52004DC0410

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zur kontrollierten einreise von personen, die internationalen schutz benötigen, in die eu und zur stärkung der Schutzkapazität von Herkunftsregionen ,Verbesserung des zugangs zu dauerhaften lösungen" /* KOM/2004/0410 endg. */


MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT ZUR KONTROLLIERTEN EINREISE VON PERSONEN, DIE INTERNATIONALEN SCHUTZ BENÖTIGEN, IN DIE EU UND ZUR STÄRKUNG DER SCHUTZKAPAZITÄT VON HERKUNFTSREGIONEN ,VERBESSERUNG DES ZUGANGS ZU DAUERHAFTEN LÖSUNGEN"

Einleitung

1. Diese Mitteilung ist die Antwort der Kommission auf die Schlussfolgerung Nr. 26 des Europäischen Rats von Thessaloniki vom 19./20. Juni 2003, in der die Kommission aufgefordert wird, ,alle Parameter auszuloten, mit denen eine geordnetere und kontrolliertere Einreise von Personen, die internationalen Schutz benötigen, in die EU gewährleistet werden kann, und Mittel und Wege zu prüfen, wie die Schutzkapazität von Herkunftsregionen erhöht werden kann, sowie dem Rat vor Juni 2004 einen umfassenden Bericht hierüber mit Vorschlägen für Maßnahmen, einschließlich deren rechtlicher Auswirkungen, vorzulegen".

2. In der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die gemeinsame Asylpolitik und die Agenda für den Flüchtlingsschutz

(Zweiter Bericht der Kommission über die Durchführung der Mitteilung KOM(2000) 755 endg. vom 22. November 2000) vom März 2003 (Mitteilung vom März 2003) wird die Frage gestellt, ob die Mitgliedstaaten die beträchtlichen Human- und Finanzmittel, die sie für die Aufnahme von Flüchtlingen während bisweilen langwieriger Verfahren verwenden (Verfahren, die in vielen Fällen doch mit einer Ablehnung und damit einer Rückkehr nach einem längeren Aufenthalt enden), nicht sinnvoller investieren könnten. Wie es in der Mitteilung heißt, macht dieses Phänomen, das eine reale Bedrohung nicht nur für die Institution Asyl, sondern auch für die humanitäre Tradition Europas darstellt, strukturelle Maßnahmen unabdingbar. Mit Blick auf ein besser funktionierendes Asylsystem in einem erweiterten Europa gelte es daher, drei komplementäre Ziele zu verfolgen: Verbesserung der Qualität der Entscheidungen (,Frontloading") in der Europäischen Union; Stärkung des Schutzangebots in der Herkunftsregion; bedarfsorientiertere Bearbeitung von Schutzanträgen, was eine Regulierung des gesicherten Zugangs zur Europäischen Union für Personen, die internationalen Schutz benötigen, voraussetzt.

3. In der Mitteilung der Kommission ,Für leichter zugängliche, gerechtere und besser funktionierende Asylsysteme" (KOM(2003) 315 endg.) vom 3. Juni 2003 (Mitteilung vom Juni 2003) werden die gravierenden strukturellen Mängel des derzeitigen internationalen Schutzsystems eingehender untersucht. Es wird auf das Entstehen erheblicher Verwerfungen in der EU hingewiesen: Die Mitgliedstaaten geben beträchtliche Summen für die Bearbeitung von Asylanträgen innerhalb der EU aus, wobei die meisten Antragsteller die Voraussetzungen für den internationalen Schutz nicht erfuellen, während die meisten Flüchtlinge, darunter die besonders gefährdeten, weiterhin in Drittländern ihrer Herkunftsregion in unzureichend ausgestatteten Flüchtlingslagern verbleiben. Daher gelangt die Kommission in der Mitteilung zu dem Schluss, dass die Erforschung neuer Wege unerlässlich erscheint, um den in Tampere angenommenen Phasenansatz zu vervollständigen und die erste Stufe des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems zu verwirklichen.

4. In der Mitteilung vom Juni 2003 wurde dieser neue Ansatz durch drei sich gegenseitig ergänzende politische Einzelziele untermauert: 1) geregelte und gesteuerte Einreise von Personen, die internationalen Schutz benötigen, aus deren Herkunftsregion in die EU; 2) Lasten- und Aufgabenteilung innerhalb der EU sowie mit den Herkunftsregionen, damit diese in der Lage sind, möglichst bald einen wirksamen Schutz zu bieten, der sich so weit wie möglich am Bedarf der internationalen Schutz benötigenden Personen orientiert und 3) Entwicklung eines integrierten Ansatzes für vollstreckbare Asylentscheidungen und effiziente Rückführungsverfahren. Diese Zielsetzungen sollen eine Ergänzung zur ersten Stufe des in Tampere geforderten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems darstellen. In einer weiteren, parallel veröffentlichten Mitteilung geht die Kommission darauf ein, wie die EU das Arbeitstempo und die Effizienz ihrer Asylsysteme weiter sicherstellen kann, indem sie auf ein einheitliches Asylverfahren hinarbeitet.

5. Alle drei Einzelziele aus der Mitteilung vom Juni 2003 sind gleichermaßen bedeutend, weisen Querverbindungen auf und verstärken sich konzeptionell gegenseitig. Insgesamt zielen sie darauf ab, die in den derzeitigen Asylsystemen festgestellten Mängel zu beseitigen und die Unterstützung der Öffentlichkeit für die Asylsysteme und den Flüchtlingsschutz wiederherzustellen und breiter zu fördern. In der Mitteilung wird eine schrittweise Umsetzung dieses neuen Ansatzes empfohlen; zunächst sollten vorbereitende Maßnahmen ergriffen werden, um das Terrain für die in Frage kommenden Schritte zu sondieren, gefolgt von konkreteren Vorschlägen für künftige Programme und Projekte einschließlich Beteiligung an den umfassenden Aktionsplänen des UNHCR und Mitarbeit im Rahmen der UNHCR-Initiativen ,Agenda für den Flüchtlingsschutz" und ,Konvention Plus", die beide der Anpassung und Stärkung des internationalen Schutzsystems dienen.

6. In der Entschließung vom 1. April 2004 zu den Mitteilungen vom März 2003 und Juni 2003 fordert das Europäische Parlament die EU auf, sich für ein neues Konzept für den internationalen Flüchtlingsschutz zu engagieren, das zum einen auf einer besseren Steuerung des Zugangs der Personen, die des internationalen Schutzes bedürfen, zum Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, und zum anderen auf der Erarbeitung geeigneter Lösungen für die Schutzerfordernisse in den Herkunftsregionen der Flüchtlinge beruht. Darüber hinaus vertritt das Europäische Parlament die Auffassung, dass es im Lichte der Mängel der derzeitigen Asylregelungen unverzichtbar ist, neue Wege zu prüfen und einen neuen, diese Asylregelungen ergänzenden Ansatz zu entwickeln, der im Rahmen einer echten Lasten- und Aufgabenverteilung umgesetzt werden muss und dessen Gesamtziel darin bestuende, durch eine bessere Steuerung der Ströme von Asylbewerbern für geregeltere, zugänglichere und gerechtere Asylsysteme zu sorgen. Dazu stellt das Europäische Parlament fest, dass der neue, ergänzende Ansatz auf der geordneten Einreise der Personen, die internationalen Schutzes bedürfen, aus ihrer Herkunftsregion in die EU über ein gemeinschaftsweites Weiterwanderungssystem beruhen sollte, durch das Flüchtlinge aus einem ersten Aufnahmeland auf das Territorium der Union überführt würden. Dazu müsste ein Legislativinstrument geschaffen und die Aufnahme eines spezifischen Finanzkapitels in den neuen Europäischen Flüchtlingsfonds erwogen werden.

7. Der in letzter Zeit verzeichnete Rückgang der Asylanträge in Europa schmälert nicht die Bedeutung, die der Erfuellung der beiden Zielvorgaben von Thessaloniki zukommt. Eine Verringerung der Zahl der Asylbewerber in der EU ist nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit einem Rückgang der Gesamtzahl der Flüchtlinge und der Personen, die weltweit internationalen Schutz suchen. Zweifellos gibt es in der Welt noch immer viele Regionen und Länder, in denen Menschenrechtsverletzungen und daraus resultierende Vertreibungen anhaltende Flüchtlingsprobleme verursachen. Dabei werden etwa 85 % der Betreffenden in Nachbarländern in ihren Herkunftsregionen aufgenommen, denen es selbst an Ressourcen mangelt. Überdies ist den Asylstatistiken nach wie vor zu entnehmen, dass die meisten in der EU gestellten Anträge die Kriterien für die Gewährung internationalen Schutzes nicht erfuellen. Nach den Statistiken zu urteilen, die die Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit dem Europäischen Flüchtlingsfonds zur Verfügung stellten, wurden im Jahr 2000 78 633 von 360 541 Anträgen positiv entschieden (21 %); 2001 galt dies für 73 746 von 345 332 Anträgen (21 %); 2002 waren es 52 128 (17 %) von 308 787 Anträgen und 2003 schließlich 25 880 (12 %) von 192 225 Anträgen aus acht Ländern. Diese Zahlen schließen sowohl den Flüchtlingsstatus als auch den subsidiären Schutzstatus ein. Daher ist eine Reform des internationalen Schutzsystems mit dem Ziel, seine Zugänglichkeit und Funktionsweise zu verbessern, es vor allem aber gerechter zu gestalten, auch weiterhin als dringliche Aufgabe anzusehen. In diesem Sinne ist auch die vorliegende Mitteilung zu verstehen. Ein besser geordneter und geregelter Zugang und der Ausbau der Schutzkapazität sind nämlich keine Endziele, sondern Voraussetzungen für ein reibungsloses Funktionieren des internationalen Schutzsystems.

8. In der vorliegenden Mitteilung werden Empfehlungen für die praktische Verwirklichung der Aufgaben von Thessaloniki gegeben, doch lässt sich ein derart ehrgeiziges Unterfangen natürlich nicht auf reine Zuwanderungs- und Asylfragen beschränken. Ganz offensichtlich spielen hier auch die Drittstaaten in der Herkunftsregion eine entscheidende Rolle, ist doch ihre partnerschaftliche Mitwirkung und Unterstützung eine Vorbedingung für den Erfolg jeder Politik, die sich mit diesen Personenbewegungen auseinandersetzt. Obwohl die Rückführung von Flüchtlingen zweifellos die erstrebenswerteste Dauerlösung für alle Betroffenen ist und die EU eine solche Lösung erleichtern muss, indem sie sich für die Bekämpfung der Problemursachen engagiert, kommt es gleichzeitig darauf an, die Möglichkeiten für die lokale Integration in einem Gastland der Region sowie für das ,Resettlement" (die Neuansiedlung und Eingliederung) in einem EU-Staat voll auszuschöpfen. Daher sollen in dieser Mitteilung Empfehlungen für einen Ausbau der Schutzkapazitäten unterbreitet werden, der alle drei Lösungsvarianten optimal einbezieht. Darüber hinaus wird ein EU-weites Neuansiedlungsprogramm vorgeschlagen, das speziell auf die dritte dieser möglichen Dauerlösungen abstellt. Ein derartiges Programm wäre zugleich ein Beitrag zu einer Verstärkung des Schutzes in den betreffenden Regionen, denn durch eine gerechtere Aufteilung der Flüchtlingskontingente ließe sich das Schutzangebot von Drittstaaten in der Herkunftsregion verbessern, da ihnen mehr Mittel für den Schutz von Personen im eigenen Lande zur Verfügung stuenden, bei denen keine Weiterwanderung erforderlich ist. Insofern wäre das ,Resettlement" ein wichtiger Aspekt aller Partnerschaftsvereinbarungen mit Drittstaaten. Der Hochkommissar erklärte auf dem Treffen des Forums am 12. März 2004 sinngemäß, dass gemeinsame Bemühungen zur Neuansiedlung einer nennenswerten Anzahl von Flüchtlingen aus Staaten, die große Flüchtlingskontingente für längere Zeit aufgenommen haben, eine bessere Fähigkeit und höhere Bereitschaft zur Fortsetzung des Schutzes und zur Suche nach anderen dauerhaften Lösungen für die verbleibenden Flüchtlinge zur Folge haben könnten.

9. Darüber hinaus forderte der Hochkommissar neue Abkommen im Rahmen der Initiative ,Konvention Plus", die als Ergänzung zur Flüchtlingskonvention und als Beitrag zum Flüchtlingsschutz sowie zur Herbeiführung dauerhafter Lösungen in den Herkunftsregionen dienen sollen. Danach sollen Absprachen und Verpflichtungen der Staaten in multilateralen Abkommen Niederschlag finden, die jeweils auf spezifische Problemlagen eingehen, so unter anderem durch umfassende Maßnahmepläne. Der Vorstellung des UNHCR zufolge könnten diese neuen Vereinbarungen - in Form multilateraler ,Sondervereinbarungen" - aus umfassenden Aktionsplänen bestehen, mit denen wirksamere und besser kalkulierbare Reaktionen auf Flüchtlingssituationen von großem Ausmaß sichergestellt werden. Hierin eingeschlossen wären zusätzliche Entwicklungshilfen zur Herbeiführung einer gerechteren Lastenverteilung und zur Unterstützung der Selbstversorgung von Flüchtlingen und Rückkehrern in Ländern, die große Flüchtlingskontingente beherbergen; ferner multilaterale Verpflichtungen zur Neuansiedlung von Flüchtlingen sowie Vereinbarungen zu den Aufgaben und Pflichten der Herkunfts-, Transit- und Zielländer im Falle irregulärer sekundärer Migrationsbewegungen.

10. Hauptthema der Diskussionen in der UNHCR-Arbeitsgruppe Neuansiedlung war die strategische Nutzung der Neuansiedlung. Das UNHCR hat eine globale Neuansiedlungsstrategie erarbeitet, die die Initiative ,Konvention Plus" und die strategische Nutzung der Neuansiedlung miteinander verbindet. Innerhalb des Maßnahmebereichs ,Neuansiedlung" der Initiative ,Konvention Plus" wurde ein Multilateraler Rahmen für Neuansiedlungsvereinbarungen entwickelt, der in umfassende ,Sondervereinbarungen" einfließen soll, die Lösungen im Falle spezifischer (häufig langwieriger) Flüchtlingssituationen ermöglichen.

11. Die vorliegende Mitteilung untergliedert sich in vier Abschnitte. Abschnitt I befasst sich mit der ersten Zielvorgabe in Schlussfolgerung Nr. 26 des Europäischen Rates von Thessaloniki, die darin besteht, ,alle Parameter auszuloten, mit denen eine geordnetere und kontrolliertere Einreise von Personen, die internationalen Schutz benötigen, in die EU gewährleistet werden kann". Abschnitt II ist der zweiten Zielvorgabe in Schlussfolgerung Nr. 26 gewidmet, welche lautet, ,Mittel und Wege zu prüfen, wie die Schutzkapazität von Herkunftsregionen erhöht werden kann". Gegenstand von Abschnitt III sind Wege zur Umsetzung der unmissverständlichen Forderung des Europäischen Rates von Thessaloniki nach einem integrierten, umfassenden, ausgewogenen, flexiblen und situationsspezifischen Ansatz zu Asyl- und Migrationsfragen. Dieser Ansatz soll sowohl Mechanismen zur Sicherstellung einer geordneteren Einreise von Personen, die internationalen Schutz benötigen, in die EU als auch die Stärkung der Schutzkapazität der Herkunftsregionen gebührend berücksichtigen. Abschnitt IV schließlich enthält die Schlussfolgerungen aus dieser Mitteilung sowie Hinweise zu optimalen weiteren Strategien.

1.1. Abschnitt I

Zielvorgabe 1 der Schlussfolgerung Nr. 26: ,alle Parameter auszuloten, mit denen eine geordnetere und kontrolliertere Einreise von Personen, die internationalen Schutz benötigen, in die EU gewährleistet werden kann"

EU-politischer Rahmen

12. Ein wichtiges Kennzeichen unserer Zuwanderungs- und Asylpolitik sind die wiederholt angestellten Überlegungen zu der Frage, wie sich wirksamer regeln ließe, welche Personen unter welchen Umständen in die EU einreisen dürfen. Der Rat von Thessaloniki stellte die Aufgabe, Möglichkeiten für eine geordnetere und kontrolliertere Einreise zu sondieren und damit zum Aufbau eines leichter zugänglichen, gerechteren und besser funktionierenden Asylsystems beizutragen. Schon lange befassen sich die Mitgliedstaaten mit der Möglichkeit der Bearbeitung von Asylanträgen außerhalb der EU, die sowohl ein Mittel zur rascheren Bereitstellung internationalen Schutzes für die Schutzbedürftigsten als auch eine Methode zur Sicherstellung einer geordneteren und kontrollierteren Einreise in die EU darstellt. In ihrer Mitteilung vom November 2000 ,Für ein gemeinsames Asylverfahren und einen unionsweit geltenden einheitlichen Status für die Personen, denen Asyl gewährt wird" erklärt die Kommission, dass die Behandlung des Antrags auf Schutz in den Herkunftsregionen und die Erleichterung der Ankunft von Flüchtlingen im Gebiet der Mitgliedstaaten durch einen Eingliederungsmechanismus Mittel sind, die einen raschen Zugang zum Schutz bieten, ohne dass die Flüchtlinge Opfer von illegalen Einwanderungsnetzen und Menschenhandel sein oder bisweilen mehrere Jahre warten müssen, bis ihnen der Flüchtlingsstatus zuerkannt wird. Wie es in der genannten Mitteilung weiter heißt, muss diese Option komplementär sein und darf sich nicht nachteilig auf eine angemessene Behandlung der einzelnen Asylanträge auswirken, die im Rahmen spontanen Eintreffens gestellt werden.

13. Um diese Aussagen vertiefen zu können, gab die Kommission zwei Untersuchungen zu den Möglichkeiten der Bearbeitung von Asylanträgen außerhalb der EU in Auftrag: die Studie über die Durchführbarkeit der Bearbeitung von Asylanträgen außerhalb der EU vor dem Hintergrund eines gemeinsamen europäischen Asylsystems und eines angestrebten gemeinsamen Asylverfahrens (veröffentlicht im März 2003) und die Studie über die Durchführbarkeit der Einrichtung eines Neuansiedlungssystems in den EU-Mitgliedstaaten oder auf EU-Ebene vor dem Hintergrund eines gemeinsamen europäischen Asylsystems und eines angestrebten gemeinsamen Asylverfahrens (veröffentlicht im Mai 2004).

14. Im Mittelpunkt der ersten Studie stand die potenzielle Nutzung geschützter Zulassungsverfahren durch die Mitgliedstaaten. Darunter sind Verfahren zu verstehen, die es Nichtstaatsangehörigen ermöglichen, beim potenziellen Aufnahmestaat außerhalb dessen Hoheitsgebiets um Asyl oder eine andere Form internationalen Schutzes nachzusuchen und im Falle der vorläufigen oder endgültigen Bewilligung ihres Antrags eine Einreisegenehmigung zu erlangen. Thema der zweiten Studie war das Verfahren der Neuansiedlung von Flüchtlingen, d. h. der Transfer von Flüchtlingen von einem ersten Aufnahmeland in ein weiteres Land, in dem sie Schutzgarantien genießen, darunter das Aufenthaltsrecht und die Aussicht auf Integration und Selbständigkeit. Auf die Bedeutung des ,Resettlement" im Rahmen der Aufgabenteilung mit Drittländern - einschließlich Erstasylstaaten - bei der Steuerung der Flüchtlingsströme verwies die Kommission auch in ihren Mitteilungen vom März und Juni 2003.

15. Im Oktober 2003 veranstaltete die italienische EU-Präsidentschaft in Rom ein Seminar zur ersten Zielvorgabe der Schlussfolgerung Nr. 26 von Thessaloniki (geordnetere und kontrolliertere Einreise in die EU), bei dem sowohl die Neuansiedlung als auch die geschützten Zulassungsverfahren als Methoden zur Verwirklichung dieses Ziels geprüft wurden. Dabei sprach die Kommission die Vorteile der kontrollierten Einreise von Personen an, die internationalen Schutz benötigen. Wie sie hervorhob, müssten schutzbedürftige Personen in Zukunft nicht mehr länger an Menschenhändler Tausende Euro für die gefährliche und illegale Einschleusung in die EU zahlen, wenn möglichst rasch ein Zugang zu Schutz angeboten werden kann, der den Bedürfnissen der Betroffenen möglichst nahe kommt und einen sicheren und legalen Weg zur Erlangung von Schutz in der EU erleichtert. Dann müssten sie auch nicht lange Zeit in Ungewissheit leben, bis ihr Antrag entschieden ist. Darüber hinaus wäre dies eine eindeutiges Signal an die Länder in den Herkunftsregionen, dass die EU-Staaten bereit sind, ihren Teil an Verantwortung für die Vertriebenen in diesen Regionen zu übernehmen.

16. Die Kommission erklärte, dass eine kontrollierte Einreise von Personen, die internationalen Schutz benötigen, auch ein wirksames Instrument zur Bekämpfung rassistischer und fremdenfeindlicher Einstellungen wäre, da die öffentliche Unterstützung zunehmen dürfte, wenn Anträge außerhalb der EU geprüft werden und erst dann die Weiterwanderung in die EU erfolgt. Ganz anders stellt sich die Lage heute dar, da bei der Mehrheit der Asylbewerber festgestellt wird, dass sie in keiner Weise internationalen Schutz benötigen. Die Unsicherheit in der öffentlichen Wahrnehmung dieser Gruppe bringt die Glaubwürdigkeit der Institution Asyl in Gefahr. Die Auswirkungen einer kontrollierten Einreise lassen sich am Beispiel der humanitären Evakuierung aus dem Kosovo veranschaulichen. Obwohl ein anderer Schutzbedarf bestand und auch die Gesamtsituation eine andere war, steht doch die Aufnahme der damaligen Vertriebenen durch die verschiedenen EU-Staaten und die dortige Öffentlichkeit im krassen Gegensatz zu der unsicheren und oft feindseligen Haltung gegenüber vielen Asylbewerbern, die heute unter irregulären und schwierigen Umständen in die EU kommen. Der Grund für diesen Gegensatz liegt auf der Hand: Damals vertraute die Öffentlichkeit auf die Schutzbedürftigkeit der Evakuierten, während derzeit keine derartige Gewissheit besteht.

17. Auf dem Seminar betonte die Kommission, dass eine rechtmäßige, geordnete und kontrollierte Einreise in die EU es den Mitgliedstaaten im Allgemeinen ermöglichen würde, sich im Voraus auf die Ankunft von Personen einzustellen, die als international schutzbedürftig anerkannt wurden. Eine solche Vorankündigung würde die Planung erleichtern, was für die Wohnraumversorgung ebenso gilt wie für die unvermeidlichen finanziellen Auswirkungen. Die Erarbeitung maßgeschneiderter Integrationsprogramme für bestimmte Gruppen von Flüchtlingen wäre ebenfalls wesentlich leichter, wenn ein Land von vornherein wüsste, wer auf Dauer einreisen wird. Die Neuansiedlung und Genehmigung der Einreise von Personen, deren Identität und Vorgeschichte im Voraus geprüft wurde, wäre auch unter dem Aspekt der Sicherheit vorzuziehen.

18. Die am Seminar teilnehmenden Mitgliedstaaten betrachteten ein EU-weites Neuansiedlungsprogramm, das im Rahmen eines umfassenden Konzepts strategisch genutzt wird, als potenziell äußerst nützliches politisches Instrument. Ein solches Programm ermöglicht i) die Erarbeitung umfassender Lösungen für Flüchtlingssituationen, insbesondere wenn diese von längerer Dauer sind, ii) den Auf- und Ausbau von Schutzkapazitäten in den Herkunftsregionen und iii) eine Alternative zu irregulären sekundären Migrationsbewegungen von Personen, die im Erstasylland keinen wirksamen Schutz finden können, und auch zu den strafbaren Handlungen, mit denen solche Bewegungen einhergehen.

19. Darüber hinaus zogen die Seminarteilnehmer das Fazit, dass die Neuansiedlung eine wesentliche und unverzichtbare Komponente des internationalen Schutzsystems darstellt, durch das bereits viele Menschenleben gerettet wurden, und dass sie für Personen, die internationalen Schutz außerhalb ihrer Herkunftsregion benötigen, auch in Ausnahmesituationen einen unmittelbaren Zugang zu diesem Schutz sowie sofortigen Zugang zu dauerhaften Lösungen bietet. Zudem ermögliche das Verfahren der Neuansiedlung die Feststellung der prekärsten und dringlichsten Fälle, trage zur geordneteren und kontrollierteren Einreise bei und gebe den Staaten Gelegenheit zu Sicherheits- und Gesundheitskontrollen vor der Einreise. Außerdem gestatte es eine bessere Planung und Verwaltung der Ressourcen und erleichtere eine rasche Integration der Flüchtlinge. Als wichtig wurde auf dem Seminar eingeschätzt, dass sich die Neuansiedlung positiv auf die Integrität und Glaubwürdigkeit der Institution Asyl auswirkt.

20. Im Zusammenhang mit den geschützten Zulassungsverfahren wurden auf dem Seminar eine Reihe von Vorteilen genannt, so etwa die Bereitstellung eines raschen und wirksamen Schutzes insbesondere für Personen, die diesen womöglich dringend und sofort benötigen, und die potenzielle Zeit- und Kosteneinsparung im Vergleich zu Asylverfahren im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten. Die genannten Nachteile betrafen vor allem die für eine rasche Antragsbearbeitung erforderliche Ressourcenausstattung, die Schwierigkeiten bei der Aufnahme direkter Kontakte zu denjenigen, die über den Asylantrag entscheiden, und den (fehlenden) Zugang zu Rechtshilfe. Ferner wurde darauf verwiesen, dass jedes potenzielle Umsetzungsinstrument je nach Ermessen und flexibel einsetzbar sein müsste.

21. Die Präsidentschaft forderte die Kommission auf, bei der Erarbeitung ihres in Punkt 26 der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Thessaloniki geforderten umfassenden Berichts über die Sicherstellung einer geordneteren und kontrollierteren Einreise von internationalen Schutz benötigenden Personen in die Europäische Union die Schlussfolgerungen des Seminars zu berücksichtigen. Diese Aufforderung wurde vom Rat ,Justiz und Inneres" im November 2003 zur Kenntnis genommen.

Vorgeschlagene politische Maßnahmen

22. Vor dem Hintergrund der drei dauerhaften Lösungen für Flüchtlinge, die in der UNHCR-Agenda für den Flüchtlingsschutz dargelegt sind und vom UNHCR-Exekutivkomitee in seiner Schlussfolgerung 20 (i) von 2003 erneut aufgegriffen wurden, rangiert die Option der Neuansiedlung sowohl hinter der freiwilligen Rückführung, die die meisten Aufnahmeländer bei weitem vorziehen, als auch hinter der lokalen Integration (den beiden anderen dauerhaften Lösungen). Dies liegt zum Teil daran, dass Neuansiedlungsprogramme aufgrund ihrer geringen Größenordnung nur geringen Einfluss auf die Gesamtzahlen nehmen können. Dennoch stellt die Neuansiedlung ihrem Wesen nach eine kontrollierte und geordnete Einreise in die EU dar und könnte innerhalb der gemeinsamen Asylpolitik der EU eine wichtige, wenn auch begrenzte Rolle spielen. Aus den vorgenannten Gründen vertritt die Kommission die Auffassung, dass vieles für einen EU-weiten Ansatz auf diesem Gebiet und für die Schaffung eines EU-Neuansiedlungsprogramms spricht. In den folgenden Punkten soll kurz auf die verschiedenen Schlüsselelemente eines EU-Neuansiedlungsprogramms eingegangen werden.

Sachverhalt

23. Ein gezielter und umfassender Ansatz, der auf eine zwar begrenzte aber konstante Anzahl von Fällen ausgerichtet ist, und in Situationen, in denen eine Neuansiedlung für erforderlich gehalten wird, entsprechend angepasst werden kann, könnte sehr wirkungsvoll sein. Daher schlägt die Kommission die Schaffung eines EU-weiten Neuansiedlungsprogramms vor. Von entscheidender Bedeutung wäre natürlich die Einbeziehung des UNHCR in die Auswahl und Zuweisung von Zielkontingenten. Ein derartiges System wäre zugleich unverzichtbarer Bestandteil eines umfassenden Konzepts für die Zusammenarbeit mit Drittstaaten in Asyl- und Migrationsangelegenheiten. Es wäre eine kurzfristige Antwort auf den in Thessaloniki erteilten Auftrag, da es von Natur aus eine geordnete und kontrollierte Einreise in die EU bewirken und zusammen mit den anderen Komponenten eines umfassenderen Konzepts die Position der EU im Kampf gegen Menschenhandel stärken würde.

Rechtlicher Rahmen

24. In der Frage, welche Form ein Rechtsinstrument zur Eingliederung annehmen könnte, gibt es mehrere Möglichkeiten. Ein allgemeiner Verfahrensrahmen für die Neuansiedlung könnte als Fundament für individuell zugeschnittene, situationsspezifische Regelungen dienen, die als Teil eines umfassenderen Konzepts der Gemeinschaft für eine bestimmten Region oder einen Drittstaat auf bestimmte Problemlagen ausgerichtet sind. Damit wäre mehr Flexibilität möglich als bei einem Jahresprogramm, in dem die Zahl der zu vergebenden Neuansiedlungsplätze festgelegt ist.

Anwendung

25. Eine wichtige Grundvoraussetzung für ein EU-Neuansiedlungsprogramm würde darin bestehen, dass die Neuansiedlung komplementären Charakter trägt und sich nicht auf die Pflicht der Mitgliedstaaten auswirkt, über Asylanträge in fairen Verfahren zu entscheiden und innerhalb ihres Hoheitsgebiets völkerrechtlichen Schutz zu gewähren. ,Flexibel und situationsspezifisch" müsste das Motto eines solchen Programms lauten. Das bedeutet, dass ein EU-Neuansiedlungsprogramm an die unterschiedlichen allgemeinen Bedürfnisse der Flüchtlinge, einschließlich lang andauernde Flüchtlingsschutzsituationen in verschiedenen Regionen, sowie an die Fähigkeit der Mitgliedstaaten, bestimmte Flüchtlingsgruppen zu einem bestimmten Zeitpunkt neu anzusiedeln, angepasst werden kann. Die EU würde dieses Programm nur in geeigneten Fällen und in Partnerschaft mit dem betreffenden Drittland anbieten - wobei die besonderen Umstände der konkreten lang andauernden Flüchtlingssituation und/oder potenziell neue Flüchtlinge hervorbringenden Situation zu berücksichtigen sind -, wenn klar ist, dass dauerhafte Lösungen gefunden werden müssen, die die Neuansiedlung der gesamten oder eines Teils einer bestimmten Bevölkerungsgruppe einschließen. Natürlich würde der Mehrwert eines derartigen Programms mit der Anzahl der angebotenen Neuansiedlungsplätze zunehmen, da es so zum einen von Skalenvorteilen profitiert und zum anderen mehr politisches Gewicht innerhalb einer umfassenden Partnerschaftsvereinbarung mit Ländern der Region erlangt.

Anwendungsbereich

26. Obwohl sich an einem EU-weiten Neuansiedlungsprogramm alle Mitgliedstaaten beteiligen würden, wäre diese Beteiligung flexibler Natur. Die Mitgliedstaaten, die derzeit Neuansiedlungsprogramme umsetzen, wären angehalten, sich entweder auf die Reservierung einer bestimmten Anzahl von Plätzen einzustellen, von denen strategischer Gebrauch im Rahmen des EU-Neuansiedlungsprogramms gemacht werden soll, oder diese Programme weiterhin zu betreiben und gleichzeitig in vollem Umfang am EU-Programm teilzunehmen, um so ihre einschlägigen Erfahrungen in die gemeinsame Maßnahme der Mitgliedstaaten einfließen zu lassen. Dieses Verfahren käme allerdings nur dann zur Anwendung, wenn es ein geeigneter Bestandteil einer vielschichtigen Lösung für die konkrete Flüchtlingssituation wäre. Die Länder, die derzeit keine Neuansiedlungsprogramme durchführen, wären angehalten, sich auf Ad-hoc-Basis zu beteiligen, könnten aber auch nur zur Finanzierung beitragen (und damit vielleicht andere Mitgliedstaaten zur Umsetzung solcher Programme anregen). Da die Neuansiedlung nur eine Komponente einer umfassenderen Reaktion der Gemeinschaft auf eine spezifische lang anhaltende Flüchtlingssituation bilden würde, wären ihre Rolle und der durch sie erzielte Zugewinn für alle Mitgliedstaaten ein klarer Anreiz zur Teilnahme.

Zielsetzung

27. Das grundlegende Motiv für die Neuansiedlung von internationalen Schutz benötigenden Personen in der EU geht auf die humanitäre Tradition der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten zurück, wonach den Opfern von Verfolgung Schutz und Zuflucht gewährt wird. Die wichtigsten Ziele der Neuansiedlung sind die Gewährung internationalen Schutzes für wirklich schutzbedürftige Personen und die Schaffung dauerhafter Lösungsangebote in der EU; die Erleichterung der kontrollierten Einreise in die EU; die Bekundung von Solidarität mit den Ländern in den Herkunftsregionen, die langwierigen Flüchtlingssituationen ausgesetzt sind; und die Lastenteilung. Die Gesamtauswirkungen eines EU-Neuansiedlungsprogramms auf das globale internationale Schutzsystem würden sich natürlich zahlenmäßig in Grenzen halten. Strategisch genutzt, könnte ein solches Programm jedoch dauerhafte Lösungen bieten, die andernfalls bei langwierigen Flüchtlingssituationen nicht zur Verfügung stuenden, und den sonstigen Maßnahmen zur Bewältigung der jeweiligen Situation zusätzlichen Wert und mehr Gewicht verleihen.

Zielvorgaben

28. In einem künftigen Vorschlag zu einem EU-Neuansiedlungsprogramm wird die Kommission wahrscheinlich empfehlen, dass anstelle von Kontingenten oder Obergrenzen Zielvorgaben festgelegt werden. Zielvorgaben versprechen den meisten Erfolg, da sie flexibler sind. Innerhalb eines künftigen Rahmens für ein mögliches EU-Neuansiedlungsprogramm könnte auf Gemeinschaftsebene ein quantitatives Jahresgesamtziel gesetzt werden. Eine derartige Zielvorgabe wäre zunächst in keiner Weise verbindlich, und es bliebe den Mitgliedstaaten überlassen, ihre eigenen Neuansiedlungsziele festzulegen. In der Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten wurde das Konzept der ,doppelten Freiwilligkeit" eingeführt. Außerdem könnten auch Zielvorgaben für eine finanzielle Unterstützung oder die tatsächliche Neuansiedlung von Personen durch die Mitgliedstaaten ins Auge gefasst werden. Wenn die betroffenen Personen bereit sind, anstelle des einen Mitgliedstaates in einen anderen zu gehen, und dieser - möglicherweise gegen einen finanziellen Unterstützungsbetrag - zur Aufnahme bereit ist, dann könnte das natürlich dazu beitragen, eine bestehende Zielvorgabe für die EU insgesamt zu erreichen. Bei der Festlegung der Zielvorgaben würden auch strategische Erwägungen eine Rolle spielen, denen ein umfassenderes Konzept zugrunde liegt. Sie wären praxisorientiert und so strukturiert, dass sie jeweils auf ein besonderes Problem im Rahmen einer langwierigen Flüchtlingssituation abzielen.

Kriterien

29. Die wichtigste Zielgruppe der Neuansiedlungsprogramme müssen Personen sein, die die Kriterien für die Gewährung internationalen Schutzes erfuellen, welche in der Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen (,Anerkennungsrichtlinie") dargelegt und kodifiziert sind. Die Auswahl von Kandidaten für die Neuansiedlung könnte nach mehreren Kriterien erfolgen. In Frage kämen Personengruppen, deren internationaler Schutzbedarf feststeht und die von den Mitgliedstaaten im Rahmen des EU-Neuansiedlungsprogramms als anspruchsberechtigt angesehen werden. Darüber hinaus könnte vorgesehen werden, dass die EU eine gewisse besondere Verantwortung für schutzbedürftige Flüchtlingsgruppen oder für Gruppen übernimmt, die im bestreffenden Drittstaat mit Integrationsschwierigkeiten zu kämpfen haben (wie z. B. Opfer von Folter oder sexueller Gewalt, Menschenrechtsverteidiger, Mitglieder bestimmter ethnischer, religiöser oder anderer Gruppen, die im Aufnahmeland diskriminiert werden), für die jedoch in einem EU-Mitgliedstaat vergleichsweise bessere Integrations- und Schutzchancen bestehen könnten. Befragungen durch die Einwanderungsbehörden der EU-Mitgliedstaaten bei Besuchen in der Herkunftsregion würden dabei einen besonders wichtigen Teil des Entscheidungsprozesses ausmachen - auch wenn dies in einigen dringenden Fällen vielleicht nicht machbar ist. Solche Aufenthalte würden den Entscheidungsträgern auch helfen, sich ein Bild von den Verhältnissen in der betreffenden Region zu machen, was bei der Entscheidung sowohl über die Neuansiedlung als auch über die Asylgewährung von Nutzen wäre.

Rechtliche Auswirkungen

30. Zwei Punkte gilt es bei der Entscheidung darüber zu bedenken, ob jemand für die Neuansiedlung im Rahmen eines eventuellen EU-Programms in Frage kommt oder nicht. Erfuellt die betreffende Person die Voraussetzungen für die Gewährung internationalen Schutzes? Gehört sie der Zielgruppe an, die für auswahlwürdig befunden wurde? Wie die Auswahlkriterien zu formulieren sind, wird in einem künftigen Vorschlag zu diskutieren sein, doch kann die Anwendung solcher Kriterien rechtliche Folgen haben. Die Frage, wie der Enttäuschung derer, die nicht für eine Neuansiedlung ausgewählt wurden, gerecht begegnet werden kann, und die Begründung dafür, warum einer speziellen Personengruppe eine dauerhafte Lösung angeboten wird, einer anderen dagegen nicht, obwohl sie sich in einer vergleichbaren Lage befindet, wollen ebenfalls sorgsam bedacht sein. Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen, dass eine bestimmte Zielgruppe oder Problemlage im Mittelpunkt der Auswahl stehen wird. Auswahlkriterien könnten als kollektive Auswahlkriterien der EU oder als spezifische Kriterien eines Mitgliedstaates im Rahmen eines groß angelegten flexiblen Programms auf EU-Ebene festgelegt werden. Mit Rechtsfolgen verbunden ist auch die Durchführung der Entscheidungsverfahren in einem Drittstaat, was um so mehr zutrifft, wenn diese Entscheidungsverfahren im Rahmen eines EU-Instruments durchgeführt werden.

Praktische Auswirkungen

31. Ein mögliches EU-Programm sollte Orientierungsprogramme beinhalten, die vor der Abreise im Aufnahmeland stattfinden. Sie würden dazu beitragen, realistische Erwartungen zu wecken und die Flüchtlinge auf die Zukunft vorzubereiten. Es würde auch eine Bestimmung zu Sicherheitskontrollen vor der Abreise geben. Solche Kontrollen ermöglichen zugleich den Ausschluss von Personen, welche keinen internationalen Schutz beanspruchen können, weil sie unter die Ausschlussklauseln der Anerkennungsrichtlinie fallen. Die Beförderung der Personen, die für eine Neuansiedlung in der EU ausgewählt wurden, könnte von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in die Wege geleitet werden, die auf langjährige Erfahrungen auf diesem Gebiet zurückblickt.

32. Zunächst könnte bei einem EU-Neuansiedlungsprogramm dasselbe Verfahren angewandt werden wie derzeit in einigen europäischen Neuansiedlungsländern. Dabei spielt das UNHCR eine entscheidende Rolle, indem es Dossiers erstellt und dem Neuansiedlungsland als Auswahlhilfe zukommen lässt. Unter bestimmten Umständen könnten auch Direktanträge zugelassen werden, bei diesem Verfahren könnten NRO mitwirken. Im Rahmen des Flüchtlingsaufnahmeprogramms der USA beispielsweise erstellen vertraglich beauftragte, vor Ort tätige NRO oder auch die IOM vollständige Unterlagen vor Ort, bevor die Befragung durch die Einwanderungsbehörden stattfindet. Sie leiten die Dossiers nicht weiter sondern erleichtern deren Bearbeitung.

33. Die Frage der Bereitstellung technischer Hilfe auf EU-Ebene für die beteiligten Mitgliedstaaten muss ebenfalls geprüft werden. Solche Hilfe könnte die Vorbereitung, Weiterverweisung und Auswahl von Neuansiedlungsfällen und die Beauftragung eines speziellen Mitgliedstaates mit der Erarbeitung eines Dossiers innerhalb eines abgestimmten Kooperationsrahmens umfassen. Unter anderem könnte ein Planungs- und Koordinierungssystem unter Zugrundelegung der besten internationalen Verfahrensweisen die politischen Ziele und die Arbeitsmethoden eines potenziellen Programms im Rahmen der vereinbarten Parameter festlegen. Es könnte die Umsetzung des Programms überwachen, seine Ergebnisse anhand festgelegter Indikatoren kontrollieren und Flüchtlingssituationen, für die die Neuansiedlung eine angemessene Lösung darstellen würde, untersuchen und bestimmen. Die Kommission wird im Zusammenhang mit den Vorbereitungen für ein EU-Neuansiedlungsprogramm die Machbarkeit derartiger technischer Hilfe prüfen und die Voraussetzungen für ihre Umsetzung ermitteln.

Finanzielle Auswirkungen

34. Was die Finanzierung eines solchen EU-Eingliederungssystems angeht, so würde die ausdrückliche Aufnahme neuangesiedelter Flüchtlinge als Begünstigte der zweiten Phase des Europäischen Flüchtlingsfonds, die die Kommission dem Rat und dem Europäischen Parlament vorgeschlagen hat, den kollektiven und gemeinschaftlichen Charakter eines jeden derartigen Programms stärken. Dem Vorschlag der Kommission zufolge bleiben die Zielgruppen dieselben wie in der ersten Phase, es kommen jedoch zusätzlich die Personen hinzu, denen aus Gründen des internationalen Schutzes im Rahmen von Neuansiedlungsprogrammen die Einreise in die EU gestattet wurde. Diese Gruppe war zuvor zwar nicht offiziell von dem Fonds ausgeschlossen, wurde aber auch nicht erwähnt, wodurch Verwirrung entstand. Inzwischen handelt es sich um ein Thema von europäischem Interesse, auf das in Mitteilungen der Kommission und in den jüngsten Schlussfolgerungen des Vorsitzes Bezug genommen wurde und das in mehreren Mitgliedstaaten Gegenstand praktischer Programme ist. Das Anliegen besteht darin, einen Haushaltsmechanismus auf EU-Ebene zur Unterstützung derjenigen Mitgliedstaaten bereitzustellen, die ein Neuansiedlungsprogramm durchführen bzw. planen. Dabei geht es insbesondere darum, eine angemessene finanzielle Unterstützung für die Eingliederung der Flüchtlinge während ihres ersten Aufenthaltsjahres in einem solchen EU-Mitgliedstaat sicherzustellen. Der Aktionsbereich ,Gemeinschaftsmaßnahmen" des Europäischen Flüchtlingsfonds, der Finanzmittel für innovative Maßnahmen bzw. Maßnahmen bereitstellt, die für die gesamten Gemeinschaft von Interesse sind, könnte Unterstützung für empfehlenswerte Praktiken im Bereich der Asylpolitik, für eine größere Zahl von transnationalen Vorhaben sowie für einen Dialog und Informationsaustausch zu den Ergebnissen von Neuansiedlungsprojekten leisten und zunächst einmal die Kosten tragen, die das Ingangsetzen eines EU-Neuansiedlungsprogramms verursacht. Längerfristig könnte im Zusammenhang mit dem zweiten mehrjährigen Programmplanungszeitraum der zweiten Phase des Europäischen Flüchtlingsfonds (2008-2010) ein spezieller Aktionsbereich ,Neuansiedlung" eingerichtet werden, in dessen Umsetzung das Europäische Parlament auf geeigneter Basis einbezogen würde.

Geschützte Zulassungsverfahren (PEP)

35. Das UNHCR vertritt die Auffassung, dass solche Verfahren zusätzlich zu ihrem offensichtlichen Schutzvorteil eine gewisse Ordnung und Voraussagbarkeit in die sekundären Flüchtlingsbewegungen hineintragen und die Notwendigkeit verringern können, zu einer rechtswidrigen Einreise (u. a. mit Hilfe von Menschenschmugglern und Menschenhändlern) Zuflucht zu nehmen. Das Seminar von Rom und die einschlägige Rechtspraxis der Mitgliedstaaten haben jedoch deutlich gezeigt, dass die Mitgliedstaaten hinsichtlich des Potenzials der geschützten Zulassungsverfahren nicht dieselbe einheitliche Sichtweise und Zuversicht an den Tag legen wie im Falle der Neuansiedlung. Daher hat die Kommission nicht vor, einen eigenständigen Vorschlag zur Einrichtung eines Mechanismus geschützter Zulassungsverfahren auf EU-Ebene zu unterbreiten. Unter bestimmten Umständen könnte aber dennoch eine geschützte Einreise von Personen, die dringend sofortigen Schutz benötigen, in einem erleichterten Verfahren erfolgen. Ein solches Verfahren könnte im Rahmen einer weiter gefassten Neuansiedlungsmaßnahme als ,Notfall-Aktionsbereich" gelten, der jedoch voll den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen bleibt und nur dann zum Tragen kommt, wenn die konkreten Umstände vor Ort dies rechtfertigen. Verfahren dieser Art hätten ohne Frage ähnliche rechtliche Auswirkungen wie das beschriebene EU-Neuansiedlungsprogramm, jedoch mit dem wichtigen Unterschied, dass die Bestimmung des Flüchtlingsstatus innerhalb der EU stattfände (im Anschluss an ein Screeningverfahren).

Abschnitt II

Zielvorgabe 2 der Schlussfolgerung Nr. 26: ,Mittel und Wege zu prüfen, wie die Schutzkapazität von Herkunftsregionen erhöht werden kann"

EU-politischer Rahmen

36. In ihrer Mitteilung vom Dezember 2002 ,Einbeziehung von Migrationsbelangen in die Beziehungen der Europäischen Union zu Drittländern" (Mitteilung vom Dezember 2002) berichtete die Kommission über die verschiedenen Gemeinschaftsmaßnahmen zugunsten von Flüchtlingen und insbesondere über die Arbeit der Gemeinschaft auf dem Gebiet der humanitären Unterstützung zur Linderung der Not von Flüchtlingen. Zu den genannten Maßnahmen zählen auch die Entwicklungszusammenarbeit der Gemeinschaft sowie die wirtschaftliche, finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Drittstaaten. Wie es in der Mitteilung heißt, wird die Last für die Entwicklungsländer in ihrer Rolle als Aufnahmeländer durch deren - typischerweise begrenzte - finanzielle und institutionelle Kapazitäten noch erdrückender. Spezifische Gemeinschaftsmaßnahmen konzentrieren sich darauf, die nötigen Mittel bereitzustellen, um den Flüchtlingen, solange Bedarf besteht, Schutz, Versorgung und Unterhalt zu bieten. Es werden Projekte finanziert, um die Bedürfnisse der Flüchtlinge zu decken und dadurch indirekt den Aufnahmeländern bei der Bereitstellung eines besseren Schutzes zu helfen, da deren eigene Infrastruktur und institutionelle Kapazität in der Regel nicht ausreicht, um die Anforderungen zu bewältigen. Durch mehrere Instrumente leistet die Gemeinschaft Unterstützung für Flüchtlinge und/oder Aufnahmeländern. Dazu zählen Hilfemaßnahmen für entwurzelte Bevölkerungsgruppen in Asien und Lateinamerika, die Bereitstellung humanitärer Hilfe durch das Amt für humanitäre Hilfe der Gemeinschaft (ECHO) sowie die Finanz- und technische Hilfe. Der Mitteilung zufolge ist humanitäre Hilfe jedoch weder ausreichend noch geeignet, um den gesamten Bedarf zu decken, der durch die lang anhaltende Präsenz von Flüchtlingen entsteht, und kann mithin alleine keine tragfähigen und nachhaltigen Lösungen für Flüchtlingsprobleme bieten. Besondere Aufmerksamkeit verdienen in diesem Zusammenhang Initiativen, die eine Verknüpfung zwischen Soforthilfe, Rehabilitation und Entwicklung herstellen, und auch Gemeinschaftsaktionen wie der EEF, MEDA und CARDS.

37. Der Rat ,Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen" nahm am 19. Mai 2003 Kenntnis von der Mitteilung vom Dezember 2002 und forderte die Kommission unter anderem auf, dafür zu sorgen, dass sich die migrationsbezogene Hilfe für Drittländer auf die Verbesserung der nationalen Rechtsetzung und die Steuerung der rechtmäßigen Zuwanderung und Asylgewährung bei voller Einhaltung internationaler Verpflichtungen konzentriert. Es komme darauf an, die finanziellen und institutionellen Kapazitäten vieler Entwicklungsländer und die Auswirkungen des Flüchtlingszustroms auf die betreffenden Strukturen zu berücksichtigen. Der Rat ersuchte die Kommission, über Wege zur Erhöhung der Aufnahmefähigkeit nachzudenken, sich gründlicher mit der Nutzung der Entwicklungszusammenarbeit bei der Suche nach dauerhaften Lösungen für Flüchtlinge zu befassen und konkrete Vorschläge dazu zu unterbreiten, wie Hilfe in größerem Umfang auf die Unterstützung von Flüchtlingen in der Region ausgerichtet werden kann. Außerdem erklärte der Rat, dass die Einbeziehung von Migrationsaspekten in die Außenpolitik der Gemeinschaft mit Rücksicht auf die Kohärenz der außenpolitischen Konzepte und Maßnahmen der EU erfolgen müsse und Bestandteil eines umfassenden Konzepts für jedes Land der Region sein sollte, das jeweils der besonderen Lage Rechnung trägt.

38. In ihrer Mitteilung vom März 2003 stellte die Kommission den Aufbau einer gemeinsamen europäischen Asylpolitik in den Kontext der globalen Entwicklungen und forderte eine stärkere Koordinierung zwischen dem EU-internen Verfahren und der außenpolitischen Komponente der Flüchtlingspolitik. Sie unterstrich die Bedeutung einer Aufgabenteilung mit Drittstaaten - insbesondere Erstasylländern - bei der Steuerung der Flüchtlingsströme und die Notwendigkeit einer effizienteren Zusammenarbeit zur Steigerung der Schutzkapazitäten der Aufnahmeländer. In der Mitteilung vom Juni 2003 wurde besonders hervorgehoben, dass bei möglichen neuen Ansätzen in der Asylpolitik stärkeres Gewicht auf Maßnahmen gelegt werden sollte, die im Rahmen einer echten Lasten- und Aufgabenteilung außerhalb der EU ergriffen werden könnten. Generelles Anliegen eines solchen Ansatzes sollte es sein, die Asylbewerberströme sowohl innerhalb Europas als auch in den Herkunftsregionen besser zu steuern, um leichter zugängliche, gerechtere und besser funktionierende Asylsysteme zu schaffen. Parallel dazu sind insbesondere auf dem Balkan und in osteuropäischen Regionen bereits viele Programme finanziert worden, die den Aufbau von Asylsystemen in Drittländern und deren ordnungsgemäßes Funktionieren in Übereinstimmung mit den UNHCR-Standards gewährleisten sollen.

39. In der Mitteilung vom Juni 2003 wird eine schrittweise Umsetzung dieses neuen Ansatzes empfohlen; zunächst sollten vorbereitende Maßnahmen ergriffen werden, um das Terrain für die in Frage kommenden Schritte zu sondieren, gefolgt von konkreteren Vorschlägen für künftige Programme und Projekte. Tatsächlich wurden im Rahmen der Haushaltslinie ,Zusammenarbeit mit Drittländern im Bereich der Migration" (B7-667, Haushaltsjahr 2003) Maßnahmen genehmigt, mit denen die Stärkung der Schutzkapazität von Herkunftsregionen finanziert wird. Mehrere Projekte wurden ausgewählt, die alle über das UNHCR umgesetzt werden sollen. Themen sind die Analyse der Schutzlücken, die Stärkung des internationalen Schutzes und der Eigenständigkeit von Flüchtlingen, vorbereitende Maßnahmen für einen umfassenden Aktionsplan für bestimmte Flüchtlingsgruppen, eine bedarfsorientierte Schutzplanung als Vorstufe für den Aufbau wirksamer Schutzkapazitäten in ausgewählten Ländern und die Stärkung von Institutionen im Asylbereich in bestimmten Herkunftsregionen. Es ist damit zu rechnen, dass die bei diesen Projekten gewonnenen Erkenntnisse von unschätzbarem konzeptionellen und praktischen Nutzen für die Erarbeitung einer Politik zur Stärkung der Schutzkapazität der Herkunftsregionen und für die Entwicklung von Strategien zur Messung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen sind.

Globaler politischer Rahmen

40. Nach Auffassung des UNHCR hat die Staatengemeinschaft im weiteren Sinne die kollektive Pflicht, diejenigen Staaten, die Asylsuchende aufnehmen bzw. voraussichtlich aufnehmen werden, unter anderem über das UNHCR mit den nötigen Mitteln auszustatten, um ihnen die Einhaltung internationaler Standards bei der Behandlung von Flüchtlingen zu ermöglichen. Unter dem Gesichtspunkt der internationalen Lastenteilung darf erwartet werden, dass die Regionen, die gemessen an ihrem Reichtum die wenigsten Flüchtlinge aufnehmen, denjenigen Unterstützung zukommen lassen, die gemessen an ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft die meisten Flüchtlinge aufnehmen. Das UNHCR hat stets betont, dass das letztendliche Ziel des Aufbaus von Kapazitäten für den Schutz von Flüchtlingen und Asylsuchenden in den Aufnahmeländern in einer besseren Befähigung dieser Staaten besteht, ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen und Asylsuchenden nachzukommen, Schutznetzwerke in der Zivilgesellschaft aufzubauen und die Rechtsstaatlichkeit und sowie die Achtung der Menschenrechte zu stärken. Das UNHCR vertritt den Standpunkt, dass Asylsuchende und Flüchtlinge mehr Schutz und Hilfe erhalten, wenn die Schutzkapazitäten eine angemessene Entwicklung und Stärkung erfahren.

41. Die Standards für den Schutz von Flüchtlingen und Asylsuchenden gelten für alle Stadien einer Flüchtlingssituation von der Erstaufnahme und Statusbestimmung über den umfassenden Schutz bis hin zur endgültigen Lösung (ob freiwillige Rückführung, lokale Integration im Aufnahmeland oder Neuansiedlung in einem Drittstaat). Um Wirkung zu zeigen, müssen diese Standards jedoch ,praxiswirksam gemacht" (d. h. in praktisches Handeln umgesetzt) werden. Wichtig ist für die EU zweifelsohne die Auswahl von Indikatoren für die laufenden Schutzbemühungen von Drittstaaten, die sowohl messbar als auch realistisch sind. Bei der Bewertung des Schutzes muss beachtet werden, dass Verbesserungen von Land zu Land in unterschiedlichem Tempo vonstatten gehen werden. Einige Länder brauchen möglicherweise Jahrzehnte, bis sie die erforderlichen institutionellen und Infrastrukturstandards erreicht haben. In seinem noch nicht veröffentlichten Handbuch zur Stärkung der Kapazitäten in Aufnahmeländern zum Schutz von Flüchtlingen nennt das UNHCR mehrere Komponenten, die sowohl für die Weiterentwicklung als auch für die Beurteilung der Schutzkapazität von Bedeutung sind.

42. Voraussetzung für die praktische Stärkung der Schutzkapazität ist ein abgestimmter und systematischer Ansatz zum Auf- und Ausbau von Kapazitäten für die Prüfung von Asylanträgen und für die Aufnahme und die Integration von Asylsuchenden und Flüchtlingen in Drittstaaten der Herkunftsregionen mit dem Ziel, diese Länder darin zu unterstützen, stabile Anbieter wirksamen Schutzes zu werden. Dies bedeutet, dass der Drittstaat in der Herkunftsregion in der Lage sein sollte, einem Flüchtling die Möglichkeit der lokalen Integration zu bieten, wenn die anderen vom UNHCR genannten traditionellen Dauerlösungen (Neuansiedlung oder Rückkehr in das Herkunftsland) nicht in Frage kommen bzw. wenn eine Wartezeit bis zur Verwirklichung der Dauerlösung zu überbrücken ist. In diesem Zusammenhang ist ein Benchmark für einen wirksamen Schutz zu erarbeiten, den die Aufnahmeländer mit partnerschaftlicher Unterstützung der EU anstreben sollten.

43. Dabei sollte die EU zunächst die Elemente betrachten, auf die sie selbst bei der Gewährleistung von Schutz für Schutzbedürftige zurückgreift und die im Großen und Ganzen in Artikel 63 EGV enthalten sind. Im Mittelpunkt dieser Maßnahmen stehen der Schutz vor Verfolgung und erzwungener Rückführung (Mindestnormen für die Anerkennung als Flüchtling), der Zugang zu einem rechtmäßigen Verfahren (Mindestnormen für die Verfahren) und die Möglichkeit zu einem angemessenen Lebensunterhalt (Mindestnormen für die Aufnahmebedingungen). Das ist es, was ein wirksamer Schutz beinhalten sollte. Die internationalen Verpflichtungen sind unbedingt einzuhalten, auch wenn das Niveau des Lebensunterhalts von Land zu Land unterschiedlich ausfallen mag.

44. Die nachstehend aufgeführten Schutzkomponenten könnten zwei Zwecken dienen. Sie könnten als geeignete Indikatoren für die Schutzkapazität eines Aufnahmelandes und für den Aufbau eines nachhaltigen Schutzsystems gelten. Außerdem könnten sie als Orientierungshilfe bei der Erarbeitung von Benchmarks für den Aufbau von Kapazitäten und Institutionen dienen, die eine gezielte technische Hilfe erleichtern, wie sie beispielsweise im Rahmen des Programms AENEAS vorgesehen ist.

a. Beitritt zu und Einhaltung von Flüchtlingsinstrumenten, darunter regionalen Flüchtlingsinstrumenten und anderen Menschenrechtsabkommen sowie völkerrechtlichen Verträgen zu humanitären Fragen, einschließlich Zurückziehen von Vorbehalten

Der Beitritt zu und die Einhaltung von internationalen Flüchtlings- und Menschenrechtsinstrumenten ist als ein erster Schritt hin zu einem umfassenden und wirksameren nationalen Flüchtlingsschutzsystem anzusehen.

b. Nationale Rechtsrahmen: Annahme/Änderung von Rechtsvorschriften im Bereich Flüchtlinge/Asyl

Es kommt darauf an, dass nationale Rechtsrahmen für den Flüchtlings- und Asylbereich nicht nur vorhanden sind, sondern auch den internationalen Standards gerecht werden - einschließlich der Einführung gerechter und effizienter Asylverfahren. Außerdem sind angemessene Rechtsrahmen und Verfahren nutzlos, wenn sie nicht bzw. ungerecht umgesetzt werden. Ein maßgeblicher Aspekt ist auch der Aufbau von Kapazitäten und Institutionen einschließlich Förderung und Schulung des Personals, durch den der Aufbau angemessener Strukturen zur Steuerung der Flüchtlingsströme erleichtert wird.

c. Registrierung und schriftliche Erfassung der Anträge von Asylsuchenden und Flüchtlingen

Wichtige Aspekte des Flüchtlingsschutzes sind die Registrierung und die schriftliche Erfassung. Es zählt zu den Pflichten eines Staates, einen internationalen Schutzbedarf oder Antrag auf solchen Schutz zu dokumentieren, sobald er ihm zur Kenntnis gelangt. Die Erfassung als Asylsuchender bzw. - im Rahmen der Anerkennung des Flüchtlingsstatus ganzer Personengruppen - als Flüchtling stellt nicht nur eine wichtige Garantie für die betroffene Person dar, sondern ist auch eine Dienstleistung für andere Staaten, für die diese Information potenziell wichtig sein könnte. Ohne eine angemessene Registrierung, bei der auch biometrische Angaben und/oder Angaben zum Schutzbegehren des Asylbewerbers erfasst werden, könnte jedes kollektive System für die Zuweisung späterer staatlicher Verantwortlichkeiten ernsthaft unterminiert werden. Daher bezeichnet es das UNHCR als notwendig, harmonisierte Ansätze für eine umfassende und systematische Registrierung und Erfassung von Flüchtlingen und Asylsuchenden zu fördern. Hierzu zählen auch Standards für den Informationsaustausch sowie Anreize für Asylsuchende und Flüchtlinge, Reise- und/oder Personaldokumente bei sich zu führen, und Anreize für die Staaten, solche Dokumente auszustellen.

d. Anerkennung und Aufnahme von Asylsuchenden

Die Aufnahmestandards stehen in engem Zusammenhang mit der Qualität der Verfahren zur individuellen Statusbestimmung. Diese Bedingungen für die Aufnahme und den Aufenthalt von Asylsuchenden sollten mit den einschlägigen internationalen und nationalen Rechtsnormen konform gehen, die sozioökonomische Situation im Aufnahmeland berücksichtigen und auf dem Grundsatz beruhen, dass Asylsuchende für die Dauer des Asylverfahrens einen ,angemessenen Lebensstandard" (verglichen mit dem Lebensstandard im betreffenden Aufnahmeland) genießen sollten. Vor allem sollte sichergestellt werden, dass der Grundbedarf von Flüchtlingen, unter anderem an Nahrung, Unterkunft, Gesundheit und Bildung, gedeckt ist.

e. Förderung von Selbstversorgung und lokaler Integration

Die Qualität des Schutzes und die Lebensqualität von Personen, die internationalen Schutz mit Aussichten auf eine dauerhafte Lösung benötigen, in Drittstaaten hat wesentlichen Einfluss auf die Verringerung bzw. Verhinderung irregulärer sekundärer Migrationsbewegungen. Es ist ein Unterschied, ob sich jemand einfach nur in Sicherheit befindet oder aber in der Zeit, in der er auf eine dauerhafte Lösung (egal ob Rückkehr, lokale Integration oder Neuansiedlung) wartet, ein menschenwürdiges Leben führen kann. Die Integration im Aufnahmeland, insbesondere bei wirtschaftlicher Selbstversorgung und Zugang zu grundlegenden sozialen Einrichtungen, erleichtert außerdem eine angemessene Wiedereingliederung im Heimatland, wenn sich schließlich die Möglichkeit zur Rückkehr ergibt. Daher sollten für Flüchtlinge gute Aussichten auf eine Erwerbstätigkeit, eine angemessene Bildung und andere grundlegende soziale Leistungen wie z. B. gesundheitliche Betreuung bestehen. Die Verbesserung der Sicherheit und die Möglichkeit zur Selbstversorgung sind wichtige Voraussetzungen für die Vermeidung von Sekundärbewegungen und bilden eine Vorstufe für eine dauerhafte Lösung. Von besonderer Bedeutung ist die Unterstützung der Regierung des Aufnahmestaates bei der Bekämpfung der Verbreitung illegaler Waffen in Flüchtlingsaufnahmegebieten, der Zerschlagung bewaffneter Gruppen und der Demobilisierung und Wiedereingliederung ehemaliger Angehöriger solcher Gruppen.

45. Wenn es um die Beurteilung der Verfügbarkeit eines wirksamen Schutzes geht, sind unter Zugrundelegung bestimmter Prinzipien die besonderen Umstände der Person zu werten, die Zugang zu Schutz benötigt. Diese Prinzipien sollten eine Benchmark für einen wirksamen Schutz bilden und inhaltlich auf die oben genannten für Komponenten des Schutzes eingehen. Eine derartige Benchmark könnte auf folgenden Prinzipien beruhen:

(a) Es besteht keine Gefahr für Leben und Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Volkszugehörigkeit oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bzw. politischen Meinung;

(b) der Grundsatz des Verzichts auf eine erzwungene Rückführung in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention wird beachtet;

(c) das Recht auf die Unterlassung von Folter bzw. grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung wird ebenso respektiert wie das Verbot der Verbringung an einen Ort, an dem eine solche Behandlung praktiziert wird;

(d) es besteht die Möglichkeit, die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus zu beantragen, und im Falle der Anerkennung als Flüchtling in den Genuss von Schutz in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention zu kommen, und

(e) es besteht die Möglichkeit, unter Berücksichtigung der sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen im Aufenthaltsland ein Leben in Sicherheit und Würde zu führen.

46. Es wird noch lange dauern, bis sich von der Mehrheit der derzeitigen Flüchtlingsaufnahmeländer in den Herkunftsregionen sagen lässt, dass sie einen solchen Standard erfuellen und willens und in der Lage sind, wirksamen Schutz nach den vorgenannten Maßstäben zu bieten, sodass den Sekundärbewegungen ein Teil ihrer Grundlage entzogen wird. Keine der dauerhaften Lösungen lässt sich von einem Tag auf den anderen herbeiführen - sie alle sind das Ergebnis langfristiger Planung. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass Drittstaaten in diesem Transformationsprozess durch ein Mehrjahresengagement der EU unterstützt werden. Laut Mitteilung vom Dezember 2002 wird bei der Planung der Außenhilfe, unter anderem in Ländern des Mittelmeerraums, Zentralasiens, des Balkans und der AKP-Staaten, bereits jetzt finanzielle und technische Unterstützung für diesen Maßnahmentyp bereitgestellt. Darüber hinaus hat die EU zahlreiche spezifische Aktivitäten zum Aufbau von Schutzkapazitäten unternommen, so unter anderem im Rahmen des PHARE-Horizontalprogramms im Asylbereich und des Partnerschaftsinstruments. Durch eine eventuelle AKP-Fazilität für den Aufbau von Kapazitäten im Migrationsbereich (die derzeit in Erwägung gezogen wird) könnten Ressourcen in spezielle zielgerichtete Maßnahmen in diesem Bereich fließen.

47. Auf kürzere Sicht können im Rahmen des neuen Programms AENEAS für die finanzielle und technische Hilfe für Drittländer im Asyl- und Migrationsbereich Maßnahmen erfolgen, mit denen die Schutzkapazität von Drittstaaten gestärkt und damit die Notwendigkeit von Sekundärbewegungen verringert wird. Dieses Finanzinstrument bietet Mitgliedstaaten, Drittländern, internationalen Organisationen und NRO Gelegenheit, als Antwort vor allem auf langwierige Flüchtlingssituationen oder auf einen Zustrom aus einer speziellen Region in voller Partnerschaft mit allen betroffenen Ländern und in enger Zusammenarbeit mit dem UNHCR Projekte vorzuschlagen, mit denen die Schutzkapazität eines Landes bzw. der betreffenden Region gestärkt wird. Mit der Arbeit auf diesem Gebiet ist bereits im Zusammenhang mit den UNHCR-Vorhaben für eine bedarfsorientierte Schutzplanung als Vorstufe des Aufbaus wirksamer Schutzkapazitäten in ausgewählten Ländern Afrikas im Rahmen der früheren Haushaltslinie B7-667 begonnen worden.

Abschnitt III:

Ein umfassender Ansatz in Asyl- und Migrationsfragen

48. Schon seit langem ist ein weiter gefasster und umfassenderer Ansatz zu Einwanderungs- und Asylfragen das Ziel der EU. Der Europäische Rat von Tampere im Oktober 1999 bezeichnete Asyl und Migration als zwei verschiedene, jedoch miteinander in Zusammenhang stehende Fragen, unterstrich die Notwendigkeit eines entsprechend umfassenden Ansatzes und verwies auf die Bedeutung eines partnerschaftlichen Verhältnisses zu Drittländern in der Herkunfts- und Transitregion als maßgeblicher Faktor für den Erfolg dieser Politiken. Der Europäische Rat von Sevilla im Juni 2002 hob ebenfalls die Bedeutung derartiger Maßnahmen hervor und forderte einen zielorientierten Ansatz in den Beziehungen der EU zu Drittstaaten, in dessen Rahmen von sämtlichen geeigneten Instrumenten der EU-Außenbeziehungen Gebrauch gemacht wird. Erst vor kurzem schließlich wies der Europäische Rat von Thessaloniki im Juni 2003 noch einmal auf die erstrangige politische Priorität der Migrationsfragen hin und stellte ebenfalls fest, dass der Dialog und gemeinsame Aktionen mit Drittstaaten im Migrationsbereich Bestandteil eines integrierten, umfassenden und ausgewogenen Gesamtansatzes sein sollten, der der jeweiligen Situation in den verschiedenen Regionen und in jedem einzelnen Partnerland differenziert Rechnung zu tragen habe. Wie der Europäische Rat von Thessaloniki feststellte, sollte die Entwicklung eines Evaluierungsmechanismus zur Überwachung der Beziehungen mit Drittstaaten die Mitwirkung dieser Drittstaaten im Rahmen der internationalen Übereinkünfte im Bereich Asyl und Menschenrechte, die Zusammenarbeit mit Drittstaaten bei der Rückübernahme ihrer Staatsangehörigen und der Staatsangehörigen anderer Drittländer und bei der Entwicklung von Asylsystemen unter besonderer Berücksichtigung des Zugangs zu einem wirksamen Schutz einschließen.

49. Eine Antwort auf die klare Forderung von Thessaloniki nach einem integrierten, umfassenden und ausgewogenen, dabei jedoch flexiblen und situationsspezifischen Ansatz und gleichzeitig ein Schritt zur Umsetzung dieses Ansatzes wären von der Kommission aufgestellte Regionale Schutzprogramme der EU, die eine Liste von Maßnahmen, Ziele und einen Zeitplan für den Bereich Asyl und Migration umfassen und in umfassender Partnerschaft mit den Drittstaaten der Region erarbeitet würden. Die Aufstellung dieser Programme würde in Verbindung mit den regionalen und den Länderstrategiepapieren erfolgen, die den allgemeinen Rahmen für die Beziehungen der EU zu Entwicklungsländern abstecken, und die gleichen Zyklen durchlaufen wie diese. Damit erhielten die regionalen Schutzprogramme eine Mehrjahresbasis und böten Gelegenheit für mittelfristige Überprüfungen als Reaktion auf langwierige Flüchtlingssituationen in einer speziellen Region, in der ein Lösung erreichbar scheint.

50. Die Analysen und die vorgeschlagenen Maßnahmen in den regionalen Schutzprogrammen der EU sollten in vollem Einklang mit den Strategiepapieren auf regionaler und Länderebene stehen. Auf diese Weise wären die Schutzprogramme untrennbar verbunden mit der Gesamtstrategie für das betreffende Land oder die Region, und die Synergieeffekte mit den verschiedenen anderen Bestandteilen der Strategie (insbesondere in Bereichen wie verantwortungsvolle Staatsführung, Justizreform, Institutionsaufbau, Demokratisierung, Menschenrechte usw.) kämen voll zum Tragen. Darüber hinaus könnten die regionalen Schutzprogramme der EU einen Orientierungsrahmen für die Aktionen einzelner Mitgliedstaaten in einem speziellen Land oder einer Region liefern. Auch wären die Programme weitestgehend mit den Maßnahmen weiterer Drittstaaten (wie der USA oder Kanadas) oder anderer Akteure, internationale Organisationen eingeschlossen, abgestimmt und würden diese ergänzen. Bei ihren einzelnen Bestandteilen würde es sich um optimal messbare praktische Maßnahmen handeln, die sowohl in Bezug auf den gebotenen Schutz als auch auf ihre Auswirkungen im Rahmen der bestehenden Vereinbarungen mit dem Drittstaat greifbaren Nutzen bringen.

51. Die regionalen Schutzprogramme der EU böten ein Instrumentarium mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen; einige von ihnen gibt es bereits, manche befinden sich noch im Entwicklungsstadium, andere gilt es erst noch vorzuschlagen (siehe vorgenannte Neuansiedlungsprogramme). Diese Instrumente wären vorwiegend schutzorientiert. Angesichts der Notwendigkeit, Klarheit über alle dabei berührten Interessen zu gewinnen und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen ihnen herzustellen (einschließlich des bereits erwähnten Interesses von Drittstaaten an migrationsbezogenen Instrumenten), könnten insbesondere die folgenden spezifischen Merkmale in das genannte Instrumentarium Eingang finden:

* Maßnahmen zur Stärkung des Schutzangebots: ein koordinierter und systematischer Ansatz zur Stärkung und Schaffung von Schutzkapazitäten für die Prüfung von Asylanträgen sowie die Aufnahme und Integration von Asylsuchenden und Flüchtlingen in Drittstaaten der Herkunftsregion mit dem Ziel, diese Staaten darin zu unterstützen, stabile Anbieter wirksamen Schutzes auf der Grundlage der vorgenannten Schutzkomponenten zu werden.

* Registrierungssystem: Das UNHCR-Registrierungssystem ,Profile", dessen Fernziel der Einsatz biometrischer Technologien ist, stellt ein grundlegendes Schutzinstrument dar, mit dem sich besser kontrollieren lässt, wer in einem Drittstaat Schutz benötigt. Ausgesprochen nützlich könnte ein solches System auch bei der Evaluierung der Ergebnisse von Maßnahmen sein, die im Rahmen der regionalen Schutzprogramme der EU umgesetzt wurden.

* ein EU-weites Neuansiedlungsprogramm: Ein auf den vorgenannten Hauptkomponenten aufbauendes System könnte bei derartigen Programmen eine wichtige Rolle spielen, und zwar sowohl bei der Sicherstellung einer geordneten Einreise als auch bei der Stärkung der Schutzkapazitäten von Drittstaaten.

* Unterstützung bei der Verbesserung der lokalen Infrastruktur: Durch diese Unterstützung sollte sichergestellt werden, dass die lokale Infrastruktur (soziale Infrastruktur, Wasserversorgung, Umwelt, Energie, Verkehrsnetze usw.) durch die Anwesenheit von Flüchtlingskontingenten nicht über Gebühr belastet wird und dass die Aufnahme von Flüchtlingen den betroffenen Bevölkerungsgruppen, deren Bedürfnisse und Erwartungen in Betracht gezogen werden müssen, mehr Vorteile als Probleme bringt. Die Aufnahmegemeinschaften sollten in die Planung und Umsetzung derartiger Programme aktiv einbezogen werden.

* Unterstützung bei der lokalen Integration von Personen, die internationalen Schutz benötigen, in einem Drittstaat: Diese Unterstützung würde die Notwendigkeit von Sekundärbewegungen verringern helfen und Flüchtlingen den Zugang zu vertretbaren Lebensbedingungen ermöglichen, und zwar entweder als Dauerlösung (lokale Integration) oder für die Dauer des Wartens auf eine Lösung, die möglichst rasch erfolgen und ihren Bedürfnissen Rechnung tragen sollte. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass auf die Bedürfnisse der von einem solchen Hilfsprogramm betroffenen unterschiedlichen Personengruppen eingegangen werden muss.

* Zusammenarbeit im Bereich legale Einwanderung: Förderung einer aktiven Zusammenarbeit und eines Dialogs zu Fragen der legalen Einwanderung einschließlich Festlegung der legalen Einwanderungsmöglichkeiten für Staatsangehörige eines an den Partnerschaftsverhandlungen beteiligten Drittstaates und Aushandlung von Visaerleichterungen für bestimmte Personengruppen. Wie der Mitteilung der der Kommission zu diesem Thema zu entnehmen ist, könnte sich diese Maßnahme auch präventiv auf die illegalen Migrationsströme auswirken; zu diesem Ergebnis gelangte eine Studie über das Verhältnis zwischen legaler und illegaler Einwanderung.

* Maßnahmen zur Migrationssteuerung: Im Mittelpunkt dieser Aktivitäten würden ein besseres Reagieren der Drittstaaten und Transitländer auf die gemischten Migrationsströme und der Kampf gegen illegale Zuwanderung und organisierte Kriminalität stehen. Darüber hinaus könnte die Rückkehr von Migranten gefördert werden.

* Rückkehr: Gegenstand der Rückkehr könnten sowohl die eigenen Staatsangehörigen eines Drittstaates sein als auch Staatsangehörige anderer Drittstaaten, für die der erstgenannte als Erstasylstaat gedient hat bzw. hätte dienen können, wenn das Land einen wirksamen Schutz bietet. Wo die Rückführung in einem Rahmen erfolgt, in den UNHCR und IOM einbezogen sind, und Gegenstand einer diplomatischen Übereinkunft ist, bei der ein Unterstützungs- und Aktionspaket ausgehandelt wird, bestehen größere Sicherheiten und mehr Kontrollmöglichkeiten als für einzelne Asylsuchende, die im Erstasylstaat verbleiben, oder für einzelne Asylsuchende, denen die Einreise verweigert wird und die im Rahmen der Regelungen über sichere Drittstaaten der Rückführung unterliegen.

52. Die regionalen Schutzprogramme der EU müssten flexibel, situationsbezogen und maßgeschneidert sein und dürften nicht nur generelle Vorschriften enthalten. Ihr besonderer Wert bestuende in einer besseren Koordinierung und systematischen Behandlung aller Bestandteile und in deren Einsatz in Kombination mit anderen. Wenn sie zur Wirkung gelangten, würde das den Partnerschaftsvereinbarungen mit den beteiligten Drittstaaten echtes Gewicht verleihen. Ein regionales Schutzprogramm der EU würde im Anschluss an eine systematische Prüfung der Flüchtlingskrise in der betreffenden Region aufgestellt werden und eine Analyse von Schutzlücken umfassen, bei der der auf den Europäischen Ratstagungen von Thessaloniki und Sevilla eingeforderte Kontroll- und Evaluierungsmechanismus zum Einsatz kommen könnte. Ziel des Mechanismus sollte es sein, die Migrationslage in den betreffenden Drittländern sowie die administrative und institutionelle Kapazität dieser Länder zur Steuerung von Asyl und Migration aufmerksam zu verfolgen. Er sollte daher die Zusammenstellung aller einschlägigen Informationen für eine systematische Einschätzung und Beurteilung der Zusammenarbeit dieser Länder ermöglichen und Aufschluss über mögliche Hindernisse für eine effektive Zusammenarbeit geben.

53. Die regionalen Schutzprogramme der EU würden unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Halbzeitevaluierungen der Länder- und der regionalen Strategiepapiere aktualisiert. Um das Schutzangebot zu stärken und gleichzeitig eine geordnete und kontrollierte Einreise von Personen aus der betreffenden Region in die EU sicherzustellen, würden diese regionalen Schutzprogramme über Verhandlungen mit den beteiligten Partnern des Drittstaates und Rücksprachen mit dem Rat zu allen einschlägigen Politikbereichen ganz gezielt auf die besonderen Erfordernisse einer Region oder eines Landes zugeschnitten. Das gemeinsame Engagement im Rahmen der regionalen Schutzprogramme der EU müsste für eine praktische und praxisorientierte Ausrichtung und für greifbare Ergebnisse zur Zufriedenheit aller Parteien sorgen. Dies ließe sich ohne Schwierigkeiten evaluieren und als Ausgangsbasis verwenden; und schon im Voraus würden klare Benchmarks festgelegt und abgestimmt.

54. Das UNHCR sollte bei der Aufstellung und Umsetzung der regionalen Schutzprogramme der EU eine zentrale Rolle spielen. Als Förderer der Initiative ,Konvention Plus" befindet es sich in einer idealen Position, um ihnen eine wirkliche Schutzausrichtung zu geben. Durch seine Erfahrung und sein Ansehen auf diesem Gebiet könnte es zur Verwirklichung der Schlüsselaspekte dieser umfassenden Strategie beitragen. In der Praxis würde bei der Erarbeitung derartiger Programme auch die UNHCR-Initiative ,Konvention Plus" eine Rolle spielen und die Grundlage für ,Sondervereinbarungen" im Sinne der vom Hochkommissar ins Auge gefassten Vereinbarungen liefern.

Abschnitt IV Empfehlungen

55. Bei der Entwicklung des in Tampere geforderten gemeinsamen europäischen Asylsystems tritt die EU in eine neue Phase ein. Sie muss entscheiden, wie die zweite Systemphase aussehen soll. Das Jahr 2004 wird insofern entscheidend sein, als den globalen Impulsen, die von der Agenda für den Flüchtlingsschutz und der Initiative ,Konvention Plus" ausgegangen sind, nun praktische Maßnahmen auf EU-Ebene folgen müssen. Dennoch muss die EU Vorsicht walten lassen bei ihren Reaktionen auf einen solchen Prozess, die große Auswirkungen auf verschiedene Bereiche der Politik haben werden. Die konzeptionelle Arbeit sollte auf der ersten Phase des Systems aufbauen, in die zweite Phase eingebunden werden und so den Weg für eine Tampere-II-Agenda bahnen.

56. Im Rahmen dieser Agenda schlägt die Kommission vor, die Einführung und strategische Nutzung von EU-Neuansiedlungsprogrammen als ein Instrument zu betrachten, mit dem sich eine geordnetere und kontrolliertere Einreise von Personen, die internationalen Schutz benötigen, in die EU gewährleisten lässt. In der vorliegenden Mitteilung wird erläutert, weshalb eine derart kontrollierte Einreise, als politische Zielsetzung verstanden, für alle Beteiligten von Nutzen sein und sowohl für die Personen, die internationalen Schutz benötigen, als auch für Erstasylstaaten und Zielländer wie die EU-Mitgliedstaaten nichts als Vorteile bringen könnte. Darüber hinaus wird auf die Notwendigkeit verwiesen, die Länder in den Herkunftsregionen, die oft bloße Transitländer sind, bei der Umgestaltung in geeignete Erstasylstaaten zu unterstützen, welche Personen, die internationalen Schutz benötigen, einen rascheren und stärker auf ihre Bedürfnisse eingehenden Zugang zu wirksamem Schutz ermöglichen. In diesem Zusammenhang ist entscheidend, dass die betreffenden Länder von der EU im Rahmen eines Mehrjahresengagements bei diesem Transformationsprozess Unterstützung erfahren, und in der Mitteilung wurden die verschiedenen Elemente der Stärkung des Schutzangebots genannt, auf die sich die technische und finanzielle Hilfe konzentrieren sollte.

57. Darüber hinaus wird in dieser Mitteilung vorgeschlagen, regionale Schutzprogramme der EU zu erarbeiten, welche auf globale Lösungen für langwierige Flüchtlingssituationen auf der Grundlage eines umfassenden und abgestimmten Ansatzes abzielen. Die regionalen Schutzprogramme der EU müssten spezifisch und situationsbezogen sein, ihr besonderer Wert bestuende in der besseren Koordinierung und systematischen Behandlung aller potenziellen Bestandteile derartiger Programme. Die Kommission hat vor, für eine langwierige Flüchtlingssituation, die sie in enger Zusammenarbeit mit dem UNHCR auswählen werden soll, die Erarbeitung eines EU-Pilotprogramms für regionalen Schutz zu veranlassen und sich mit den zuständigen Gruppen im Rat bis Juli 2005 über einen Aktionsplan sowie bis Dezember 2005 über ein voll ausgearbeitetes regionales Schutzprogramm der EU zu verständigen.

58. Im Rahmen der Vorbereitung der Tampere-II-Agenda ersucht die Kommission den Rat und den Europäischen Rat, diese Mitteilung als Grundlage für einen Beitrag zu besser zugänglichen, gerechteren und kontrollierteren Asylsystemen zu unterstützen.

59. Die Kommission ersucht das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Rat insbesondere um ihre Unterstützung für die folgenden in dieser Mitteilung beschriebenen Elemente, die kurz- bis mittelfristig erforderlich sind, um eine geordnetere und kontrolliertere Einreise in die EU zu erreichen und die Schutzkapazität der Herkunftsregionen zu stärken:

(a) regionale Schutzprogramme der EU und deren Hauptbestandteile als entscheidendes politisches Instrument zur globalen Bewältigung langwieriger Flüchtlingssituationen;

(b) die Festlegung von Indikatoren des Schutzangebots als Mittel zur Verwirklichung vereinbarter Zielvorgaben für einen wirksamen Schutzes im Sinne dieser Mitteilung;

(c) ein Vorschlag für ein EU-Neuansiedlungsprogramm - der dem Rat bis Juli 2005 vorgelegt werden soll - auf der Grundlage der in dieser Mitteilung dargelegten wichtigsten Punkte einschließlich eines Vorschlags für technische Hilfe zur Untermauerung dieses Programms.

60. Die Kommission wird in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament, in uneingeschränkter Partnerschaft mit den Herkunfts-, den Transit- und den Erstasylstaaten und in konstruktivem Miteinander mit dem UNHCR und anderen Beteiligten auf die Umsetzung der Ziele hinarbeiten, die in der vorliegenden Mitteilung dargelegt wurden.