22.3.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 71/19


Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zu dem „Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen“

(2005/C 71/05)

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN -

GESTÜTZT auf das von der Europäischen Kommission vorgelegte „Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen“ (KOM(2004) 327 endg.);

AUFGRUND des Beschlusses der Europäischen Kommission vom 30. April 2004, ihn gemäß Artikel 265 Absatz 1 des EG-Vertrags um Stellungnahme dazu zu ersuchen;

AUFGRUND des Beschlusses seines Präsidenten vom 26. Mai 2004, die Fachkommission für Wirtschafts- und Sozialpolitik mit der Erarbeitung dieser Stellungnahme zu beauftragen;

GESTÜTZT auf seine Stellungnahme zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge“ und dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung“ (KOM(2000) 275 endg. – 2000/0115 (COD) und KOM(2000) 276 endg. – 2000/0117 (COD) - CdR 312/2000 fin (1));

GESTÜTZT auf seine Stellungnahme zu dem „Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ (KOM(2003) 270 endg. - CdR 149/2003 fin (2));

GESTÜTZT auf seine Stellungnahme zur Halbzeitbewertung der Lissabon-Strategie „Mitteilung der Kommission: Die europäische Beschäftigungsstrategie wirkungsvoller umsetzen - Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten - Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Durchführung der Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten“ (KOM(2004) 239 endg. - CdR 152/2004 fin);

GESTÜTZT auf den am 4. Oktober 2004 von der Fachkommission für Wirtschafts- und Sozialpolitik angenommenen Stellungnahmeentwurf (CdR 239/2004 rev. 1) (Berichterstatterin: Frau Segersten Larsson, Ratsvorsitzende des Provinzialverbands Värmland (SE/EVP)) -

verabschiedete auf seiner 57. Plenartagung am 17./18. November 2004 (Sitzung vom 17. November) folgende Stellungnahme:

1.   Standpunkte des Ausschusses der Regionen

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN

1.1

begrüßt das von der Kommission vorgelegte „Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen“, denn die Zusammenarbeit zwischen Kommunen/Regionen und Privatwirtschaft hat in der EU immer mehr an Bedeutung gewonnen. Fragen wie Wachstum, Ausgleich und Wettbewerb sind einem der wichtigsten Elemente der Lissabon-Strategie zuzuordnen: der Verbesserung der Rahmenbedingungen für einen guten funktionierenden Binnenmarkt. Gleichzeitig stellt der Ausschuss fest, dass es zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten und auch zwischen den verschiedenen Tätigkeitsbereichen bei Art und Umfang der Formen partnerschaftlicher Zusammenarbeit große Unterschiede gibt.

1.2

stellt fest, dass das Grünbuch keine konkreten Vorschläge enthält, sondern Klarheit über die Tragweite der Gemeinschaftsbestimmungen schaffen soll, die für die Phase der Auswahl des privaten Partners und für die sich daran anschließende Phase gelten; gegebenenfalls bestehende Unsicherheiten sollen ermittelt und es soll analysiert werden, ob der Gemeinschaftsrahmen den Herausforderungen und spezifischen Merkmalen von ÖPP gerecht wird. In Grünbuch wird ferner eine Reihe von Fragen aufgeworfen, deren Beantwortung für das weitere Vorgehen der Kommission von großer Bedeutung sein wird.

1.3

ist der Ansicht, dass die öffentlich-privaten Partnerschaften nicht nur unter rein fachlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu sehen sind, sondern in einem weiteren Zusammenhang auch aus einer politischen Perspektive betrachtet werden müssen.

1.4

tritt dafür ein, dass sämtliche Fragen, die Partnerschaften, Auftragsvergabe und Dienstleistungen im allgemeinen Interesse betreffen, aus einer ganzheitlichen Warte gesehen werden.

1.5

ist überzeugt, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften als die Regierungsebenen, die den Bürgern am nächsten sind, am besten darüber bestimmen können, ob sie Aufgaben in eigener Regie durchführen, Dritte damit beauftragen oder andere Formen der Zusammenarbeit mit Partnern suchen wollen. Der AdR betont die zentrale Rolle, die dieser politischen Ebene bei der Entscheidung darüber zukommt, von wem öffentlich finanzierte Tätigkeiten erbracht werden sollen.

1.6

ist der Auffassung, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften oft auch besser beurteilen können, in welcher Form die Dienste zu finanzieren sind.

1.7

hebt hervor, dass Kommunen und Regionen unterschiedliche Funktionen ausüben, denn ihnen obliegen nicht nur Organisation, Steuerung und Kontrolle, sondern sie führen bestimmte Tätigkeiten auch selbst (in eigener Regie) durch.

1.8

sieht Partnerschaften nicht immer als Patentlösung. Seiner Ansicht nach muss von Projekt zu Projekt beurteilt werden, ob eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Privatsektor einen Mehrwert erbringt.

1.9

stimmt der Aussage des Grünbuchs zu, dass der öffentliche Partner die Ziele im Sinne des öffentlichen Interesses festlegen, die Qualität und die Preisbildung der angebotenen Dienstleistungen bestimmen und die Einhaltung der Ziele überwachen können muss.

Entwicklung der öffentlich-privaten Partnerschaft

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN

1.10

stellt fest, dass der Begriff der Partnerschaft heute wesentlich weiter ausgelegt wird, als ursprünglich abzusehen war.

1.11

schlägt vor, dass „öffentlich-private Partnerschaft“ künftig klarer abgegrenzt wird und auf ein langfristiges Verhältnis, eine gemeinsame Risikoübernahme und eine breite wirtschaftliche Ausrichtung abhebt.

1.12

hält es daher für vordringlich, das Konzept der öffentlich-privaten Partnerschaft genauer zu definieren, um eine sachdienliche Debatte über mögliche künftige Initiativen der Gemeinschaft in Gang zu bringen.

1.13

beobachtet, dass unter Partnerschaft/Zusammenarbeit oft mehr verstanden wird als nur eine Partnerschaft zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor. Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften gehen Kooperationen mit einer Vielzahl anderer Akteure ein, wie z.B. mit anderen Kommunen/Regionen, Hochschulen, gewerkschaftlichen Organisationen, Glaubensgemeinschaften, Verbänden, Interessenvertretungen, ideellen Vereinigungen und Privatpersonen. Solche Kooperationspartner können in der Zukunft sogar noch wesentlich an Bedeutung gewinnen.

1.14

stellt fest, dass gelegentlich traditionelle Auftragsvergaben, bei der die Partner eine engere Zusammenarbeit und eine gemeinsame Übernahme der Verantwortung anstreben, ebenfalls als Partnerschaft, öffentlich-private Partnerschaft oder ÖPP auf Vertragsbasis bezeichnet werden.

1.15

hält eine enge Zusammenarbeit auch in einem traditionellen Auftragsvergabeverfahren für wichtig, insbesondere in der Durchführungsphase.

1.16

weist darauf hin, dass es in einer Partnerschaftslösung mit Verantwortungsteilung oder in einer institutionalisierten öffentlich-privaten Partnerschaft häufig der öffentliche Partner ist, der letztlich die Verantwortung trägt. Vorteile sind: mehr Verantwortung beim Privatsektor, Teilen der finanziellen Last, neue Ideen, andere Arbeitsweise und langfristig angelegtes Verhältnis.

1.17

betont die bestehende mehrfache Kontrolle durch den öffentlichen Akteur generell bei der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse so auch bei Partnerschaftslösungen. Es sollte nicht vergessen werden, dass die wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen einem mehrfachen demokratischen Abstimmungsverfahren und damit Kontrollen vorweg sowie eigenen Kontrollorganen unterliegen, die eine qualifizierte Publizität garantieren.

2.   Empfehlungen des Ausschusses der Regionen

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN

2.1

betont, dass die im EG-Vertrag verankerten Grundsätze, wie Transparenz, Gleichbehandlung, Verhältnismäßigkeit und gegenseitige Anerkennung, grundlegend für Partnerschaftslösungen gleich welcher Art sein müssen.

2.2

spricht sich in der jetzigen Situation gegen die Einführung einer Gemeinschaftsregelung für Partnerschaften aus, weil der Begriff der Partnerschaft nicht klar definiert ist. Er ist des Weiteren der Auffassung, dass öffentlich-private Partnerschaften nicht unter die Richtlinie über öffentliche Aufträge fallen sollten, da diese keine ausreichenden Anreize für Initiative, Risikoübernahme und Flexibilität bietet. Das Regelwerk ist nicht flexibel genug, denn in einer Partnerschaft geht es nicht um eine herkömmliche Lieferantenbeziehung, sondern um eine aktive Rolle als Partner. Die Kommission ist zwar zum Teil auf frühere Stellungnahmen des AdR eingegangen, jedoch nicht in ausreichendem Maße.

2.3

unterstreicht, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften eine zentrale Rolle für die Definition, Organisation, Finanzierung und Überwachung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse spielen.

2.4

ist der Ansicht, dass die öffentlichen Akteure im Zusammenhang mit ihrer Pflicht, den Zugang zu Diensten von allgemeinem Interesse sicherzustellen, verschiedene Betriebsmodelle frei wählen und erproben können müssen, sofern bestimmte Grundsätze wie Transparenz, Gleichbehandlung, Verhältnismäßigkeit und gegenseitige Anerkennung erfüllt sind.

2.5

vertritt die Auffassung, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auch am besten beurteilen können, welche Art von Dienstleistung in welcher Betriebsform und welcher Qualität zu erbringen ist, weil sie den Bürgern am nächsten stehen. Über die demokratischen Spielregeln, denen öffentliche Akteure bei diesbezüglichen Entscheidungen unterliegen, ist darüber hinaus eine qualifizierte Kontrolle und Transparenz gewährleistet.

2.6

hält es für wichtig, noch einmal hervorzuheben, dass die Gebietskörperschaften frei darüber befinden können, ob sie Dienste selbst bereitstellen, Dritte damit beauftragen oder sie in Zusammenarbeit mit anderen Partnern erbringen wollen.

2.7

unterstreicht, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften die Möglichkeit haben müssen, verschiedene Formen der Zusammenarbeit individuell und flexibel zu entwickeln.

2.8

hebt hervor, dass die Bürger stärker im Blickpunkt stehen müssen, denn für sie sind die Dienste schließlich zu erbringen.

2.9

machte in seiner Stellungnahme zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge“ deutlich, dass öffentlich-private Partnerschaftsprojekte flexibel und allgemein zugänglich sein müssen. Zudem wies er auf die Bedeutung eines umfassenden Dialogs zwischen Auftraggebern und Lieferanten während des gesamten Auftragsvergabeverfahrens hin.

2.10

äußerte an gleicher Stelle ebenfalls, „dass Auftragsvergabe von regionalen und lokalen Gebietskörperschaften an deren eigene selbständige Rechtspersonen nicht dem Anwendungsbereich der Richtlinien unterliegt und als Produktion in eigener Regie betrachtet werden sollte“.

2.11

stimmt mit der Aussage des Grünbuchs überein: „Die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen nehmen keinen Einfluss auf die Entscheidung der Mitgliedstaaten, eine öffentliche Dienstleistung selbst zu erbringen oder sie Dritten zu übertragen“.

2.12

stellt fest, dass in vielen Mitgliedstaaten eine Art der Partnerschaft entwickelt wird, bei der der einzelne Bürger bestimmt, wer eine Dienstleistung erbringen soll. Dem öffentlichen Akteur kommt dabei mehr die Aufgabe zu, den Bürgern ein Mindestqualitätsniveau zu garantieren und dafür zu sorgen, dass die Unternehmen seriös sind. Die derzeitigen Auftragsvergaberegeln werden diesem Verhältnis, in dem der Bürger eine wichtige Stellung hat und derjenige ist, der letztendlich darüber bestimmt, wer Dienste erbringen soll, nicht gerecht.

2.13

nimmt zu der Frage, ob gemeinschaftliche Rechtsvorschriften für Dienstleistungskonzessionen eingeführt werden sollen, nicht Stellung und kann dies in Ermangelung einer Definition des Begriffs der Partnerschaft auch nicht tun. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass Dienstleistungskonzessionen nicht unter die EG-Richtlinie über öffentliche Aufträge fallen sollten, denn Konzessionen erfordern eine flexiblere Verfahrensweise als Aufträge.

2.14

hält das derzeitige Auftragsvergaberecht immer noch für kompliziert und findet darin keine Anreize für Flexibilität und innovative Ideen.

2.15

betont ausdrücklich, dass die Überführung eines Unternehmens aus dem öffentlichen in den privaten Bereich eine wirtschaftspolitische Entscheidung ist, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt.

2.16

spricht sich dafür aus, dass Erfahrungen mit wettbewerblichen Dialogen gesammelt werden, bevor weitere Maßnahmen vorgeschlagen werden. Er weist ebenso darauf hin, dass er in seiner Stellungnahme zur Auftragsvergaberichtlinie Vorbehalte gegen diese Vergabeform äußerte und stattdessen eine vermehrte Vergabe von Aufträgen im Verhandlungsverfahren befürwortete.

2.17

fordert die Kommission auf, nach dem „Teckal-Urteil“, das in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgelegt wird, die rechtliche Lage klarzustellen. Nach Ansicht des Ausschusses darf eine Wirtschaftstätigkeit, die in Form eines vollständig öffentlichen Unternehmens betrieben wird, nicht unter die Gemeinschaftsvorschriften für öffentliche Aufträge fallen, weil der öffentliche Akteur eine Kontrolle ausübt, weil sie seiner eigenen Tätigkeit gleichkommt und weil diese Rechtsperson ihre Wirtschaftstätigkeit im Wesentlichen mit den öffentlichen Körperschaften abwickelt, die sie unterhält.

2.18

betont die Bedeutung eines politischen Konsenses auf der lokalen/regionalen Ebene, wenn Vereinbarungen mit langer Laufzeit abgeschlossen werden sollen.

2.19

hält es für wichtig, dass diese Thematik nicht nur aus dem Blickwinkel des Wettbewerbs betrachtet wird, sondern dass auch demokratische Aspekte Beachtung finden, in denen sich die Erwartungen der Bürger widerspiegeln.

2.20

ersucht um erneute Anhörung, sobald der Begriff der Partnerschaft definiert ist.

2.21

möchte abschließend einige Fragen aufwerfen:

Wie wird demokratischen Aspekten in Partnerschaftslösungen und bei der Auftragsvergabe Rechnung getragen?

Welche Möglichkeiten der Übernahme politischer Verantwortung haben die Bürger?

Wie sieht die wirtschaftliche Handlungsfreiheit bei langen Vertragslaufzeiten aus?

Wie wird die politische Handlungsfreiheit garantiert?

Wie kann bei langen Laufzeiten auf Bedarfsänderungen und veränderte Rahmenbedingungen reagiert werden?

Wie erhalten die Bürger Einblick in die laufende Abwicklung der Wirtschaftstätigkeit?

Haben die öffentlichen Akteure die sichere Möglichkeit, die Wirtschaftstätigkeit zu steuern, ihren Verlauf zu überwachen und den Bürgern eine hohe Dienstequalität zu garantieren?

Welchen Einfluss haben die Strukturfonds auf die Entwicklung öffentlich-privater Partnerschaften, und wie wichtig sind sie dafür?

Brüssel, den 17. November 2004

Der Präsident

des Ausschusses der Regionen

Peter STRAUB


(1)  ABl. C 144 vom 16.5.2001, S. 23.

(2)  ABl. C 73 vom 23.3.2004, S. 7.