28.9.2004   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 241/1


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (‚ROM II‘)“

(KOM(2003) 427 endg. — 2003/0168 (COD))

(2004/C 241/01)

Der Rat beschloss am 8. September 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (‚ROM II‘)“.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 4. Mai 2004 an. Berichterstatter war Herr FRANK von FÜRSTENWERTH.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 409. Plenartagung am 2. und 3. Juni 2004 (Sitzung vom 2. Juni 2004) mit 168 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung der Schlussfolgerungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt den Vorschlag der Kommission, das Kollisionsrecht der außervertraglichen Schuldverhältnisse in Form einer Europäischen Verordnung zu regeln. Dadurch wird eine Lücke geschlossen, die bisher die Entwicklung eines einheitlichen Europäischen Rechtsraumes spürbar beeinträchtigt hat.

1.2

Der Ausschuss ermutigt die Kommission und fordert sie zugleich auf, das Vorhaben unter Berücksichtigung der unten (9.) im Detail unterbreiteten Änderungs- bzw. Korrekturvorschläge schnellstmöglich zum Abschluss zu bringen, damit die Verordnung in Kraft treten kann.

1.3

Der Ausschuss begrüßt das Bemühen der Kommission, die bestehende Rechtszersplitterung auf dem wichtigen Gebiet des IPR des außervertraglichen Schuldrechts durch eine Vollharmonisierung zu beseitigen. Dies schafft für den Rechtsanwender Vereinfachungen, die nicht hoch genug eingeschätzt werden können. Statt sich in jedem einzelnen Fall mit Auslandsberührung zunächst über das anwendbare Kollisionsrecht und dessen, zumindest in den Details in den Mitgliedstaaten abweichenden, Inhalt vergewissern zu müssen, kann er künftig von einem einheitlichen Normensatz ausgehen, der auf Grund der unmittelbaren Geltung der Verordnung in allen Mitgliedstaaten identisch ist.

2.   Einleitung: Begründung der Initiative

2.1

Mit der Verordnung intendiert die Kommission erstmals in der Europäischen Union ein einheitliches Kollisionsrecht im Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse. Im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse existiert ein solches einheitliches Kollisionsrecht schon seit dem Jahr 1980, als sich die Mehrzahl der damaligen westeuropäischen Staaten entschloss, das EVÜ abzuschließen. Weitere Staaten sind dem Abkommen später beigetreten. Die Form des multilateralen Abkommens wurde damals gewählt, weil zu diesem Zeitpunkt der EWGV, anders als heute, noch keine Rechtsgrundlage für den Erlass eines entsprechenden Rechtsinstruments als Gemeinschaftsrechtsmaßnahme enthielt. Das Kollisionsrecht der außervertraglichen Schuldverhältnisse unterliegt noch heute den jeweiligen autonomen Regelungen der Mitgliedstaaten, die sich — wenn auch oft auf einem gemeinsamen Verständnis der Materie aufbauend — doch zumindest in den Einzelheiten deutlich unterscheiden und nicht zuletzt durch nationale Rechtsprechung und Lehre ein unterschiedliches Gepräge erhalten haben. Für den Rechtsanwender resultieren daraus vielfältige Schwierigkeiten, die schon mit den Schwierigkeiten der Normbeschaffung und der Sprachkenntnis beginnen und sich bei der Einbettung in eine fremde Rechtskultur sowie der Auslegung durch nationale Rechtsprechung und Lehre fortsetzen. Wegen des engen sachlichen Zusammenhanges, sowohl das Recht der Schuldverträge wie das der außervertraglichen Schuldverhältnisse sind Teil des Schuldrechts, wurden die Regelungen des EVÜ, so groß der Fortschritt durch dessen Abschluss auch war, immer als unvollkommen empfunden. Ihnen fehlte der komplementäre Teil in Form des außervertraglichen Schuldrechts. Die Harmonisierung des Kollisionsrechts der außervertraglichen Schuldverhältnisse lässt im Hinblick auf die zu erzielende Sicherheit und Berechenbarkeit bei der Bestimmung des anwendbaren materiellen Rechts erhebliche Fortschritte gegenüber dem bisherigen Zustand in der Gemeinschaft erwarten. Naturgemäß wäre den Rechtsanwendern noch mehr gedient, wenn die Rom-I- und Rom-II-Instrumente zu einem einheitlichen Rechtsinstrument zusammengefasst würden. Der Ausschuss verkennt freilich nicht, dass wegen des völlig unterschiedlichen Verfahrensstandes beider Projekte eine solche Perspektive derzeit reine Illusion bleiben muss und es vorrangig darum geht, baldmöglichst ein funktionierendes Regime für die außervertraglichen Schuldverhältnisse zu bekommen. Der Ausschuss bedauert, dass das geplante Rechtsinstrument auf Grund des von Dänemark eingelegten Vorbehalts zu Titel IV EWGV in diesem Mitgliedstaat nicht unmittelbar gelten wird (auch wenn dieser die Möglichkeit einer freiwilligen Anwendung hat) und dadurch der Harmonisierungseffekt suboptimal bleibt. Der Ausschuss begrüβt, dass das Vereinigte Königreich und Irland erklärt haben, das Rechtinstrument anwenden zu wollen.

2.2   Der rechtspolitische Hintergrund

2.2.1

Die Verordnung ist in einem weiten Rahmen von legislatorischen Aktivitäten der Kommission zu sehen, die entweder schon erfolgt oder geplant sind bzw. sich derzeit in Arbeit befinden. Der Ausschuss hatte wiederholt Gelegenheit, zu den einzelnen Vorschlägen der Kommission Stellung zu nehmen.

2.2.2

Zunächst sind die Aktivitäten im Bereich des Zivilverfahrensrechts zu nennen, insbesondere

die Überführung des Brüsseler Übereinkommens von 1968 in die Form einer Verordnung (EuGVO) (1),

der Verordnungsvorschlag für einen europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (2),

die Verordnung über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten (3),

die Verordnung über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen (4),

die Empfehlung der Kommission zu Grundsätzen für außergerichtliche Streitschlichtungsstellen (5),

die Entscheidung des Rates über die Einrichtung eines europäischen justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen (6).

2.2.3

Weiter sind die Arbeiten auf dem Gebiet des materiellen Zivilrechts zu nennen, insbesondere

die Mitteilung der Kommission zum europäischen Vertragsrecht vom 11.7.2001 (7),

die Verbraucherkreditrichtlinie (8),

die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (9).

2.2.4

Einen ganz besonderen Bezug weist das Vorhaben zu den Arbeiten der Kommission auf materiell-kollisionsrechtlichem Gebiet auf, die die Kommission mit der Veröffentlichung eines Grünbuchs zur Umwandlung des EVÜ in ein Gemeinschaftsrechtsinstrument (10) aufgenommen hat. Die ROM-II-VO ist der in diesem Grünbuch vorgeschlagenen ROM-I-VO komplementär und deren natürliche Ergänzung.

2.2.5

All diese Aktivitäten dienen den Zielen der Schaffung eines Europäischen Rechtsraumes, der Schaffung eines Rechtsrahmens, der eine einfachere und problemlosere Nutzung des Europäischen Binnenmarktes durch alle Wirtschaftsteilnehmer ermöglicht, der Erhöhung der Rechtssicherheit und der Erleichterung der Rechtsanwendung durch die Gerichte und des Zugangs der europäischen Bürger zum Recht.

3.   Rechtsgrundlage

3.1

Die Verordnung hat die Vereinheitlichung der Kollisionsnormen im Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse zum Gegenstand. Die Harmonisierung von Kollisionsnormen unterliegt Art. 65 b) EGV. Dazu ist die Kommission befugt, wenn dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich ist. Nach Ansicht des Ausschusses ist dies der Fall, denn die Harmonisierung der hier in Frage stehenden Kollisionsnormen trägt dazu bei, die Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer in der Gemeinschaft bei grenzüberschreitenden Fällen zu sichern, die Rechtssicherheit zu stärken, die Rechtsanwendung zu vereinfachen und damit die Bereitschaft, grenzüberschreitende Geschäfte zu tätigen, zu fördern sowie die gegenseitige Anerkennung von Rechtsakten der Mitgliedstaaten dadurch zu fördern, dass deren inhaltliche Richtigkeit den jeweiligen Angehörigen anderer Mitgliedstaaten unmittelbar nachvollziehbar wird.

4.   Materieller Anwendungsbereich, Anwendung des Rechts von Drittstaaten (Art. 1, 2)

4.1

Die Verordnung soll das Kollisionsrecht auf dem Gebiet des Zivil- und Handelsrechts regeln (Art. 1 Abs. 1). Es liegt daher nahe, um Missverständnisse auszuschließen, dies ausdrücklich zu normieren. Der Gesetzgeber kann dazu auf die auch in der EuGVO (Art. 1) gebräuchliche Terminologie zurückgreifen, da sie einen feststehenden Inhalt hat. Der Ausschluss von Steuer- und Zollsachen ergibt sich eigentlich hieraus von selbst. Seine Erwähnung ist jedoch unschädlich.

4.2

Die Verordnung will nicht den gesamten Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse regeln. Der Gesetzgeber ist insoweit auch gut beraten, seinen Ehrgeiz nicht zu hoch anzusetzen, um die Beherrschbarkeit des Projekts nicht zu gefährden. Von daher ist der Ausschluss von Familien-, Unterhalts- und Erbsachen (Art. 1 Abs. 2) zu begrüßen. Diese Materien werden im Kollisionsrecht wegen ihrer gesellschaftspolitischen Implikationen traditionell in eigenständigen Instrumenten geregelt.

4.3

Der Ausschluss von Wechsel- und Schecksachen beruht letztlich genauso wie der von Kernenergieschäden (Art. 1 Abs. 2) auf deren zufriedenstellender Regelung in besonderen Abkommen, (11) die über den Bereich der Gemeinschaft hinausreichen und deren Bestand nicht gefährdet werden sollte.

4.4

Der Ausschluss gesellschaftsrechtlicher Tatbestände in Art. 1 Abs. 2 f) ist unvermeidlich, da die dort angesprochenen Fragen so eng mit dem Gesellschaftsstatut zusammenhängen, dass eine Regelung in diesem Sachzusammenhang erfolgen sollte.

4.5

Eine Sondermaterie des angloamerikanischen Rechts stellt der Trust dar. Es handelt sich dabei um eine Konstruktion, die zwischen dem Gesellschafts- und dem Stiftungsrecht angesiedelt ist, funktional eine verdeckte Treuhand darstellt und keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt. Sie ist in der Rechtsordnung der kontinentaleuropäischen Staaten unbekannt. Sie wurde wegen dieser Besonderheiten und ihrer Nähe zum Gesellschaftsrecht bereits vom EVÜ (Art. 1 Abs. 2 g)) ausgenommen. Da die VO das Gesellschaftsrecht ausnimmt, ist es konsequent dem beim Trust zu folgen (Art. 1 Abs. e)).

4.6

Die Verordnung beruft das anwendbare Recht ohne Rücksicht darauf, ob es sich um das Recht eines Mitgliedstaates oder eines Drittstaates handelt (Art. 2). Sie folgt damit einem allgemein anerkannten kollisionsrechtlichen Standard, der grundsätzlich Diskriminierungen anderer Rechtsordnungen im Kollisionsrecht ablehnt. Der Ausschuss begrüßt dies nachdrücklich. Wenn es richtig ist, dass die Anknüpfungselemente einen Sachverhalt einer bestimmten Rechtsordnung zur Lösung zuweisen, kann es keinen Unterschied machen, ob es sich dabei um eine innergemeinschaftliche handelt oder nicht.

5.   Die auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung anzuwendenden Vorschriften (Art. 3-8)

5.1

Art. 3 behandelt mit den Ansprüchen aus unerlaubter Handlung den Kern der Materie. Theoretisch stünden hier eine Reihe alternativer Anknüpfungselemente zur Verfügung, die meist undifferenziert als lex loci delicti (commissi) bezeichnet werden, nämlich die Rechtsordnung, die an dem Ort gilt, an dem die Verletzungshandlung vorgenommen wurde, die Rechtsordnung, die an dem Ort gilt, an dem das Ereignis eingetreten ist, auf dem der Schaden beruht, die Rechtsordnung, die an dem Ort gilt, an dem der Verletzungserfolg eingetreten ist und die Rechtsordnung, die am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Verletzten gilt. Alle Anknüpfungselemente haben Tradition und gute Gründe für sich. Sie werden von verschiedenen geltenden Kollisionsrechten auch tatsächlich genutzt. Aufgabe des europäischen Gesetzgebers ist es daher hier vordringlich, eine einheitliche Regelung in allen Mitgliedstaaten durchzusetzen. Diese Aufgabe steht im Vordergrund, weniger die Frage, welche der hergebrachten Lösungen er wählt. Für die spätere praktische Anwendung muss man sich vergegenwärtigen, dass alle oder viele dieser Anknüpfungselemente in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle in der Praxis zusammenfallen. Der Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes des Geschädigten wird in der Regel derselbe sein, wie der an dem der Schaden und das schädigende Ereignis eingetreten sind und zugleich mit dem Ort der Verletzungshandlung übereinstimmen. Der Streit um den richtigen Ort ist daher bei praktischen Fällen vielleicht i.d.R. ein mehr theoretischer. Der Europäische Gesetzgeber will sich für die Schadeneintrittsort-Regel entscheiden. Ob dies tatsächlich der Tendenz der neueren Kodifikationen in diesem Bereich entspricht, mag dahin stehen (12), doch lässt sich die Wahl damit begründen, dass damit letztlich dem Schutz des Geschädigten Vorrangs eingeräumt wird, ohne die Interessen des Schädigers völlig zu vernachlässigen. Dies wäre etwa der Fall, wenn man allein auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Geschädigten abstellte. Ein Abstellen allein auf den Handlungsort würde den Schädiger unangemessen begünstigen (13), weil den berechtigten Schutzerwartungen des Geschädigten nicht entsprochen wird. Dieses Bemühen des Gesetzgebers um einen Ausgleich der beteiligten Interessen erscheint in jeder Hinsicht akzeptabel. Die Einschränkung der allgemeinen Regel durch Art. 3 Abs. 2 bei gleichem gewöhnlichen Aufenthalt der Beteiligten entspricht der Natur der Sache und vermeidet unnötige Exkurse in fremde Rechtsordnungen. Abs. 3 ist als allgemeines Korrektiv angebracht und entspricht funktionell Art. 4 Abs. 5 S. 2 EVÜ. In der Rechtsanwendungspraxis wird allerdings darauf zu achten sein, dass über diese Ausnahmeklausel für Einzelfälle nicht in Mitgliedstaaten, die bisher der Handlungsort-Regel folgten, die vom Gemeinschaftsgesetzgeber angestrebte grundsätzliche Umorientierung unterlaufen wird.

5.2

Für die Produkthaftungsfälle (Art. 4) beruft die Verordnung das Recht des Staates zur Anwendung, in dem der Geschädigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die getroffene Regelung ist vor allem vor dem Hintergrund der z. T. heftigen Auseinandersetzungen im Vorfeld der Anhörung vom 6. Januar 2003 als Kompromissvorschlag zu sehen. Denkbare und diskutierte andere Anknüpfungselemente erscheinen weniger geeignet: Der Erwerbsort etwa mag rein zufällig sein, lässt sich in bestimmten Konstellationen auch kaum sinnvoll bestimmen (Internetkäufe). Ebenso zufällig kann in Produkthaftungsfällen der Ort des Schadeneintritts sein (wenn etwa der Erwerber der Sache sich auf Reisen befindet und dort zu Schaden kommt). Letztlich wäre auch der Herstellungsort des Produktes als Anknüpfungselement nicht befriedigend, da dieser unter den Bedingungen der Globalisierung eher marginale Beziehungen zum Sachverhalt aufweisen kann. Das gewählte Anknüpfungselement hingegen stellt die schutzwürdigen Interessen des Geschädigten in den Vordergrund. Seine Wahl ist umso mehr gerechtfertigt, als sich in der von der Kommission durchgeführten Anhörung am 1. Januar 2003 auch die Vertreter der hauptsachlich betroffenen Industrie und der Versicherungswirtschaft als Entgegenkommen gegenüber den Vertretern der Verbraucher ganz überwiegend hierfür ausgesprochen haben. Den berechtigten Interessen der Industrie wird mit der Einschränkung der generellen Regel (Inverkehrbringen ohne Zustimmung) auch nach deren in der Anhörung geäußerter Meinung hinreichend Rechnung getragen.

5.3

Die von der Verordnung aufgestellte Regel zum unlauteren Wettbewerb (Art. 5) gibt letztlich die klassische Anknüpfungsregel in diesem Bereich wieder, nämlich dass das Recht des Ortes Anwendung findet, an dem der Eingriff in den Wettbewerb sich unmittelbar und wesentlich beeinträchtigend auswirkt (Ort der effektiven Wettbewerbsbeeinträchtigung). Diese Regel schafft über ihre Gleichbehandlung von in- und ausländischen Wettbewerbern im Hinblick auf die von ihnen einzuhaltenden Regeln Chancengleichheit im Wettbewerb. Die gleiche Materie wird allerdings in Art. 4 Nr. 1 des Entwurfs der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (14) abweichend unter Heranziehung des Sitzlandprinzips behandelt. Auch wenn die Begründungen zu beiden Rechtsinstrumenten auf diese Differenz nicht eingehen, lässt sich dieser Widerspruch in Anwendung allgemeiner Prinzipien des Gemeinschaftsrechts und des Binnenmarktes wie folgt auflösen: Art. 5 der Verordnung regelt das Außenrecht der Gemeinschaft im Verhältnis zu Nicht-Mitgliedstaaten (bzw. in Bereichen, die von der Richtlinie nicht erfasst sind) und Art. 4 Nr. 1 der Richtlinie regelt das Innenverhältnis der Mitgliedstaaten im Binnenmarkt. Wenn dies so gewollt ist, täte die Kommission allerdings gut daran, dies in den Begründungen für beide Rechtsinstrumente deutlich klarzustellen. Es bleibt dann immer noch der schwer erträgliche Zustand, dass zwischen Wettbewerbern, die aus dem In- und Nicht-EU-Ausland stammen, in einem Mitgliedstaat gleiche Regeln gelten, während eventuell ungleiche gelten, wenn beide aus unterschiedlichen EU-Staaten stammen (letzteres ist allerdings eine Frage des Grades der Harmonisierung des materiellen Wettbewerbsrechts in der Richtlinie). Die Einschränkung der allgemeinen Regel des Art. 5 Nr. 1 ist die Regelung eines voraussichtlich in der Praxis eher selten vorkommenden Falles, in der sich die Wettbewerbsverletzung nicht generell, sondern nur individuell auswirkt. Die Unterstellung unter allgemeine Regeln der unerlaubten Handlung wird dadurch gerechtfertigt.

Der Ausschuss regt an, über eine Änderung des Titels dieser Vorschrift in „Wettbewerb und unlautere Handelspraktiken“ nachzudenken, um das Anliegen klarer auszudrücken, dass die Regelung umfassend alle Wettbewerbsverstöße abdecken will.

5.4

Es mag auf den ersten Blick verwundern, in einem Rechtsinstrument, dass sich mit dem Kollisionsrecht der außervertraglichen Schuldverhältnisse befasst, Regelungen zu Persönlichkeitsrechtsverletzungen und zur Verletzung der Privatsphäre (Art. 6) zu finden, da dies traditionell in vielen Rechtsordnungen dem Personenrecht zugeordnet ist. In neuerer Zeit hat insoweit jedoch in vielen Mitgliedstaaten eine andere Bewertung Platz gegriffen, und die Materie wird dort heute in der Nähe der unerlaubten Handlungen angesiedelt. Insoweit ist es gerechtfertigt, sie hier aufzugreifen. Die Nähe zu den in Art. 5 und 8 behandelten Materien ist ebenfalls nicht zu bestreiten. Die in Art. 6 Abs. 1 aufgestellte Regel ist zustimmungswürdig. Gleiches gilt für die Regelung des Gegendarstellungsanspruchs in Abs. 2. Der Ausschuss regt an zu erwägen, ob die Ausnahmeregel zugunsten der lex fori nicht u.U. durch Art. 22 ohnehin schon überflüssig gemacht wird.

5.5

Im Bereich der Umweltschädigung (Art. 7) steht die Grundregel in Übereinstimmung mit der allgemeinen deliktischen Anknüpfung nach Art. 3, doch wird es dem Geschädigten überlassen, das (für ihn u.U. günstigere) Recht des Ortes zu wählen, an dem das Ereignis eintrat, das den Schaden verursacht hat. Es ist unverkennbar, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber mit der Durchbrechung der Grundregel durch das Wahlrecht des Geschädigten im kollisionsrechtlichen Gewand eigentlich außerhalb des Kollisionsrechts liegende Ziele verfolgt, indem er nämlich generalpräventiv dem potentiellen Umweltschädiger mit einem strengeren materiellen Recht droht und ihn so zu veranlassen versucht, den Umweltschutz mit besonderer Sorgfalt zu betreiben. Dieser Aspekt wird auch in der Begründung zu Art. 7 deutlich.

5.6

Die Anknüpfungsregel zum Schutz geistigen Eigentums (Art. 8) entspricht der allgemein in diesem Bereich anerkannten Regel, wonach das Recht maßgeblich sein sollte, das an dem Ort gilt, an dem der Schutz beansprucht wird. Dies führt zu einer begrüßenswerten Gleichbehandlung von In- und Ausländern im jeweiligen Hoheitsgebiet. Es wäre kaum erklärbar, wieso die Früchte geistiger Arbeit eines Ausländers einen geringeren oder höheren Schutz genießen sollten als die eines Inländers. Art. 8 Abs. 2 drückt eine Selbstverständlichkeit aus.

6.   Die auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus anderer als unerlaubter Handlung anzuwendenden Vorschriften

6.1

Das Recht der unerlaubten Handlungen, wie es in Kapitel II, Abschnitt 1 der Verordnung behandelt wird, bildet zwar den Schwerpunkt der außervertraglichen Schuldverhältnisse, doch ist insbesondere für die Fälle der ungerechtfertigten Bereicherung und der Geschäftsführung ohne Auftrag eine Regelung erforderlich. Daneben kennen die Mitgliedstaaten in unterschiedlicher Zahl und Ausprägung weitere außervertragliche Schuldverhältnisse, für deren Regelung sich der Rückgriff auf eine Generalklausel anbietet, wie es der Gesetzgeber in Art. 9 Abs. 1 zu Recht tut.

6.2

Beruht ein außervertragliches Schuldverhältnis auf einem zwischen den Parteien ohnehin bestehenden Rechtsverhältnis (dazu gehören auch Verträge), entspricht es der Natur der Dinge, das Recht zur Regelung zu berufen, dass dieses ohnehin bestehende Rechtsverhältnis regiert (akzessorische Anknüpfung). Gerade im Hinblick auf Verträge, die in der Vorschrift besonders erwähnt werden, ist allerdings das EVÜ zu beachten, das eine eigene Regelung zum Anwendungsbereich enthält. Art. 9 Abs. 1 ist aber flexibel genug formuliert, um einen nahtlosen Anschluss an die Regelung des EVÜ zu gewährleisten, ohne zu Widersprüchen zu führen. Die in Art. 9 Abs. 2 getroffene Regelung entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 der Verordnung und ist aus denselben Gründen gerechtfertigt.

6.3

Die Regelung der ungerechtfertigten Bereicherung, die das Recht des Staates zur Anwendung beruft, in dem die Bereicherung erfolgte (Art. 9 Abs. 3), steht in Übereinstimmung mit den in den meisten Mitgliedstaaten anerkannten Grundsätzen. Erfolgte die Bereicherung auf Grund eines (unwirksamen) Vertragsverhältnisses, ist nach der Logik des Art. 9 allerdings schon dessen Abs. 1 anwendbar. (15) Es wäre angebracht, dies im Normtext deutlicher zum Ausdruck zu bringen, um von vornherein bei weniger versierten Rechtsanwendern hierüber keine Zweifel aufkommen zu lassen. Als Beispiel dafür könnte die Regelung in Art. 38 Abs. 1 und 3 des deutschen EGBG dienen, die dem gleichen Grundsatz folgt. Nach den Erläuterungen, die die Vertreterin der Kommission zu der Vorschrift gegeben hat, soll diese Anknüpfung nur zur Anwendung kommen, wenn nicht ohnehin schon eine akzessorische Anknüpfung nach Art. 9 Abs. 1 oder Abs. 2 vorgenommen werden kann. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass dies erheblich deutlicher zum Ausdruck gebracht werden sollte, um Missverständnissen der Rechtsanwender vorzubeugen.

6.4

Für die Geschäftsführung ohne Auftrag will die Verordnung das Recht des Ortes des gewöhnlichen Aufenthalts des Geschäftsherrn berufen (mit Ausnahme der Spezialfälle in Art. 9 Abs. 4 Satz 2). Diese Regelung stellt eine kollisionsrechtliche Bevorzugung des Geschäftsherrn dar. Würde man an das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes des Geschäftsführers anknüpfen, bevorzugte man diesen. Es besteht jedoch — vom Gesetzgeber offenbar nicht erwogen — die Möglichkeit, kollisionsrechtliche Neutralität zu üben, indem das Recht des Ortes für anwendbar erklärt wird, an dem das Geschäft vorgenommen wird. Die Kommission wird aufgefordert zu erwägen, ob nicht eine solche Lösung sachgerechter wäre. Dies gilt um so mehr, als der Gesetzgeber in Art. 9 Abs. 4 S. 2 bereits eine Regelung getroffen hat, die in die vorgeschlagene Richtung tendiert. Nach den Erläuterungen, die die Vertreterin der Kommission zu der Vorschrift gegeben hat, soll diese Anknüpfung nur zur Anwendung kommen, wenn nicht ohnehin schon eine akzessorische Anknüpfung nach Art. 9 Abs. 1 oder Abs. 2 vorgenommen werden kann. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass dies erheblich deutlicher zum Ausdruck gebracht werden sollte, um Missverständnissen der Rechtsanwender vorzubeugen.

6.5

Die Ausnahmeklausel, die in Art. 9 Abs. 5 ggf. das Recht beruft, zu dem eine engere Beziehung besteht, entspricht Art. 3 Abs. 3 der Verordnung und ist aus den gleichen Gründen gerechtfertigt. Es stellt sich indes die Frage, ob nicht hieraus insgesamt ein übergeordnetes Prinzip ableitbar ist, dass für alle Verweisungen der Verordnung Geltung beanspruchen kann, also auch für diejenigen in den Art. 4-8, für die es noch nicht vorgesehen ist. Die Kommission möge dies erwägen und bejahendenfalls eine entsprechende Norm in Abschnitt 3 einfügen. In diesem Falle wären Art. 3 Abs. 3 und Art 9 Abs. 5 zu streichen.

6.6

Art. 9 Abs. 6 ist nach Ansicht des Ausschusses überflüssig, da sich dessen Folgen bereits aus der Existenz der Spezialnorm des Art. 8 ergeben. Die Beibehaltung der Vorschrift ist allerdings auch nicht schädlich.

7.   Gemeinsame Kollisionsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung und für außervertragliche Schuldverhältnisse aus anderer als unerlaubter Handlung

7.1

Die Überschrift des 3. Abschnittes von Kapitel II ist unnötig kompliziert und erschwert das Verständnis. Der Ausschuss empfiehlt hier dem Beispiel des EVÜ zu folgen und den Abschnitt zu überschreiben: „Gemeinsame Vorschriften“.

7.2

Mit der Einräumung einer nachträglichen Rechtswahlmöglichkeit für die Parteien eines außervertraglichen Schuldverhältnisses (Art. 10) folgt die Verordnung zu Recht einer fortschrittlichen Tendenz, die sich etwa in Art. 42 des deutschen EGBG oder in Art. 6 des niederländischen IPR-Gesetzes durchgesetzt hat. Der Ausschuss begrüßt dies. Der Vorbehalt für nichtdisponibles Recht in Art. 10 Abs. 2 und 3 ist anerkannter Standard zur Vermeidung von Umgehungen durch die Parteien und daher — obwohl er die Rechtsanwendung in der Praxis verkompliziert — nicht zu beanstanden.

7.3

Bei der Normierung des Anwendungsbereichs der Art. 3-10 der Verordnung folgt der Gesetzgeber in entsprechend angepasster Form dem Vorbild von Art. 10 EVÜ. Die große Detaillierung lässt in anerkennenswerter Weise das Bemühen um ein hohes Maß an Rechtssicherheit erkennen.

7.4

Problematisch erscheint allerdings die in Art. 11 d) der Verordnung getroffene Regelung im Hinblick darauf, dass nach allgemein anerkannten Grundsätzen das Prozessrecht der lex fori unterliegt. Der Europäische Gesetzgeber sollte dies nicht antasten. Sofern es um prozessuale Schritte zur Durchsetzung und (vorbeugenden) Sicherung materieller Ansprüche geht, sollten diese in verfahrensmäßiger Hinsicht grundsätzlich dem Recht des zuständigen Gerichts unterliegen. Die Frage, ob der Anspruch als solcher (materiell) besteht, sollte dem nach den Art. 3-10 bestimmten Recht unterliegen. Die Begründung deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber dies gemeint hat. Wo prozessualer Weg zur Durchsetzung und materieller Anspruch so eng miteinander verwoben sind, dass eine Trennung nicht mehr möglich ist, ist eine Ausnahme von der lex-fori-Regel gerechtfertigt und es mag die lex causae herangezogen werden.

7.5

Art. 12, der die schwierige Thematik der Eingriffsnormen (zwingende Bestimmungen, lois de police) regelt, lehnt sich (unter Berücksichtigung der von der Sache her gebotenen Modifikationen) an Art. 7 EVÜ an und entspricht damit dem anerkannten kollisionsrechtlichen Standard. Die gegenüber dem EVÜ abweichende Titulatur entspricht dem seit 1980 fortentwickelten Sprachgebrauch in diesem Bereich.

7.6

Art. 13 schafft die Voraussetzungen dafür, dass im Hinblick auf Sicherheits- und Verhaltensvorschriften eine direkte Anknüpfung stattfinden kann, was grundsätzlich gerechtfertigt ist. Nach Ansicht des Ausschusses sollten diejenigen Regeln maßgeblich sein, die am Handlungsort gegolten haben, denn deren Beachtung kann man vom Schädiger erwarten. Die Regelung in Art. 7 des Haager Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anwendbare Recht ist im Übrigen (entgegen der Begründung - S. 28) in diesem Sinne zu verstehen, da sie auf den Ort des Unfalls abstellt. Der Vertreter der Kommission hat Art. 13 auf Nachfragen auch in diesem Sinne erläutert. Nach Ansicht des Ausschusses wird dies zumindest nicht in allen Sprachfassungen mit hinreichender Deutlichkeit klar. Der Ausschuss fordert die Kommission daher auf, in Art. 13 der Verordnung die Sicherheits- und Verhaltensregeln unzweifelhaft für maßgeblich zu erklären, die am Handlungsort gegolten haben.

7.7

Die Anknüpfungsregel für die unmittelbare Geltendmachung eines Ersatzanspruchs gegen einen Versicherer entspricht der Natur der Sache und stellt das materielle Pendant auch zu der verfahrensrechtlichen Regelung in Art. 11 Abs. 2 EuGVO dar.

7.8

Die Regelung zum gesetzlichen Forderungsübergang (Art. 15) stimmt mit Art. 13 EVÜ überein und ist unproblematisch. Die Kommission wird darauf zu achten haben, dass diese Übereinstimmung auch nach Überarbeitung des EVÜ zu einer europäischen Verordnung (Rom-I-VO) erhalten bleibt. Dasselbe gilt für Art. 17 (Beweis), der Art. 14 EVÜ entspricht. Art. 16 stellt die Übernahme des wegen der unterschiedlichen Materie im EVÜ allein als Vorbild in Betracht kommenden Art. 9 Abs. 4 dar und ist eine gelungene Adaption.

8.   Sonstige Vorschriften/Schlussvorschriften

8.1

Die in Kapitel III und IV der Verordnung behandelten Themen stellen überwiegend unproblematische, weil dem allgemeinen kollisionsrechtlichen Standard entsprechende technische Regelungen dar, die keiner ins Einzelne gehenden Kommentierung bedürfen. Dies gilt insbesondere für Art. 20 (Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung), der Art. 15 EVÜ entspricht, Art. 21 (Mehrrechtsstaaten), der Art. 19 EVÜ entspricht, Art. 22 (ordre public des Forums), der Art. 16 EVÜ entspricht, und Art. 25 (Verhältnis zu bestehenden Abkommen), der Art. 21 EVÜ entspricht.

8.2

Art. 18 der Verordnung stellt bestimmte Gebiete, die keiner unmittelbaren Hoheitsgewalt unterliegen, für Zwecke der Verordnung dem Hoheitsgebiet eines Staates gleich. Damit werden unerwünschte Lücken bzw. zufällige Anknüpfungen im Kollisionsrechtssystem vermieden. Der Ausschuss begrüßt dies.

8.3

Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person spielt im heutigen IPR und in Übereinstimmung damit in der Verordnung eine zentrale Rolle für die Anknüpfung. Während die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts natürlicher Personen weitgehend unproblematisch ist, können bei juristischen Personen Zweifel darüber entstehen. Die Verordnung beseitigt diese sachgerecht, indem sie insoweit die Hauptniederlassung für maßgeblich erklärt. Eine Übernahme von Art. 60 EuGVO wäre nicht sachgerecht gewesen, da die EuGVO generell auf den Wohnsitz, nicht auf den gewöhnlichen Aufenthalt abstellt und zudem die dort angebotene Dreifach-Lösung zu weniger Rechtssicherheit geführt hätte.

8.4

Art. 24 wurde vom Gesetzgeber erst nach entsprechenden Anregungen in der Anhörung vom Januar 2003 in den Verordnungstext aufgenommen. Er hat ein Vorbild in Art. 40 Abs. 3 des deutschen EGBG, der dazu dienen soll, die Geltendmachung von Ansprüchen, die nach der communis opinio in der Gemeinschaft als exorbitant einzustufen sind, bereits auf materiell-rechtlicher Basis zu verhindern und dabei insbesondere Streit und Diskussionen darüber, ob diese dem ordre public widersprechen, überflüssig zu machen. Der Ausschuss begrüßt diese Absicht des Gesetzgebers nachdrücklich. Er gibt jedoch zu bedenken, dass dem Ersatzberechtigten nicht damit gedient wäre, wenn er (aus an sich billigenswerten rechtspolitischen Gründen) einen entstandenen Schaden überhaupt nicht ersetzt bekäme, weil eine fremde Sachnorm sowohl Grundlage für einen auch aus Sicht der Mitgliedstaaten angemessenen Schadensersatz wie auch für einen nicht akzeptablen Strafschadensersatz (punitive damages, triple damages) ist. Der Ausschuss befürchtet, dass die derzeitige Formulierung von Art. 24 jedoch gerade einer solchen Totalversagung von Ansprüchen Vorschub leisten könnte. Er schlägt deshalb vor, die Vorschrift wie folgt neu zu fassen:

„Die Anwendung einer Norm des nach dieser Verordnung bezeichneten Rechts begründet dann und nur insoweit keinen Anspruch auf eine Leistung, als diese offensichtlich anderen Zwecken als einer angemessenen Entschädigung des Verletzten dient.“

8.5

Die Verordnung enthält in Art. 25 einen Vorbehalt zugunsten internationaler Übereinkommen, der diesen, soweit Mitgliedstaaten durch solche gebunden sind, im Bereich des Kollisionsrechts der außervertraglichen Schuldverhältnisse Vorrang einräumt. Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen Art. 21 EVÜ, enthält aber anders als das EVÜ keine Befreiung für die Eingehung künftiger vertraglicher Verpflichtungen, die vom Gemeinschaftsrecht abweichen. Dieser Unterschied erklärt sich aus der intendierten Eigenschaft der VO als den nationalen Gesetzgeber bindendes Recht und der Notwendigkeit in Zukunft eine weitere Zersplitterung der Rechtslage in der Gemeinschaft zu verhindern. Den Vorbehalt begrüßt der Ausschuss, denn er ermöglicht es den Mitgliedstaaten ihren in der Vergangenheit eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen auch künftig nachzukommen und ihre Mitgliedschaft in wichtigen, z.T. weltweit geltenden Abkommen, weiterhin aufrecht zu erhalten. Der Ausschuss erinnert in diesem Zusammenhang nur beispielhaft an die Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst vom 9. September 1896, das Agreement on Trade-related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS), das Internationale Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung einzelner Regeln über die Hilfeleistung und Bergung in Seenot vom 23. September 1910 und das Internationale Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung der Eigentümer von Seeschiffen.

9.   Schlussfolgerung

Der Ausschuss fordert die Kommission auf, nach Vornahme von Korrekturen, die Arbeiten an der Verordnung so schnell wie möglich abzuschließen, damit diese in Kraft treten kann. Die Kommission sollte

eine Klärung des Verhältnisses von Art. 5 der Verordnung und Art. 4 Nr. 1 der Richtlinie über unlauteren Wettbewerb herbeiführen und die Begründung entsprechend anpassen,

überprüfen, ob die Einräumung eines Wahlrechts für den Geschädigten im Bereich der Umweltschädigung (Art. 7) tatsächlich angemessen ist,

das Verhältnis des Art. 9 Abs. 3, 4 zu Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 im Wortlaut der Verordnung stärker verdeutlichen,

erwägen, ob es nicht sachgerechter wäre, in Art. 9 Abs. 4 das Recht des Ortes für maßgeblich zu erklären, an dem das Geschäft vorgenommen wird,

überprüfen, ob Art. 9 Abs. 5 zu einem allgemeinen Prinzip der Verordnung aufgewertet werden und in Abschnitt 3 untergebracht werden kann,

die Überschrift des 3. Abschnittes abändern in „Gemeinsame Vorschriften“,

in Art. 13 der Verordnung die Sicherheits- und Verhaltensregeln für unzweifelhaft maßgeblich erklären, die am Handlungsort gegolten haben,

Art. 24 wie folgt umformulieren:

„Die Anwendung einer Norm des nach dieser Verordnung bezeichneten Rechts begründet dann und nur insoweit keinen Anspruch auf eine Leistung, als diese offensichtlich anderen Zwecken als einer angemessenen Entschädigung des Verletzten dient.“

Brüssel, den 2. Juni 2004

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger BRIESCH


(1)  Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. L 12 vom 16.1.2001, S. 1.

(2)  Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, Dokument KOM(2002) 159 endgültig vom 18.4.2002.

(3)  Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten, ABl. L 160 vom 30.6.2000, S. 37.

(4)  Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen, ABl. L 174 vom 27.6.2001, S. 1.

(5)  Empfehlung der Kommission vom 30. März 1998 betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind (98/257/EG), ABl. L 115 vom 17.4.1998, S. 31.

(6)  Entscheidung des Rates vom 28. Mai 2001 über die Einrichtung eines europäischen justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen (2001/470/EG), ABl. L 174 vom 27.6.2001, S. 25.

(7)  Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zum Europäischen Vertragsrecht (2001/C 255/01), ABl. C 255 vom 13.9.2001, S. 1.

(8)  ABl. L 61 vom 10.3.1990, S. 14.

(9)  ABl. L 95 vom 21.4.1993, S. 29.

(10)  Grünbuch der EU-Kommission über die Umwandlung des römischen Schuldvertragsrechtsübereinkommens in ein Gemeinschaftsrechtsinstrument (KOM(2002) 654 endg.).

(11)  Genfer Übereinkommen über Bestimmungen auf dem Gebiet des internationalen Wechselprivatrechts vom 7. Juni 1930 und Genfer Übereinkommen über Bestimmungen auf dem Gebiet des internationalen Scheckprivatrechts vom 19. März 1931 sowie Pariser Übereinkommen vom 29. Juli 1960 mit einer Reihe ergänzender Übereinkommen.

(12)  Anders etwa die seit 1999 geltende deutsche Regelung in Art. 40 Abs. 1 EGBGB, die den Handlungsort als Anknüpfungskriterium nutzt.

(13)  Er kennt im Zweifel das dortige Recht, muss sich um anderes nicht kümmern und kann ggf. bei riskanten Handlungen von einem niedrigeren Haftungsniveau profitieren.

(14)  Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinien 84/450/EWG, 97/7/EG und 98/27/EG Dokument KOM(2003) 356 vom 18.6.2003.

(15)  So auch sehr kurz und daher nicht unmittelbar eingängig die Begründung (S. 24).