52004DC0457

Bericht der Kommission Rechtliche Umsetzung des Beschlusses des Rates vom 28. Februar 2002 über die Einrichtung von Eurojust zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität {SEK(2004)884} /* KOM/2004/0457 endg. */


BERICHT DER KOMMISSION Rechtliche Umsetzung des Beschlusses des Rates vom 28. Februar 2002 über die Einrichtung von Eurojust zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität {SEK(2004)884}

1. Einleitung

Artikel 31 Absatz 2 EU-Vertrag in der durch den Vertrag von Nizza geänderten Fassung sieht vor, dass der Rat die Zusammenarbeit durch Eurojust fördert, indem er Eurojust insbesondere ermöglicht, zu einer sachgerechten Koordinierung zwischen den für die Strafverfolgung zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten beizutragen. Eurojust ist ein zentraler Bestandteil des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Artikel 29 EU-Vertrag).

Eurojust wurde mit Beschluss des Rates vom 28. Februar 2002 [1] (im Folgenden "Eurojust-Beschluss") als Einrichtung der Europäischen Union geschaffen, um die Koordinierung von Ermittlungs- und Strafverfolgungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten zu fördern und zu verbessern, die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen nationalen Behörden zu verbessern und um letztere zu unterstützen.

[1] ABL. L 63 vom 6.3.2002, S. 1.

Der Eurojust-Beschluss als solches zielt, anders als Rahmenbeschlüsse gemäß Artikel 34 Absatz 2 EU-Vertrag, nicht auf die Angleichung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften ab. Gleichwohl dürfte es in einigen Mitgliedstaaten erforderlich sein, das innerstaatliche Recht abzuändern, um es mit diesem Beschluss in Einklang zu bringen. Gemäß Artikel 42 hatte dies eigentlich "so rasch wie möglich", auf jeden Fall aber bis zum 6. September 2003 zu geschehen.

Sowohl der Europäische Rat als auch der Ministerrat haben wiederholt die Bedeutung von Eurojust für die Terrorismusbekämpfung hervorgehoben. So sieht ein Beschluss des Rates vom 19. Dezember 2002 die Benennung von nationalen Eurojust-Anlaufstellen für Terrorismusfragen vor. [2]

[2] ABL. L 16 vom 22.1.2003, S. 68.

Nach den Terroranschlägen vom 11. März 2004 in Spanien hat der Europäische Rat am 25. März 2004 in einer Erklärung zur Terrorismusbekämpfung erneut die Schlüsselrolle von Eurojust herausgestellt. Er fordert darin die Mitgliedstaaten auf, alle Vorkehrungen zu ergreifen, die noch erforderlich sind, um den Eurojust-Beschluss bis Juni 2004 in vollem Umfang umzusetzen. Außerdem hat er an die Mitgliedstaaten appelliert, "dafür Sorge zu tragen, dass die bestehenden EU-Einrichtungen, insbesondere Europol und Eurojust, optimal und in wirksamster Weise eingesetzt werden, um die Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung zu verbessern". Eurojust müsse dazu "in möglichst großem Umfang" eingesetzt werden. [3] Vom besonderen Fall des Terrorismusbekämpfung abgesehen kann Eurojust indessen entscheidend die Anwendung vieler allgemeiner EU-Instrumente im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit unterstützen, wie insbesondere Artikel 16 des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl beweist. [4]

[3] Dokument des Rates 7906/04 JAI 100, S. 4 ff., 16.

[4] ABL. L 190 vom 18.7.2002, S. 1.

Aus den Artikeln 41 und 42 des Eurojust-Beschlusses folgt, dass es keine allgemeine, auf alle Mitgliedstaaten anwendbare Vorschrift gibt, die regelt, welche Bestimmungen wie und inwieweit in nationales Recht umzusetzen sind. Es obliegt den Mitgliedstaaten, ihre Rechtsvorschriften auf etwaige Anwendungsschwierigkeiten zu prüfen und die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Einige müssen besondere, auf Eurojust bezogene Rechtsvorschriften erlassen, andere können sich damit begnügen, einige Bestimmungen in ihren Rechtsvorschriften über justizielle Zusammenarbeit und/oder Datenschutz anzupassen, wiederum andere müssen überhaupt keine Legislativmaßnahmen ergreifen.

Als der Rat den Eurojust-Beschluss verabschiedete, ging er davon aus, dass die zu dessen ordnungsgemäßer Anwendung erforderlichen Maßnahmen unverzüglich ergriffen würden. Das geht aus den oben dargelegten Zusammenhängen, insbesondere den Schlussfolgerungen des Rates zu den Anschlägen vom 11. September 2001 hervor, in denen er feststellt, dass Eurojust "Anfang 2002" seine Arbeit aufnehmen sollte.

Diese Auslegung ergibt sich eindeutig auch aus Artikel 42 und Artikel 41 Absatz 2 des Beschlusses: Letzterer erlaubt es den Mitgliedstaaten zu erklären, dass sie bis zum 6. September 2003 bestimmte Artikel nicht anwenden, weil sie mit ihrem innerstaatlichen Recht nicht vereinbar sind. In Ermangelung einer Erklärung musste der Eurojust-Beschluss vom Tag seines Inkrafttretens, also vom 6. März 2002 an, in vollem Umfang angewandt werden. Ein Mitgliedstaat, der trotz inkompatibler Rechtsvorschriften keine Erklärung gemäß Artikel 41 Absatz 2 abgegeben hat, verstößt also seit dem 6. März 2002 gegen den Beschluss und den EU-Vertrag.

Die Erklärungen gemäß Artikel 41 Absatz 2 des Eurojust-Beschlusses sind somit ein wichtiger Indikator dafür, ob ein Mitgliedstaat seine Rechtsvorschriften anpassen muss. Hat ein Mitgliedstaat keine Erklärung abgegeben, bedeutet das allerdings nicht unbedingt, dass bei ihm keine Legislativmaßnahmen erforderlich sind. Andererseits haben nicht alle Mitgliedstaaten, die ihre Rechtsvorschriften mit dem Eurojust-Beschluss in Einklang bringen müssen, eine Erklärung abgegeben.

2. Zweck des Berichts und Bewertungsmethode

Zwar ist die Kommission nicht verpflichtet, einen Bericht über die Umsetzung des Beschlusses vorzulegen; sie tut es dennoch, weil viele Mitgliedstaaten ihre Rechtsvorschriften anpassen müssen und Eurojust für die Strafjustiz in der EU und die justizielle Zusammenarbeit mit Drittstaaten eine entscheidende Rolle spielt.

Im Juni 2003 hat die Kommission die Mitgliedstaaten gebeten, ihr die entsprechenden Informationen zukommen zu lassen. Im Dezember 2003 hat sie die Mitgliedstaaten an ihre Bitte erinnert. Die meisten Mitgliedstaaten -bedauerlicherweise aber nicht alle - haben auf die Schreiben der Kommission geantwortet. Die Bewertung stützt sich im Wesentlichen auf diese Antworten und auf die Erklärungen gemäß Artikel 41 Absatz 2. Außerdem hat die Kommission inoffizielle Informationen verwendet, die das italienische Justizministerium über eine Umfrage im Rahmen des EU-Rahmenprogramms für die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (AGIS) eingeholt hat. [5]

[5] Projekt 189/2003 ("Befugnisse der nationalen Mitglieder von Eurojust") des Programms AGIS, das mit Beschluss des Rates vom 22.7.2002 aufgelegt wurde (ABL. L 203 vom 1.8.2002, S. 5).

Die Kommission geht also nur dann davon aus, dass ein Mitgliedstaat Legislativmaßnahmen ergreifen muss, wenn sich die zuständigen Behörden in diesem Sinne geäußert haben, es sei denn, es liegen klare Hinweise für die Notwendigkeit derartiger Maßnahmen vor. Allerdings empfiehlt sich eine Anpassung des nationalen Primär- und/oder Sekundärrechts möglicherweise auch aus Gründen der Transparenz und Rechtssicherheit, denn Eurojust wird nur dann ordentlich arbeiten können, wenn die Rechtsvorschriften klar und eindeutig sind.

Aus den verfügbaren Informationen geht hervor, dass drei Mitgliedstaaten (AT, DE, FR) nach Ablauf der in Artikel 42 des Eurojust-Beschlusses genannten Umsetzungsfrist Rechtsvorschriften erlassen haben. [6] Im Bericht werden alle Informationen berücksichtigt, die bis zum 31. März 2004 bei der Kommission eingegangen sind. Nicht untersucht wurde die Situation in den neuen Mitgliedstaaten.

[6] Deutschland hat die Kommission Ende März 2004 mitgeteilt, im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat sei eine politische Einigung über das Eurojust-Gesetz erzielt worden (siehe Pressemitteilung des Bundesrats 52/2004 vom 31.3.2004). Obwohl das Gesetz zu diesem Zeitpunkt nicht förmlich verabschiedet war, kann es in diesem Bericht also berücksichtigt werden.

3. Schlussfolgerungen

Der Umsetzungsstand für den Eurojust-Beschluss lässt sehr zu wünschen übrig. Nur ein Mitgliedstaat (PT) hat sämtliche erforderlichen Gesetze vor Ablauf der Frist (September 2003) erlassen. Drei weitere Mitgliedstaaten (AT, DE, FR) haben die einschlägigen Gesetze bis April 2004 verabschiedet. Doch in fünf Mitgliedstaaten (BE, EL, ES, IT, LU) wurden nicht die Durchführungsbestimmungen erlassen, die nach dem innerstaatlichen Recht erforderlich wären. In mindestens einem dieser Länder war bis zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts (März/April 2004) dem nationalen Parlament nicht einmal eine Gesetzesvorlage der Regierung im Entwurf vorgelegt worden. Finnland hat nur einen Teil des Beschlusses umgesetzt. Sechs Mitgliedstaaten müssen also ihr Recht noch mit dem Beschluss in Einklang bringen. Das ist - angesichts der Schlüsselrolle von Eurojust bei der Bekämpfung von Terrorismus und generell bei der Zusammenarbeit in Strafsachen sowie der Erklärungen des Europäischen Rates und des Ministerrates - ein enttäuschendes Resultat.

Die übrigen Mitgliedstaaten haben festgestellt, ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften müssten nicht angepasst werden. Die Kommission sieht keinen Grund, dies anzuzweifeln, obwohl einige Mitgliedstaaten lange gebraucht haben, um den Anpassungsbedarf zu prüfen, was darauf hindeutet, dass die Rechtslage nicht immer ganz klar ist. Im Übrigen wird Eurojust nur dann reibungslos funktionieren und mit den nationalen Behörden zusammenarbeiten können, wenn transparente und präzise Rechtsvorschriften Rechtssicherheit gewährleisten. Auch wenn die bestehenden Rechtsvorschriften nicht geändert werden müssen, empfiehlt es sich deshalb möglicherweise, bestimmte Punkte in Leitlinien oder Rundschreiben zu klären. Nur ein Mitgliedstaat (SE) hat die Kommission über einen derartigen Akt (einen Beschluss des Generalstaatsanwalts) informiert. Auf dieser Grundlage ist es schwierig, sich ein umfassendes Bild zu verschaffen und die Lage eingehend zu beurteilen. Die weitere Erfahrung wird zeigen, ob die in den Mitgliedstaaten bestehenden Rechtsvorschriften genügen, um dem Eurojust-Beschluss volle Wirksamkeit zu verleihen und aus Eurojust ein effizientes und effektives Instrument zu machen.

Ein äußerst wichtiger Punkt, der in Zukunft zu prüfen sein wird, ist der Informationsaustausch zwischen den zuständigen nationalen Behörden und Eurojust. Wie oben dargelegt, ist noch nicht klar, ob die bisherigen Maßnahmen der Mitgliedstaaten gewährleisten, dass Eurojust alle Informationen erhält, die es braucht, um seinen Aufgaben und Verantwortlichkeiten gerecht zu werden. Der Informationsfluss muss sich reibungslos und in Dringlichkeitssituationen hinreichend zügig gestalten. Die Kommission weist die Mitgliedstaaten daher auf die Umsetzung der Artikel 9 Absatz 4 und 13 Absatz 1 des Beschlusses hin, die den Zugang der nationalen Mitglieder zu Informationen über Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen betreffen.

Außerdem regt die Kommission an, dass die Mitgliedstaaten ihren nationalen Eurojust-Mitgliedern die justiziellen und/oder Ermittlungsbefugnisse übertragen, über die nach ihrem nationalen Recht Staatsanwälte, Richter oder Polizeibeamte in der Regel verfügen. Obwohl Artikel 9 Absatz 3 die nähere Definition dieser Befugnisse den Mitgliedstaaten überlässt (außer in der Frage des Zugangs zu Informationen), sollten diese so gestaltet sein, dass Eurojust seine Aufgaben erfuellen kann und der Zweck des Beschlusses erreicht wird. Zu große Abweichungen oder Inkohärenzen zwischen den nationalen Mitgliedern können die Effizienz und Glaubwürdigkeit von Eurojust unterminieren und seine Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden behindern. Daher ist das Augenmerk verstärkt darauf zu richten, inwieweit die Befugnisse der nationalen Mitglieder kohärent und kompatibel sind.

Auch die neuen Mitgliedstaaten sind seit dem 1. Mai 2004 verpflichtet, alle Maßnahmen zu ergreifen, die zur Umsetzung des Eurojust-Beschlusses erforderlich sind. Die Kommission wird prüfen, ob zu gegebener Zeit ein Folgebericht, der auch die neuen Mitgliedstaaten erfassen würde, erstellt werden muss. Sie ersucht daher alle Mitgliedstaaten, für eine zügige und uneingeschränkte Umsetzung des Eurojust-Beschlusses zu sorgen und ihr alle einschlägigen Maßnahmen, insbesondere im Zusammenhang mit den oben genannten Fragen, mitzuteilen.