlegern als auch Darlehensnehmern in der EU. Ein solides Bankwesen mit hoher Eigenmittelausstattung erlaubt der Kreditwirtschaft die Aufrechterhaltung ihrer Kreditvergabetätigkeit über den ganzen Konjunkturzyklus hinweg. Dies sorgt für eine größere Stabilität im Bankensektor.

2.3

Die Vorteile für das europäische Bankwesen, die europäischen Unternehmen und die Verbraucher werden sich nur dann als nachhaltig erweisen, wenn die Richtlinie so flexibel gestaltet ist, dass sie mit den Veränderungen in der Praxis, auf den Märkten und im Aufsichtsbedarf Schritt halten kann. Dies ist notwendig, um die Interessen der Einleger und Darlehensnehmer zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass die EU ihren Ruf als ein Markt bewahrt, der sich an den besten Vorgehensweisen orientiert.

2.4

Der von der Kommission gewählte Weg, die dauerhaften Prinzipien und Ziele in den Artikeln der neugefassten Richtlinie und die technischen Maßnahmen in den Anhängen festzulegen, die durch das Komitologieverfahren geändert werden können, ist eine effiziente Vorgehensweise zur Sicherstellung der notwendigen Flexibilität.

3.   Besondere Bemerkungen

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss spricht der Kommission zu der hohen Qualität des Richtlinienvorschlags seine Anerkennung aus. Nach Dafürhalten des Ausschusses gibt es nur wenige Themen, die aufgegriffen werden müssen. Die Qualität des Legislativvorschlags spiegelt das einmalige Niveau der Konsultationen wider, darunter auch die Beteiligung an den Auswirkungsstudien des Baseler Ausschusses, die von der Kommission im Verlauf der Einarbeitung der Basel-Bestimmungen in die EU-Rechtsetzung vorgelegt wurden. Als Stimme der organisierten Zivilgesellschaft in der Europäischen Union lobt der EWSA diese Entwicklung und fordert die Mitgesetzgeber dazu auf, weiterhin die Ansichten der Marktteilnehmer im Rechtsetzungsprozess der EU zu berücksichtigen.

3.1   Auswirkungen auf kleinere Kreditinstitute in der EU

3.1.1

Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass der Anwendungsbereich des Richtlinienvorschlags der Kommission mit Blick auf den Nutzen für alle Verbraucher und Unternehmen in der Europäischen Union korrekt gewählt ist. Darüber hinaus ist der Ausschuss der Auffassung, dass Kreditinstitute aller Größenordnungen von den überarbeiteten Kapitaladäquanz-Regeln Nutzen erwarten können. Der Text der Kommission stellt ein ausgewogenes Gleichgewicht dar: Einerseits werden für kleinere Institute Anreize geschaffen, langfristig zu fortgeschritteneren Ansätzen überzugehen, andrerseits wird die Schaffung eines proportionalen Regelwerkes anvisiert, das die begrenzten Mittel der kleineren Kreditinstitute berücksichtigt.

3.1.2

Der Kommissionstext integriert überdies die Initiativen des Baseler Ausschusses zum Abbau der regulatorischen Hürden bei der Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Diese Änderungen (nachstehend unter „Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen“ behandelt) werden vom EWSA begrüßt — anderenfalls bestünde für den Ausschuss Grund zu der Befürchtung, dass der neue Rahmen zu einer zunehmenden Konzentration im europäischen Bankwesen und somit zu einer eingeschränkten Wahlfreiheit der Verbraucher führen würde. Der Ausschuss zeigt sich zufrieden, dass in der Wirkungsstudie von PriceWaterhouseCoopers vom April 2004 (3) der Schluss gezogen wird, dass bei einer durchgängigen Umsetzung der Richtlinie in der Europäischen Union nicht mit einer wesentlichen Beeinträchtigung der Wettbewerbslage in der Kreditwirtschaft zu rechnen ist.

3.2   Auswirkungen für den Verbraucher

Die finanzielle Stabilität und die höhere Risikoempfänglichkeit im Zuge der neuen Regeln werden den Verbrauchern in Gestalt eines höheren Vertrauens in die Finanzierungssysteme und eines signifikant verringerten systemischen Risikos zugute kommen. Der Wirkungsstudie von PriceWaterhouseCoopers zufolge wird der Übergang zu einer stärker risikosensitiven Handhabung das vorgehaltene Bankkapital reduzieren, was sich in Form einer leichten BIP-Verbesserung in der EU niederschlagen dürfte. Der zielführendere Einsatz von Kapital in der Wirtschaft leistet einen Beitrag zur Erfüllung der übergeordneten wirtschaftlichen und sozialen Ziele der Union.

3.3   Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU)

3.3.1

Der EWSA begrüßt, dass der Rahmen geändert wurde, um den Auswirkungen bei der Kreditvergabe auf die KMU besser gerecht zu werden; er begrüßt auch die Aufnahme dieser Änderungen in den europäischen Rahmen. Besonders hebt der Ausschuss Folgendes hervor:

Durch eine Abflachung der Retail-Kurve wurde die Eigenkapitalunterlegung für Darlehen an Kleinunternehmen reduziert.

Einige Banken behandeln ihre Exposures in Bezug auf die KMU als Retail-Exposures, die sie nunmehr gesammelt als Teil ihres Retail-Portefeuilles verwalten können.

Der Baseler Ausschuss hat die Granularitätsanforderungen für Darlehen an Kleinunternehmen abgeschafft, wodurch mehr Banken von der Vorzugsbehandlung profitieren können, und

im neuen Rahmen werden akzessorische Sicherheiten und Garantien aufgewertet.

3.3.2

Der Ausschuss begrüßt die diesbezüglichen Resultate der dritten Quantitiven Auswirkungsstudie (QIS3). Die Ergebnisse der QIS3 belegen, dass die Eigenkapitalunterlegung der Bank für Kredite an KMU im Unternehmensportefeuille bei Banken, die einen standardisierten Kreditrisikoansatz wählen, weitgehend stabil bleibt. Bei Banken, die mit dem Internen Rating-Verfahren (IRB) arbeiten, wird dieser Wert im Schnitt um 3-11 % abnehmen. Die Kapitalunterlegung für Exposures bei KMU, die der Retail-Behandlung zugeordnet werden können, wird im Schnitt um 12-13 % unter dem standardisierten Ansatz (STA) und bis zu 31 % unter dem fortgeschrittenen IRB-Ansatz (AIRBA) liegen.

3.4   Abschaffen des nationalen Wahlrechts in der Europäischen Union

Die konsequente Anwendung proportionaler Aufsichtsbestimmungen durch die Mitgliedstaaten stünde sowohl mit dem Prinzip der verantwortungsvollen Beaufsichtigung als auch den Binnenmarktzielen im Einklang. Die Anzahl und der Anwendungsbereich der einzelstaatlichen Ausnahmeregelungen in der vorgeschlagenen Kapitaladäquanzrichtlinie würde hingegen deren konsequente Anwendung behindern. Der Ausschuss ist der festen Überzeugung, dass diese nationalen Wahlrechte innerhalb einer festgelegten Frist generell abgeschafft werden sollten und begrüßt die Arbeit, die der Ausschuss der europäischen Bankaufsichtsbehörden (CEBS) dahingehend leistet. Zahllose einzelstaatliche Regelungen könnten den Binnenmarkt für grenzüberschreitend tätige Bankgruppen beträchtlich verzerren, wodurch die Stabilität des Finanzsystems untergraben würde. Dies würde die Nutzwirkung des Gesamtrahmens für Einleger und Darlehensnehmer in der EU mindern, da die Kosten für Kredite steigen und die Auswahl an Finanzprodukten begrenzt werden könnte.

3.4.1   Die Höhe der anzuwendenden Eigenkapitalanforderungen

3.4.1.1

In Artikel 68 der Richtlinie wird den Kreditinstituten auferlegt, den Eigenmittelanforderungen innerhalb eines Konzerns auf individueller Ebene zu entsprechen. In Artikel 69 Absatz 1 wird es weiterhin dem Ermessen der Mitgliedstaaten überlassen, auf diese Anforderung zu verzichten und die Regeln auf konsolidierter Basis auf die Kreditinstitute und ihre Tochterunternehmen im selben Mitgliedstaat unter der Voraussetzung anzuwenden, dass der Konzern strenge Bedingungen erfüllt. Diese mögliche Auflagenentbindung könnte die Wettbewerbsgleichheit zwischen Mitgliedstaaten für international tätige Bankgruppen beeinträchtigen. Der Ausschuss hält dies für mit dem Binnenmarkt unvereinbar.

3.4.1.2

Außerdem würde in Fällen, in denen ein Mitgliedstaat dafür optiert, die Anforderungen auf Ebene der einzelnen Kreditinstitute anzuwenden, der Aufsichtsinstanz die Identifizierung des Risikoprofils der Bankengruppe erschwert. Die Begrenzung der konsolidierten Aufsicht auf Finanztöchter, die im selben Mitgliedstaat wie die Konzernmutter ansässig sind, würde einen analogen Effekt haben. Deshalb sollte die Aufsicht auf der konsolidierten Ebene EU-weit erfolgen, sofern die Kreditinstitute belegen können, dass ihre Eigenmittel adäquat zwischen Konzernmutter und Finanztöchtern verteilt sind.

3.4.2   Interne Risiken

3.4.2.1

Den Mitgliedstaaten wird die Festlegung der Risikogewichtung für gruppeninterne Exposures überlassen. Diese Option erlaubt den Mitgliedstaaten, ein 0 %-Risikogewicht für Exposures zwischen einem Kreditinstitut und seiner Konzernmutter sowie zwischen einem Kreditinstitut und seiner Finanztochter oder einer Finanztochter seiner Konzernmutter zu veranschlagen. Um mit 0 %-Risikogewicht bewertet zu werden, muss der Kreditnehmer (Kontrahent) im selben Mitgliedstaat wie das Kreditinstitut niedergelassen sein. Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass ein 0 %-Risikogewicht das Risiko bei internen Exposures korrekt wiedergibt. Würde ein Ermessensspielraum gewährt, könnte dies dazu führen, dass in einigen Mitgliedstaaten von Kreditinstituten gefordert würde, Kapital für gruppeneigene Exposures vorzuhalten, ohne dass es eine aufsichtsrechtliche Begründung dafür gäbe.

3.4.2.2

Eine Begrenzung des 0 %-Risikogewichts auf Kontrahenten im selben Mitgliedstaat wäre nicht binnenmarktkonform. Exposures innerhalb eines Konzerns bei Kreditnehmern in einem anderen Mitgliedstaat haben dasselbe Risikoprofil wie Exposures bei Kreditnehmern innerhalb desselben Mitgliedstaates. Ein 0 %-Risikogewicht sollte in der Regel bei Exposures innerhalb einer Gruppe mit Bezug auf Kreditnehmer in der EU Anwendung finden.

3.4.3   Das fortschrittliche Verfahren zur Ermittlung von Verlustwahrscheinlichkeiten (Advanced Measurement Approach, AMA)

3.4.3.1

Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht definiert das operationelle Risiko sinngemäß als das Risiko eines direkten oder indirekten Ausfalls, das auf unzureichende oder schief gelaufene interne Abläufe, Mitarbeiter oder Systeme bzw. auf äußere Ereignisse zurückzuführen ist. In der neuen Baseler Rahmenvereinbarung wird erstmalig eine Eigenkapitalunterlegung für das operationelle Risiko eingeführt — somit müssen Finanzinstitute gänzlich neue Messsysteme für das operationelle Risiko entwickeln. Wie oben erwähnt, steht eine Menü-Auswahl verschiedener Handlungsoptionen für die Messung des operationellen Risikos zur Verfügung. Das fortschrittliche Verfahren zur Ermittlung von Verlustwahrscheinlichkeiten (Advanced Measurement Approach, AMA) fordert von den Banken die Ausarbeitung interner Messmodelle, die von den zuständigen Behörden genehmigt werden müssen. Die europäischen Finanzinstitute haben massiv in die Entwicklung dieser Systeme auf Konzernebene investiert, um die Messmethoden für operationelle Risiken auf diejenigen Geschäftsfelder abzustimmen, auf denen sie operieren.

3.4.3.2

In Artikel 105 Absatz 4 wird es dem Ermessen der Mitgliedstaaten überlassen, Kreditinstituten zu gestatten, die qualifizierenden Kriterien für das fortschrittliche Verfahren zur Ermittlung von Verlustwahrscheinlichkeiten (Advanced Measurement Approach, AMA) für das operationelle Risiko auf oberster Ebene innerhalb eines Finanzkonzerns zu erfüllen. Die Anwendung des AMA auf konsolidierter Konzernebene in der EU deckt sich mit den Geschäftsfeld-Ansätzen für das Management des operationellen Risikos, die vom europäischen Bankgewerbe eingerichtet worden sind. Wenn die Banken den Anforderungen nicht auf Ebene des EU-Konzerns nachkommen könnten, wäre eine genaue Wiedergabe des Profils des operationellen Risikos der Gruppe nicht möglich. Im Falle von Muttergesellschaften und Finanztöchtern sollten die Anforderungen einer Gesamtbetrachtung unterzogen werden, wenn der Konzern belegen kann, dass konzernintern eine angemessene Verteilung des operationellen Risikokapitals gegeben ist.

3.4.4   Exposures bei Instituten gemäß dem Standardansatz für Kreditrisiko

Parallel zu den neuen Basel-Regeln können die Mitgliedstaaten eine der beiden Methoden zur Bestimmung des Risikogewichts der Exposures bei Instituten festlegen (Anhang VI, Absatz 26-27 und 28-31). Der für ein Kreditinstitut gewählte Ansatz würde somit eher durch dessen Nationalität als durch aufsichtsrechtliche Erwägungen bestimmt. Kreditinstitute, die grenzüberschreitend tätig sind, könnten eine bedeutende Ungleichbehandlung im Vergleich zu Wettbewerbern erfahren, die auf dem selben Markt tätig sind. Dies wäre mit den Zielen des Binnenmarkts unvereinbar: EU-weit sollte es deshalb nur einen Ansatz geben.

3.4.5   Anpassung der Fälligkeit

Neben dem neuen Basel-Rahmen liegt es im Ermessen der Mitgliedstaaten, die Formel für die effektive Fälligkeit (Anhang VII, Teil 2, Absatz 12) für Kreditinstitute unter dem AIRBA auch auf Institute unter dem Basisvariantenansatz anzuwenden. Die Formel für die effektive Fälligkeit passt die Messung der Eigenkapitalunterlegung für Produkte kurzer Laufzeit enger an deren tatsächliches Risikoprofil an. Grenzüberschreitend tätige Kreditinstitute könnten einer materiellrechtlich unterschiedlichen Behandlung gegenüber konkurrierenden Kreditinstituten auf dem selben Markt unterliegen. Darin erblickt der Ausschuss wiederum eine Unvereinbarkeit mit den Binnenmarktzielen. Der einzelstaatliche Ermessensspielraum sollte abgeschafft werden, damit die Gleichbehandlung aller Kreditinstitute nach dem Ansatz der Basisvariante sichergestellt ist.

3.5   Aufsichtsrechtliche Zusammenarbeit — Säule 2 und Säule 3

3.5.1

Der Ausschuss sieht sich einer Meinung mit der Europäischen Kommission, wonach die Zunahme des grenzüberschreitenden Geschäftsverkehrs und die Zentralisierung des Risikomanagements bei grenzüberschreitend tätigen Finanzkonzernen einen erhöhten Bedarf nach verbesserter Koordinierung und Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden in der EU nach sich ziehen. Die Festschreibung einer klaren Rolle für die konsolidierte Aufsicht im Richtlinienvorschlag wahrt die Zuständigkeit der zuständigen einzelstaatlichen Behörden, während er für die Institute eine zentrale Schnittstelle schafft (beispielsweise zur Genehmigung des IRB-Ansatzes für das Kreditrisiko und den AMA-Ansatz für das operationelle Risiko).

3.5.2

Nach Dafürhalten des Ausschusses sollte das Modell der konsolidierten Aufsicht sowohl auf den aufsichtsrechtlichen Überprüfungsprozess der zweiten Säule als auch auf die Offenlegungspflichten gemäß Säule 3 ausgedehnt werden. Beide Säulen sollten für jede Finanzgruppe in der EU auf oberster konsolidierter Ebene Anwendung finden. Werden Säule 2 und 3 auf individueller Ebene angewendet, geben sie nicht das Risikoprofil des gesamten Konzerns wieder. Im Falle des aufsichtsrechtlichen Überprüfungsprozesses von Säule 2 würde dies dazu führen, dass die Finanztöchter einer Bankengruppe EU-weit einer uneinheitlichen Aufsicht unterliegen würden: Das Ziel der besseren Erfassung des Risikoprofils eines Konzerns würde verfehlt — dies läge wohl kaum im Interesse der Einleger und Kreditnehmer. Findet Säule 3 auf Konzernebene keine Anwendung, werden die Investoren aus der Offenlegung nichts über die finanzielle Gesundheit des Konzerns als Ganzes erkennen können.

3.6   Behandlung von Wertpapierfirmen

Der Ausschuss begrüßt, dass Wertpapierfirmen in den europäischen Rahmen einbezogen werden. Da die Leistungsfähigkeit der Finanzmärkte zunehmend von den Wertpapierfirmen abhängt, ist diese Maßnahme für die Stabilität des europäischen Finanzsystems von besonderer Bedeutung. Der Ausschuss spricht sich dafür aus, dass Kreditinstitute und Wertpapierhäuser — insofern sie den selben Risiken ausgesetzt sind — weitestgehend einheitlichen Bestimmungen unterliegen.

3.7   Aufsichtsrechtliche Offenlegung

Der Ausschuss begrüßt ausdrücklich die Einführung einer Regelung zur aufsichtsrechtlichen Offenlegung im Richtlinienvorschlag. Die aufsichtsrechtliche Offenlegung fördert die Konvergenz im Binnenmarkt und signalisiert einen etwaigen Justierungsbedarf in der EU in Bezug auf die Kapitaladäquanz. Die Offenlegung wird ferner dazu beitragen, eklatante Abweichungen bei der Umsetzung der Richtlinie aufzudecken. Die Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen in der EU liegt im Interesse von sowohl den Banken als auch den Verbrauchern.

3.8   Überarbeitung des Handelsbuchs

Gemeinsam mit dem internationalen Verband der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO — International Organisation of Securities Commissions) — das mit der Regulierung der Finanzmärkte befasste internationale Gremium — arbeitet der Baseler Ausschuss an einer Überprüfung des Kreditausfallsrisikos und der Handelsbuchthematik (4). Der Ausschuss begrüßt generell das Engagement der Kommission, die Resultate der Überprüfung des Handelsbuchs in die Richtlinie noch vor ihrer Umsetzung einzuarbeiten. Der Ausschuss zeigt sich einer Meinung, dass die Arbeit an der Problematik des doppelten Ausfalls und des Kreditausfallsrisikos unverzüglich abgeschlossen und in die Richtlinie unter Verwendung der Rechtsinstrumente, die der Kommission zur Verfügung stehen, eingearbeitet werden sollte. Indes ist die Thematik der Abgrenzung zwischen Handels- und Bankbuch ausgesprochen technischer Natur und sollte deshalb nicht übereilt behandelt werden. Eine mangelhafte Bearbeitung dieses so wichtigen Themas könnte später zu negativen Auswirkungen für die europäischen Investoren führen. Der Ausschuss spricht sich für eine eingehendere Überarbeitung dieses Themas und dessen Einarbeitung in die Rechtsetzung der EU zu einem späteren Zeitpunkt aus.

3.9   Termine für die Umsetzung

Der Ausschuss schlägt als Termin für die Umsetzung der Richtlinie den 1. Januar 2007 statt des 31. Dezember 2006 beim Standardansatz und den 1. Januar 2008 statt des 31. Dezember 2007 bei den fortgeschritteneren Ansätzen vor. Die Auflage, die Richtlinie zum 31. Dezember umzusetzen, würde schwerfällige Berichterstattungspflichten nach sich ziehen.

3.10   Konjunkturschwankungen

Zuweilen werden ernste Befürchtungen laut, die neuen Bestimmungen könnten prozyklische Effekte haben. Die Folge wäre eine eingeschränkte Kreditvergabe durch die Banken in Zeiten wirtschaftlicher Rezession, da in einem zunehmend riskanten Umfeld mehr Kapital unterlegt werden müsste. Obwohl sich die eingeschränkte Kreditvergabe in wirtschaftlich schlechten Zeiten nicht vermeiden lässt, könnte hier eine ausgeprägt restriktive Handhabung wirtschaftliche Abschwungtendenzen verstärken. Der Ausschuss begrüßt nachdrücklich das Erfordernis, die Kapitaladäquanzrichtline einer Praxiserprobung über den Zeitraum eines ganzen Konjunkturzyklus zu unterziehen. Die Absicht, die prozyklischen Auswirkungen durch zweijährige Berichte der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament und den Rat zu beobachten, ist das Mindeste, was in Bezug auf prozyklisches Handeln unternommen werden sollte.

3.11   Auswirkungen der IFRS auf die regulatorischen Eigenmittel

3.11.1

Die internationalen Rechnungslegungsnormen IFRS (International Financial Reporting Standards) liefern hochwertiges Datenmaterial, das im Wesentlichen als zuverlässig zu betrachten ist. Sie sollten deshalb als Ausgangspunkt für die Definition des regulatorischen Eigenkapitals herangezogen werden. Die Zugrundelegung der IFRS bei der Kapitaladäquanzbehandlung wird überdies die gleichen Ausgangsbedingungen zwischen den Instituten und die Vergleichbarkeit fördern. Zudem dürfte ein hoher Deckungsgrad zwischen den IFRS- und Kapitaladäquanzregeln dazu beitragen, bei den Marktteilnehmern weniger Unklarheiten aufkommen zu lassen und interne Abläufe einfacher und kostengünstiger zu gestalten.

3.11.2

Nach Auffassung des Ausschusses sollte die Konvergenz beider Regelwerke die Banken im Idealfall dazu befähigen, ausgehend von einem einzigen Zahlensatz und einer einzigen Grundlage ihren finanziellen und regulatorischen Berichterstattungspflichten nachzukommen. Unter gewissen Umständen dürften die Aufsichtsinstanzen abweichende Positionen beziehen, und zwar besonders dann, wenn die Rechnungslegungsgrundsätze Risikoexposures nicht angemessen wiedergeben. Aus diesem Grund werden die Aufsichtsbehörden einige Änderungen an den Rechnungslegungsergebnissen vornehmen müssen. Werden eines oder mehrere Ziele des neuen Kapitaladäquanzrahmens durch die Rechnungslegungsnormen bzw. ihre Anwendung kompromittiert, werden aufsichtsrechtliche Filter zur Bewertung der regulatorischen Eigenmittel benötigt. Aus operationellen Gründen sollten diese Anpassungen, die so genannten regulatorischen akzeptierten Rechnungslegungsgrundsätze (Regulatory Accepted Accounting Principles) nur auf signifikante Posten beschränkt bleiben.

3.11.3

Vor diesem Hintergrund begrüßt der Ausschuss den „Filter“, den die Kommission in Artikel 64 Absatz 4 im Richtlinienvorschlag eingebaut hat, was sich mit der Position des Baseler Ausschusses deckt. Der Ausschuss begrüßt die in Arbeit befindliche Entwicklung von aufsichtsrechtlichen Filtern durch die CEBS.

4.   Schlussfolgerung

4.1

Der Richtlinienvorschlag liegt derzeit dem Ministerrat und dem Europäischen Parlament zur ersten Lesung vor. Der Ausschuss spricht sich für die Einigung auf eine flexible Richtlinie aus, die sich eng an die Baseler Rahmenvereinbarung anlehnt und somit unionsweit eine konvergente Anwendung fördert.

4.2

Die unverzügliche Verabschiedung der Richtlinie ist von großer Bedeutung, damit die Kreditwirtschaft den finanziellen Aufwand für die verbesserten Risikomanagementsysteme in der Größenordnung von 20 Milliarden bis maximal 30 Milliarden Euro wieder hereinholen kann. Eine verzögerte Umsetzung würde das europäische Bankwesen auf dem Weltmarkt benachteiligen, was wohl kaum im Interesse der europäischen Einleger und Kreditnehmer wäre. Gleichwohl dürfen bei der Qualität der Rechtsetzung keine Abstriche gemacht werden; auch sind die Standpunkte aller Beteiligten von den Mitgesetzgebern zu berücksichtigen.

Brüssel, den 9. März 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  http://europa.eu.int/comm/internal_market/regcapital/index_en.htm

(2)  http://www.bis.org/publ/bcbs107.pdf

(3)  PriceWaterhouseCoopers wurde damit beauftragt, eine Studie zu den finanziellen und makroökonomischen Auswirkungen des Richtlinienvorschlags der Europäischen Kommission zu erarbeiten.

(4)  Finanzinstitute arbeiten mit zwei Hauptkategorien für ihre Aktiva, dem „Bankbuch“ und dem „Handelsbuch“. Die lang- und mittelfristigen Transaktionen werden zumeist über das Bankbuch (Kredite, Einlagen, etc.) erfasst, während das Handelsbuch ein Eigentümer-Portefeuille für Finanzinstrumente kurzer Laufzeit darstellt, die vom Institut in seiner Eigenschaft als Händler gehalten werden. Investmentbanken führen quasi alle ihre Finanzinstrumente im Handelsbuch auf. Die Abgrenzung zwischen dem Bankbuch und dem Handelsbuch ist nie formell definiert worden.