20.5.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 120/111


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 92/12/EWG über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren“

(KOM(2004) 227 endg.)

(2005/C 120/19)

Der Rat beschloss am 24. Mai 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem obenerwähnten Vorschlag zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 7. Oktober 2004 an. Berichterstatter war Herr Wilkinson.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 412. Plenartagung am 27./28. Oktober 2004 (Sitzung vom 27. Oktober) mit 84 gegen 11 Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Vor der Einführung des Binnenmarktes gab es aufgrund historischer und kultureller Verschiedenheiten zwischen den Mitgliedstaaten große Unterschiede hinsichtlich der Steuersysteme und der Steuersätze für verbrauchsteuerpflichtige Waren (1). Die Richtlinie 92/12/EWG harmonisierte das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (2).

1.2

Artikel 27 dieser Richtlinie sieht vor, dass der Rat vor dem 1. Januar 1997 die Bestimmungen der Artikel 7, 8, 9 und 10 überarbeiten und alle notwendigen Änderungen einfügen muss (3). Der Termin 1. Januar 1997 erwies sich als zu früh für ein stichhaltiges Urteil über die Schwierigkeiten, die bei der Umsetzung dieser Artikel auftraten und auftreten.

1.3

Seit Inkrafttreten der Richtlinie werden immer mehr verbrauchsteuerpflichtige Waren, für die bereits Steuern abgeführt wurden und die unter Artikel 7-10 der Richtlinie fallen, befördert. Auf Ersuchen der Wirtschaft wurden deshalb in einigen Mitgliedstaaten vereinfachte Verfahren eingeführt. Auch in der Öffentlichkeit gab es viele Beschwerden über die Art und Weise, wie die Artikel angewandt wurden.

1.4

Die Kommission ist der Auffassung, dass jetzt genügend Erkenntnisse über die in den jeweiligen Beförderungskategorien (4) auftretenden Probleme vorliegen, um die notwendigen Änderungen vorzunehmen.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1

Das Funktionieren des Binnenmarktes brachte für verbrauchsteuerpflichtige Waren komplizierte Detailregelungen mit sich, was in einigen Fällen zu Unsicherheiten bei der Anwendung der Bestimmungen führte und den betroffenen Unternehmen einen erheblichen bürokratischen Aufwand verursachte. Die Vorschläge der Kommission beziehen sich auf gewerbliche Geschäftsvorgänge, Verkäufe an Privatpersonen und Fernverkauf. Sie sollen die bestehende Gesetzgebung für innergemeinschaftlich bewegte Waren, auf die bereits in einem Mitgliedstaat Verbrauchsteuer abgeführt wurde, vereinfachen und harmonisieren. Darüber hinaus sollen sie diese Warenbewegungen liberalisieren, damit die Verbraucher in der EU stärker von den Vorzügen des Binnenmarktes profitieren können. Der Ausschuss begrüßt diese beiden Ziele.

2.2

Wegen der Bedeutung der Einnahmen aus der Verbrauchsteuer für die Mitgliedstaaten (5) und der unterschiedlichen Art der Umsetzung der Bestimmungen in den einzelnen Mitgliedstaaten war es für die Kommission schwierig, sich mit den Mitgliedstaaten auf Änderungen zu verständigen. Es gilt anzumerken, dass die zehn „neuen“ Mitgliedstaaten nicht an den Beratungen mit der Kommission, die zu den Vorschlägen geführt haben, beteiligt waren. Der Ausschuss erkennt an, dass die Mitgliedstaaten die Verbrauchsteuer als Teil ihrer Einnahmen benötigen, bezweifelt allerdings, dass das Konsumentenverhalten durch die vorliegenden Vorschläge so stark beeinflusst werden wird, dass dadurch die Gesamteinnahmen merklich beeinträchtigt werden.

2.3

Bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren hat der angewandte Steuersatz oft einen hohen Einfluss auf den Verbraucherpreis. Dies trifft insbesondere auf Tabakwaren und alkoholische Getränke zu (6). Die Unterschiede zwischen den von den Mitgliedstaaten erhobenen Verbrauchsteuersätzen wurden zwar seit der Einführung des Binnenmarktes etwas reduziert, bis aber die Steuersätze in einem zumindest merklichen Umfang angeglichen sind, bleibt die Motivation, nach Wegen zu suchen, die ein besseres Geschäft versprechen, ebenso bestehen wie die organisierte Kriminalität in diesem Bereich.

2.4

Die EU-Bürger erwarten in verschiedenster Hinsicht Vorteile aus dem Binnenmarkt; einen wichtigen Platz nimmt dabei ihr Recht ein, jede Ware an beliebiger Stelle in der EU zu örtlichen Preisen erstehen zu können. Ihnen dieses Recht vorzuenthalten, wird nicht dazu führen, dass sie die EU in einem positiven Licht sehen.

2.5

Wie die Kommission betont, betrifft die Steuerpflicht aufgrund der besagten Artikel im Wesentlichen Privatpersonen und kleine Wirtschaftsbeteiligte, die nicht über eine Handelsinfrastruktur oder große finanzielle Mittel verfügen. Es ist wichtig, dass alle beschlossenen Maßnahmen klar, einfach zu verstehen und — soweit möglich — einfach anzuwenden sind. Außerdem müssen sie realistisch und durchsetzbar sein.

2.6

In einem echten Binnenmarkt müssten auch die Rechtsvorschriften für Tabakwaren liberalisiert werden. Der Ausschuss erkennt jedoch an, dass einige Mitgliedstaaten bei der Entscheidung, welche Waren unter die Änderung der Richtlinie fallen sollten, die Folgen umfassend abwägen müssen und dass sie deshalb den Ausschluss einiger Waren beschließen könnten.

2.7

Außerdem ist festzuhalten, dass Mineralöle selten nichtgewerblich befördert werden. Daraus folgt, dass die Vorschläge im bisherigen Wortlaut vor allem die Beförderung von alkoholischen Getränken betreffen.

2.8

Der Ausschuss begrüßt es sehr, dass viele Vorschläge auf Ratschlägen und Forderungen der betroffenen Wirtschaftsverbände beruhen und dass sie die Auswirkungen auf kleinere Unternehmen beachten.

3.   Besondere Bemerkungen

3.1

Artikel 7. In diesem Artikel werden vor allem folgende Punkte festgelegt: wer unter welchen Umständen Verbrauchsteuer zu zahlen hat, verwaltungstechnische Formalitäten, Verkäufe an Schiffs- oder Flugreisende innerhalb der EU und die Art, wie der Verlust versteuerter Waren bei einer innergemeinschaftlichen Beförderung zu behandeln ist.

3.1.1

Der Ausschuss begrüßt die Klarstellungen und die Harmonisierung, die die Kommissionsvorschläge bringen werden. Er begrüßt außerdem außerordentlich die Einsicht, dass das hohe Maß an Verwaltungsarbeit, die bei der jetzigen Gesetzeslage zu bewältigen ist, reduziert werden muss. Der Ausschuss unterstützt die Forderung der Kommission an die Mitgliedstaaten, im Wege einfacher, untereinander getroffener bilateraler Verwaltungsvereinbarungen vereinfachte Verfahren zuzulassen.

3.2

Artikel 8. Dieser Artikel betrifft Waren, die von Privatpersonen für ihren Eigengebrauch erworben wurden. Der wichtigste Diskussionsgegenstand hierbei ist das Erfordernis, dass die betroffenen Waren von der jeweiligen Person selbst befördert werden müssen.

3.2.1

Der Ausschuss begrüßt den Vorschlag der Kommission, das gegenwärtig angewandte System für Fernkäufe von Privatpersonen zu liberalisieren, damit die gekauften Güter nicht mehr persönlich befördert werden müssen.

3.2.2

Nach dem Verständnis des Ausschusses soll der neue Vorschlag, dem zufolge eine Privatperson selbst für die Lieferung der Waren in einen anderen Mitgliedstaat sorgen muss (und dass dafür nicht der Verkäufer Sorge tragen darf), der geltenden allgemeinen Gesetzeslage betreffend die Mehrwertsteuer auf Fernkäufe entsprechen. Es ist jedoch schwer zu erkennen, wie dies umgesetzt werden soll. Zum Beispiel könnten die Verkäufer durchaus eine örtliche Firma empfehlen, die die Beförderung übernimmt, und kämen so der gesetzlichen Verpflichtung nach, die Beförderung nicht selbst durchzuführen. Das Ergebnis wäre aber dasselbe. Es muss klargestellt werden, dass solche Ratschläge bei Anwendung der geänderten Richtlinie nicht als Verstoß gegen die Vorschriften anzusehen wären.

3.3

Der Ausschuss begrüßt den Vorschlag, die „Richtmengen“ (7) aufzugeben, anhand derer beurteilt werden soll, ob Waren für den gewerblichen Gebrauch oder den Eigenbedarf bestimmt sind. Die Öffentlichkeit sieht diese Richtwerte in der Regel als eine Mengenbegrenzung an, die in einigen Mitgliedstaaten allzu oft viel zu eng ausgelegt wurde. Der Ausschuss ist sich bewusst, dass der Kampf gegen den Schmuggel durch das Aufheben dieser Richtwerte erschwert würde; andererseits sollten die Richtmengen nie mehr sein als ein Indikator dafür, ob eine Beförderung gewerblichen Zwecken oder dem Eigenbedarf dient, und vor Gericht sind sie allein nicht ausreichend.

3.3.1

Der Ausschuss hält es jedoch durchaus für angebracht, Fernkäufe (d.h. wenn Waren nicht von den betroffenen Personen selbst befördert werden) in irgendeiner Form quantitativ zu beschränken.

3.4

Artikel 9. Die Vorschläge bezüglich des Transports von Mineralöl für den persönlichen Gebrauch dürften kaum zu größeren Problemen führen.

3.5

Artikel 10. Der Ausschuss begrüßt die vorgeschlagene Klarstellung der Frage, wo die Verbrauchsteuer geschuldet wird.

4.   Zusammenfassung

4.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt die Vorschläge der Kommission in diesem komplexen, sensiblen Bereich.

4.2

Die Vorschläge sind realistisch; die Klarstellungen und Vereinfachungen sind sehr erfreulich. Die Harmonisierung ist notwendig, und die Liberalisierung wird von den EU-Bürgern wärmstens begrüßt werden, da sie dadurch besser die Vorteile des Binnenmarktes nutzen können werden.

Brüssel, den 27. Oktober 2004

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Dies sind Tabakwaren, Mineralöle und alkoholische Getränke.

(2)  Im Allgemeinen werden verbrauchsteuerpflichtige Waren innerhalb der EU unter „Aussetzung der Verbrauchsteuer“ zwischen „Steuerlagern“ in den Mitgliedstaaten im Rahmen einer abgestimmten Dokumentation gehandelt. Die Verbrauchsteuer fällt in dem Land an, in dem die Ware an den Endverbraucher verkauft wird.

(3)  Verbrauchsteuerpflichtige Waren, die bereits in einem Mitgliedstaat zum Verbrauch auf den Markt gebracht wurden und für die deshalb bereits Verbrauchsteuer abgeführt wurde, können dennoch innerhalb der EU weiterbefördert werden. Die Bestimmungen in den Artikeln 7 bis 10 regeln solche Beförderungen.

(4)  Diese Kategorien sind Waren, die zwischen den Mitgliedstaaten zu gewerblichen Zwecken (außer bei „Fernverkäufen“) bewegt werden, wobei als „gewerbliche Zwecke“ alle Zwecke anzusehen sind, die nicht dem Eigenbedarf von Privatpersonen dienen, sowie Waren, die direkt von Privatpersonen für ihren Eigenbedarf erworben werden, und Fernverkäufe.

(5)  Der Gesamtanteil am BIP der Mitgliedstaaten (EU-15) lag 2001 bei mehr als 8,8 Mrd. Euro, und die Einnahmen aus der Verbrauchsteuer machten im EU-Durchschnitt 2,72 % des BIP aus.

(6)  Bei Tabakwaren sind die Ladenpreise in dem Mitgliedstaat mit dem höchsten Steuersatz etwa 3,7 mal höher als im Mitgliedstaat mit dem niedrigsten Steuersatz. Die Verbrauchsteuersätze auf alkoholische Getränke unterscheiden sich zwischen dem am höchsten und dem am niedrigsten besteuernden Mitgliedstaat um den Faktor 15,9 bei Bier und Zwischenprodukten sowie 9,2 bei Spirituosen. Für Wein kann ein solcher Vergleich nicht gezogen werden, da Wein in 12 von 25 Mitgliedstaaten überhaupt nicht und in zwei weiteren Mitgliedstaaten nur geringfügig mit 2 Cent pro Flasche besteuert wird.

(7)  Die Richtmengen betragen derzeit 800 Zigaretten, 10 Liter Spirituosen, 90 Liter Wein und 110 Liter Bier.