7.12.2004   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 302/90


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die Zukunft des Textil- und Bekleidungssektors in der erweiterten Europäischen Union“

(KOM(2003) 649 endg.)

(2004/C 302/20)

Die Europäische Kommission beschloss am 28. Oktober 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 4. Mai 2004 an. Berichterstatter war Herr PEZZINI, Mitberichterstatter war Herr NOLLET.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 410. Plenartagung am 30. Juni/1. Juli 2004 (Sitzung vom 1. Juli) mit 81 Ja-Stimmen bei 1 Gegenstimme folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Die gebremste Dynamik und die großen Entwicklungsmöglichkeiten der europäischen Textilindustrie werden durch die Tatsache belegt, dass in diesem Sektor nach wie vor 2,1 Mio. Arbeitnehmer beschäftigt sind, zu denen noch über eine halbe Million Arbeitskräfte in den neuen Mitgliedstaaten hinzugekommen sind. Die Branche leistet dank der erheblichen Anstrengungen in puncto Verfahrens- und Produktinnovation mit einem unmittelbaren Geschäftsvolumen von über 200 Mrd. Euro pro Jahr immer noch einen Beitrag zum Reichtum Europas und weist hohe Wachstumsraten auf, insbesondere im Bereich der so genannten neuen Textilien, d.h. der technischen Textilien (1), die unter Einsatz modernster Technologien erzeugt werden. Auf diesen Bereich entfallen bereits über 30 % der Gesamtproduktion. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung schließlich können bis zu 8-10 % des Umsatzes erreichen.

1.2

Die Europäische Union ist weltweit führend im Handel mit Erzeugnissen der Textil- und Bekleidungsbranche (T/B-Sektor): die Vorstellung, die globale Arbeitsteilung würde unausweichlich zu einer Verdrängung der Industrieländer in der weltweiten Textilproduktion führen, hat sich — jedenfalls für Europa — als falsch erwiesen. Europa ist nach wie vor der weltweit größte Exporteur von Textilerzeugnissen und der zweitgrößte Exporteur im Bekleidungssektor auf einem Weltmarkt, der im Jahr 2002 ein Import-/Exportvolumen von über 350 Mrd. Euro (6 % des Welthandels) erreicht hat.

1.2.1

Es sollte nicht verschwiegen werden, dass China der weltweit größte Exporteur im Bereich der Bekleidungsindustrie ist.

1.3

Europa war bis jetzt in der Lage, seine qualitäts- und organisationsbedingten Vorteile auszunutzen, die in kleinen Serien, dem Modesystem, Spitzenprodukten von hohem kreativen Gehalt, rascher Anpassung an die Nachfrage sowie schneller Fertigung und schnellem Vertrieb bestehen. Ferner wurden Innovationen im Bereich der der Produktionsprozesse und der — aufgrund des Einsatzes von Nanotechnologie und neuer Garne — intelligenten Materialien eingeführt. Diese führten die zur Schaffung technischer Textilien, die in höchstem Maße wettbewerbsfähig sind und bei denen ein wachsender Handelsüberschuss zu verzeichnen ist. Auch die jüngsten Anwendungen chemischer Prozesse auf Textilien haben die Entstehung neuer Produkte gefördert. Allerdings sind die Bedingungen für den Zugang zu den globalen Märkten im T/B-Sektor uneinheitlich. Während in der EU Zollsätze gelten, die im Schnitt unter 9 % liegen, belegen zahlreiche Drittstaaten diese Produkte mit Zollsätzen von bis zu 30 %, wobei weitere, nicht tarifäre Hemmnisse den Handel zusätzlich erschweren.

1.4

Der europäische T/B-Sektor konnte eine Reihe tiefgreifender Umwälzungen meistern, indem es ihm gelang, sich rasch den gegenwärtigen technologischen Wandel zunutze zu machen, sich auf die Entwicklung der verschiedenen Produktionskosten entsprechend einzustellen und unmittelbar auf das Auftauchen neuer weltweiter Wettbewerber zu reagieren. Die Reaktion der europäischen Industrie bestand zum einen in erheblichen Modernisierungsbemühungen mittels wettbewerbsorientierter Umstrukturierungen und der Integration technologischer Prozesse. Zum anderen bestand sie in einer neuen Positionierung auf dem Weltmarkt dank vernetzter Organisationsstrukturen in den Bereichen Produktion, Vertrieb, Innovation und technologisches Marketing.

1.5

Die Bruttoinvestitionen betrugen im Jahr 2002 ca. 9 % der Wertschöpfung des Sektors und beliefen sich auf ca. 5 Mrd. Euro. Davon entfallen natürlich fast 70 % auf die Textilbranche und etwa 30 % auf die Bekleidungsindustrie. Die Handelsbilanz weist im Textilbereich einen Überschuss auf, während im Bekleidungsbereich die Importe überwiegen. Ferner ist der T/B-Sektor, zu dem auch die Schuhindustrie gehört, ein ausgesprochen heterogener und vielgestaltiger Industriesektor mit einer breit gefächerten Produktpalette, die so unterschiedliche Produkte wie synthetische High-Tech-Fasern und Wollerzeugnisse, Baumwolle und Industriefilter, Putzlappen und Haute Couture, Hauspantoffeln und High-Tech-Schuhe zum Schutz gegen ätzende Chemikalien umfasst.

1.6

Die Textil-, Bekleidungs- und Schuhindustrie konzentriert sich auf die fünf bevölkerungsreichsten Länder der Union, aus deren Unternehmen über drei Viertel der europäischen Produktion kommen. Auch die Wertschöpfung konzentriert sich auf diese Länder, unter denen Italien eindeutig an erster Stelle steht — gefolgt vom Vereinigten Königreich, von Frankreich, Deutschland und, etwas abgeschlagen, Spanien. Aus der Gruppe der kleineren Länder ragen in puncto Wertschöpfung Portugal, Belgien und Griechenland heraus. Belgien spielt eine wichtige Rolle auf dem Gebiet der technischen und intelligenten Textilien. Was die neuen Mitgliedstaaten betrifft, so spielt die Branche in Polen, Estland und Litauen wie auch in den Bewerberländern Türkei, Rumänien und Bulgarien eine besonders wichtige Rolle.

1.7

Was die Beschäftigungsrate betrifft, so sank sie in den letzten fünf Jahren um durchschnittlich 2,6 % pro Jahr. Ausgenommen von dieser Tendenz sind allein Spanien und Schweden (+2 %), die Zuwächse der sektoralen Beschäftigungszahlen im Zeitraum 1995-2002 verzeichnen. Die Unternehmen der europäischen Industrie, die voll und ganz in den Prozess der Globalisierung der Märkte eingebunden ist, haben umfassende Umstrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen durchgeführt, wobei sie sich unter Rückgriff auf das Outsourcing arbeitsintensiverer Produktionsprozesse auf die Verarbeitungsschritte konzentriert haben, die — auch infolge des Einsatzes der Informations- und Kommunikationstechnologien, neuer Technologien und effizienterer Herstellungsverfahren — höhere Qualifikationen erfordern.

1.8

Was den Handel betrifft, so macht es die mit dem Ende des Multifaserabkommens (MFA) verbundene, für 2005 vorgesehene Beseitigung der Einfuhrkontingentierung für alle Seiten erforderlich, gründlich über die Schaffung neuer Handelsbedingungen für Textilerzeugnisse nachzudenken, damit die europäische Industrie weltweit wettbewerbsfähig bleibt und zugleich für die ärmsten sowie die besonders verletzlichen Länder die gebotenen fairen Konditionen gewährleistet werden. Es liegt klar auf der Hand, dass der Durchführung des Barcelona-Prozesses Priorität eingeräumt werden muss, der zu einem Europa und alle Mittelmeeranrainerstaaten umfassenden Freihandelsraum führen und somit dem Europa-Mittelmeerraum konkreten Gehalt verleihen soll.

2.   Der Kommissionsvorschlag

2.1

In der Kommissionsmitteilung wird die komplexe Problematik des T/B-Sektors behandelt und eine Stärkung seiner Wettbewerbsfähigkeit sowie seine Dynamisierung angestrebt. Dies erfolgt im Hinblick auf eine konkrete Anwendung der Lissabon-Strategie auf diesen Sektor.

2.2

In der Mitteilung werden Maßnahmen im Rahmen der Industrie- und Handelspolitik vorgeschlagen, wobei folgenden Bereichen besondere Beachtung zuteil wird: Beschäftigung, Forschung und technologische Entwicklung, Innovation, Berufsbildung, Regionalentwicklung, nachhaltige Entwicklung, soziale Unternehmensverantwortung, Gesundheitswesen, Verbraucherschutz, Bekämpfung von Markenpiraterie, Schutz der Markenrechte sowie des gewerblichen und geistigen Eigentums, Wettbewerbspolitik und öffentliche Beihilferegelungen.

2.3

Die Kommission empfiehlt, die Wirksamkeit und Effizienz der industriepolitischen Maßnahmen auf folgenden Aktionsfeldern zu verbessern:

Forschung, Entwicklung und Innovation, neue und intelligente Materialien, Nanotechnologie, neue Produktionsverfahren und umweltfreundliche Technologien, Konzentration auf den Modesektor und den Bereich der Kreativitätsförderung;

Soziale Unternehmensverantwortung: Einhaltung internationaler Arbeitsrechts- und Umweltschutznormen, verantwortliches Management des industriellen Wandels und Mitwirkung der Arbeitnehmer;

Bildung und Ausbildung: bessere Finanzierungsmöglichkeiten für KMU durch vereinfachte Verfahren, Informationsverbreitung und koordinierte Maßnahmen;

Entwicklung der Vernetzungsmöglichkeiten und -fähigkeiten;

Programm von Doha zur Senkung und Harmonisierung der Zollsätze und Beseitigung nicht tarifärer Handelshemmnisse;

Vervollständigung des euromediterranen Raums bis 2005, damit der freie Warenverkehr von Textilprodukten in Ländern mit gleichen Ursprungsregeln und mit vereinbarten Systemen der Verwaltungszusammenarbeit gewährleistet wird;

Kennzeichnungspflicht für den Import in die EU, Überprüfung der Verwendung der Kennzeichen für Waren und Produkte bezüglich der Einhaltung internationaler Arbeitsrechts- und Umweltbestimmungen;

EU-Handelspräferenzen, Konzentration auf die 49 ärmsten Länder (die am wenigsten entwickelten Länder — LDC-Länder) (2); für sie sollte die Möglichkeit einer Vorzugsbehandlung auch für Zwischenerzeugnisse im Bekleidungssektor eingeräumt werden;

Bekämpfung von Betrug und Markenpiraterie, Verstärkung der bestehenden Maßnahmen und Durchführung neuer Maßnahmen zum Schutz des gewerblichen und geistigen Eigentums, Kontrollen zur Unterbindung illegaler Handelspraktiken; Ausbau des gemeinschaftlichen Zollsystems;

Markenzeichen „Made in Europe“ zur Förderung europäischer Qualitätsprodukte und zum Schutz der Verbraucher;

Strukturfonds, Verwendung und neue Ausrichtung, insbesondere im Rahmen der Finanziellen Vorausschau für den Zeitraum 2007 bis 2013.

2.4

Die Kommissionsmitteilung enthält ferner Überlegungen zu Maßnahmen auf Ebene

der Akteure;

der Mitgliedstaaten;

der Europäischen Union.

2.4.1

Zur Überprüfung der Maßnahmen auf den verschiedenen Ebenen sowie deren Umsetzung wird die Einsetzung einer hochrangigen Sektorgruppe vorgeschlagen. Sie soll mit Vertretern der Kommission, der Mitgliedstaaten und der Sozialpartner besetzt werden und zwischen Frühjahr 2005 und Ende 2006 regelmäßige Berichte erarbeiten.

3.   Standpunkte der Vertreter der Textilwirtschaft

Der Ausschuss veranstaltete am 21. Januar 2004 in seinem Gebäude in Brüssel eine Anhörung von Vertretern der Textilwirtschaft. Die in diesem Kapitel zum Ausdruck gebrachten Standpunkte tragen den eingegangenen schriftlichen Beiträgen sowie den in der Anhörung vorgetragenen Ausführungen (3) Rechnung.

3.1

Die vertretenen gesellschaftlichen Kräfte — Unternehmer, Gewerkschaften, lokale Verwaltungen — forderten einstimmig, dass unverzüglich Maßnahmen zur Eindämmung der mit sehr wenig Verzögerung auftretenden Auswirkungen bestimmter Importe aus einigen Ländern — insbesondere China, Indien und Pakistan — auf die europäischen Unternehmen in diesem Sektor ergriffen werden.

3.2

Angesichts des Näherrückens des Jahres 2005, in dem die mengenmäßigen Beschränkungen abgeschafft werden, wurden dringend folgende Maßnahmen gefordert:

Möglichkeit, neue Mittel einzusetzen;

Sondermaßnahmen im Rahmen der Strukturfonds;

Investitionen in die Ausbildung und folglich in die Humanressourcen;

Kennzeichnungspflicht für alle Herkunftsländer der Produkte;

Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit aller Herstellungsabschnitte;

Schutz der Gesundheit der Verbraucher durch entsprechende Unbedenklichkeitsbescheinigungen;

auf Gegenseitigkeit basierende Zolltarife im Handel mit Ländern, die im T/B-Sektor einen hohen Entwicklungsstand haben;

Überprüfung der Abkommen mit Drittländern und Beseitigung der Zollvergünstigungen für Länder, die nicht die Regeln des Handels, der sozialen Gerechtigkeit und der nachhaltigen Entwicklung respektieren oder die Atomwaffen produzieren;

Revision des Organisationssystems der europäischen Zollbehörden mit dem Ziel der Vereinfachung und der zielgenaueren Durchführung der Kontrollen, damit die Betrugsfälle, die mittlerweile ein unerträgliches Ausmaß angenommen haben, wirksam bekämpft werden;

Bereitstellung umfangreicher Mittel für Forschung und Innovation und Unterstützung der Unternehmen, insbesondere der KMU, bei der Diversifikation ihrer Produktion im Hinblick auf technische und intelligente Textilien.

3.3

Der italienische T/B-Sektor, der von allen europäischen Ländern diesen Gefahren am stärksten ausgesetzt ist, hat ein gemeinsames Dokument vorgelegt, das mit allen Herstellern — den Groß- und den Kleinunternehmen — sowie mit den Gewerkschaftsvertretern des Landes abgestimmt wurde. Darin werden einige Prioritäten aufgestellt mit der Empfehlung, diese rasch mit konkreten und wirksamen Maßnahmen umzusetzen. Gemäß dem einhelligen Standpunkt des Dokuments „könnte Untätigkeit zum jetzigen Zeitpunkt hohe soziale und wirtschaftliche Kosten für Europa nach sich ziehen“.

3.3.1

Im Folgenden die wichtigsten Punkte dieses Dokuments:

3.3.2

Gemeinschaftserzeugnisse werden nur in 22 Länder zum Nullsatz eingeführt, auf anderen Märkten hingegen werden sie mit Zollsätzen zwischen 15 % und 60 % belegt und durch zahllose nichttarifäre Handelsbarrieren behindert. Der T/B-Sektor wird insbesondere ab 2005 nicht mehr in der Lage sein, die Folgen der Vergünstigungen zu verkraften, die heute den maßgeblichen Wettbewerbern der EU (China, Indien, Pakistan, Indonesien) eingeräumt werden. Diese Vergünstigungen müssten im Übrigen auf die weniger weit entwickelten Staaten und auf die kleinen Herstellerländer begrenzt werden, die sich ihrerseits ab 2005 in einer besonders prekären Lage befinden.

3.3.3

Es wird gefordert, auf die Kennzeichnung durch das allgemeine Zeichen „Made in EU“ zu verzichten und stattdessen ein ausführlicheres „Made in Italy — EU“, „Made in France — EU“ etc. vorzuschreiben. Bereits heute werden 60 % aller im Handel befindlichen Produkte freiwillig mit der Herkunftsangabe gekennzeichnet. Eine Kennzeichnungspflicht würde auch Kontrollen und Sanktionen nach sich ziehen; der gegenwärtige breite Ermessensspielraum ermöglicht indes Fälschung und Betrug in großem Maßstab, die der europäischen Industrie doppelt schaden. Ferner wird der europäische Käufer gegenüber Konsumenten in den USA, Japan, China und Australien benachteiligt. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso er nicht mittels Kennzeichnungspflicht über dieselben Informationen wie die anderen verfügen sollte. Wüsste der europäische Verbraucher über die Herkunft der Produkte Bescheid, so könnte er nicht nur die Angemessenheit des Preises, sondern auch das Preis-/Leistungs-Verhältnis im Hinblick auf die eigenen Bedürfnisse besser abschätzen.

3.3.4

Wiederholt wurde auf die Zusammenhänge zwischen Textilien und Gesundheitsproblemen hingewiesen. Viele Hautkrankheiten sind auf die Verwendung qualitativ mangelhafter Textilprodukte zurückzuführen. Auch aus diesem Grund erscheint es angezeigt, dem Verbraucher die Wahl der Herkunft des Produkts zu überlassen.

3.3.5

Die illegale Einfuhr von Bekleidungsartikeln hat ein beunruhigendes Ausmaß angenommen, und unwahre Herkunftsangaben „Made in ...“ nehmen auf den internationalen Märkten zu. Es wird gefordert, die Kontrollen und Sanktionen zu verschärfen.

3.3.6

Die Entwicklung neuer Materialien, neuer Herstellungsprozesse und sauberer Technologien als Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung haben für den T/B-Sektor besondere Bedeutung.

3.3.7

Die Unternehmerverbände und die Gewerkschaftsorganisationen bekräftigen, dass sie immer schon die Grundsätze beherzigt haben, auf denen der „Verhaltenskodex des europäischen Textil- und Bekleidungssektors“ fußt, denn dieser wurde unmittelbar in die landesweiten Tarifverträge in den EU-Mitgliedstaaten aufgenommen. Daher wird die Kommission aufgefordert, soziale Aspekte bei internationalen Vereinbarungen zu berücksichtigen.

3.3.8

Sozialdumping (Herstellung von Produkten bei niedrigen Lohnkosten unter Missachtung der Arbeitnehmerrechte und durch Einsatz von Kinder- und Zwangsarbeit) ist moralisch verwerflich, berechtigt aber nicht unmittelbar zur Anwendung von Anti-Dumping-Zöllen. Deshalb müssten die Industrieländer und vor allem Europa Sozialdumping mittels härterer Klauseln und insbesondere mithilfe des APS (4) viel entschlossener bekämpfen. Im Umweltbereich bedeutet Umweltdumping, dass die Herstellungskosten zu Lasten der Umwelt gesenkt werden.

3.3.9

Die internationalen Organisationen sollten mit Unterstützung der Industrieländer besondere Programme zur Verbreitung der Kenntnisse über die Grundsätze nachhaltiger Entwicklung lancieren und sich dabei an die Entwicklungsländer wenden — so wie die Gemeinschaft mit unlängst beigetretenen Staaten verfährt.

3.3.10

Die Verwendung von Kennzeichen, die auf die Einhaltung internationaler Umweltbestimmungen als Voraussetzung für den Import in die EU hinweisen, könnte im Rahmen dieses Ziels ein geeigneter Anreiz sein.

3.3.11

Ziel ist es, mittels umfassender inhaltlicher Überarbeitung der Abkommen die Umwelt zu schützen und den europäischen Unternehmen realistische Produktions- und Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten.

4.   Bemerkungen des Ausschusses

4.1

Der Ausschuss hat die vor allem in den letzten Jahren durchgeführten Initiativen der Kommission mit dem Zweck, den T/B-Sektor wieder ins Zentrum des gemeinschaftlichen Interesses zu stellen, mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Insbesondere stellt er fest, dass auf den jüngst von verschiedenen Generaldirektionen in Brüssel veranstalteten Konferenzen (5) durch die Vorstellung vorbildlicher Praktiken in verschiedenen Bereichen wie Innovation, Handel und Vermarktung eine Debatte unter den zahlreichen Besuchern dieser Konferenzen angeregt wurde.

4.2

Leider blieb das Echo dieser anregenden Veranstaltungen auf lokaler Ebene hinter den Erwartungen zurück. Das verdeutlicht wiederum, dass wir uns über die Art und Weise, wie Wissen und Information genutzt werden können, Gedanken machen müssen, damit es gelingt, allen Beteiligten und Betroffenen dieses Wissen in umfangreicherer Form zugänglich zu machen.

4.2.1

Die umfassende Einbeziehung der Branchenverbände, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer auf allen Ebenen muss weiterverfolgt werden und muss den ganzen Innovationsprozess durchziehen.

4.2.2

Nur eine bewährte Politik der Konzertierung zwischen den Sozialpartnern, auch auf der Grundlage der in den „bilateralen Gremien“ (6) gesammelten Erfahrungen, sowie gemeinsame Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung des Sektors können es ermöglichen, die Herausforderungen der Globalisierung zu bewältigen, die insbesondere in diesem Sektor zu „ernstzunehmenden Befürchtungen“ führen, wie Kommissionsmitglied LAMY zu Recht feststellte.

4.3

„Die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie ist einer der zentralen Bereiche, in denen sowohl die Europäische Union als auch die Mitgliedstaaten eine aktive Rolle spielen müssen, damit die im Rahmen der Lissabon-Strategie festgelegten Ziele erreicht werden“, so sinngemäß die Schlussfolgerungen des Rates (Industrie) vom 27. November 2003 (ABl. C 317 vom 30.12.2003, S. 2). Zweifellos ist der Textilsektor von allen Industriesektoren gegenwärtig am stärksten von dem Phänomen der Deindustrialisierung betroffen, das mit den neuen Formen des Welthandels einhergeht.

4.3.1

Vor allem aus diesen Gründen steht der T/B-Sektor vor einem langwierigen Prozess der Umstrukturierung und Modernisierung bei gleichzeitigem deutlichen Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität, der Produktion und Beschäftigung. Angesichts der Bedeutung dieses Sektors hat der Rat in seinen oben genannten Schlussfolgerungen die Kommission gebeten, bis Juli 2004 über mögliche Initiativen im Rahmen eines Aktionsplans zur Unterstützung des T/B-Sektors Bericht zu erstatten.

4.4

Nach Auffassung des Ausschusses sollte sich die Kommission — auch auf der Grundlage der in ihrem Dokument enthaltenen Überlegungen — baldmöglichst mit erhöhter Aufmerksamkeit folgenden Punkten zuwenden:

4.4.1

der Wiederaufnahme der Verhandlungen über die Doha-Entwicklungsagenda. Dazu sollte sie ihr Dokument [KOM(2003) 734 vom 26. November 2003] um einige unmissverständliche Hinweise ergänzen, die von der Arbeitswelt, den Unternehmern und den Verbrauchern gegeben wurden (7);

4.4.2

der Rolle des Zolls bei einer integrierten Verwaltung der Außengrenzen (8) und den vom Ausschuss in seiner Stellungnahme vorgebrachten Bemerkungen — zusammen mit anderen Empfehlungen, die Teil dieser Stellungnahme sind;

4.4.3

den Ursprungsregeln im Präferenzhandel der Gemeinschaft (KOM(2003) 787 endg.) zur Festlegung der Zollsätze, die sich aus der neuen multilateralen Verhandlungsrunde, aus den Freihandelsabkommen und aus der Förderung nachhaltiger Entwicklung ergeben werden. Wie vom Ausschuss mehrmals in dieser Stellungnahme gefordert, sind „die Verwaltung sowie die Kontroll- und Schutzmechanismen so zu definieren, dass eine loyale Anwendung der Präferenzregelungen gewährleistet ist und sowohl die Wirtschaftsbeteiligten als auch die auf dem Spiel stehenden finanziellen Interessen vor Missbrauch geschützt sind“ (9);

4.4.4

den Bedingungen der Partnerschaft mit China (10). Verschiedene Gemeinschaftsressourcen werden dazu verwandt, die Konkurrenz zwischen dem Land und der EU zu verstärken (Programm für den Unternehmensnachwuchs, Programm Berufsbildung, Kap. B7-3);

4.4.5

der Vorbereitung eines mit entsprechenden Mitteln ausgestatteten Gemeinschaftsprogramms zur Förderung der Forschung, der Innovation — auch im nicht technologischen Bereich — und der Berufsbildung im T/B-Sektor (unter dem Aspekt der Anpassungsfähigkeit vor allem der Kleinunternehmer und der Arbeitnehmer an die neuen internationalen Rahmenbedingungen und an die Verbraucherwünsche). Dieser Grundsatz wird übrigens auch deutlich vom Europäischen Parlament in seiner im Februar 2004 angenommenen Entschließung zur Zukunft der Textil- und Bekleidungsindustrie zum Ausdruck gebracht;

4.4.6

Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher, die immer stärker auf mögliche Gesundheitseffekte bestimmter Produkte, von denen viele direkt auf der Haut getragen werden, achten. Dies steht auch im Zusammenhang mit der zunehmenden Verbreitung von Kontaktallergien oder anderen Hautproblemen (11). Nach dem Muster der europäischen Rechtsvorschriften zur Transparenz im Lebensmittelsektor muss eine analoge Regelung eingeführt werden, die es dem Verbraucher mithilfe einer obligatorischen Kennzeichnung ermöglicht, die Herkunft des Garns und Gewebes sowie den und Ort der Konfektion des Endprodukts in Erfahrung zu bringen.

4.5

Zwar könnte die Einführung eines obligatorischen Kennzeichens „Made in ...“ durchaus dazu beitragen, den Verbraucher davon zu überzeugen, dass er beim Kauf eines Kleidungsstücks einen Preis bezahlt, der den Herstellungs- und Modestandards des Ursprungsorts entspricht, wobei als Ursprungsland das Land der Konfektion angegeben werden muss und nicht das Land der Erzeugung. Aber der Kommissionsvorschlag eines „Made in Europe“ überzeugt nicht. Ein einheitliches europäisches Kennzeichen wird nicht den Besonderheiten und den Spitzenproduktionen der einzelnen Länder gerecht, die bei aller Einheit eine Vielfalt darstellen.

4.5.1

Bezüglich der im Kommissionsvorschlag enthaltenen Alternativlösungen im Bereich der Ursprungskennzeichnung muss nach Auffassung des Ausschusses ein Ansatz verfolgt werden, der die obligatorische Kennzeichnung sowohl für importierte Erzeugnisse als auch für im Binnenmarkt hergestellte Erzeugnisse vorsieht, sofern diese Produkte in der Europäischen Union vermarktet werden. Auf diese Weise kann der Verbraucher insbesondere besser zum Kauf von Produkten bewogen werden, die nicht nur hinsichtlich ihrer Eigenschaften, sondern auch hinsichtlich der Beachtung der Arbeitnehmerrechte bei ihrer Herstellung ethisch verantwortet sind.

4.6

Die Kultur „sozialer Unternehmensverantwortung“ muss sich zwar als europäisches Modell erst noch durchsetzen, doch es ist auch notwendig, dass sie mittels konkreter Instrumente, die auf Verbraucherebene überprüft werden können und somit zu relevanten Handelsfaktoren werden, auf die Entwicklungsländer ausdehnt wird (12).

4.7

Die Umweltbestimmungen und Rechtsvorschriften über die Sicherheit am Arbeitsplatz müssen für den Endverbraucher in zunehmendem Maße erkennbar werden, damit sie als Wettbewerbsvorteil eingesetzt werden können.

4.7.1

Die unmissverständliche Haltung der Union in der Frage der nachhaltigen Entwicklung und folglich der Einhaltung des Kyoto-Protokolls innerhalb der vereinbarten Fristen kann von Erfolg gekrönt sein und von der europäischen Industrie positiv aufgenommen werden, wenn dafür auch die mit diesem Engagement verbundenen Anstrengungen anerkannt und respektiert werden. Wenn man dies nicht berücksichtigt und keine Schritte zur Vermeidung des unlauteren Wettbewerbs unternimmt, denn erschwert man nicht nur die Verbreitung der Kultur des Fortschritts, der die europäischen Unternehmer und Arbeitnehmer verhaftet sind, sondern beschleunigt möglicherweise auch die Deindustrialisierung Europas. Davon würden einige multinationale Handelsriesen profitieren (13), die auf die Produktion derjenigen Länder zurückgreifen können, die für diese Grundsätze weniger empfänglich sind — Grundsätze, die uns daran erinnern, dass wir Teil einer „sozialen Marktwirtschaft“ sind.

4.7.2

Die von der Kommission unternommenen Anstrengungen zur Verringerung des Energieverbrauchs — auch mittels der Verbreitung einer „umweltgerechten Gestaltung energiebetriebener Produkte“ (14) — können mit der Zeit Erfolg haben, wenn die europäischen Industrien, insbesondere die T/B-Industrie, noch über einen Absatzmarkt — und folglich über Herstellungsmaschinen — verfügen. Andernfalls müsste der Vorschlag auch auf als Entwicklungsländer klassifizierte Länder ausdehnt werden, damit diese den Energieverbrauch der Maschinen senken können, die zur Herstellung ihrer Waren dienen.

4.8

Der Ausschuss fordert, den in diesem Sektor besonders stark vertretenen Kleinst- und Kleinunternehmen auch auf europäischer Ebene permanent besondere Beachtung zu schenken, insbesondere mit Blick auf das gegenwärtige Finanzsystem, das dazu neigt, Großunternehmen zu bevorzugen. Der Ausschuss begrüßt im Übrigen die von der Kommission unternommenen Anstrengungen zur Verdeutlichung der Probleme der Kleinst- und Kleinunternehmen sowie zur Entwicklung von Unternehmergeist in der europäischen Kultur (15).

4.9

Der Ausschuss ist nicht nur der Auffassung, dass die Zahl der Länder, die in den Genuss des Allgemeinen Präferenzsystems (APS) kommen — wie bereits gesagt — gesenkt werden muss, sondern denkt auch, dass die heute von der EU angewandten Zollsätze, die zu den weltweit niedrigsten gehören, nicht weiter gesenkt werden dürfen. Jedenfalls nicht solange, bis einige Länder mit sehr wettbewerbsfähigen Exporten im T/B-Sektor nicht vergleichbare Zollsätze anwenden. Die Anwendung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit oder der „Vergleichbarkeit der Marktzugänge mit den von der Europäischen Union ab 2005 angewandten Einfuhrbedingungen“ wird auch vom Europäischen Parlament in seiner Entschließung zum T/B-Sektor der Europäischen Union vom 29. Januar 2004 empfohlen. Der Ausschuss tritt für die Liberalisierung des Handels ein, ist aber gegen eine unilaterale Liberalisierung. Andere Länder sollten bereit sein, ihre Märkte für Erzeugnisse des T/B-Sektors der EU ebenfalls zu öffnen.

4.9.1

Zur Bekämpfung der gravierenden Probleme in puncto Marken- und Produktpiraterie müssen die Zollkontrollen an den Außengrenzen verstärkt und ihre Vereinheitlichung im Rahmen effektiver gemeinsamer europäischer Zollbehörden vorangetrieben werden, wobei für die neuen Mitgliedstaaten besondere Fördermaßnahmen vorzusehen sind.

4.9.2

Der Ausschuss teilt die große Sorge der betroffenen Akteure über die Häufigkeit von Betrugsfällen und ist der Ansicht, dass alle erdenklichen Maßnahmen zu ihrer Verringerung ergriffen werden sollten. Die Zollbehörden haben mehrfach darauf hingewiesen, dass sie nicht über ausreichendes Personal für die Kontrollen — insbesondere in den Häfen — verfügen. Im Hafen von Neapel beispielsweise treffen pro Tag durchschnittlich 1000 Container ein, und nur drei Personen stehen für Kontrollen zur Verfügung. Im Durchschnitt werden weniger als 1 % der Container geöffnet (wobei sie nur geöffnet werden, ohne dass eine Inspektion des Inhalts erfolgt)!

4.9.3

Angesichts dieser Situation, die durch Betrügereien des Organisierten Verbrechens verschärft wird, das in vielen europäischen Häfen über Einfluss verfügt, ist folgende Lösung denkbar: Der Import bestimmter Produkte sollte über bestimmte dafür ausgerüstete Häfen abgewickelt werden. Neben intensiveren Kontrollen durch die Zollbehörden sollten dort auch Vertreter des jeweiligen Sektors anwesend sein.

4.9.4

In diesem Sinne drückt sich im Grunde genommen auch das Europäische Parlament in Ziffer 11 seiner Entschließung aus, wo die Kommission dazu aufgefordert wird, die Hersteller zum Aufbau eines Informations- und Überwachungsnetzes zu bewegen und sie dabei zu unterstützen. Dieses Netz soll zur Identifikation der Herkunft gefälschter oder nachgeahmter Erzeugnisse dienen mit dem Zweck, sie vom Markt nehmen zu können.

4.9.5

Eine andere Lösung bestünde darin, die versiegelten Container auf die Bestimmungsorte aufzuteilen, um die Anzahl der in den Häfen zu kontrollierenden Container drastisch zu reduzieren und dadurch effizientere Kontrollen zu ermöglichen.

4.10

Auch die Herkunftsländer müssen zur Intensivierung der Warenkontrollen angehalten werden. Begünstigte Länder, die Betrug dulden und keine wirkungsvollen Kontrollverfahren einführen, sollten zeitweise von den Vergünstigungen ausgeschlossen werden. Die EU muss wegen entgangener Zolleinnahmen jedes Jahr mehr als 2,2 Mrd. Euro für die Finanzierung des APS aufwenden. Andererseits erhalten alle begünstigten Länder zusammen jährlich Vergünstigungen in dieser Größenordnung. Angesichts Vergünstigungen von solcher Tragweite, die sich häufig auch noch auf die Arbeitsmarktkrise in zahlreichen Regionen Europas auswirken, muss der EU das Recht eingeräumt werden, die Grundsätze und Bedingungen festzulegen, nach denen diese Vergünstigungen gewährt werden.

4.10.1

Der Ausschuss ist sich vollkommen der Tatsache bewusst, dass de facto die Außengrenzen der EU nicht nur entlang der Landesgrenzen ihrer Mitgliedstaaten verlaufen, sondern zunehmend auch im Hoheitsgebiet derjenigen Länder angesiedelt sind, aus denen ihre Einfuhren stammen. Der EWSA hat bereits eine Stellungnahme zu dieser Thematik erarbeitet.

4.11

Die Ursprungsregeln sind zu komplex, zu schwierig anzuwenden, können leicht missverstanden werden und erfordern die genaue Kenntnis einer Vielzahl von Regelwerken. Sie behindern deshalb den Handel und verleiten zum Betrug. Viel zu häufig fungieren begünstigte Staaten einfach als Durchgangsstationen für Erzeugnisse aus nicht begünstigten Staaten.

4.12

Der Ausschuss fordert die Kommission — insbesondere die GD Handel — auf, eindeutige Normen für die den Entwicklungsländern zu gewährenden Vergünstigungen festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Schutz der Arbeitnehmerrechte, den Umweltschutz, die Bekämpfung des Drogenhandels, die Achtung der Menschenrechte, die nachhaltige Entwicklung sowie andere Aspekte im Zusammenhang mit dem Verbraucherschutz und dem Tierschutz.

4.13

Was den Gemeinsamen Zolltarif (GZT) betrifft, so ist sich der Ausschuss der Tatsache bewusst, dass auch die jüngste Verordnung Nr. 1789/2003 zur Änderung der Verordnung Nr. 2658/87, die am 1.1.2004 in Kraft getreten ist, Ergebnis einer Reihe von Kompromissen ist, die die Anwendung des GZT erschweren und verkomplizieren und folglich Betrug und Umgehung fördern. Die Position „Kleidung und Bekleidungszubehör“, die den Kapiteln 61, 62 und 63 entspricht, betrifft 466 Warenposten. Für 398 von ihnen gilt ein Zollsatz von 12 %, für die übrigen 68 hingegen gelten Zollsätze, die sich von der völligen Befreiung über folgende Sätze abstufen: 2 %, 4 %, 5,3 %, 6,2 %, 6,3 %, 6,5 %, 6,9 %, 7,2 %, 7,5 %, 7,6 %, 7,7 %, 8 %, 8,9 %, 10 %, 10,5 %. Auch die übrigen Kapitel (64: Schuhe, Gamaschen; 65: Kopfbedeckungen und Teile davon; 66: Regenschirme; 67: Federn und künstliche Blumen) weisen Zollsätze auf, die von 1,7 % über 2,2 %, 2,7 %, 4,7 %, 5 %, 5,2 % und 7 % bis hin zu 8 % reichen.

4.13.1

Für die insgesamt 1516 Positionen der Kapitel 50 bis 67 KN (Kombinierte Nomenklatur), die von Textilien über Konfektionswaren zu Schuhen reichen, gelten über 20 unterschiedliche Zollsätze. All diese, sich nur geringfügig voneinander unterscheidenden Sätze sind lediglich ein Problem und belegen die Schwäche des Systems. Dieses könnte viel rationaler und widerstandsfähiger gegen die Pressionen wirtschaftlicher Zentren sein, die im Zuge der Maximierung ihrer Gewinne nur zahlreiche Unternehmen in Schwierigkeiten bringen. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Festlegung einer beschränkten Anzahl von Zollsätzen — maximal drei oder vier — Betrügereien spürbar vermindern und das System enorm vereinfachen würde.

4.14

Der Ausschuss misst der Förderung der grundlegenden Arbeitsnormen und des fairen Handels, dem Umweltschutz sowie der Bekämpfung des Drogenhandels besondere Bedeutung bei. Die gegenwärtige Regelung (APS — Allgemeines Präferenzsystem) reduziert den Gemeinsamen Zolltarif (GZT) um 40 % und ermöglicht somit — bei einem GZT von unter 5 % — allen Entwicklungsländern den Export der Erzeugnisse ihrer Textil-, Bekleidungs- und Schuhindustrie in die europäischen Länder, wenn sie sich zur Einhaltung sozial- und umweltrechtlicher Bestimmungen verpflichten. Andererseits hat sich das System im Hinblick auf die Einhaltung ethischer Grundsätze als unwirksam erwiesen. Die als Anreiz konzipierte Sonderregelung zur Bekämpfung des Drogenhandels, von der über 12 Staaten profitiert haben, hat keinerlei Auswirkungen im Drogenhandel gezeitigt. Auf der anderen Seite mussten zahlreiche europäische Kleinbetriebe ihre Aktivitäten infolge eines übermächtigen Konkurrenzdrucks einstellen, der durch Produktionskosten entstanden war, die in keinem Verhältnis zu den von einer zeitgemäßen Regelung im Sinne der nachhaltigen Entwicklung verursachten Kosten stehen (16).

4.15

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass das Engagement des Rates, der Kommission und des Europäischen Parlaments verstärkt werden muss, damit all diejenigen Länder vom APS ausgeschlossen werden können, die — obwohl sie auf den Export von Erzeugnissen ihrer Textil-, Bekleidungs- und Schuhindustrie in die EU angewiesen sind — gegen grundlegende Arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (17) (ILO) verstoßen (18).

4.16

Der EWSA ist überzeugt, dass das Pro-Kopf-BIP nicht das einzige Eignungskriterium für die Einbeziehung eines Staates in die Präferenzregelungen sein darf. Er teilt auch die vielerseits geäußerten Bedenken, dass die Vorteile des APS in zu großem Maße Ländern zugute kommen, die am wenigsten darauf angewiesen sind. Um zu gewährleisten, dass die Unterstützung durch das APS wirklich nur den bedürftigsten Ländern zugute kommt, empfiehlt der EWSA, in den neuen Leitlinien folgende Kategorien von Staaten von den Vergünstigungen auszuschließen:

OPEC-Mitgliedstaaten (19);

Staaten, die von den Vereinten Nationen nicht als „Entwicklungsländer“ ausgewiesen sind;

Staaten, die Atomwaffenprogramme verfolgen;

Staaten, die als Steueroasen fungieren;

Staaten, die bilaterale oder regionale Handelsabkommen mit der EU abgeschlossen haben (20);

Staaten, die gegen die grundlegenden Arbeitsnormen von IAO/IAA verstoßen (21).

4.17

Auch die Technologiepole und Innovationszentren der gesamten EU müssen einen Beitrag zur verstärkten Vernetzung sowie zum Erfahrungsaustausch mit den Unternehmern der Branche, den Universitäten und den zivilgesellschaftlichen Organisationen leisten.

4.18

Technische Materialien, High-Tech-Textilien und High-Tech-Schuhe erzielen in Europa und der Welt immer größere Marktanteile. Die europäischen KMU können heute und in Zukunft dank gefestigter Grundlagenerfahrungen eine wichtige Rolle bei der Herstellung von Spitzenerzeugnissen spielen, die aus neuen chemischen Prozessen und aus der Entwicklung neuer Technologien resultieren.

4.19

Nach Ansicht des Ausschusses müssen konzertierte Aktionen der Kommission und der Mitgliedstaaten zur Finanzierung und Unterstützung einer Vielzahl moderner Dienste, die die Unternehmensleistungen verbessern und damit zum Ausgleich zwischen Nachfrage und Angebot bei innovativen Produkte beitragen, erprobt und durchgeführt werden.

4.19.1

Es wäre sinnvoll, die Entstehung neuer Berufsbilder durch Maßnahmen im Rahmen des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Sechsten Rahmenprogramms für Forschung und Entwicklung zu fördern und zu beschleunigen. Die KMU könnten durch diese Berufsfelder, die über besondere technische und operative Fähigkeiten verfügen und die als Innovationskatalysatoren fungieren, in entsprechenden Projekten flankierend unterstützt werden. Besondere Aufmerksamkeit sollte jenen Mitgliedstaaten gewidmet werden, in denen der T/B-Sektor von strategischer Bedeutung ist.

4.19.2

Folgende Qualifikationen sind u. a. für die Unterstützung der Unternehmen bei der Optimierung und Ausweitung der Produktion technischer Textilien und von High-Tech-Schuhen notwendig: Fähigkeit zur Analyse von Technologiekontrollen, zur Förderung von Umstellungsprojekten und zur Erkundung neuer Möglichkeiten.

4.19.3

Der Ausschuss ist davon überzeugt, dass unter Rückgriff auf die vor Ort vorhandenen Möglichkeiten wie Technologiepole, Universitäten, strukturierter Dialog zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und lokalen Gebietskörperschaften insbesondere die KMU durch solche Akteure unterstützt werden könnten, um sich auf einem höheren Technologie- und Wettbewerbsniveau zu positionieren (22).

4.20

Dem Ausschuss — wie auch der Kommission und dem Parlament — ist ferner bekannt, dass der T/B- und Schuhsektor in der Europäischen Union zu 70 % aus Kleinunternehmen (mit weniger als 50 Beschäftigten) besteht. Ca. 20 % der Unternehmen verfügen über 50 bis 249 Beschäftigte, die restlichen 10 % haben 250 Arbeitnehmer und mehr. Der Anteil der Frauen an der Beschäftigung ist höher als in anderen Branchen. Das die Unternehmen über das gesamte Territorium Europas verstreut sind, erschwert natürlich Maßnahmen zur Innovationsförderung und zur technologischen Aktualisierung.

4.21

Der Ausschuss, der über seine Mitglieder in direktem Kontakt zur organisierten Zivilgesellschaft steht, hat mehrmals auf die kontinuierlichen und fortgesetzten Betrügereien hingewiesen, die ein breites Spektrum von Waren betreffen, die die Gemeinschaftsgrenzen überschreiten. Zu den augenfälligsten Betrugsarten gehören:

Zollanmeldungen, die nicht mit den abgefertigten Waren übereinstimmen (23);

Waren ohne Konformitätsbescheinigung, die für den Verbraucher häufig Gefahren bergen;

Waren, die unter Verletzung der geistigen Eigentumsrechte hergestellt werden;

Waren, die Dreiecksgeschäften, an denen mehrere Staaten beteiligt sind, unterzogen werden (24);

Waren, die nicht den Ursprungsregeln entsprechen (25);

gefälschte oder nachgeahmte Waren.

4.21.1

Dieses Problem wurde jüngst in geeigneter Form statistisch untersucht. Der EWSA begrüßt, dass die Europäische Union endlich eine Verordnung angenommen hat, die die Vernichtung gefälschter Waren durch die Zollverwaltungen ermöglicht (26).

4.21.2

Nach Ansicht des Ausschusses ist die Verordnung aber von begrenzter Wirkung!

4.21.3

Die Leiter der Zollverwaltungen bemängeln, dass die Gemeinschaftsregelung (die die Unterteilung der EU in verschiedene Rechtsgebiete überwinden soll) unzulänglich sei und dass Personal und Mittel für die Kontrolle eines so umfassenden und flexiblen Markts fehlten.

4.21.4

Im ersten Halbjahr 2003 wurden von den europäischen Zollbehörden mehr als 50 Millionen gefälschte Produkte oder im Rahmen von Markenpiraterie produzierte Waren beschlagnahmt (27). Die Betrugsfälle haben sich im Bekleidungssektor von 2000 bis 2002 verdoppelt und im Bereich Parfüms und Kosmetika sogar verdreifacht (28). Angesichts des enormen Umfangs der durchgekommenen illegalen Waren handelt es sich dabei allerdings nur um die Spitze des Eisbergs.

4.21.5

Was den Ursprung dieser Produkte betrifft, so stammen sie in 66 % der Fälle aus Asien, in erster Linie aus China und Thailand. Nach Aussage von Kommissionsmitglied BOLKESTEIN „(…) werden inzwischen alle Gegenstände des täglichen Bedarfs gefälscht, nicht nur Luxusgüter. Deshalb sind die KMU in immer stärkerem Maße unmittelbar von den Fälschungen betroffen“ (29).

4.21.6

Der Umfang dieser Betrügereien bereitet den europäischen Unternehmen immer größere Schwierigkeiten und zwingt häufig die Kleinunternehmen zur Einstellung ihrer Aktivitäten, da sie vom Markt verdrängt werden.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1

Die Europäische Gemeinschaft gewährt den Entwicklungsländern bereits seit 1971 – zuerst im Rahmen des GATT, dann der WTO (Welthandelsorganisation), erhebliche Nachlässe auf den Gemeinschaftlichen Zolltarif (GZT).

5.1.1

Die aus den Entwicklungsländern in die EU importierten und als nicht sensibel erachteten Produkte sind fast vollständig von den Zöllen befreit.

5.1.2

Die sensiblen Produkte, darunter Textilien, Bekleidung und Schuhe, profitieren von einer Ermäßigung von in Höhe von 20 % (des normalen Satzes), die im Rahmen der Sonderregelungen auf 40 % ansteigt (30).

5.1.3

Im Jahr 2003 wurden 116 Länder von den Vereinten Nationen als Entwicklungsländer anerkannt. Tatsächlich profitieren aber 174 Länder von den EU-Vergünstigungen (31).

5.1.4

Asien ist mit einem Anteil von 70 % im Jahr 2002 bei weitem der größte Nutznießer der von der Gemeinschaft gewährten Zollvergünstigungen. China allein kommt in den Genuss von 25 % aller Vergünstigungen.

5.1.5

Die durchschnittlich im T/B-Schuhsektor von der EU erhobenen Zollsätze liegen für diese Länder bei 4,8 %; in den USA werden hingegen 8,9 %, in Japan 6,6 % und in Kanada 12 % erhoben. Die entsprechenden in China erhobenen Zollsätze liegen bei 20 %, in Thailand werden 29 %, in Indien 35 % und in Indonesien 40 % erhoben (32).

5.2

Die Hersteller des Europa-Mittelmeerraumes im T/B-Schuhsektor stoßen laufend auf erhebliche Behinderungen beim Zugang zu den asiatischen Märkten. Die Länder dieser Märkte behindern den Handelsaustausch durch nicht tarifäre Handelshemmnisse, die für die gesamte europäische Industrie ein ernstes Problem darstellen (33).

5.3

Der durchschnittliche Anteil der Textilindustrie (34) an der Wertschöpfung der verarbeitenden Industrie in der gesamten EU liegt bei etwa 2,5 %. Einige Länder weisen einen relativ hohen Anteil auf, wie Luxemburg mit 8,7 %, Portugal mit 6,3 %, Griechenland mit 5,1 %, Italien mit 4,6 % und Belgien mit 4,3 % (35). In den neuen EU-Mitgliedstaaten kommt der Textil- und Bekleidungsindustrie noch größere Bedeutung zu; so gehen etwa in Litauen (36) 16,1 % der Verkaufserlöse und in Estland (37) 10,5 % der Produktion des verarbeitenden Gewerbes auf die Textilindustrie zurück.

6.   Schlussfolgerungen

6.1

Für die zahlreichen europäischen Unternehmer in diesem Sektor wird diese Realität als ungerecht und als bestrafend empfunden. Denn sie müssen das Nachsehen haben in einer Auseinandersetzung, die nicht immer auf eine durch Fairness, unternehmerische Fähigkeiten und Wahrung der Menschenrechte in der Arbeitswelt geprägte Art und Weise ausgetragen wird. Vielmehr ist eine mittel- bis langfristige Zukunftsperspektive für einen wettbewerbsfähigen und fortschrittlichen europäischen Textil- und Bekleidungssektor vonnöten, die auf der Teilhabe und dem Konsens der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie der politischen Entscheidungsträger auf den verschiedenen Ebenen in der Union beruht.

6.1.1

Die Wahrung der grundlegenden von der ILO festgelegten Arbeitnehmerrechte muss sowohl anhand der konkreten ILO-Kontrollverfahren als auch durch eine enge Zusammenarbeit der ILO mit der WTO sichergestellt werden. Die EU hat sich verstärkt dafür einzusetzen, dass die im Rahmen der ILO vereinbarten Grundsätze des Arbeitnehmerschutzes zum Bezugspunkt für die WTO werden.

6.2

Die Zollermäßigungen könnten nur den 49 am wenigsten entwickelten Ländern gewährt werden. Die Verhandlungen der Doha-Runde sollten zu mehr auf Gegenseitigkeit beruhenden Beziehungen zwischen dem Europa-Mittelmeerraum und den asiatischen Ländern führen. In der DOHA-Runde sollte eine weltweite Vereinbarung getroffen werden, dass alle Zölle im Textil- und Bekleidungssektor innerhalb eines bestimmten Zeitraumes, z. B. innerhalb von 5 Jahren, auf ein einheitliches Niveau von maximal 15 % zu senken sind.

6.3

Die Zollkontrollen der Union müssen verstärkt werden mit dem Ziel, baldmöglichst zu einem gemeinsamen Zollsystem zu kommen, das sich im Einklang mit den Rechtsakten zum Binnenmarkt befindet.

6.4

Im Sinne der Bekämpfung von Nachahmung und Betrug sowie der besseren Verbraucherinformation könnte ein System zur Ursprungskennzeichnung (38) (mit geographischen, sozialen und ökologischen Angaben) entwickelt werden.

6.4.1

Der Ausschuss schlägt aus diesem Grunde vor, Möglichkeiten zur Rückverfolgbarkeit der Textilien zu untersuchen. Dadurch würden Verstöße gegen die Ursprungsbestimmungen und Betrügereien mit nachgeahmten Produkten erschwert werden.

6.5

Der Ausschuss unterstützt die Kommission bei ihren Anstrengungen, die Mittel zum Schutz des Handels und die Maßnahmen gegen Dumping und Subventionierung wirksamer zu gestalten. Er fordert die Kommission ferner dazu auf, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, insbesondere bei angezeigten und nachgewiesenen Betrugsfällen. Die EU sollte sich im Rahmen der Verhandlungen der Doha-Runde für eine viel größere Disziplin bei der Anwendung von Sicherheitsmaßnahmen, Maßnahmen gegen Dumping und anderen Schutzmaßnahmen wie Änderungen in den Ursprungsbestimmungen usw. einsetzen.

6.6

Die Kommission muss sich stärker dafür einsetzen, dass die TRIPS (handelsbezogenen Rechte an geistigem Eigentum) innerhalb der WTO gewährleistet und von den Staaten anerkannt werden.

6.7

Die Innovationsfähigkeit muss — vor allem in den KMU — durch auf lokaler Ebene konzipierte Projekte verstärkt werden, unter Einbeziehung aller sozialen Kräfte sowie der Forschungszentren. Europa verfügt über traditionsreiche Hochschulinstitute, die sich mit dem Textilsektor befassen. Es wäre von außerordentlichem Interesse, ein Spitzenforschungs-Netzwerk zu schaffen, das mittels enger Kontakte zur Unternehmens- und Arbeitswelt auf die im Rahmen des Sechsten Rahmenprogramms gebotenen Möglichkeiten zurückgreifen und Zukunftsperspektiven für die technologische Entwicklung der Branche aufzeigen könnte.

6.7.1

Innovationsfähigkeit — mit Blick auf neue Fasern und Verbundgewebe, die mittels Einsatz von in der Nanotechnologie-Forschung entwickelten Nanopartikeln veredelt werden und dadurch mehr Funktionalität, Sicherheit, Wärme– und Kälteschutz und Tragkomfort bieten muss — neben modischer Aktualität und ästhetischem Wert der konfektionierten Waren – zu einer der Stärken der europäischen Textilindustrie werden.

6.7.2

Vliesstoffe, d. h. besondere, chemisch behandelte und als Klebemittel fungierende Stoffe werden in immer mehr Bereichen verwendet, wie z.B. im Sport, im Bauwesen, in der Raumfahrttechnik, dem Transportwesen usw. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich dabei um einen in ständigem Wachstum begriffenen Markt, der auf Möglichkeiten für zukunftsträchtige Produktdiversifikationen hin untersucht werden muss (39).

6.8

Die BKIW (Beratende Kommission für den industriellen Wandel) verfügt über vielfältige Erfahrungen, die bei der jahrzehntelangen Bewältigung von Problemen im Bereich der Entwicklung des Kohle- und Stahlmarktes gewonnen wurden (40). Sie könnte eine herausragende Mittlerrolle zwischen Kommission und Textilbranche bei der Förderung der Produktdiversifizierung spielen.

6.8.1

Es ist abzusehen, dass Weiterbildungsmaßnahmen für die im Zuge der Umstrukturierung freigesetzten Arbeitnehmer notwendig werden. Es wäre sinnvoll, das Interesse der Unternehmer für diese neuen Verbundmaterialien zu wecken und zu mehren. Eine nachhaltige künftige Entwicklung kann nur erreicht werden, wenn die Jugendlichen dabei unterstützt werden, die neuen Produkte und ihre Umweltfreundlichkeit kennen und schätzen zu lernen. Dieses Ziel kann mithilfe europäischer Einrichtungen wie der BKIW, die über Erfahrungen im sozialen und technischen Bereich verfügen, leichter erreicht werden.

6.9

Die Textil-, Konfektions- und Lederbranche ist der erste Sektor, auf den die neue vertikale Politik angewandt wird, die unlängst von der Kommission — in Ergänzung zu den traditionellen horizontalen Maßnahmen für die Industrie — eingeführt wurde. Es scheint allen Beobachtern, insbesondere den in diesem Bereich tätigen Unternehmern und Arbeitnehmern, am Herzen zu liegen, dass die Kommission — mit Beteiligung der Regierungen und der Sozialpartner — diesem Sektor bei der technischen Weiterentwicklung und der Bewältigung der Herausforderungen der Globalisierung helfen kann.

6.9.1

Neben den im Rahmen der Gemeinschaftspolitiken schon bestehenden „technologischen Plattformen“ (41) könnte eine vierte Plattform konzipiert werden, die sich mit dem vielfältigen und innovativen Aspekten eines zukunftorientierten Textilsektors befasst.

6.10

In allen entwickelten Ländern findet ein Prozess der Deindustrialisierung statt. Der durch den tertiären Sektor erwirtschaftete Mehrwert beträgt in der EU mittlerweile 70 % des gesamten BIP (die Industrie erwirtschaftet 22 %, die Bauwirtschaft 5 % und die Landwirtschaft 3 %) (42). Doch diesem Phänomen sollte nicht Vorschub geleistet werden, weil ein Großteil der Wertschöpfung im Dienstleistungssektor den Unternehmen dient oder auf die Unternehmen zurückgeht: Handel und Verkehr: 21,6 %, Finanz- und Unternehmensdienstleistungen: 27,2 %, öffentliche Verwaltung: 21,6 % (43).

6.11

Der EWSA ist der Auffassung, dass nun auf die Optimierung der WTO-Regeln hingewirkt werden muss, und zwar mit der ganzen Kraft, die der europäisch geprägte Begriff der „Sozialen Marktwirtschaft“ freisetzt. Gegenwärtig können Importe zwar nur dann untersagt werden, wenn sie eine Gefahr darstellen, aber es ist notwendig, unverzüglich für die Durchsetzung bestimmter sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Prioritäten zu sorgen, da die EU als Wirtschaftsakteur die Möglichkeit hat, die globale Wirtschaftssteuerung dadurch effektiver zu gestalten, „dass sie die nachhaltige Entwicklung auf dem ganzen Planeten durch eine Kombination internationaler Zusammenarbeit und guter innenpolitischer Praxis verbreitet“ (44).

6.11.1

Die Kosten, die bei der Durchführung dieser Maßnahmen für die Entwicklungsländer entstehen, könnten teilweise durch Programme im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit kompensiert werden, sofern diese auf eine Verhaltensänderung im kommerziellen Bereich abzielen und laufend überprüft werden.

6.12

Vielleicht haben wir eine Phase der Globalisierung erreicht, in der mehr auf die von den Bürgern signalisierten „Vorlieben und kollektiven Empfindlichkeiten“ geachtet werden muss, wenn internationale Spannungen gemindert und ideologisch motivierte Handelskonflikte verhindert werden sollen, die in letzter Zeit ständig zunehmen und scheinbar mit den gegenwärtigen Verfahren und Regeln nicht gelöst werden können.

Brüssel, den 1. Juli 2004

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger BRIESCH


(1)  Die so genannten technischen Textilien werden immer häufiger in folgenden Bereichen eingesetzt: Bekleidung, Agrartechnik, Bausektor, Geotechnik, Gebäudetechnik, Industrietechnik, Medizintechnik, Transporttechnik, Umwelttechnik, Verpackungstechnik, Sicherheitstechnik und Sporttechnik, siehe Anlage 2.

(2)  Zu den 49 am wenigsten entwickelten Ländern gehören 40 AKP-Länder (Afrika, Karibik, Pazifik) und 9 Länder außerhalb dieser Gruppe (Afghanistan, Bangladesch, Bhutan, Kambodscha, Laos, Myanmar, Malediven, Nepal und Jemen).

(3)  Anwesend waren Frau Concepció FERRER I CASALS, Mitglied des Europäischen Parlaments und Vorsitzende des Forums für Textil, Bekleidung und Leder des Europäischen Parlaments, und von Kommissionsseite Herr Luís Filipe GIRÃO, Referatsleiter in der GD Unternehmen, sowie Herr GHAZI BEN AHMED von der GD Handel. Die ca. 60 Teilnehmer kamen u. a. aus Italien, Deutschland, Frankreich, der Türkei, Litauen und Belgien.

(4)  Stellungnahme des EWSA, CESE 313/2004 (REX/141).

(5)  Konferenz vom 15.10.2002, „Hochtechnologie in der europäischen Bekleidungsindustrie“, Borschette-Konferenzzentrum, Brüssel; Konferenz vom 20.3.2003, „Die Zukunft der Textil- und Bekleidungsindustrie im erweiterten Europa“; Symposium vom 5./6. Mai 2003, „Die Zukunft des Handels mit Textilwaren und Bekleidung nach 2005“, Charlemagne-Gebäude, Brüssel.

(6)  Die bilateralen Gremien bestehen aus Vertretern der Kleinunternehmer und der Arbeitnehmer, die dem Gegenseitigkeitsprinzip folgend Maßnahmen zur Finanzierung von Unterstützungs-, Weiterbildungs- und Innovationsaktionen für Eigentümer und Beschäftigte von Kleinst- und Kleinunternehmen durchführen.

(7)  Siehe Anhörung vom 21. Januar 2004 und die Schlussfolgerungen in Ziffer 13.

(8)  KOM(2003) 452 vom 24.7.2003.

(9)  Vgl. KOM(2003) 787 endg. vom 18.12.2003.

(10)  KOM(2003) 533 endg. vom 10.9.2003.

(11)  Im Textilsektor kommen hauptsächlich 1 000 der insgesamt 5 000 verwendeten chemischen Substanzen zum Einsatz. Hinzuzurechnen ist eine unbestimmte Zahl von aus mehreren Substanzen bestehenden heterogenen Gemischen, von denen einige gesundheitsschädlich sind, und die vor allem beim Färben und anderen Weiterverarbeitungsschritten eingesetzt werden. In der EU werden die gesundheitsschädlichen Substanzen gemäß den geltenden umweltrechtlichen und gesundheitlichen Bestimmungen ausgesondert, entsorgt oder behandelt. Die entsprechenden Kosten gehen zu Lasten der europäischen Unternehmen.

(12)  Vgl. KOM(2004) 101 vom 10.2.2004: Mitteilung der Kommission: Unsere gemeinsame Zukunft aufbauen. Die EU als globaler Partner, S. 24.

(13)  Vgl. Eurostat: Das weltweite BIP. Über 55 % des weltweiten BIP, das im Jahr 2002 34 000 Mrd. Euro betrug, gingen auf ca. 45 000 multinationale Unternehmen zurück.

(14)  Richtlinienvorschlag KOM(2003) 453 vom 1.8.2003.

(15)  Siehe u. a. folgende Dokumente: KOM(2001) 98 vom 1.3.2001; KOM(2001) 366 vom 18.7.2001; KOM(2003) 21 vom 21.1.2003; KOM(2002) 345 vom 1.7.2002; KOM(2001) 122 vom 7.3.2001; KOM(2002) 68 vom 6.2.2002; KOM(2003) 27 vom 21.1.2003.

(16)  Vgl. Stellungnahme APS, REX/141, Ziffern 6.6.2, 6.6.2.1., 6.6.2.2. und 6.6.2.3.

(17)  C29 — über Zwangsarbeit; C87 — über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechts; C 98 — über das Vereinigungsrecht und das Recht zu Kollektivverhandlungen; C100 — über die Gleichheit des Entgelts; C 105 — über die Abschaffung der Zwangsarbeit; C111 — über Diskriminierung (Beschäftigung und Beruf); C138 — über das Mindestalter; C182 — über die schlimmsten Formen von Kinderarbeit.

(18)  Vgl. APS REX/141 Ziffer 6.6.2.3.

(19)  Venezuela, Algerien, Nigeria, Libyen, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Katar, Kuwait, Irak, Iran, Indonesien.

(20)  (Allgemeines Präferenzsystem), Ziffer 6.6.1.2.

(21)  Siehe ebenda.

(22)  Kleinunternehmer möchten häufig von der Produktion oder Konfektionierung herkömmlicher Erzeugnisse zur Herstellung neuer Produkte, die aus technischen oder „intelligenten“ Textilien hergestellt sind, übergehen, wofür sie aber nicht die auf technischem und kommerziellen Gebiet erforderlichen Kenntnisse und Informationen haben.

(23)  Der Zollsatz ist von der Art der eingeführten Waren abhängig. Es werden oft andere Waren angemeldet, für die niedrigere Zollsätze als für die tatsächlich importierten Waren gelten.

(24)  Grünbuch „Die Zukunft der Ursprungsregeln im Präferenzhandel der Gemeinschaft“, KOM (2003) 787 endg., Ziffer 1.2.2.

(25)  Ebenda.

(26)  Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 vom 22. Juli 2003. Tritt am 1. Juli 2004 in Kraft.

(27)  IP 03/1589 vom 24.11.2003.

(28)  Ebenda .

(29)  Ebenda.

(30)  Sonderregelung zum Schutz der Arbeitnehmerrechte; Sonderregelung für den Umweltschutz, Sonderregelung zur Bekämpfung der Drogenproduktion und des Drogenhandels.

(31)  Anhang I zur Verordnung 2501/2001.

(32)  Quelle: Europäische Kommission.

(33)  Die am weitesten verbreiteten nicht tarifären Handelshemmnisse sind: zusätzliche Steuern oder Abgaben, Aufschläge auf geringe Importmengen; Bewertungspraktiken der Zollbehörden, die nicht auf die für die eingeführten Waren zu zahlenden Abgaben angerechnet werden; kostspielige und diskriminierende Sonderregelungen im Bereich der Kennzeichnung oder des Markenrechts; Bestimmungen zur Genehmigung der Einfuhr; schwierige Vorschusszahlungsverfahren.

(34)  Posten 17.1 bis 17.6.

(35)  Quelle: Eurostat, Die verarbeitende Industrie der EU von 1992 bis 2002.

(36)  Quelle: Statistisches Amt der Republik Litauen, 2003.

(37)  Quelle: Statistisches Amt der Republik Estland, 2003.

(38)  Grünbuch „Die Zukunft der Ursprungsregeln im Präferenzhandel der Gemeinschaft“, KOM(2003) 787 vom 18. 12.2003.

(39)  Karbonfasergewebe und Kevlargewebe sind widerstandsfähiger, leichter und geschmeidiger als Metalle.

(40)  Siehe die von der BKIW übernommen Tätigkeiten des Rates der EGKS.

(41)  Luft- und Raumfahrt, Kommunikationswesen und Stahl.

(42)  Quelle: Eurostat, Struktur der Bruttowertschöpfung, 2002.

(43)  Quelle: Eurostat, ebenda.

(44)  KOM(2004) 101 endg. vom 10.2.2004, Unsere gemeinsame Zukunft aufbauen, S. 26.


ANLAGE 1

zur Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Der folgende Änderungsantrag, der mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen als Ja-Stimmen erhalten hat, wurde im Verlauf der Beratungen abgelehnt:

Die Ziffern 6.1.1 streichen.

Ergebnis der Abstimmung:

Ja-Stimmen:

31

Nein-Stimmen:

32

Stimmenthaltungen:

9