52003PC0427

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf Ausservertragliche schuldverhältnisse Anzuwendende Recht ("ROM II") /* KOM/2003/0427 endg. - COD 2003/0168 */


Vorschlag für eine VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES ÜBER DAS AUF AUSSERVERTRAGLICHE SCHULDVERHÄLTNISSE ANZUWENDENDE RECHT ("ROM II")

(von der Kommission vorgelegt)

BEGRÜNDUNG

1. EINLEITUNG

1.1. Hintergrund

Die Union hat sich gemäß Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union zum Ziel gesetzt, die Union als einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu erhalten und weiterzuentwickeln, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist und in dem Rechtsuchende sich in jedem Mitgliedstaat ebenso einfach wie in ihrem eigenen an Gerichte und Behörden wenden können, um ihre Rechte geltend zu machen.

Um einen echten europäischen Rechtsraum zu schaffen, erlässt die Gemeinschaft gemäß Artikel 61 Buchstabe c) und Artikel 65 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, soweit sie für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich sind. Auf seiner Sondertagung in Tampere vom 15./16. Oktober 1999 [1] hat sich der Europäische Rat den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Urteilen und anderen Entscheidungen von Justizbehörden zu Eigen gemacht, der zum Eckstein der justiziellen Zusammenarbeit innerhalb der Union werden soll. Rat und Kommission wurden ersucht, bis Dezember 2000 ein Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung anzunehmen.

[1] Schlussfolgerungen des Vorsitzes vom 16. Oktober 1999, Rdnrn. 28-39.

In dem vom Rat am 30. November 2000 angenommenen gemeinsamen Maßnahmenprogramm von Kommission und Rat zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [2] wird betont, dass es sich bei den Maßnahmen zur Harmonisierung der Kollisionsnormen um flankierende Maßnahmen handelt, die die Umsetzung dieses Grundsatzes erleichtern sollen. Das Wissen darum, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten zur Bestimmung des auf einen bestimmten Sachverhalt inhaltlich anwendbaren Rechts dieselben Kollisionsnormen heranziehen, stärkt das Vertrauen in die in anderen Mitgliedstaaten ergangenen Entscheidungen und ist für die Erreichung des längerfristig anzustrebenden freien Verkehrs gerichtlicher Entscheidungen, ohne dass hierzu Zwischenmaßnahmen erforderlich sind, unabdingbar.

[2] ABl. C 12 vom 15.1.2001, S. 1.

1.2. Ergänzung zu anderen IPR-Instrumenten auf Gemeinschaftsebene

Diese Initiative fügt sich ein in die seit Ende der 60er Jahre auf Gemeinschaftsebene laufenden Arbeiten zur Harmonisierung des Internationalen Privatrechts in Zivil- und Handelssachen. Am 27. September 1968 schlossen die damals sechs Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf der Grundlage von Artikel 293 (ex-Artikel 220) vierter Gedankenstrich EG-Vertrag ein Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ("Brüsseler Übereinkommen"). Ausschlaggebend für die Ausarbeitung des Brüsseler Übereinkommens war die bereits in den EG-Vertrag eingeflossene Erkenntnis, dass es einen Gemeinsamen Markt nur dann geben kann, wenn in einem Mitgliedstaat erlassene Gerichtsentscheidungen ohne Weiteres in jedem anderen Mitgliedstaat anerkannt und vollstreckt werden können. Um die Verwirklichung dieses Ziels zu erleichtern, enthält das Brüsseler Übereinkommen Regelungen darüber, welche mitgliedstaatlichen Gerichte in einem bestimmten Fall mit Auslandsberührung zuständig sind.

Aus einer einfachen Zuständigkeitsregelung lässt sich jedoch nicht verlässlich vorhersagen, wie ein Rechtsstreit in der Sache entschieden wird. Sowohl das Brüsseler Übereinkommen als auch die seit dem 1. März 2001 [3] an seine Stelle getretene Verordnung "Brüssel I" sehen nämlich mehrere Alternativen vor, die dem Kläger die Wahl zwischen mehreren Rechtsordnungen lassen. Es besteht daher die Gefahr, dass eine Partei sich einzig und allein deswegen für die Gerichtsbarkeit eines bestimmten Mitgliedstaats entscheidet, weil dessen materielles Recht im betreffenden Fall für sie günstiger ist.

[3] Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000, ABl. L 12 vom 16.1.2001, S. 1; diese Verordnung trat an die Stelle des Brüsseler Übereinkommens von 1968, dessen konsolidierte Fassung im ABl. C 27 vom 26.1.1998, S. 1 veröffentlicht worden ist. Das Brüsseler Übereinkommen von 1968 gilt allerdings noch im Verhältnis zwischen Dänemark und den übrigen Mitgliedstaaten.

Seit 1967 wird deshalb auf Ebene der Gemeinschaft an einer Kodifizierung der Kollisionsnormen gearbeitet. Auf Einladung der Kommission fanden im Jahr 1969 zwei Expertensitzungen statt mit dem Ergebnis, dass nach allgemeinem Dafürhalten zunächst die Materien behandelt werden sollten, die für die Funktionsweise des Binnenmarkts von besonderer Bedeutung sind wie das Sachen- und Immaterialgüterrecht, das Schuldrecht (vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse) sowie die Form von Rechtsgeschäften. Am 23. Juni 1972 wurde von den Sachverständigen ein erster Vorentwurf für ein Übereinkommen über das auf vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht vorgelegt. 1973 wurde die Sachverständigengruppe nach dem EG-Beitritt des Vereinigten Königreichs, Irlands und Dänemarks erweitert, wodurch sich die Arbeiten verzögerten. Im März 1978 wurde daher beschlossen, die Arbeiten auf vertragliche Schuldverhältnisse zu beschränken, um die Verhandlungen innerhalb einer zumutbaren Frist abschließen zu können. Erst danach sollten Verhandlungen über ein zweites Übereinkommen über außervertragliche Schuldverhältnisse aufgenommen werden.

Am 19. Juni 1980 wurde das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (nachstehend "Übereinkommen von Rom") zur Unterzeichnung aufgelegt. Das Übereinkommen trat am 1. April 1991 in Kraft [4]. Da zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Übereinkommens von Rom keine geeignete Rechtsgrundlage im EG-Vertrag bestand, handelt es sich bei diesem Übereinkommen um einen klassischen völkerrechtlichen Vertrag. Da es als unerlässliche Ergänzung zum Brüsseler Übereinkommen gedacht ist, worauf auch in der Präambel hingewiesen wird, steht es den auf der Grundlage von Artikel 293 (ex-Artikel 220) EG-Vertrag erlassenen Rechtsakten gleich und gehört zum gemeinschaftlichen Besitzstand.

[4] Konsolidierte Fassung des Übereinkommens unter Berücksichtigung der verschiedenen Beitrittsübereinkommen, Erklärungen und der als Anhang beigefügten Protokolle, ABl. C 27 vom 26.1.1998, S. 34.

Der allgemein als "Rom II" bezeichnete Verordnungsvorschlag stellt angesichts des unterschiedlichen Anwendungsbereichs des Brüsseler Übereinkommens und des Übereinkommens von Rom - ersteres umfasst sowohl vertragliche als auch außervertragliche Schuldverhältnisse, während letzteres nur vertragliche Schuldverhältnisse regelt - die natürliche Fortsetzung der Bemühungen um eine Vereinheitlichung der Bestimmungen des Internationalen Privatrechts auf dem Gebiet der vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnisse des Zivil- und Handelsrechts auf Gemeinschaftsebene dar.

1.3. Wiederaufnahme der Arbeiten in den 90er Jahren im Rahmen der Verträge von Maastricht und Amsterdam

Der Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen wurde mit Artikel K.1 Nummer 6 des Vertrags von Maastricht als Angelegenheit von gemeinsamem Interesse der Mitgliedstaaten der Europäischen Union eingestuft. Der Rat der Europäischen Union hatte in seiner Entschließung vom 14. Oktober 1996 zur Festlegung der Prioritäten für die Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres für den Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis zum 30. Juni 1998 [5] seine Absicht bekundet, sich bei der Verfolgung der vom Europäischen Rat festgelegten Ziele in der Zeit vom 1. Juli 1996 bis zum 30. Juni 1998 vorrangig auf bestimmte Themen zu konzentrieren. Darunter nannte er insbesondere die "Aufnahme der Beratungen über die Erforderlichkeit und die Möglichkeit der Einführung [...] eines Übereinkommens über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht".

[5] ABL. C 319 vom 26 Oktober 1996, S. 1.

Im Februar 1998 richtete der Rat einen Fragebogen an die Mitgliedstaaten, der sich auf ein mögliches Übereinkommen über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht bezog. Unter österreichischem Vorsitz fanden vier Arbeitstreffen statt, bei denen die Antworten der Mitgliedstaaten auf diesen Fragebogen behandelt wurden. Bei diesen Arbeitstreffen zeigte sich, dass alle Mitgliedstaaten grundsätzlich eine Regelung des auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendenden Rechts befürworteten. Parallel zu den Arbeiten im Rat finanzierte die Kommission im Rahmen des Programms Grotius ein von der Europäischen Gruppe für Internationales Privatrecht (Groupe Européen de Droit International Privé, Gedip) erstelltes Projekt [6]. Dieses Projekt betraf die Durchführbarkeit eines europäischen Übereinkommens über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht und mündete in einen Übereinkommensentwurf [7]. Die Arbeiten der Ad-hoc-Gruppe des Rates "Rom II" wurden das ganze Jahr 1999 über unter deutschem und finnischem Ratsvorsitz auf der Grundlage eines Entwurfs des österreichischen Ratsvorsitzes sowie des von der Gedip ausgearbeiteten Entwurfs fortgesetzt. Dabei ergab sich ein erster Konsens über eine Reihe von Kollisionsnormen, der in diesem Verordnungsvorschlag angemessen berücksichtigt wurde.

[6] Projekt Nr. GR/97/051.

[7] Einsehbar unter der Internetadresse: http://www.drt.ucl.ac.be/gedip/ gedip_documents.html.

Durch den Vertrag von Amsterdam, der am 1. Mai 1999 in Kraft trat, wurde der Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen "vergemeinschaftet", so dass der Rat "Justiz und Inneres" am 3. Dezember 1998 einen Aktionsplan des Rates und der Kommission zur bestmöglichen Umsetzung der Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags über den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts [8] annehmen konnte. Im Aktionsplan wird daran erinnert, dass Rechtssicherheit und gleicher Zugang zum Recht unter anderem eine "eindeutige Festlegung des anwendbaren Rechts" voraussetzen. Unter Rdnr. 40 heißt es insbesondere: "Folgende Maßnahmen sollten binnen zwei Jahren nach Inkrafttreten des Vertrags ergriffen werden: [...] b) Erstellung eines Rechtsakts betreffend das auf die außervertraglichen Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II)".

[8] ABl. C 19 vom 23.1.1999, S. 1.

Am 3. Mai 2002 leitete die Kommission eine Konsultation aller interessierten Kreise über einen ersten von der Generaldirektion Justiz und Inneres ausgearbeiteten Vorentwurf für eine Verordnung "Rom II" ein. Diese Konsultation fand ein großes Echo mit rund 80 schriftlichen Beiträgen, die die Kommission von den Mitgliedstaaten, Hochschulen, Wirtschafts- und Verbraucherverbänden erhielt. [9] Die Konsultation wurde am 7. Januar 2003 mit einer Anhörung in Brüssel abgeschlossen. Die eingegangenen Beiträge und Kommentare wurden im vorliegenden Verordnungsvorschlag gebührend berücksichtigt.

[9] Die bei der Kommission eingegangenen Beiträge können eingesehen werden unter: http://europa.eu.int/comm/justice_home/ news/consulting_public/rome_ii/news_summary_rome2_en.htm.

2. VORSCHLAG FÜR EINE VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

2.1. Allgemeines Ziel - Größere Berechenbarkeit des anwendbaren Rechts

Ziel des vorliegenden Verordnungsvorschlags ist die Vereinheitlichung der einzelstaatlichen Kollisionsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse und die Vervollständigung der auf Gemeinschaftsebene mit der Verordnung "Brüssel I" und dem Übereinkommen von Rom von 1980 bereits weit fortgeschrittenen Arbeiten zur Harmonisierung des Internationalen Privatrechts in Zivil- und Handelssachen.

Die Harmonisierung der Kollisionsnormen, die nicht mit der materiellrechtlichen Harmonisierung verwechselt werden darf, zielt auf jene Normen ab, nach denen sich bestimmt, welches Recht auf ein Schuldverhältnis anzuwenden ist. Diese Technik ist für die Behandlung grenzüberschreitender Streitfälle besonders gut geeignet, da sich mit ihrer Hilfe mit hinreichender Sicherheit feststellen lässt, welches Recht auf ein bestimmtes Schuldverhältnis unabhängig vom Gerichtsstand anzuwenden ist. Gleichzeitig wird so die Entstehung eines europäischen Rechtsraums gefördert. Statt die mitunter stark divergierenden Kollisionsnormen aller Mitgliedstaaten, deren Gerichte in einer bestimmten Sache zuständig sein könnten, zu prüfen, reicht es aus, die hier vorgeschlagenen einheitlichen Kollisionsnormen heranzuziehen. Auf diese Weise fallen bei einem Rechtsstreit weniger Kosten an und das in einem konkreten Fall anwendbare Recht wird berechenbarer, was sich positiv auf die Rechtssicherheit auswirkt.

Diese allgemeinen Feststellungen gelten ganz besonders für außervertragliche Schuldverhältnisse, deren Bedeutung für den Binnenmarkt aus den bestehenden oder geplanten Rechtsvorschriften zur Regelung besonderer Schuldverhältnisse deutlich wird (z. B. zur Produkt- oder zur Umwelthaftung). Die Angleichung des materiellen Schuldrechts steht dagegen erst am Anfang. Trotz gemeinsamer Prinzipien bestehen nach wie vor erhebliche Abweichungen zwischen den Mitgliedstaaten, insbesondere in folgenden Fragen: Abgrenzung zwischen verschuldensabhängiger und verschuldensunabhängiger Haftung; Ersatz indirekter oder Dritten entstandener Schäden; Ersatz immaterieller Schäden einschließlich immaterieller Drittschäden; Ersatz über den erlittenen Schaden hinaus (so genannter Strafschadenersatz oder Schadenersatz mit abschreckender Wirkung); Voraussetzungen für die Haftung Minderjähriger; Verjährungsfristen. Mehrere Vertreter der Wirtschaft haben bei den von der Kommission durchgeführten Konsultationen darauf hingewiesen, dass die Wahrnehmung der Grundfreiheiten im Binnenmarkt durch diese Unterschiede erschwert wird. Da mit einer Harmonisierung des materiellen Rechts in naher Zukunft nicht zu rechnen ist, haben sie stattdessen auf die Kollisionsnormen abgestellt, deren Harmonisierung das anwendbare Recht berechenbarer machen würde.

Eine vergleichende Analyse der Kollisionsnormen lässt erkennen, dass die derzeitige Rechtslage nicht dem Bedürfnis der Wirtschaftsteilnehmer nach Berechenbarkeit entspricht und die Unterschiede sehr viel deutlicher ausgeprägt sind als bei den vertraglichen Schuldverhältnissen vor Harmonisierung der Kollisionsnormen durch das Übereinkommen von Rom. Zwar messen heute nahezu alle Mitgliedstaaten der Regel lex loci delicti commissi Vorrang ein, wonach unerlaubte Handlungen dem Recht des Orts unterliegen, an dem sie vorgenommen wurden, doch ist die Anwendung dieser Norm bei komplexen Sachverhalten problematisch, d. h. wenn das schädigende Ereignis und der Schaden nicht demselben Staat zuzuordnen sind [10]. Die Regel lex loci delicti commissi ist bei außervertraglichen Schuldverhältnissen mit Auslandsberührung in den einzelstaatlichen Rechtsordnungen unterschiedlich ausgestaltet. Während einige Mitgliedstaaten weiterhin an der überkommenen Lösung festhalten, die in der Anwendung des Rechts des Staates besteht, in dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, gehen die jüngsten Bestrebungen eher dahin, das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eingetreten ist. Um das positive Recht eines Mitgliedstaats zu erfassen, reicht es nicht aus zu wissen, ob dieser Staat auf das schädigende Ereignis oder auf den Schaden abstellt. Die Grundregel muss mit anderen Kriterien kombiniert werden. Immer mehr Mitgliedstaaten erlauben beispielsweise dem Kläger, das für ihn günstigste Recht zu wählen. Andere überlassen es dem Gericht zu entscheiden, welches Land mit dem Streitfall die engste Verbindung aufweist - entweder aufgrund der allgemeinen Kollisionsnorm oder, wenn diese sich im konkreten Fall als ungeeignet erweist, aufgrund einer speziellen Norm. Allgemein wird in den meisten Mitgliedstaaten eine mitunter komplizierte Kombination verschiedener Kollisionsnormen herangezogen. Diese Lösungsansätze sind nicht nur unterschiedlich, sie sind häufig auch nur schwer nachvollziehbar, weil nur wenige Mitgliedstaaten ihre Kollisionsnormen kodifiziert haben. In anderen Mitgliedstaaten wurden Kollisionsnormen von der Rechtsprechung entwickelt, deren Anwendung häufig nicht eindeutig ist, insbesondere bei den Schuldverhältnissen aus unerlaubter Handlung.

[10] Zur Würdigung der in diesen Fällen herangezogenen Anknüpfungspunkte zur Feststellung der gerichtlichen Zuständigkeit vgl. die Verweise in den nachstehenden Fußnoten auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs.

Die Ersetzung der mehr als fünfzehn einzelstaatlichen Kollisionsnormensysteme [11] durch ein einheitliches Regelwerk stellt für die Wirtschaft und die EU-Bürger in Bezug auf die Rechtssicherheit ganz zweifellos einen erheblichen Fortschritt dar.

[11] Aufgrund des nicht einheitlichen Systems im Vereinigten Königreich bestehen mehr als fünfzehn Kollisionsnormensysteme.

Zu prüfen sind ferner die Kollisionsnormen, nach denen sich die gerichtliche Zuständigkeit bei Fällen mit Auslandsberührung bestimmt. Neben der allgemeinen Zuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz des Beklagten gemäß Artikel 2 der Verordnung "Brüssel I" ist in Artikel 5 Nummer 3 eine besondere Zuständigkeit für deliktische und quasideliktische Schuldverhältnisse vorgesehen. Zuständig ist danach das "Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist". In Fällen, in denen das schädigende Ereignis und der Schaden an unterschiedlichen Orten eingetreten sind, kann der Schädiger nach Wahl des Geschädigten entweder vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, verklagt werden, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem der Schaden eingetreten ist [12]. Der Gerichtshof hat zwar ausgeführt, dass jeder der beiden Orte eine Anknüpfung für die gerichtliche Zuständigkeit begründen kann, da sich beide in Bezug auf die Beweiserhebung und die Gestaltung des Prozesses als besonders sachgerecht erweisen können, doch birgt die dem Kläger freigestellte Wahl des Gerichtsstands das Risiko des "Forum-Shopping".

[12] EuGH, Urteil vom 30.11.1976, Rs. C-21/76, Mines de Potasse d'Alsace, Slg. 1976, 1735.

Der vorliegende Verordnungsvorschlag wird es den Parteien schon im Voraus ermöglichen, das auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis anwendbare Recht mit hinreichender Sicherheit zu bestimmen, zumal der Gerichtshof für eine einheitliche Auslegung der vorgeschlagenen Normen sorgen wird. Diese Initiative erhöht somit die Rechtssicherheit und fördert das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Sie fügt sich ebenfalls in das Programm der Kommission zur Erleichterung der außergerichtlichen Streitbeilegung ein, da den Parteien das Bemühen um eine einvernehmliche Regelung leichter fällt, wenn sie ihre eigene Situation besser beurteilen können.

2.2. Rechtsgrundlage

Seit Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam unterliegen Kollisionsnormen dem Artikel 61 Buchstabe c) EG-Vertrag. Die Verordnung wird gemäß Artikel 67 EG-Vertrag in der durch den Vertrag von Nizza geänderten Fassung (in Kraft getreten am 1. Februar 2003) nach dem Verfahren der Mitentscheidung gemäß Artikel 251 EG-Vertrag erlassen.

Gemäß Artikel 65 Buchstabe b) schließen die "Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezügen, [...] soweit sie für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich sind, [...] ein: [...] Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen [...]".

Der Gemeinschaftsgesetzgeber ist befugt, den Inhalt dieses Artikels zu konkretisieren, und verfügt daher bei seiner Entscheidung, ob eine Maßnahme für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist, über einen gewissen Ermessensspielraum. Der Rat hat von dieser Befugnis Gebrauch gemacht und am 3. Dezember 1998 den Wiener Aktionsplan [13] zur bestmöglichen Umsetzung der Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags über den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts angenommen, der unter Rdnr. 40 c) ausdrücklich die Ausarbeitung eines Rechtsinstruments "Rom II" vorsieht.

[13] ABl. C 19 vom 23.1.1999, S. 1.

Die Harmonisierung der Kollisionsnormen trägt dazu bei, die Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer und Bürger zu gewährleisten, die im Binnenmarkt an einem Streitfall mit grenzübergreifendem Bezug beteiligt sind. Sie stellt damit eine notwendige Ergänzung der Verordnung "Brüssel I" dar, mit der die Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen auf Gemeinschaftsebene harmonisiert worden sind. Bei über 15 verschiedenen Kollisionsnormensystemen würde bei derselben Streitigkeit, wegen der zwei europäische Unternehmen mit Sitz in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten A und B vor ihren jeweiligen Gerichten Klage gegen ein und dasselbe Unternehmen mit Sitz in Mitgliedstaat C erheben, nicht dieselbe Kollisionsnorm zur Anwendung kommen, was zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnte. Hierdurch könnten sich Unternehmen überdies zum 'Forum Shopping' veranlasst sehen.

Die Harmonisierung der Kollisionsnormen erleichtert aber auch die Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Das Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung [14] sieht nämlich die Reduzierung und letztlich die Aufhebung der Zwischenmaßnahmen vor, die zur Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung erforderlich sind. Die Aufhebung aller Zwischenmaßnahmen setzt jedoch ein gewisses Maß an Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten voraus, das nur dann gewährleistet ist, wenn die einzelstaatlichen Gerichte auf einen bestimmten Sachverhalt dieselben Kollisionsnormen anwenden.

[14] ABl. C 12 vom 15.1.2001, S. 8.

Titel IV EG-Vertrag, auf den sich der Verordnungsvorschlag inhaltlich stützt, gilt gemäß dem Protokoll über die Position Dänemarks nicht für diesen Mitgliedstaat. Er gilt auch nicht für das Vereinigte Königreich und Irland, sofern diese Länder nicht ausdrücklich nach Maßgabe des sie betreffenden Protokolls im Anhang zum EG-Vertrag ihre Bereitschaft erklären, sich dieser Initiative anzuschließen. Auf der Tagung des Rats "Justiz und Inneres" vom 12. März 1999 haben die beiden Länder allerdings erklärt, sich in vollem Umfang an den Arbeiten der Gemeinschaft im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen beteiligen zu wollen. Sie haben auch vor Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam voll an den Arbeiten der Ad-hoc-Gruppe des Rates mitgewirkt.

2.3. Begründung des Vorschlags im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeits- und Subsidiaritätsprinzip

Mit der Harmonisierung der Kollisionsnormen wird die Rechtssicherheit ohne Angleichung des materiellen einzelstaatlichen Rechts verstärkt und so den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen.

Zur Wahl der Rechtsform heißt es unter Nummer 6 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit: "wäre unter sonst gleichen Gegebenheiten eine Richtlinie einer Verordnung [...] vorzuziehen". Für diesen Legislativvorschlag ist jedoch eine Verordnung das geeignetste Rechtsinstrument. Der Text enthält einheitliche Normen zur Festlegung des anzuwendenden Rechts. Diese Normen sind detailliert, präzise und gelten ohne Vorbehalte, so dass sie in den Mitgliedstaaten keinerlei Umsetzungsmaßnahmen bedürfen und direkt anwendbar sind. Das Wesen dieser Normen ergibt sich direkt aus ihrer Zweckbestimmung, d. h. Stärkung der Rechtssicherheit und der Berechenbarkeit des auf ein Rechtsverhältnis anwendbaren Rechts. Würde den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Normen ein gewisses Ermessen zugestanden, hätte dies erneut Rechtsunsicherheit zur Folge, was durch die Harmonisierung gerade vermieden werden soll. Um eine einheitliche Rechtsanwendung in den Mitgliedstaaten zu gewährleisten, muss die Regelung deshalb in Form einer Verordnung erlassen werden.

3. ERLÄUTERUNG DER ARTIKEL

Artikel 1 - Materieller Anwendungsbereich

Wie das Brüsseler Übereinkommen und die Verordnung "Brüssel I" umfasst auch der Verordnungsvorschlag zivil- und handelsrechtliche Schuldverhältnisse. Es handelt sich um einen eigenständigen Begriff des Gemeinschaftsrechts, der vom Gerichtshof ausgelegt worden ist. Damit wird deutlich, dass die Verordnung "Brüssel I", das Rom-Übereinkommen und der vorliegende Verordnungsvorschlag eine Gesamtregelung bilden, die das Internationale Privatrecht der zivil- und handelsrechtlichen Schuldverhältnisse allgemein umfasst.

Die Verordnung soll für alle außervertraglichen Schuldverhältnisse gelten mit Ausnahme der in Absatz 2 genannten. Die außervertraglichen Schuldverhältnisse lassen sich in zwei große Gruppen einteilen: Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung und Schuldverhältnisse aus anderer als unerlaubter Handlung. Die erste Gruppe umfasst deliktische Schuldverhältnisse, während die zweite so genannte "quasideliktische" oder in einzelnen Rechtsordnungen "quasivertragliche" Schuldverhältnisse betrifft, insbesondere die ungerechtfertigte Bereicherung und die Geschäftsführung ohne Auftrag. Diese zweite Gruppe von Schuldverhältnissen wird in Abschnitt 2 geregelt. Die Trennung zwischen vertraglichen und deliktischen Schuldverhältnissen wird jedoch nicht in allen Mitgliedstaaten in gleicher Weise vorgenommen, so dass fraglich sein kann, welche Regelung - das Übereinkommen von Rom oder der Verordnungsvorschlag - auf einen bestimmten Rechtsstreit anzuwenden ist: z. B. bei culpa in contrahendo (Verschulden bei Vertragsschluss) oder bei einer action paulienne nach französischem Recht (Gläubigeranfechtungsklage). Wie der Gerichtshof bereits zu Artikel 5 Nummern 1 und 3 des Brüsseler Übereinkommens festgestellt hat, sind erst die vertraglichen Ansprüche, die eng auszulegen sind, auszuschöpfen, bevor deliktische Ansprüche geltend gemacht werden können [15]. Er wird seine Analyse bei der Auslegung der vorgeschlagenen Verordnung weiter zu präzisieren haben.

[15] Vgl. u. a. EuGH, Urteil vom 22. März 1983, Rs. 34/82, Martin Peters, Slg. 1983, I-987, Urteil vom 17. Juni 1992, Rs. C-26/91, Jacob Handte, Slg. 1992, I-3697, Urteil vom 17. September 2002, Rs. C-334/00, Fonderie Officine Meccaniche Tacconi (Sammlung noch nicht veröffentlicht).

Die vorgeschlagene Verordnung soll für alle Sachverhalte gelten, die im Verhältnis zum internen sozialen Leben eines Landes einen oder mehrere Auslandsbezüge aufweisen und die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen. Gemäß Absatz 2 sind folgende Schuldverhältnisse von ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossen:

a) Außervertragliche Schuldverhältnisse, die auf einem Familienverhältnis oder einem diesem gleichgestellten Verhältnis einschließlich Unterhaltspflichten beruhen: Familienrechtliche Ansprüche werden in der Regel nicht als deliktische Ansprüche gewertet. Ein solcher Anspruch kann jedoch im Rahmen eines Familienverhältnisses entstehen, wenn aufgrund einer verspäteten Unterhaltsleistung Schadenersatz geltend gemacht wird. In einigen Beiträgen wurde vorgeschlagen, diese Ansprüche in den Anwendungsbereich der Verordnung einzubeziehen, da sie dann unter die Ausnahmeregelung des Artikels 3 Absatz 3 fielen, der ausdrücklich eine sekundäre Anknüpfung zulässt mit dem Ergebnis, dass auf diese Ansprüche dasselbe Recht anwendbar wäre wie auf das ihnen zugrunde liegende Familienverhältnis. Da es bislang auf Gemeinschaftsebene keine harmonisierten familienrechtlichen Kollisionsnormen gibt, erscheint es besser, außervertragliche Schuldverhältnisse, die im Rahmen eines Familienverhältnisses entstanden sind, vom Anwendungsbereich des Verordnungsvorschlags auszunehmen.

b) Außervertragliche Schuldverhältnisse, die sich aus ehelichen Güterständen oder Erbsachen ergeben: Dieser Bereich ist aus ähnlichen Gründen, wie unter a) ausgeführt, vom Anwendungsbereich ausgenommen.

c) Außervertragliche Schuldverhältnisse aus Wechseln, Schecks, Eigenwechseln und anderen handelbaren Wertpapieren, sofern die Verpflichtungen aus diesen anderen Wertpapieren aus deren Handelbarkeit entstehen: Dieser Buchstabe entspricht Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe c) des Übereinkommens von Rom. Er wird hier aus denselben Gründen übernommen, die im Bericht GIULIANO-LAGARDE [16] aufgeführt werden, dass nämlich die Verordnung nicht auf diese Art von Schuldverhältnissen passe, die Übereinkommen von Genf vom 7. Juni 1930 und 19. März 1931 bereits einen Großteil dieser Bereiche umfassten und die Zuordnung dieser Schuldverhältnisse in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht einheitlich sei.

[16] Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. C 282 vom 31.10.1980, S. 1.

d) Die persönliche gesetzliche Haftung der Gesellschafter und der Organe für die Verbindlichkeiten einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer juristischen Person sowie die persönliche gesetzliche Haftung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen: Diese Frage lässt sich nicht von dem für diese Unternehmensformen geltenden Recht trennen, bei deren Betrieb der Haftungsfall eingetreten ist.

e) Außervertragliche Schuldverhältnisse zwischen den Verfügenden, den Treuhändern und den Begünstigten eines "Trusts": Trusts stellen eine eigene Rechtsform dar, die vom Anwendungsbereich dieser Verordnung auszunehmen ist, wie dies bereits im Übereinkommen von Rom geschehen ist.

f) Außervertragliche Schuldverhältnisse aufgrund von Schäden durch Kernenergie: Der Ausschluss erfolgt aufgrund der bedeutenden wirtschaftlichen und staatlichen Interessen, die damit verbunden sind, und der Tatsache, dass die Staaten nach der internationalen Regelung über die Atomhaftung zum Ersatz von Schäden durch Kernenergie beitragen. Dabei handelt es sich um das Pariser Übereinkommen vom 29. Juli 1960 und das Brüsseler Zusatzübereinkommen vom 31. Januar 1963, das Wiener Übereinkommen vom 21. Mai 1963, das Übereinkommen zur Bereitstellung zusätzlicher Entschädigungsmittel vom 12. September 1997 und das gemeinsame Protokoll vom 21. September 1988.

Diese Ausnahmen müssen eng ausgelegt werden.

Der Ausschluss der Beweis- und Verfahrensregeln gemäß Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe h) des Übereinkommens von Rom wurde nicht in den Verordnungsvorschlag übernommen. Hierfür gilt, wie eindeutig aus Artikel 11 hervorgeht, die lex fori. Dementsprechend erscheinen sie nicht in der Liste der außervertraglichen Schuldverhältnisse, die vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen sind.

Artikel 2 - Anwendung des Rechts von Drittstaaten

Gemäß Artikel 2 hat diese Verordnung universalen Charakter insofern, als ihre einheitlichen Kollisionsnormen auf das Recht eines Mitgliedstaats oder das Recht eines Drittstaats verweisen können.

Es handelt sich um ein im positiven Kollisionsrecht fest verankertes Prinzip, das bereits im Übereinkommen von Rom zu finden ist sowie in den Haager Übereinkommen und den innerstaatlichen Kollisionsnormen der Mitgliedstaaten.

Der universale Charakter dieses Verordnungsvorschlags ist aufgrund seiner Komplementarität zur Verordnung "Brüssel I" für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts unerlässlich, um Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt auszuschließen. Zwar unterscheidet die Verordnung "Brüssel I" a priori zwischen Fällen, in denen der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, und jenen, in denen er in einem Drittstaat ansässig ist [17], doch regelt sie sowohl Sachverhalte mit reinem EG-Bezug als auch Sachverhalte mit Drittlandsberührung. Alle in einem Mitgliedstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidungen, die in den Anwendungsbereich der Verordnung "Brüssel I" fallen, unterliegen unabhängig davon, ob diesen Entscheidungen das Recht eines Mitgliedstaats oder eines Drittstaats zugrunde liegt, einer vereinfachten Anerkennungs- und Vollstreckungsregelung. Was die Zuständigkeitsvorschriften anbelangt, so gilt die Verordnung "Brüssel I" auch dann, wenn der Beklagte außerhalb des EG-Gebiets ansässig ist: Gleiches gilt, wenn der Rechtsstreit einem ausschließlichen Gerichtsstand unterliegt [18], wenn die Zuständigkeit des Gerichts auf einer Gerichtsstandsvereinbarung beruht [19], wenn der Beklagte sich auf das Verfahren eingelassen hat [20] oder bei Rechtshängigkeit [21]. Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung "Brüssel I" regelt allgemein, dass sich der in einem Mitgliedstaat ansässige Kläger unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit auf die in seinem Wohnsitzmitgliedstaat geltenden Zuständigkeitsvorschriften berufen kann, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Drittstaat hat. Aus der Gesamtschau dieser Bestimmungen wird deutlich, dass die Verordnung "Brüssel I" sowohl auf 'innergemeinschaftliche' Sachverhalte als auch auf 'außergemeinschaftliche' Sachverhalte anwendbar ist.

[17] Artikel 2 Absatz 1.

[18] Artikel 22.

[19] Artikel 23.

[20] Artikel 24.

[21] Artikel 27.

Es gilt daher, die Gleichbehandlung der Rechtssubjekte in der EG sicherzustellen, und zwar auch dann, wenn der Sachverhalt Drittstaatsberührung aufweist. Wenn die mehr als 15 verschiedenen Kollisionsnormensysteme beibehalten werden, würde bei derselben Streitigkeit, wegen der zwei europäische Unternehmen mit Sitz in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten A und B vor ihren jeweiligen Gerichten Klage gegen ein und dasselbe Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat erheben, nicht dieselbe Kollisionsnorm zur Anwendung kommen, was - wie bei einem rein innergemeinschaftlichen Sachverhalt - zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnte.

Die Differenzierung zwischen Streitsachen mit 'innergemeinschaftlichem' und 'außergemeinschaftlichem' Bezug ist überdies nicht fundiert. Wie wäre beispielsweise eine Streitigkeit einzustufen, an der zu Anfang ein Angehöriger aus nur einem Mitgliedstaat und ein Drittstaatsangehöriger beteiligt sind, die aber später mehrere Mitgliedstaaten betrifft, weil beispielsweise der EU-Bürger seinen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Versicherer in Anspruch nimmt oder weil die streitige Forderung abgetreten wird. Ein Rechtsstreit weist aufgrund der Wirtschaftsverflechtung im Binnenmarkt potenziell stets einen innergemeinschaftlichen Bezug auf.

Wie die Beiträge aus der Praxis - von Richtern und Rechtsanwälten - zeigen, gelten das Internationale Privatrecht allgemein und die Kollisionsnormen im Besonderen als besonders komplexe Materie. Dies würde noch verstärkt, wenn durch den vorliegenden Verordnungsvorschlag eine zweite Gruppe von Kollisionsnormen eingeführt würde und die Richter und Rechtsanwälte neben den einheitlichen EG-Normen bei Sachverhalten, die nicht die erforderliche Verbindung zum Gemeinschaftsgebiet aufweisen, unterschiedliche einzelstaatliche Kollisionsnormen anwenden müssten. Der universale Charakter der vorgeschlagenen Verordnung entspricht demnach den Zielsetzungen der Europäischen Union, d. h. Rechtssicherheit und transparentes Recht.

Artikel 3 - Allgemeine Kollisionsnorm

Artikel 3 regelt die allgemeinen Anknüpfungspunkte, nach denen sich das Recht bestimmt, das auf ein aus unerlaubter Handlung entstandenes außervertragliches Schuldverhältnis anzuwenden ist. Erfasst sind alle außervertraglichen Schuldverhältnisse, für die in den folgenden Artikeln keine speziellen Kollisionsnormen festgelegt sind.

Bei der Konkretisierung der lex loci delicti commissi hat sich die Kommission einerseits von ihrem Streben nach Rechtssicherheit und andererseits von der Suche nach einem angemessenen Interessenausgleich zwischen Schädiger und Geschädigtem leiten lassen. Die hier gewählten Lösungen entsprechen überdies den jüngsten Entwicklungen im Kollisionsrecht der Mitgliedstaaten.

Absatz 1 - Allgemeine Kollisionsnorm

Artikel 3 Absatz 1 bestimmt als Grundregel, dass das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der direkte Schaden eingetreten ist oder droht einzutreten. Meist handelt es sich dabei zugleich um das Recht des Aufenthaltsstaates des Geschädigten. Aus der Formulierung "einzutreten droht" wird deutlich, dass Absatz 1 wie Artikel 5 Nummer 3 der Verordnung "Brüssel I" auch Präventivmaßnahmen abdeckt wie beispielsweise Unterlassungsklagen.

Der oder die Orte, an denen indirekte Schadensfolgen festzustellen sind, sind für die Bestimmung des anwendbaren Rechts nicht erheblich. Bei einem Verkehrsunfall beispielsweise ist der Ort des direkten Schadens der Unfallort unabhängig von etwaigen finanziellen oder immateriellen Schäden, die in einem anderen Land eintreten können. So hat der Gerichtshof im Zusammenhang mit dem Brüsseler Übereinkommen ausgeführt, dass "der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist," nicht den Ort bezeichnet, an dem der Geschädigte einen Vermögensschaden in der Folge eines in einem anderen Vertragsstaat entstandenen Erstschadens erlitten hat [22].

[22] EuGH, 19. September 1995, Rs. C-364/93, Marinari/Lloyds Bank, Slg. 1995, I-2719.

Diese Auslegung impliziert, dass bei in mehreren Ländern feststellbaren Schadensfolgen die Rechte aller betroffenen Länder entsprechend der im deutschen Recht herangezogenen "Mosaikbetrachtung" anzuwenden sind.

Der Verordnungsvorschlag folgt hier den jüngsten Entwicklungen im Kollisionsrecht der Mitgliedstaaten. Die Anknüpfung an das Recht des Ortes, in dem der Schaden eingetreten ist, ist zwar mangels Kodifizierung nicht in allen der mehr als 15 Kollisionssystemen eindeutig, gilt aber zumindest in den Mitgliedstaaten, die ihr Kollisionsrecht in jüngster Zeit kodifiziert haben. Dies gilt nicht nur für die Niederlande, das Vereinigte Königreich und Frankreich, sondern auch für die Schweiz. In Deutschland, Italien und Polen kann der Geschädigte von seiner Rechtswahl entsprechend Gebrauch machen.

Die in Artikel 3 Absatz 1 gewählte Lösung trägt dem Bemühen um Rechtssicherheit Rechnung. Sie unterscheidet sich insofern vom Übereinkommensentwurf von 1972, als dort als Grundanknüpfung das Recht des Ortes gewählt ist, in dem das "schädigende Ereignis" eingetreten ist. Der Begriff "schädigendes Ereignis" umfasst laut Rechtsprechung des Gerichtshofs sowohl die schadensbegründende Handlung als auch den Schaden selbst. Diese Lösung wird zwar den besonderen Anforderungen im Bereich der internationalen Zuständigkeit der Gerichte gerecht, erlaubt es den Parteien jedoch nicht, das auf ihre Situation anwendbare Recht mit hinreichender Sicherheit vorherzusehen.

Die allgemeine Kollisionsnorm entspricht darüber hinaus dem Anliegen, zu einem angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien zu gelangen. Die Kommission hat davon abgesehen, grundsätzlich die für den Geschädigten günstigste Lösung anzubieten, d. h. dem Geschädigten die Möglichkeit zu bieten, das für ihn günstigste Recht zu wählen. Ihrer Ansicht nach würde eine solche Grundregel über die berechtigten Erwartungen des Geschädigten hinausgehen und ein Element der Rechtsunsicherheit einführen, was der allgemeinen Zielsetzung des Verordnungsvorschlags widerspräche. Artikel 3 stellt somit einen Kompromiss dar zwischen zwei Extremlösungen: Anwendung des für die schadensbegründende Handlung maßgebenden Rechts einerseits und Rechtswahl des Geschädigten andererseits.

Artikel 3 Absatz 1, der eine objektive Verbindung zwischen Schaden und anzuwendendem Recht gewährleistet, entspricht der modernen Konzeption der zivilrechtlichen Haftung, die anders als in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht mehr auf die Bestrafung eines schuldhaften Verhaltens ausgerichtet ist, was vor allem an der Entwicklung der verschuldensunabhängigen Haftung sichtbar wird.

Die Anwendung der Grundnorm kann sich jedoch als ungeeignet erweisen, wenn der Sachverhalt nur zufällig einen Bezug zu dem Staat aufweist, in dem der Schaden eingetreten ist. Aus diesem Grund sehen die nachfolgenden Absätze Sonderanknüpfungen vor.

Absatz 2 - Recht des gemeinsamen Aufenthalts

Absatz 2 enthält eine Sonderregel für den Fall, dass die Person, deren Haftung geltend gemacht wird, und der Geschädigte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben. Anwendbar ist dann das Recht dieses Staates. Die weitaus meisten Mitgliedstaaten kennen diese Sonderanknüpfung entweder über eine spezielle Kollisionsnorm oder über die von der Rechtsprechung entwickelte Regel der engsten Verbindung. Diese Lösung entspricht den berechtigten Erwartungen beider Parteien.

Absatz 3 - Generalausnahme und sekundäre Anknüpfung

Nach dem Vorbild von Artikel 4 Absatz 5 des Übereinkommens von Rom sieht Absatz 3 eine Generalausnahme vor, um eine gewisse Flexibilität zu ermöglichen, so dass das Gericht im Einzelfall von der starren Regelung abweichen und das Recht anwenden kann, dass die engste Verbindung zum Sachverhalt aufweist.

Diese Kollisionsnorm darf jedoch nur in Ausnahmefällen zum Zuge kommen, da mit ihr eine gewisse Unsicherheit in Bezug auf das anwendbare Recht verbunden ist. Die Erfahrungen mit dem Übereinkommen von Rom von 1980 zeigen, dass die Gerichte in manchen Mitgliedstaaten dazu tendieren, gleich die Ausnahmeklausel in Anspruch zu nehmen und das Recht zu ermitteln, das die engste Verbindung zum Sachverhalt aufweist, ohne die Vermutungen zu prüfen, die der Ausnahmeklausel im Rom-Übereinkommen vorangestellt sind [23]. Deshalb wurden die Anknüpfungspunkte in Artikel 3 Absätze 1 und 2 nicht als Vermutungen, sondern als verbindliche Regeln formuliert. Um deutlich zu machen, dass die Ausnahmeklausel wirklich nur in Ausnahmefällen anzuwenden ist, muss das außervertragliche Schuldverhältnis gemäß Absatz 3 eine "offensichtlich engere Verbindung" mit einem anderen Staat aufweisen.

[23] Vgl. hierzu Ziff. 3.25 des Grünbuchs über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung.

Absatz 3 enthält eine Entscheidungshilfe für das Gericht, sofern zwischen den Parteien bereits ein Rechtsverhältnis besteht. Es handelt sich um ein Kriterium, das bei der Prüfung der Frage herangezogen werden kann, ob eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Land als dem besteht, dessen Recht nach Maßgabe der anderen Kollisionsnormen anwendbar wäre. Das auf dieses bestehende Rechtsverhältnis anwendbare Recht gilt jedoch nicht automatisch. Das Gericht stellt nach eigenem Ermessen fest, ob zwischen dem außervertraglichen Schuldverhältnis und dem auf das bereits bestehende Rechtsverhältnis anwendbaren Recht eine maßgebliche Verbindung besteht.

Nach Satz 2 kann es sich bei dem bestehenden Rechtsverhältnis um einen Vertrag handeln, der eine enge Verbindung zu der fraglichen unerlaubten Handlung aufweist. Diese Lösung ist besonders für Mitgliedstaaten interessant, deren Rechtssystem eine Kumulierung der vertraglichen und der außervertraglichen Haftung zulässt. Der Text ist jedoch gleichzeitig ausreichend flexibel, um auch vor- oder nachvertragliche Beziehungen zu erfassen (z. B. Abbruch der Vertragsverhandlungen, Auflösung eines Vertrags oder eines Familienverhältnisses). Diese Lösung berücksichtigt die berechtigten Erwartungen der Parteien und entspricht dem Bemühen um eine geordnete Rechtspflege, da das Rechtsverhältnis der Parteien nur einem Recht unterliegt. In rechtstechnischer Hinsicht lassen sich damit - bis zu einer eigenständigen Begriffsbestimmung des Gerichtshofs - die Folgen relativieren, die sich aus dem Umstand ergeben, dass ein und dasselbe Rechtsverhältnis dem Vertragsrecht eines Mitgliedstaats und dem zivilen Haftungsrecht eines anderen unterliegen kann. Gleiches gilt folglich für die Folgen der Nichtigkeit eines Vertrags, die bereits Gegenstand einer speziellen Kollisionsnorm in Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe e) des Übereinkommens von Rom sind. Mit dem Rückgriff auf die sekundäre Anknüpfung lassen sich Schwierigkeiten überwinden, die sich aus der Anwendung zweier unterschiedlicher Rechtsinstrumente ergeben können, da manche Mitgliedstaaten zu diesem Artikel eine Vorbehaltserklärung abgegeben haben.

Handelt es sich bei dem bestehenden Rechtsverhältnis jedoch um einen Verbraucher- oder Arbeitsvertrag und lässt dieser Vertrag eine Rechtswahl zugunsten eines anderen Rechts zu als des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers bzw. des Staates, in dem die Arbeit gewöhnlich verrichtet wird, oder ausnahmsweise des Rechts des Ortes, an dem der Arbeitnehmer eingestellt worden ist, darf die sekundäre Anknüpfung nicht dazu führen, dass der schwächeren Partei der Schutz entzogen wird, der andernfalls bestanden hätte. Der Verordnungsvorschlag enthält keine ausdrückliche diesbezügliche Regelung, da die Schutzbestimmungen des Übereinkommens von Rom diese Lösung nach Ansicht der Kommission indirekt bereits erlauben: Die Artikel 5 und 6 des Übereinkommens würden in der Tat ihren Zweck verfehlen, wenn bei einem außervertraglichen Schuldverhältnis mit Hilfe der sekundären Anknüpfung eine Rechtswahl der Parteien bestätigt würde, die für ihren Vertrag zumindest teilweise ungültig wäre.

Artikel 4 - Produkthaftung

Artikel 4 führt eine Sonderregel für außervertragliche Schuldverhältnisse ein, die aus der Produkthaftung entstanden sind. Die Definition von "Produkt" und "fehlerhaftes Produkt" im Sinne von Artikel 4 folgt der Definition in den Artikeln 2 und 6 der Richtlinie 85/374. [24]

[24] Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25.7.1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte; ABl. L 210 vom 7.8.1985, S. 29, geändert durch Richtlinie 1999/34/EG vom 10. Mai 1999, ABl. L 141 vom 4.6.1999, S. 20.

Mit der Richtlinie 85/374 wurden die Sachnormen der Mitgliedstaaten über die Gefährdungshaftung, die kein Verschulden voraussetzt, angeglichen. Damit wurde jedoch keine vollständige Harmonisierung vorgenommen, da die Richtlinie den Mitgliedstaaten verschiedene Optionen einräumt. Darüber hinaus lässt die Richtlinie das innerstaatliche Recht über die Verschuldenshaftung, auf das sich der Geschädigte stets stützen kann, unberührt. Auch sind bestimmte Schadensfälle von der Richtlinie ausgenommen. Der Anwendungsbereich der Sonderregel des Artikels 4 ist daher weiter als jener der Richtlinie 85/374, da er sich auch auf Klagen erstreckt, die sich auf rein nationale Produkthaftungsnormen unabhängig von dieser Richtlinie stützen.

Die Kollisionsnorm im Bereich der Produkthaftung muss nicht nur die Wahrung der berechtigten Erwartungen der Parteien sicherstellen, sondern auch den vielen möglichen Anknüpfungspunkten Rechnung tragen (Sitz des Herstellers, Produktionsort, Ort, an dem das Produkt zuerst in Verkehr gebracht wurde, Ort, an dem das Produkt vom Geschädigten gekauft wurde oder Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Geschädigten). Diese Frage gewinnt durch die Entwicklung des internationalen Handels, des Tourismus und der Freizügigkeit von Personen und Waren in der Union noch an Bedeutung. Eine alleinige Anknüpfung an den Ort des Schadenseintritts ist somit ungeeignet, da das derart bezeichnete Recht möglicherweise keinen hinreichenden Bezug zu dem Fall aufweist, für den Hersteller nicht vorhersehbar ist und auch dem Geschädigten keinen ausreichenden Schutz garantieren kann. [25]

[25] So könnte beispielsweise ein deutscher Tourist auf dem Flughafen in Rom ein französisches Erzeugnis kaufen, das er nach Afrika mitnimmt, wo es explodiert und ihm Schaden zufügt.

In jenen Staaten, in denen Sonderregeln bestehen, ist daher zumeist vorgesehen, dass mehrere Elemente in einem Staat vereinigt sein müssen, damit das Recht dieses Staates zur Anwendung kommen kann. Diese Vorgehensweise wurde auch im Haager Übereinkommen von 1973 über das auf die Produkthaftung anzuwendende Recht gewählt, das in fünf Mitgliedstaaten in Kraft ist [26]. Gemäß Artikel 25 des Verordnungsvorschlags bleibt dieses Übereinkommen in den Mitgliedstaaten in Kraft, die es zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung bereits ratifiziert hatten. Das Übereinkommen von 1973 regelt, nach welchem Recht sich die Haftung der Hersteller, Händler und jener Personen richtet, die Reparaturen an dem Produkt vornehmen. Dabei werden folgende, in komplexer Weise aufgeteilte oder miteinander verbundene Elemente berücksichtigt: Ort des Schadenseintritts, Wohnort des Geschädigten, Sitz des Herstellers und Ort, an dem das Produkt gekauft wurde.

[26] Diese Mitgliedstaaten sind Spanien, Finnland, Frankreich, die Niederlande und Luxemburg. Das Übereinkommen ist auch in Norwegen, Slowenien, Kroatien, Mazedonien und Jugoslawien in Kraft.

In diesem Verordnungsvorschlag sollen die besonderen Erfordernisse dieses Bereichs berücksichtigt werden, ohne dass die Regelung jedoch zu komplex wird.

Gemäß Artikel 4 ist grundsätzlich das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Geschädigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Diese Lösung wird jedoch nur dann angewandt, wenn das Produkt in diesem Staat mit Zustimmung der Person, deren Haftung geltend gemacht wird, inVerkehr gebracht worden ist. Wurde diese Zustimmung nicht erteilt, ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Person, deren Haftung geltend gemacht wird, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Artikel 3 Absätze 2 (gewöhnlicher Aufenthalt) und 3 (Generalausnahme) findet ebenfalls Anwendung.

Diese einfache und vorhersehbare Bestimmung ist für einen Bereich, in dem durch die Beteiligung von Versicherungen häufig eine außergerichtliche Einigung erzielt wird, besonders geeignet. In Artikel 4 wird ein angemessener Ausgleich zwischen den einzelnen Interessen gefunden. Da ein Produkt im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Geschädigten in Verkehr gebracht werden musste, damit das Recht dieses Staates Anwendung findet, ist die Lösung für den Hersteller, der sein Vertriebsgebiet selbst bestimmen kann, vorhersehbar. Diese Lösung trägt auch den legitimen Interessen des Geschädigten Rechnung, da es sich in den meisten Fällen um ein Produkt handelt, das in seinem Wohnsitzstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht wurde.

Wenn der Geschädigte das Produkt in einem anderen Staat als dem seines gewöhnlichen Aufenthalts erwirbt, z.B. auf einer Reise, sind zwei Fälle zu unterscheiden: im ersten Fall hat er - etwa um ein Angebot zu nutzen - im Ausland ein Produkt erstanden, das auch in seinem Aufenthaltsstaat vertrieben wird. In diesem Fall musste der Hersteller bereits damit rechnen, dass seine Tätigkeit nach Maßgabe der in diesem Staat geltenden Normen bewertet wird, und Artikel 4 bezeichnet das Recht dieses Staates, dessen Anwendung für beide Parteien vorhersehbar war.

Im zweiten Fall hat der Geschädigte ein Produkt im Ausland gekauft, das in seinem Aufenthaltsstaat nicht rechtmäßig in Verkehr gebracht worden ist: Keine der beiden Parteien hat daher mit der Anwendung dieses Rechts rechnen können. Für diesen Fall ist eine subsidiäre Vorschrift notwendig. Die zwei während der Anhörung der Kommission erörterten Anknüpfungspunkte waren der Ort des Schadenseintritts und der gewöhnliche Aufenthalt der Person, deren Haftung geltend gemacht wird. Da die Anknüpfung am Ort des Schadenseintritts aufgrund der großen Mobilität der Verbrauchsgüter weder dem Kriterium der Rechtssicherheit genügt noch dem Schutz des Geschädigten dient, hat sich die Kommission für die zweite Lösung entschieden.

Artikel 4 entspricht somit nicht nur den Erwartungen der Parteien, sondern erfuellt auch die allgemeinen Ziele der Europäischen Union - ein hohes Schutzniveau in Bezug auf die Gesundheit der Verbraucher und die Aufrechterhaltung fairer Wettbewerbsbedingungen auf einem bestimmten Markt. Da alle Wettbewerber auf einem bestimmten Markt dieselben Sicherheitsnormen einhalten müssen, können Hersteller in einem Staat mit niedrigem Schutzniveau diese niedrigen Standards nicht auf die anderen Staaten übertragen, was einen Anreiz für Innovation sowie wirtschaftliche und technische Entwicklung darstellt.

Der Begriff "Person, deren Haftung geltend gemacht wird" bezeichnet nicht zwingend den Hersteller eines Endprodukts; es kann sich auch um den Hersteller eines Ausgangserzeugnisses oder Bauteils, einen Zwischenhändler oder den Letztverkäufer handeln. Darüber hinaus wird jeder, der ein Produkt in die Gemeinschaft einführt, unter bestimmten Bedingungen als wie der Hersteller für die Sicherheit dieses Produkts gleichermaßen verantwortliche Person betrachtet. [27]

[27] Vgl. Richtlinie 85/374, a.a.O., Artikel 3 Absatz 2.

Artikel 5 - Unlauterer Wettbewerb

Artikel 5 sieht für Klagen auf Ersatz eines Schadens, der aus einem unlauteren Wettbewerbsverhalten entstanden ist, eine eigene Anknüpfungsregelung vor.

Die Vorschriften über den unlauteren Wettbewerb sollen einen fairen Wettbewerb sicherstellen, indem für alle Wettbewerber dieselben Regeln gelten. Geahndet werden u.a. Handlungen, die auf die Nachfrage Einfluss zu nehmen trachten (z.B. Täuschung und Zwang), Handlungen, die das Angebot von Wettbewerbern behindern sollen (z.B. Störung der Zulieferung, Abwerbung von Angestellten oder Boykott), oder Handlungen, mit denen Vorteile eines Wettbewerbers missbraucht werden (z.B. Schaffung einer Verwechslungsgefahr oder Ausnutzung seines Bekanntheitsgrades). Das moderne Wettbewerbsrecht zielt sowohl auf den Schutz der Wettbewerber (horizontale Ebene) als auch der Verbraucher und der breiten Öffentlichkeit (vertikale Ebene). Diese dreifache Funktion des Wettbewerbsrechts muss sich in einem modernen Kollisionsrecht widerspiegeln.

Artikel 5 trägt diesem dreifachen Ziel Rechnung, da er auf die Beeinträchtigung des Marktes insgesamt, die Beeinträchtigung der Interessen eines Wettbewerbers und die Beeinträchtigung der kollektiven Interessen der Verbraucher (im Gegensatz zu den Einzelinteressen eines bestimmten Verbrauchers) abstellt. Dieses Konzept ist bestimmten Gemeinschaftsrichtlinien im Bereich des Verbraucherschutzes entnommen, insbesondere der Richtlinie 98/27 vom 19. Mai 1998 [28], in der eine Unterlassungsklage von Verbraucherverbänden vorgesehen ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich dieser Begriff nur auf Klagen von Verbraucherverbänden bezieht. Aufgrund des dreifachen Ziels des Wettbewerbsrechts beeinträchtigt nahezu jedes unerlaubte Wettbewerbsverhalten auch die kollektiven Verbraucherinteressen, wobei es unwesentlich ist, ob die Klage danach von einem Wettbewerber oder einem Verband eingebracht wird. Artikel 5 gilt vielmehr auch für Unterlassungsklagen von Verbraucherverbänden. Der Verordnungsvorschlag steht damit in Einklang mit der jüngsten Rechtsprechung des Gerichtshofs in Bezug auf das Brüsseler Übereinkommen, nach der "eine vorbeugende Klage eines Verbraucherschutzvereins auf Untersagung der Verwendung angeblich missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in Verträgen mit Privatpersonen eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, im Sinne von Artikel 5 Nummer 3 dieses Übereinkommens zum Gegenstand hat". [29]

[28] Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen, ABl. L 166 vom 11.6.1998, S. 51.

[29] Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1.10.2002, Rs. C-167/00, Henkel.

Wie eine vergleichende Bewertung des Internationalen Privatrechts der Mitgliedstaaten zeigt, besteht ein breiter Konsens über die Anwendung des Rechts des Staates, dessen Markt durch die Wettbewerbshandlungen beeinträchtigt wird. Dieses Ergebnis wird durch eine Konkretisierung des Grundprinzips der lex loci delicti oder durch eine besondere Anknüpfung erreicht (Österreich, Spanien, Niederlande sowie auch die Schweiz) und entspricht den Empfehlungen zahlreicher Vertreter aus der Lehre und der Ligue internationale du droit de la concurrence en matière de publicité. [30] Derzeit besteht jedoch insbesondere in den Staaten, in denen die Gerichte noch keine Gelegenheit hatten, über die Anwendung der Regel der lex loci delicti zu befinden, eine gewisse Unsicherheit. Die Schaffung einer einheitlichen Kollisionsnorm in diesem Bereich stärkt damit die Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen.

[30] Entschließung anlässlich des Amsterdamer Kongresses im Oktober 1992, veröffentlicht in der Revue internationale de la concurrence 1992 (Nr. 168), S. 51. In dieser Entschließung wurde auch eine Harmonisierung der materiellen Vorschriften in diesem Bereich empfohlen.

In Artikel 5 ist eine Anknüpfung an das Recht des Staates vorgesehen, in dessen Gebiet "die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder beeinträchtigt werden könnten". Dabei handelt es sich um den Markt, auf dem sich die Wettbewerber um die Verbraucher bemühen. Diese Lösung entspricht den Erwartungen der Geschädigten, da die Vorschrift grundsätzlich das Recht bezeichnet, das ihre wirtschaftlichen Beziehungen regelt. Sie sichert jedoch vor allem die Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer auf einem bestimmten Markt. Das Wettbewerbsrecht stellt auf den Schutz eines Marktes ab und folgt damit einem makro-ökonomischen Ziel. Schadenersatzklagen sind rein akzessorisch und müssen von einem allgemeinen Urteil über das Funktionieren des Marktes abhängen.

Hinsichtlich der Bewertung der Auswirkungen auf diesen Markt wird in der Lehre zumeist vertreten, dass nur die direkten und wesentlichen Wirkungen eines unlauteren Wettbewerbsverhaltens in Betracht zu ziehen sind. Dies ist insbesondere in Fällen mit internationalem Bezug wichtig, da das wettbewerbsschädigende Verhalten meist Wirkungen auf mehreren Märkten zeitigt und zur Anwendung verschiedener Rechtsordnungen führt.

Der Bedarf an einer Sonderregel für diesen Bereich wird manchmal mit dem Argument in Zweifel gezogen, dass sie zur selben Lösung wie die Grundregel des Artikels 3 führen würde. Dabei wird der Schaden, für den Ersatz begehrt wird, mit der wettbewerbsschädigenden Wirkung verwechselt, die die Anwendung des Wettbewerbsrechts bedingt. Auch wenn die beiden Regeln oft in territorialer Hinsicht übereinstimmen, handelt es sich dabei nicht um eine automatische Übereinstimmung: Der Ort des Schadenseintritts ist beispielsweise fraglich, wenn zwei Unternehmen mit Sitz im Staat A auf dem Markt B tätig sind. Darüber hinaus passen die Vorschriften über die akzessorische Anknüpfung, den gemeinsamen Aufenthalt und die Ausnahmeklausel im Allgemeinen nicht für diesen Bereich.

Absatz 2 behandelt Fälle, in denen ein unlauteres Wettbewerbsverhalten auf einen bestimmten Wettbewerber abzielt, etwa bei der Abwerbung von Angestellten, bei Bestechung, Industriespionage, Preisgabe eines Geschäftsgeheimnisses oder einer Anstiftung zum Vertragsbruch. Auch wenn nicht völlig ausgeschlossen werden kann, dass solche Handlungen auch negative Auswirkungen auf einen bestimmten Markt haben, handelt es sich doch um Fälle, die vor allem als "bilateral" einzustufen sind. Daher besteht kein Grund dafür, dass der Geschädigte Artikel 3 über den gemeinsamen Aufenthalt und die Generalklausel nicht in Anspruch nehmen sollte. Diese Lösung entspricht den jüngsten Entwicklungen im Internationalen Privatrecht: Eine analoge Bestimmung findet sich im niederländischen (Artikel 4 Absatz 2, Gesetz von 2001) und schweizer Recht (Artikel 136 Absatz 2). Die Rechtsprechung in Deutschland wendet dieselbe Lösung an.

Artikel 6 - Verletzung der Privatsphäre und der Persönlichkeitsrechte

Die Verordnung folgt dem Ansatz, der heute weitgehend in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten angewandt wird, nach dem eine Verletzung der Privatsphäre und der Persönlichkeitsrechte, insbesondere im Fall von Verleumdung durch Massenmedien, zu den außervertraglichen Schuldverhältnissen und - ausgenommen das Namensrecht - nicht zu den Persönlichkeitsrechten zählt.

Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten des Europarates enthalten besondere Bestimmungen über die Achtung der Privatsphäre einerseits und die Meinungs- und Informationsfreiheit, die auch die Achtung der Freiheit und des Pluralismus der Medien umfasst, andererseits. Die Gemeinschaftsorgane sind gleichermaßen wie die Mitgliedstaaten zur Einhaltung dieser Grundwerte verpflichtet. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in Verleumdungsklagen bereits eine wertvolle Orientierungshilfe in Bezug auf die Vereinbarkeit dieser beiden Grundsätze geboten. Auch wenn die internationalen Übereinkommen bereits zu einer gewissen Angleichung der Regelung über die Pressefreiheit in den Mitgliedstaaten geführt haben, bestehen doch nach wie vor Unterschiede über die konkrete Ausgestaltung dieser Freiheit in den einzelnen Mitgliedstaaten. Für die Wirtschaftsteilnehmer ist es besonders wichtig, dass sie vorhersehen können, welches Recht auf ihre Tätigkeit anzuwenden ist.

Das Studium der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen zeigt nicht nur die Unterschiedlichkeit der einzelnen Lösungen, sondern auch eine große Rechtsunsicherheit auf. Mangels einer Kodifizierung fehlt es noch in vielen Mitgliedstaaten an Rechtsprechung zur Konkretisierung der allgemeinen Regeln [31]. In den einzelnen Mitgliedstaaten werden verschiedene Anknüpfungspunkte verwendet: der Sitz des Herausgebers oder der Ort, an dem das Produkt verlegt oder veröffentlicht wurde (Deutschland und Italien im Rahmen der dem Geschädigten eingeräumten Wahlmöglichkeit); der Ort, an dem das Produkt verbreitet oder Dritten bekannt gegeben wurde (Belgien, Frankreich und Luxemburg); oder der Ort, an dem der Geschädigte bekannt ist, zumeist ist das sein gewöhnlicher Aufenthalt (Österreich). Andere Mitgliedstaaten folgen dem Grundsatz der Begünstigung des Geschädigten, indem diesem eine Wahlmöglichkeit eingeräumt (Deutschland und Italien) oder das Recht des Ortes des Schadenseintritts gewählt wird, wenn nach dem Recht des Ortes des schädigenden Ereignisses kein Schadenersatz vorgesehen ist (Portugal). Die Regelung im Vereinigten Königreich unterscheidet sich deutlich von jener der anderen Mitgliedstaaten: sie sieht eine unterschiedliche Behandlung nach Maßgabe der Tatsache vor, ob eine Veröffentlichung im Vereinigten Königreich oder im Ausland verbreitet wurde: bei einer Verbreitung im Vereinigten Königreich ist nur das Recht des Verbreitungsortes anzuwenden; bei einer Verbreitung im Ausland wendet das Gericht kumulativ das Recht des Verbreitungsortes und das Recht des Ortes des angerufenen Gerichts an ("double actionnability rule"). Diese Regelung stellt darauf ab, die inländische Presse zu schützen, die nur dann von nationalen Gerichten verurteilt werden kann, wenn dies nach englischem Recht zulässig ist [32].

[31] Dies gilt für Dänemark, Spanien, Finnland, Griechenland, Irland (Theorie des "proper law of the tort") die Niederlande und Schweden.

[32] Ein Teil der englischen Lehre scheint jedoch zu bestreiten, dass eine Verletzung der Privatsphäre ("invasion of privacy") auch von dieser Regelung umfasst ist.

Aufgrund der Unterschiedlichkeit und Unsicherheit der derzeitigen Situation stärkt eine Harmonisierung der Kollisionsnorm auf Gemeinschaftsebene die Rechtssicherheit.

In Bezug auf den Inhalt der einheitlichen Bestimmung muss auch den Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in der Verordnung "Brüssel I" Rechnung getragen werden. Gemäß dem zuvor genannten Urteil Mines de Potasse d'Alsace und dem Urteil Fiona Shevill [33] kann der Geschädigte eine Schadenersatzklage entweder vor den Gerichten des Ortes, an dem der Herausgeber der ehrverletzenden Veröffentlichung niedergelassen ist, die für die Entscheidung über den Ersatz sämtlicher Schäden zuständig sind, oder vor den Gerichten der Orte der Verbreitung der Veröffentlichung in jedem Staat einbringen, in dem das Ansehen des Betroffenen beeinträchtigt worden ist, wobei deren Zuständigkeit auf jene Schäden beschränkt ist, die in diesem Staat verursacht worden sind. Wenn der Geschädigte somit vor einem Gericht des Staates klagt, in dem die Veröffentlichung verbreitet wurde, so wendet dieses Gericht sein eigenes Recht auf den in diesem Staat eingetretenen Schaden an. Wenn der Geschädigte jedoch das Gericht am Ort der Niederlassung des Herausgebers anruft, so ist dieses für die Entscheidung über den Ersatz sämtlicher Schäden zuständig: auf den in diesem Staat erfolgten Schaden ist somit das Recht des Ortes des angerufenen Gerichts anwendbar, während das Gericht die verschiedenen vorhandenen Rechtsvorschriften anwendet, wenn der Geschädigte auch Ersatz für den Schaden begehrt, der in anderen Staaten eingetreten ist.

[33] Urteil des EuGH vom 7. März 1995, Rs. C-38/68, Fiona Shevill u.a. gegen Presse Alliance SA, Slg. 1995, I-415.

Aufgrund der praktischen Schwierigkeiten bei der Anwendung mehrerer Rechtsvorschriften auf einen bestimmten Sachverhalt hatte die Kommission in ihrem Vorentwurf für einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates vom Mai 2002 vorgeschlagen, das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Geschädigten anzuwenden. Diese Lösung wurde jedoch im Rahmen der Anhörung stark kritisiert. Es wurde insbesondere eingewandt, dass es einerseits nicht immer leicht ist, den gewöhnlichen Aufenthalt bekannter Personen festzustellen, und dass andererseits die Verbindung von Zuständigkeitsregeln mit Kollisionsnormen dazu führen könnte, dass die Gerichte des Staates, in dem der Herausgeber seinen Sitz hat, diesen in Anwendung des Rechts des Staates, in dem der Geschädigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, verurteilen müssten, obwohl der Herausgeber die in seinem Sitzstaat geltenden Vorschriften vollständig eingehalten hat und kein Exemplar des Produkts im Aufenthaltsstaat des Geschädigten verbreitet wurde. Angesichts dieser Kritik hat die Kommission ihren Vorschlag überdacht.

In Artikel 6 Absatz 1 des Verordnungsvorschlags wird nun präzisiert, dass auf eine Verletzung der Privatsphäre und der Persönlichkeitsrechte das gemäß Artikel 3 bezeichnete Recht anzuwenden ist, das, sofern sich die Parteien nicht im selben Staat aufhalten oder die Streitsache einen stärkeren Bezug zu einem anderen Staat aufweist, zur Anwendung des Rechts am Ort des Schadenseintritts führt.

Im Urteil Fiona Shevill hat der Gerichtshof bereits den Ort des Schadenseintritts bei Ehrverletzungen durch Presseartikel konkretisiert und dabei auf den Staat, "in dem die Veröffentlichung verbreitet und das Ansehen des Betroffenen nach dessen Behauptung beeinträchtigt worden ist" verwiesen. Die Ehrverletzung einer Person wird an dem Ort, an dem eine Veröffentlichung verbreitet und damit Dritten bekannt gemacht wird, begangen. Diese Lösung entspricht somit den berechtigten Erwartungen des Geschädigten, ohne dabei die Interessen der Unternehmen und der Medien zu vernachlässigen. Eine Verbreitung einer Veröffentlichung in einem bestimmten Staat liegt nur bei einem kommerziellen Vertrieb vor.

Die Kommission hat jedoch auch die von Pressevertretern und einigen Mitgliedstaaten geäußerten Bedenken über den Fall berücksichtigt, dass sich ein Gericht eines Mitgliedstaats A gezwungen sehen könnte, einen Verleger, der ebenfalls im Staat A niedergelassen ist, aufgrund der Anwendung des Rechts des Mitgliedstaats B oder sogar eines Drittstaats zu verurteilen, selbst wenn er die im Staat A geltenden Vorschriften vollständig eingehalten hat. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Anwendung des Rechts des Staates B einen Verstoß gegen die Verfassungsbestimmungen des Staates A im Bereich der Pressefreiheit darstellen könnte. Da dieser Bereich besonders sensibel ist und die Verfassungsbestimmungen der Mitgliedstaaten dazu noch deutliche Unterschiede aufweisen, hat die Kommission in Artikel 6 Absatz 1 ausdrücklich festgeschrieben, dass das nach Maßgabe von Artikel 3 bezeichnete Recht zugunsten der lex fori zurücktritt, wenn es mit den wesentlichen Grundsätzen des Rechts am Gerichtsstand im Bereich der Pressefreiheit unvereinbar ist.

Das nach Artikel 6 Absatz 1 bezeichnete Recht scheint nicht geeignet, die Frage zu regeln, ob und unter welchen Bedingungen der Geschädigte den Verleger zur Veröffentlichung einer korrigierten Sachverhaltsdarstellung zwingen kann und ein Recht auf Gegendarstellung hat. Daher wird in Absatz 2 präzisiert, dass sich das Recht auf Gegendarstellung oder gleichwertige Maßnahmen nach dem Recht des Staates richtet, in dem das Sendeunternehmen oder der Zeitungsverleger niedergelassen ist.

Artikel 7 - Umweltschädigung

In Artikel 7 wird eine Sonderregel für die zivilrechtliche Haftung im Fall einer Umweltschädigung eingeführt. Entsprechend den jüngsten Entwicklungen des materiellen Rechts erstreckt sich die Bestimmung über eine Schädigung der Umwelt hinaus auch auf eine Schädigung von Gütern und Personen, sofern sie das Ergebnis einer vom Menschen ausgeübten Tätigkeit sind.

Eine Harmonisierung auf europäischer oder sogar internationaler Ebene ist in diesem Bereich besonders wichtig, da sich bestimmte Umweltkatastrophen international auswirken können. Die bisherigen Rechtsakte behandeln jedoch vor allem Fragen des materiellen Rechts oder der internationalen Zuständigkeit und stellen nicht auf eine Harmonisierung der Kollisionsnormen ab. Darüber hinaus beziehen sie sich nur auf bestimmte Arten der grenzüberschreitenden Verschmutzung. Trotz der schrittweisen und nicht nur auf Gemeinschaftsebene erfolgenden Annäherung des materiellen Rechts in diesem Bereich bestehen nach wie vor große Unterschiede. Dies gilt beispielsweise für die Bestimmung der ersatzfähigen Schäden, die Verjährungsfristen, die Gewährleistungs- und Versicherungsregeln, die Handlungsmöglichkeiten von Verbänden und die Höhe des Schadenersatzes. Die Frage nach dem anzuwendenden Recht ist nach wie vor aktuell.

Die Prüfung der derzeit gültigen Kollisionsnormen zeigt eine große Bandbreite an Lösungsmöglichkeiten. Neben der lex fori und dem Recht des Staates, in dem die gefährliche Tätigkeit ausgeübt wurde, die vor allem in internationalen Übereinkommen eine gewisse Rolle spielen, werden insbesondere das Recht am Ort des Schadenseintritts (Frankreich, Vereinigtes Königreich, Niederlande, Spanien, Japan, Schweiz, Rumänien, Türkei und Québec) sowie verschiedene Varianten des Grundsatzes der Begünstigung des Geschädigten (Deutschland, Österreich, Italien, Tschechische Republik, Jugoslawien, Estland, Türkei, Nordisches Übereinkommen von 1974 über den Schutz der Umwelt, Übereinkommen zwischen Deutschland und Österreich vom 19. Dezember 1967 über Auswirkungen der Anlage und des Betriebs des Flughafens Salzburg auf Deutschland) am häufigsten angewandt. Die Haager Konferenz befasst sich ebenfalls mit der Ausarbeitung eines internationalen Übereinkommens über grenzüberschreitende Umweltschäden. Dabei scheint der Ort des Schadenseintritts eine wichtige Rolle zu spielen, ohne dass die Vorteile des Grundsatzes der Begünstigung des Geschädigten vernachlässigt werden.

Die in Artikel 7 vorgeschlagene einheitliche Bestimmung geht primär von der Anwendung der Grundregel des Artikels 3 Absatz 1 aus, die zur Anwendung des Rechts des Staates führt, in dem die Umweltschädigung eingetreten ist. Der Geschädigte hat jedoch die Möglichkeit, das Recht des Staates zu wählen, in dem das schädigende Ereignis verursacht wurde.

Die grundsätzliche Anknüpfung an das Recht des Staates des Schadenseintritts entspricht den neuen Zielen der Rechtsetzung im Bereich des Umweltschutzes, die auf eine verschuldensunabhängige Haftung ausgerichtet ist. Diese Lösung stärkt auch die Prävention, da sie die Wirtschaftsteilnehmer in einem Staat mit niedrigen Schutzstandards dazu zwingt, einen höheren Standard in Nachbarstaaten zu berücksichtigen, und ihr Interesse schwächt, sich in einem Staat mit niedrigen Schutzbestimmungen niederzulassen. Damit wird ein Beitrag zu einer allgemeinen Anhebung der Umweltschutzstandards geleistet.

Eine ausschließliche Anknüpfung an den Ort des Schadenseintritts würde jedoch auch bedeuten, dass ein Geschädigter in einem Staat mit niedrigen Schutzstandards nicht von den höheren Standards in Nachbarstaaten profitiert. Zur Erfuellung der allgemeinen Ziele der Union im Umweltbereich genügt es jedoch nicht, die berechtigten Erwartungen des Geschädigten zu wahren, sondern es muss eine Rechtsetzung verfolgt werden, die zu einer Hebung des Umweltschutzes im Allgemeinen beiträgt, zumal der Urheber einer Umweltschädigung im Gegensatz zu anderen Delikten einen wirtschaftlichen Vorteil aus der schädigenden Tätigkeit zieht. Eine ausschließliche Anwendung des Rechts des Ortes des Schadenseintritts könnte einen Wirtschaftsteilnehmer dazu bringen, sich an der Grenze niederzulassen und im Vertrauen auf die weniger strenge Regelung im Nachbarstaat Abwässer in einen Fluss zu leiten. Eine solche Lösung würde der Philosophie der europäischen Sachnormen im Umweltbereich und dem Verursacherprinzip ("the polluter pays") zuwiderlaufen.

Daher kann der Geschädigte seinen Anspruch gemäß Artikel 7 auf das Recht des Staates stützen, in dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Der Geschädigte und nicht das Gericht bestimmt somit, welches Recht für ihn am günstigsten ist. Die Frage, bis zu welchem Verfahrensabschnitt der Geschädigte sein Wahlrecht ausüben muss, richtet sich nach den Verfahrensvorschriften am Ort des Gerichtsstands; in jedem Mitgliedstaat ist festgelegt, ab welchem Zeitpunkt es nicht mehr möglich ist, neue Anträge einzubringen.

Eine zusätzliche Schwierigkeit im Bereich der zivilrechtlichen Haftung im Fall einer Umweltschädigung ist der enge Bezug zwischen den Sicherheits- und Verhaltensregeln, die ein Unternehmer einhalten muss. Es wird häufig die Frage gestellt, welche Folgen sich aus einer Tätigkeit ergeben, die im Staat A genehmigt wurde und dessen Rechtsvorschriften entspricht (z.B. die Genehmigung eines bestimmten Schadstoffausstoßes), aber im Staat B, in dem diese Tätigkeit nicht erlaubt ist, einen Schaden verursacht (Überschreiten der dort geltenden Grenzwerte). Gemäß Artikel 13 muss das Gericht berücksichtigen, dass der Urheber des Schadens die Sicherheits- und Verhaltensregeln des Staates, in dem er seine Tätigkeit ausübt, eingehalten hat.

Artikel 8 - Verletzung der Rechte an geistigem Eigentum

Artikel 8 führt eine besondere Kollisionsnorm für außervertragliche Schuldverhältnisse ein, die aus der Verletzung von Rechten an geistigem Eigentum entstanden sind. Gemäß Erwägungsgrund 14 umfasst der Ausdruck Rechte an geistigem Eigentum Urheberrechte, verwandte Schutzrechte, das sui generis Datenbankschutzrecht und gewerbliche Schutzrechte.

Die Behandlung der Rechte an geistigem Eigentum ist bei den von der Kommission organisierten Konsultationen eingehend erörtert worden. In zahlreichen Beiträgen wurde darauf hingewiesen, dass es in diesem Bereich bereits eine allgemein anerkannte Regel gibt, und zwar das Prinzip lex loci protectionis, d. h. es gilt das Recht des Landes, in dem der Schutz beansprucht wird. Dieser Grundsatz liegt z.B. der Berner Übereinkunft von 1886 zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst sowie der Pariser Verbandsübereinkunft von 1883 zum Schutz des gewerblichen Eigentums zu Grunde. Mit dieser Regel, die auch als "Territorialitätsprinzip" bezeichnet wird, kann jedes Land sein eigenes Recht auf Verletzungen von in seinem Staatsgebiet gültigen Schutzrechten anwenden: Die Verletzung eines gewerblichen Schutzrechts unterliegt dem Recht des Staates, in dem das betreffende Recht begründet wurde (z. B. Erteilung eines Patents, Eintragung eines Warenzeichens oder Musters). Für Urheberrechte gilt das Recht des Landes, in dem die Verletzungshandlung begangen worden ist. Diese Lösung garantiert die Unabhängigkeit der Rechte, die ihr Inhaber in jedem Land genießt.

Die in Artikel 3 Absatz 1 enthaltene allgemeine Regel erscheint nicht mit den besonderen Anforderungen im Bereich des geistigen Eigentums vereinbar. Um diese Unverträglichkeit auszuräumen, wurden bei den Vorarbeiten zwei Lösungsansätze diskutiert. Eine Möglichkeit wäre, diesen Bereich vom Anwendungsbereich der Verordnung auszunehmen, und zwar entweder ausdrücklich über Artikel 1 oder über Artikel 25, wonach die Anwendung geltender internationaler Übereinkünfte unberührt bleibt. Die zweite Möglichkeit besteht darin, eine spezielle Kollisionsnorm einzuführen. Diesem Vorschlag ist die Kommission mit Artikel 8 letztlich gefolgt.

Artikel 8 Absatz 1 bestätigt den Grundsatz der lex loci protectionis bei der Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums, die aufgrund innerstaatlicher Rechtsvorschriften oder internationaler Übereinkünfte bestehen.

Absatz 2 betrifft die Verletzung einheitlicher gemeinschaftsrechtlicher Schutzrechte wie die Gemeinschaftsmarke, das Gemeinschaftsgeschmacksmuster oder andere Schutzrechte, die in Zukunft geschaffen werden könnten, wie z.B. das Gemeinschaftspatent für dessen Schaffung die Kommission am 1. August 2000 einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates [34] angenommen hat. In diesen Fällen erstreckt sich der locus protectionis auf die gesamte Gemeinschaft, mit der Folge daß die im vorliegenden Verordnungsvorschlag betroffenen außervertraglichen Schuldverhältnisse unmittelbar im Gemeinschaftsrecht einheitlich geregelt sind. Im Falle einer Verletzung, und sofern das Gemeinschaftsrecht für eine spezielle Frage weder eine materiell-rechtliche Bestimmung noch eine spezielle Kollisionsnorm enthält, ist nach Artikel 8 Absatz 2 des vorliegenden Verordnungsvorschlags das Recht desjenigen Mitgliedstaates anwendbar, in dem die Verletzungshandlung begangen worden ist.

[34] OJ C 337 E vom 28.11.2000, S. 278.

Artikel 9 - Bestimmung des anwendbaren Rechts bei außervertraglichen Schuldverhältnissen aus anderer als unerlaubter Handlung

Die Rechtsordnungen aller Mitgliedstaaten kennen Schuldverhältnisse, die weder aus Vertrag noch aus unerlaubter Handlung entstanden sind. Zu solchen Schuldverhältnissen zählen die ungerechtfertigte Bereicherung oder die Geschäftsführung ohne Auftrag.

Da sie sich in wichtigen Punkten von Schuldverhältnissen aus unerlaubter Handlung unterscheiden, wurde ihnen ein eigener Artikel gewidmet.

Um den Unterschieden in den nationalen Rechtssystemen Rechnung zu tragen, sollten entsprechend gefärbte juristische Fachtermini zurückhaltend verwendet werden. In der vorliegenden Verordnung wird daher die Formulierung "außervertragliche Schuldverhältnisse aus anderer als unerlaubter Handlung" verwendet. Die meisten Mitgliedstaaten kennen des Weiteren Unterkategorien wie Rückforderung einer Nichtschuld oder ungerechtfertigte Bereicherung einerseits und Geschäftsführung ohne Auftrag (negotiorum gestio) andererseits. Sowohl das einschlägige materielle Recht als auch die Kollisionsnormen sind in den meisten Mitgliedstaaten noch nicht völlig ausgereift, so dass beträchtliche Rechtsunsicherheit herrscht. Eine einheitliche Kollisionsnorm muss den materiellrechtlichen Unterschieden Rechnung tragen. Die Schwierigkeit besteht darin, weder zu eng gefasste Normen festzuschreiben, die nur in einem Mitgliedstaat angewendet werden könnten, dessen materielles Recht nicht zwischen den verschiedenen Fallgestaltungen differenziert, noch zu allgemein formulierte Normen, die kaum greifen würden. In Artikel 9 wird versucht, diese Klippe zu umschiffen, indem für Schuldverhältnisse aus ungerechtfertigter Bereicherung und Geschäftsführung ohne Auftrag spezielle Kollisionsnormen vorgesehen sind, die dem Gericht gleichzeitig ausreichenden Spielraum lassen, um diese Normen seinem eigenen Recht entsprechend anzuwenden.

Die akzessorische Anknüpfung, die in Absatz 1 bestätigt wird, ist hier von besonderer Bedeutung, etwa bei der Besorgung eines Geschäfts, die über den eigentlichen Auftrag hinausgeht, oder der Zahlung einer fremden Schuld. Deshalb wurde sie hier als verbindliche Kollisionsnorm aufgenommen. Das Schuldverhältnis weist in diesem Fall eine so enge Verbindung zu dem zwischen den Parteien bereits bestehenden Rechtsverhältnis auf, dass sämtliche Rechtsfragen besser nach demselben Recht beurteilt werden sollten. Wie bei der Generalausnahme des Artikels 3 Absatz 3 sind mit dem "bestehenden Rechtsverhältnis" insbesondere vorvertragliche Beziehungen und nichtige Verträge gemeint.

Absatz 2 trägt den berechtigten Erwartungen der Parteien Rechnung, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im selben Land haben.

Absatz 3 betrifft Schuldverhältnisse aus ungerechtfertigter Bereicherung, denen kein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien vorausging, so dass in diesem Fall das Recht des Staates maßgebend ist, in dem die Bereicherung erfolgt ist. Es handelt sich um eine klassische Kollisionsnorm, die auch im Entwurf der Gedip und im schweizerischen Recht zu finden ist.

Die Geschäftsführung ohne Auftrag ist Gegenstand des Absatzes 4, der zwischen Maßnahmen unterscheidet, die man als Hilfeleistung qualifizieren könnte, und solchen, die einen Eingriff darstellen. Bei den Hilfeleistungen handelt es sich um eine punktuelle, vom Geschäftsführer ausnahmsweise ergriffene Initiative, die deshalb schutzwürdig ist, weil sie auf den Schutz einer Person oder eines Gegenstands gerichtet ist, was die Anknüpfung an das Recht des Ortes, an dem sich die geschützte Person oder der Gegenstand befinden, rechtfertigt. Maßnahmen, die in das Vermögen eines anderen eingreifen wie die Begleichung fremder Schulden, rechtfertigen einen Schutz des Geschäftsherrn. In diesen Fällen ist daher grundsätzlich das Recht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Geschäftsherrn anwendbar.

In Absatz 5 wird - wie in Artikel 3 Satz 1 - eine Sonderanknüpfung eingeführt.

Damit auf einen Rechtsstreit nicht mehrere Rechtsordnungen anwendbar sind, schließt Absatz 6 vom Anwendungsbereich dieses Artikels außervertragliche Schuldverhältnisse aus, die im Bereich des geistigen Eigentums entstanden sind, und verweist für diese Schuldverhältnisse auf Artikel 8. Z.B. ein auf ungerechtfertigter Bereicherung gründendes Schuldverhältnis, das bei der Verletzung eines Rechts im Bereich des geistigen Eigentums entstanden ist, unterliegt somit demselben Recht wie die Verletzungshandlung selbst.

Artikel 10 - Freie Rechtswahl

Nach Absatz 1 können die Parteien nach Eintritt des Ereignisses, durch das ein außervertragliches Schuldverhältnis zwischen ihnen entstanden ist, das Recht wählen, dem es unterliegen soll. Der Verordnungsvorschlag folgt damit den jüngsten Entwicklungen des nationalen IPR, die zu einer größeren Parteiautonomie tendieren [35], auch wenn davon weit weniger Gebrauch gemacht wird als bei vertraglichen Schuldverhältnissen. Aus diesem Grund wird der Grundsatz der freien Rechtswahl im Unterschied zum Übereinkommen von Rom den objektiven Anknüpfungspunkten nachgestellt.

[35] Als Beispiel sei auf Artikel 6 des niederländischen Gesetzes vom 11. April 2001 und auf Artikel 42 EGBGB verwiesen.

Für den Bereich des geistigen Eigentums eignet sich der Grundsatz der Parteiautonomie allerdings nicht und ist dementsprechend dort auch nicht zulässig.

Wie in Artikel 3 des Übereinkommens von Rom wird klargestellt, dass die Rechtswahl ausdrücklich erfolgen oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falls ergeben muss. Da der Verordnungsvorschlag keine Rechtswahl im Vorhinein zulässt, bedarf es keiner besonderen Vorschriften zum Schutz der schwächeren Partei.

Gemäß Absatz 1 bleiben die Rechte Dritter von der Rechtswahl unberührt. Klassisches Beispiel ist die Pflicht des Versicherers, den vom Versicherten geschuldeten Schadenersatz zu leisten.

Absatz 2, der sich an Artikel 3 Absatz 3 des Übereinkommens von Rom anlehnt, enthält eine Einschränkung der Parteiautonomie. Er kommt zur Anwendung, wenn alle anderen Sachverhaltselemente in einem anderen Staat als jenem belegen sind, dessen Recht gewählt wurde. Es handelt sich im Grunde genommen um einen Fall mit reinem Inlandsbezug, der nur deshalb in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt, weil die Parteien eine Rechtswahl getroffen haben. In diesem Fall wird die Rechtswahl der Parteien zwar nicht ungültig, doch darf sie die Anwendung der nicht abdingbaren Bestimmungen des Rechts jenes Staates, das mangels Rechtswahl anzuwenden gewesen wäre, nicht berühren.

In diesem Artikel bezieht sich der Begriff der nicht abdingbaren Bestimmungen im Unterschied zu Artikel 12 über die Eingriffsnormen auf die wesentlichen innerstaatlichen Rechtsgrundsätze eines Landes (ordre public). Bei diesen Bestimmungen, die von den Parteien nicht vertraglich abbedungen werden können, handelt es sich insbesondere um Vorschriften zum Schutz der schwächeren Partei. Solche wesentlichen innerstaatlichen Rechtsgrundsätze haben jedoch im internationalen Kontext nicht unbedingt zwingende Wirkung. Sie sind zu unterscheiden von der öffentlichen Ordnung am Ort des Gerichtsstands (ordre public der lex fori) in Artikel 22 einerseits und den Eingriffsnormen in Artikel 12 andererseits.

Analog zu Absatz 2 gilt Absatz 3 für den Fall, dass alle anderen Sachverhaltselemente in zwei oder mehr Mitgliedstaaten belegen sind. Absatz 3 verfolgt denselben Zweck wie Absatz 2, nämlich die Parteien daran zu hindern, die Anwendung der nicht abdingbaren Normen des Gemeinschaftsrechts durch die Wahl des Rechts eines Drittstaats auszuschließen.

Artikel 11 - Anwendungsbereich des für außervertragliche Schuldverhältnisse maßgebenden Rechts

Artikel 11 bestimmt den Anwendungsbereich des nach Maßgabe der Artikel 3 bis 10 des Verordnungsvorschlags bezeichneten Rechts. Es werden die Rechtsfragen aufgeführt, die durch das bezeichnete Recht geregelt werden. Die Mitgliedstaaten gehen nicht einheitlich vor: Während bestimmte Fragen wie die Haftungsvoraussetzungen grundsätzlich dem anwendbaren Recht unterliegen, können andere wie die Verjährungsfristen, die Beweisregelung, der Schadensumfang usw. entweder unter die lex fori oder die lex causae fallen. Nach dem Vorbild von Artikel 10 des Übereinkommens von Rom werden in Artikel 11 die Aspekte aufgeführt, die effektiv unter das bezeichnete Recht fallen.

Entsprechend dem allgemeinen Bemühen um Rechtssicherheit wird dem bezeichneten Recht in diesem Artikel ein sehr umfassender Anwendungsbereich zugewiesen. Artikel 11 übernimmt daher mit wenigen Ausnahmen die Bestimmungen des Artikels 10 des Übereinkommens von Rom:

a) "Die Voraussetzungen und den Umfang der Haftung einschließlich der Bestimmung der Personen, deren Handlungen haftungsbegründend sind": Mit den Haftungsvoraussetzungen sind die haftungsbegründenden Merkmale gemeint. Es handelt sich insbesondere um folgende Aspekte: Art der Haftung (verschuldensunabhängig oder verschuldensabhängig); Definition des Verschuldens einschließlich der Frage, ob ein Unterlassungsverschulden möglich ist; Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Schaden; Bestimmung der Personen, deren Handlungen haftungsbegründend sind; Der "Umfang der Haftung" stellt auf die gesetzlichen Haftungsgrenzen einschließlich der Hoechstgrenzen ab sowie bei einer Haftungsteilung auf den Beitrag jedes Schädigers zum Schadenersatz.

b) "Ausschlussgründe sowie jede Beschränkung oder Teilung der Haftung": Gemeint sind die haftungsausschließenden oder -beschränkenden Elemente. Ausschlussgründe sind unter anderem höhere Gewalt, Notstand, das Verschulden Dritter und das Verschulden des Geschädigten. Darunter fallen auch die Unzulässigkeit von Klagen zwischen Ehegatten und der Haftungsausschluss gegenüber bestimmten Personengruppen.

c) "Das Vorliegen und die Art ersatzfähiger Schäden": Hier geht es um die Feststellung der ersatzpflichtigen Schäden wie materieller und immaterieller Schaden, Umweltschaden, Vermögensschaden und entgangene Geschäftsmöglichkeiten.

d) "Die Maßnahmen, die das Gericht in den Grenzen der ihm durch sein Prozessrecht eingeräumten Befugnisse zur Vorbeugung, zur Beendigung oder zum Ersatz des Schadens anordnen kann": Gemeint ist die Art des Schadenersatzes wie Naturalrestitution oder Geldersatz sowie die Art der Schadensverhütung oder -beendigung z. B. durch eine einstweilige Anordnung, ohne dass das Gericht jedoch verpflichtet wäre, Maßnahmen zu ergreifen, die seinem Prozessrecht fremd sind.

e) "Die Schadensbemessung, soweit sie nach Rechtsnormen erfolgt": Enthält das anwendbare Recht Schadensbemessungsregeln, so muss das Gericht diese anwenden.

f) "Übertragbarkeit des Schadenersatzanspruchs": gemeint ist die Übertragbarkeit des Anspruchs durch Erbfolge oder Zession. Im Rahmen der Erbfolge ist das anzuwendende Recht für die Frage maßgeblich, ob der Rechtsnachfolger des Geschädigten eine Klage auf Ersatz des dem Geschädigten entstandenen Schadens anstrengen kann. [36] Bei der Übertragbarkeit durch Zession regelt das anzuwendende Recht die Frage der Übertragbarkeit der Forderung [37] und das Verhältnis zwischen dem Zessionar und dem Schuldner.

[36] Das auf die Rechtsnachfolge des Geschädigten anzuwendende Recht muss auch für die Frage maßgeblich sein, ob die Erbeneigenschaft vorliegt, was eine Vorfrage für die Klageerhebung darstellt.

[37] Dies ergibt sich bereits aus Artikel 12 Absatz 2 des Übereinkommens von Rom.

g) Das anzuwendende Recht bestimmt auch "die Personen, die Anspruch auf Ersatz des persönlich erlittenen Schadens haben": Dahinter verbirgt sich die Frage, ob eine andere Person als die unmittelbar geschädigte Ersatz des Schadens verlangen kann, der ihr mittelbar durch den Schaden, den die direkt geschädigte Person erlitten hat, entstanden ist. Dieser Schaden kann immateriell, z. B. die Trauer durch den Verlust eines nahen Angehörigen, oder materiell sein, etwa durch einen Vermögensschaden für die Kinder oder den Ehegatten des Verstorbenen.

h) "Haftung für die von einem anderen verursachten Schäden": gemeint sind die Bestimmungen des anwendbaren Rechts, nach denen ein Dritter für den von einer anderen Person verursachten Schaden haftet. Hierunter fällt unter anderem die Haftung der Eltern für ihre Kinder, die Haftung des Geschäftsherrn für seinen Verrichtungsgehilfen.

i) "Die verschiedenen Arten des Erlöschens von Verpflichtungen sowie die Verjährung und die Rechtsverluste, die sich aus dem Ablauf einer Frist ergeben, einschließlich des Beginns, der Unterbrechung und Hemmung von Fristen": Das anwendbare Recht regelt unter anderem das Erlöschen eines Rechts infolge seiner Nichtausübung.

Artikel 12 - Eingriffsnormen

Der Wortlaut dieses Artikels entspricht weitgehend dem entsprechenden Artikel im Übereinkommen von Rom.

In seinem Urteil Arblade definierte der Gerichtshof Eingriffsnormen erstmals als "nationale Vorschriften [...], deren Einhaltung als so entscheidend für die Wahrung der politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation des betreffenden Mitgliedstaats angesehen wird, dass ihre Beachtung für alle Personen, die sich im nationalen Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats befinden, und für jedes dort lokalisierte Rechtsverhältnis vorgeschrieben ist". [38] Eingriffsnormen zeichnen sich dadurch aus, dass das Gericht von vornherein sein eigenes Recht anwendet und nicht erst anhand seiner Kollisionsnormen prüft, welches Recht im konkreten Fall anwendbar ist und ob die Anwendung dieses Recht zu einem mit der Werteordnung der lex fori nicht zu vereinbarenden Ergebnis führt [39].

[38] EuGH, Urteil vom 23.11.1999, verb. Rs. C-369/96 und C-376/96.

[39] Diese Vorgehensweise entspricht dem in Artikel 22 geregelten ordre public der lex fori.

Nach Absatz 2 kann das angerufene Gericht seine eigenen Eingriffsnormen anwenden. Wie der Gerichtshof überdies in seinem Urteil Arblade ausgeführt hat, muss in den innergemeinschaftlichen Beziehungen der Rückgriff auf Eingriffsnormen mit den Grundfreiheiten des Binnenmarkts vereinbar sein. [40]

[40] Unter Rdnr. 31 des Urteils wird ausgeführt, dass die Einstufung einer nationalen Vorschrift als Eingriffsnorm "sie nicht von der Beachtung der Bestimmungen des Vertrages aus[nimmt]" und dass die "Motive, die derartigen nationalen Rechtsvorschriften zugrunde liegen, vom Gemeinschaftsrecht nur als Ausnahmen von den im Vertrag ausdrücklich vorgesehenen Gemeinschaftsfreiheiten und gegebenenfalls als zwingende Gründe des Allgemeininteresses berücksichtigt werden [können]".

Absatz 1 bezieht sich auf Eingriffsnormen eines anderen Staats, mit dem der Sachverhalt eine enge Verbindung aufweist. Das Gericht, das hier über einen breiten Ermessensspielraum verfügt, berücksichtigt Natur und Gegenstand dieser Normen sowie die Folgen, die sich aus ihrer Anwendung ergeben würden. Deutschland, Luxemburg und das Vereinigte Königreich haben sich beim Übereinkommen von Rom das Recht vorbehalten, Artikel 7 Absatz 1 über ausländische Eingriffsnormen nicht anzuwenden. Die Kommission ist allerdings - so wie die meisten Konsultationsbeiträge - der Ansicht, dass es keinen Grund gibt, diese Möglichkeit auszuschließen, zumal in der Vergangenheit nur sehr selten von fremden Eingriffsnormen Gebrauch gemacht worden ist.

Artikel 13 - Sicherheits- und Verhaltensregeln

Entspricht das anzuwendende Recht nicht dem Recht des Staates, in dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, muss das Gericht gemäß Artikel 13 die Sicherheits- und Verhaltensregeln am Ort und zum Zeitpunkt des Eintritts des schädigenden Ereignisses berücksichtigen.

Dieser Artikel basiert auf den entsprechenden Artikeln der Haager Übereinkommen über das auf Verkehrsunfälle (Artikel 7) und das auf die Produkthaftung anzuwendende Recht (Artikel 9). Die Kollisionsnormen fast aller Mitgliedstaaten enthalten entsprechende Grundsätze, die entweder ausdrücklich festgeschrieben oder von der Rechtsprechung entwickelt worden sind.

Artikel 13 liegt die Feststellung zugrunde, dass der Schädiger unabhängig davon, nach welchem Recht sich die zivilrechtlichen Folgen seiner Handlung bestimmen, die Sicherheits- und Verhaltensregeln des Landes beachten muss und dass diese Regeln auch bei der Feststellung der Haftung zu berücksichtigen sind. Es gilt, zwischen der Berücksichtigung fremden Rechts und seiner Anwendung zu unterscheiden: Das Gericht wendet ausschließlich das durch die Kollisionsnorm bezeichnete Recht an, muss aber fremdes Recht wie ein Sachverhaltselement berücksichtigen, z. B. wenn es darum geht, zur Bestimmung der Höhe des Schadenersatzes das Verschulden oder die Gut- bzw. Bösgläubigkeit des Schädigers zu würdigen.

Artikel 14 - Direktklage gegen den Versicherer des Ersatzpflichtigen

Artikel 14 regelt, nach welchem Recht sich bestimmt, ob der Geschädigte direkt gegen den Versicherer des Ersatzpflichtigen vorgehen darf. Er gewährleistet insofern einen angemessenen Interessenausgleich, als er den Geschädigten schützt und ihm die Wahl zwischen zwei Rechtssystemen lässt, mit deren Anwendung der Versicherer vernünftigerweise rechnen muss: Der Geschädigte kann entweder das für das außervertragliche Schuldverhältnis maßgebende Recht wählen oder das Recht, das auf den Versicherungsvertrag anwendbar ist.

Der Haftungsumfang des Versicherers richtet sich in jedem Fall nach dem auf den Versicherungsvertrag anzuwendenden Recht.

Wie in Artikel 7 über die Haftung für Umweltschäden ist der Wortlaut so gewählt, dass er jeden Zweifel für den Fall ausschließt, dass der Geschädigte von seinem Wahlrecht keinen Gebrauch gemacht hat.

Artikel 15 - Gesetzlicher Forderungsübergang und geteilte Haftung

Dieser Artikel entspricht Artikel 13 des Übereinkommens von Rom.

Er findet insbesondere im Verhältnis zwischen dem Versicherer und dem Schädiger Anwendung, um festzustellen, ob ersterer Drittschuldnerklage erheben kann.

Im Fall einer Schuldnermehrheit ist überdies der Fall vorgesehen, dass die Forderung von einem der gesamtschuldnerisch Haftenden erfuellt wird.

Artikel 16 - Form

Artikel 16 lehnt sich an Artikel 9 des Übereinkommens von Rom an.

Formerfordernisse spielen zwar bei der Entstehung außervertraglicher Schuldverhältnisse eine untergeordnete Rolle, doch ist nicht auszuschließen, dass ein solches Schuldverhältnis durch eine einseitige Handlung der einen oder anderen Partei begründet oder beendet wird.

Um die Gültigkeit solcher Handlungen zu erleichtern, sieht Artikel 16 wie bereits Artikel 9 des Übereinkommens von Rom vor, dass die Handlung formgültig ist, wenn sie die Formerfordernisse des für das betreffende Schuldverhältnis maßgebenden Rechts oder des Rechts des Staates, in dem sie vorgenommen wurde, erfuellt.

Artikel 17 - Beweis

Artikel 17 entspricht Artikel 14 des Übereinkommens von Rom.

Danach gilt für die Beweislast sowie für die Beweisführung mit Hilfe gesetzlicher Vermutungen das für außervertragliche Schuldverhältnis maßgebende Recht. Diese Präzisierung ist insofern nützlich, als Fragen im Zusammenhang mit der Beweisführung grundsätzlich nach dem Verfahrensrecht der lex fori geregelt werden.

Absatz 2 betrifft die für den Nachweis einer Rechtshandlung nach Artikel 16 zulässigen Beweisarten. Er bezieht sich nicht auf die Sachverhaltsumstände, bei denen sich die Beweisregeln ebenfalls nach der lex fori richten. Die gewählte Regelung entspricht der sehr liberalen Normierung nach Artikel 14 Absatz 2 des Übereinkommens von Rom, d. h. es sind die Beweisarten der lex fori oder des Rechts, das auf die Form der betreffenden Rechtshandlung anzuwenden ist, zulässig.

Artikel 18 - Gleichstellung mit dem Hoheitsgebiet eines Staates

Artikel 18 regelt Sachverhalte, die nach Maßgabe der Kollisionsnormen dieser Verordnung Anknüpfungspunkte zu Gebieten aufweisen, die keiner territorialen Souveränität unterliegen.

Der Vorschlag der Kommission, der der schriftlichen Konsultation vom Mai 2002 zugrunde lag, enthielt eine spezielle Kollisionsnorm. Problematisch war an dieser Norm u. a., dass sie auf sehr unterschiedliche Sachverhalte anwendbar sein sollte. So ist keineswegs davon auszugehen, dass sich das anwendbare Recht bei einem Zusammenstoß zwischen zwei Schiffen auf hoher See, bei der Explosion eines elektronischen Geräts, der Störung der Kommunikationsinstrumente in einem in der Luft befindlichen Flugzeug oder bei einer von einem Schiff auf hoher See verursachten Umweltverschmutzung mit ein und derselben Norm zutreffend bestimmen ließe.

Aufgrund der Konsultationsbeiträge wurde die Kommission darauf aufmerksam, dass die vorgeschlagene Kollisionsnorm zu leicht zur Anwendung des Rechts eines Billigflaggen-Staats führen könnte, was der allgemeinen Zielsetzung der gemeinschaftlichen Gesetzgebungspolitik widerspräche. In zahlreichen Beiträgen wurde die Frage nach dem Mehrwert einer Norm aufgeworfen, die - sobald zwei oder mehr Rechtsordnungen beteiligt sind wie dies bei einer Normenkollision der Fall ist - lediglich auf den Grundsatz der engsten Verbindung verweist.

Statt einer speziellen Kollisionsnorm enthält Artikel 18 vielmehr eine Bestimmung des Begriffs "Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats". Diesem Ansatz liegt die Überlegung zugrunde, dass der mit Hilfe der verschiedenen Kollisionsnormen in diesem Verordnungsvorschlag herbeigeführte Interessenausgleich auch dann gewährleistet sein muss, wenn einer oder mehrere Anknüpfungspunkte auf ein Gebiet verweisen, dass keiner territorialen Souveränität unterliegt. Es finden daher die allgemeine Kollisionsnorm des Artikels 3 sowie die speziellen Kollisionsnormen Anwendung.

Die Begriffsbestimmungen orientieren sich an Artikel 1 des niederländischen Gesetzes vom 11. April 2001 über die für Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung geltenden Kollisionsnormen.

Artikel 19 - Gleichstellung mit dem gewöhnlichen Aufenthalt

In diesem Artikel wird geregelt, welcher Ort bei Gesellschaften, Vereinen oder juristischen Personen sowie bei natürlichen Personen, die eine selbständige freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausüben, als "gewöhnlicher Aufenthalt" gilt.

Der Verordnungsvorschlag unterscheidet sich generell insofern von der Verordnung "Brüssel I", als der Anknüpfungspunkt - entsprechend der bei einer Normenkollision generell vertretenen Lösung - nicht der Wohnsitz ist, sondern der - flexiblere - Ort des gewöhnlichen Aufenthalts.

Die wortwörtliche Übernahme der Bestimmung in Artikel 60 der Verordnung "Brüssel I", wonach eine Gesellschaft oder eine juristische Person ihren Wohnsitz an dem Ort hat, an dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet, hätte das auf Gesellschaften, Vereine oder juristische Personen anwendbare Recht nicht berechenbarer gemacht.

In Artikel 19 Absatz 1 wird dementsprechend festgestellt, dass die Hauptniederlassung einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer juristischen Person als Ort ihres gewöhnlichen Aufenthalts gilt. In Satz 2 wird jedoch präzisiert, dass, wenn das schädigende Ereignis oder der Schaden anlässlich des Betriebs einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung eingetreten ist, dem gewöhnlichen Aufenthalt der Ort gleichsteht, an dem sich diese Niederlassung befindet. Mit dieser Bestimmung soll nach dem Vorbild von Artikel 5 Nummer 5 der Verordnung "Brüssel I" den berechtigten Erwartungen der Parteien entsprochen werden.

Absatz 2 bestimmt als Ort des gewöhnlichen Aufenthalts bei natürlichen Personen, die eine selbständige freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausüben, den Ort ihrer beruflichen Niederlassung.

Artikel 20 - Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung

Dieser Artikel entspricht Artikel 15 des Übereinkommens von Rom.

Um das Ziel der Rechtssicherheit nicht zu gefährden, das die Auswahl der in den Verordnungsvorschlag aufgenommenen Kollisionsnormen weitgehend beeinflusst hat, schließt Artikel 20 die Rück- und Weiterverweisung aus. Unter dem durch die einheitlichen Kollisionsnormen bezeichneten Recht sind folglich die materiellrechtlichen Bestimmungen dieses Rechts zu verstehen unter Ausschluss seines Internationalen Privatrechts; dies gilt auch, wenn es sich bei dem bezeichneten Recht um das Recht eines Drittstaats handelt.

Artikel 21 - Staaten ohne einheitliche Rechtsordnung

Dieser Artikel entspricht Artikel 19 des Übereinkommens von Rom.

Einheitliche Normen gelten auch in Staaten mit mehreren Rechtssystemen. Wenn ein Staat mehrere Gebietseinheiten umfasst, von denen jede ihre eigenen Rechtsnormen aufweist, so gilt für die Zwecke des Internationalen Privatrechts jede Gebietseinheit als "Staat". Beispiele für solche Staaten sind das Vereinigte Königreich, Kanada, die Vereinigten Staaten oder Australien. Wenn beispielsweise ein Schaden in Schottland eintritt, gilt gemäß Artikel 3 Absatzes 1 schottisches Recht.

Artikel 22 - Öffentliche Ordnung am Ort des Gerichtsstands

Dieser Artikel entspricht Artikel 16 des Übereinkommens von Rom über die Vorbehaltsklausel aus Gründen der öffentlichen Ordnung (Ordre-public-Vorbehalt). Dem Beispiel des Übereinkommens von Rom folgend handelt es sich hier um Vorbehaltsklauseln im Sinne des Internationalen Privatrechts eines Staates; dieser Begriff ist enger als jener im Sinne des innerstaatlichen Rechts eines bestimmten Staates. Die Präzisierung "am Ort des Gerichtsstands" wurde angefügt, um die Vorbehaltsklauseln im Sinne des Internationalen Privatrechts, die allein auf das innerstaatliche Recht eines Staates gründen, von jenen Vorbehaltsklauseln zu unterscheiden, die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben und Gegenstand der Sonderregel des Artikels 23 sind.

Mit Hilfe des Ordre-public-Vorbehalts kann das Gericht die Anwendung des nach der Kollisionsnorm maßgebenden fremden Rechts versagen und an seiner Stelle die lex fori anwenden, wenn die Anwendung des fremden Rechts die öffentliche Ordnung am Ort des Gerichtsstands verletzen würde. Dieser Mechanismus unterscheidet sich von den Eingriffsnormen, bei denen das Gericht von Amts wegen die lex fori anwendet, ohne zuvor den Inhalt des fremden Rechts geprüft zu haben. Die Präzisierung "mit der öffentlichen Ordnung am Ort des Gerichtsstands offensichtlich unvereinbar" macht deutlich, dass der Rückgriff auf den Ordre-public-Vorbehalt nur in Ausnahmefällen erfolgen darf.

Der Gerichtshof hat zwar im Rahmen des Brüsseler Übereinkommens erklärt, dass der Begriff der öffentlichen Ordnung ein Begriff des einzelstaatlichen Rechts ist und es "nicht Sache des Gerichtshofes ist, den Inhalt der öffentlichen Ordnung eines Vertragsstaats zu definieren," er jedoch "über die Grenzen zu wachen [hat], innerhalb deren sich das Gericht eines Vertragsstaats auf diesen Begriff stützen darf, um der Entscheidung eines Gerichts eines anderen Vertragsstaats die Anerkennung zu versagen" [41].

[41] EuGH, Urteil vom 11. Mai 2000, Rs. C-38/98, Renault/Maxicar, Slg. 2000. I-2973.

Artikel 23 - Verhältnis zu anderen Gemeinschaftsrechtsakten

Absatz 1 bezieht sich auf die herkömmlichen Mechanismen des Internationalen Privatrechts, die sich auch auf Übereinkünfte oder auf abgeleitetes Recht stützen können, d. h. Kollisionsnormen für besondere Rechtsbereiche, gemeinschaftsrechtliche Eingriffsnormen und wesentliche Grundsätze des Gemeinschaftsrechts.

Absatz 2 betrifft konkret die dem Binnenmarkt im Bereich des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs eigenen Grundsätze, die gemeinhin unter den "Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung" und unter den "Grundsatz der Herkunftslandkontrolle" subsumiert werden.

Artikel 24 - Nicht auf Ausgleich gerichteter Schadenersatz

Artikel 24 stellt eine konkrete Anwendung des ordre public der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 23 Absatz 1 dritter Gedankenstrich dar.

In zahlreichen schriftlichen Beiträgen wurden im Laufe der Konsultation Bedenken geäußert, dass die Rechtsvorschriften eines Drittstaats zur Anwendung gelangen könnten, die einen Anspruch auf Schadenersatz anerkennen, dessen Zweck über den Ersatz des entstandenen Schadens hinausgeht. Es wurde daher vorgeschlagen, nach dem Vorbild des Artikels 40 Absatz 3 EGBGB eine spezielle Ordre-public-Norm einzuführen, statt einfach auf die wesentlichen Grundsätze der lex fori zu verweisen.

Folglich heißt es in Artikel 24 des Verordnungsvorschlags, dass die Anwendung einer Norm des nach dieser Verordnung bezeichneten Rechts, die zur Folge hätte, dass eine über den Ausgleich des entstandenen Schadens hinausgehende Entschädigung etwa in Form eines Schadenersatzes mit Strafcharakter oder mit abschreckender Wirkung zugesprochen werden könnte, mit den wesentlichen Rechtsgrundsätzen der Gemeinschaft nicht vereinbar ist.

Bei den verwendeten Bezeichnungen handelt es sich nicht um präzise juristische Termini, die zu eng mit einem bestimmten Rechtssystem verbunden wären, sondern um beschreibende Ausdrücke. Zweck des Schadenersatzes ist es, den Schaden wieder gutzumachen, der dem Geschädigten entstanden ist oder der in Zukunft entstehen könnte.

Artikel 25 - Verhältnis zu bestehenden internationalen Übereinkommen

Artikel 25 lässt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, weiterhin die Kollisionsnormen internationaler Übereinkommen anzuwenden, denen sie zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung angehören.

Zu diesen Übereinkommen gehören unter anderem das Haager Übereinkommen vom 4. Mai 1971 über das auf Verkehrsunfälle anzuwendende Recht sowie das Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über das auf die Produkthaftung anzuwendende Recht.

Artikel 26 - Verzeichnis der Übereinkommen gemäß Artikel 25

Um die Übersicht über die in Artikel 25 erwähnten Übereinkommen zu erleichtern, sind die Mitgliedstaaten nach Artikel 26 gehalten, der Kommission ein Verzeichnis der betreffenden Übereinkommen zu übermitteln, das im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wird. Kündigen die Mitgliedstaaten später eines dieser Übereinkommen, so setzen sie die Kommission davon in Kenntnis, damit diese das Verzeichnis auf den neuesten Stand bringen kann.

2003/0168 (COD)

Vorschlag für eine VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES ÜBER DAS AUF AUSSERVERTRAGLICHE SCHULDVERHÄLTNISSE ANZUWENDENDE RECHT ("ROM II")

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 61 Buchstabe c),

auf Vorschlag der Kommission [42],

[42] ABl. C [...] vom [...], S. [...].

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses [43],

[43] ABl. C [...] vom [...], S. [...].

gemäß dem Verfahren des Artikels 251 EG-Vertrag [44],

[44] Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom [...], ABl. C [...] vom [...], S. [...].

in Erwägung folgender Gründe:

(1) Die Union hat sich zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu erhalten und weiterzuentwickeln. Hierzu muss die Gemeinschaft unter anderem im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, die einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen, Maßnahmen erlassen, soweit sie für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich sind und die Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen fördern.

(2) Um die einschlägigen Bestimmungen des Vertrags von Amsterdam wirksam umsetzen zu können, hat der Rat "Justiz und Inneres" am 3. Dezember 1998 einen Aktionsplan angenommen, demzufolge die Ausarbeitung eines Rechtsakts für das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht zu den Maßnahmen gehört, die innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam zu ergreifen sind [45].

[45] Aktionsplan des Rates und der Kommission zur bestmöglichen Umsetzung der Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags über den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, ABl. C 19 vom 23.1.1999, S. 1.

(3) Auf seiner Tagung vom 15./16. Oktober 1999 in Tampere [46] hat der Europäische Rat die Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen als Aktionsschwerpunkt für die Schaffung eines europäischen Rechtsraums gebilligt. Im Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung [47] wird betont, dass es sich bei den Maßnahmen zur Harmonisierung der Kollisionsnormen um flankierende Maßnahmen handelt, die die Umsetzung dieses Grundsatzes erleichtern sollen.

[46] Schlussfolgerungen des Vorsitzes vom 16. Oktober 1999, Rdnrn. 28-39.

[47] ABL. C 12 vom 15.1.2001, S. 1.

(4) Um den Ausgang von Rechtsstreitigkeiten berechenbarer zu machen und die Rechtssicherheit sowie den freien Verkehr gerichtlicher Entscheidungen zu fördern, müssen die in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen im Interesse eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts unabhängig vom Gerichtsstand dieselben Anknüpfungspunkte zur Bestimmung des anwendbaren Rechts enthalten.

(5) Der Anwendungsbereich der Verordnung muss so festgelegt sein, dass er mit der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 [48] und dem Übereinkommen von Rom aus dem Jahr 1980 [49] in Einklang steht.

[48] ABl. L 12 vom 16.1.2001, S.1.

[49] Konsolidierte Fassung des Übereinkommens unter Berücksichtigung der verschiedenen Beitrittsübereinkommen, Erklärungen und der als Anhang beigefügten Protokolle, ABl. C 27 vom 26.1.1998, S. 34.

(6) Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zwischen Wettbewerbern aus der Gemeinschaft lassen sich nur dann vermeiden, wenn einheitliche Bestimmungen unabhängig von dem durch sie bezeichneten Recht angewandt werden.

(7) Zwar wird in nahezu allen Mitgliedstaaten bei außervertraglichen Schuldverhältnissen grundsätzlich von der lex loci delicti commissi ausgegangen, doch ist dieser Grundsatz bei Anknüpfungspunkten zu mehreren Ländern unterschiedlich ausgestaltet. Dies führt zu Rechtsunsicherheit.

(8) Eine einheitliche Norm soll die Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen verbessern und einen angemessenen Interessenausgleich zwischen Personen, deren Haftung geltend gemacht wird, und Geschädigten gewährleisten. Die Anknüpfung an das Land, in dem der Schaden selbst eingetreten ist (lex loci delicti commissi), schafft einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Schädigers und des Geschädigten und entspricht der modernen Konzeption der zivilrechtlichen Haftung und der Entwicklung der Gefährdungshaftung.

(9) Für besondere Delikte, bei denen die allgemeine Norm nicht zu einem angemessenen Interessenausgleich führt, sind besondere Bestimmungen vorzusehen.

(10) Im Bereich der Produkthaftung muss die Kollisionsnorm eine gerechte Verteilung der Risiken einer modernen Gesellschaft, die durch einen hohen Grad der Technisierung, des Schutzes der Gesundheit der Verbraucher, des Anreizes für Innovation, der Gewährleistung eines unverfälschten Wettbewerbs und der Erleichterung des Handels gekennzeichnet ist, sicherstellen. Die Anknüpfung an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Geschädigten -ergänzt um eine Vorhersehbarkeitsklausel - stellt mit Blick auf diese Ziele eine ausgewogene Lösung dar.

(11) Im Bereich des unlauteren Wettbewerbs muss die Kollisionsnorm die Wettbewerber, die Verbraucher und die breite Öffentlichkeit schützen und das reibungslose Funktionieren der Marktwirtschaft sicherstellen. Durch eine Anknüpfung an das Recht des betreffenden Marktes können diese Ziele erreicht werden. In Sonderfällen wird auf andere Regeln zurückgegriffen.

(12) Im Einklang mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten des Europarates muss die im Falle einer Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte anwendbare Kollisionsnorm für einen angemessenen Ausgleich sorgen. Die Wahrung der Grundprinzipien der Mitgliedstaaten im Bereich der Pressefreiheit muss durch eine besondere Schutzklausel sichergestellt werden.

(13) Im Fall einer Umweltschädigung rechtfertigt Artikel 174 EG-Vertrag, der auf ein hohes Schutzniveau abzielt und auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung, auf dem Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, sowie auf dem Verursacherprinzip beruht, in vollem Umfang die Anwendung des Grundsatzes der Begünstigung des Geschädigten.

(14) Bei einer Verletzung von Rechten an geistigem Eigentum gilt es, den international anerkannten Grundsatz der lex loci protectionis zu wahren. Im Sinne dieser Verordung umfasst der Ausdruck Rechte an geistigem Eigentum Urheberrechte, verwandte Schutzrechte, das sui generis Datenbankschutzrecht und gewerbliche Schutzrechte.

(15) Für Schäden, die aus anderer als unerlaubter Handlung entstanden sind, wie die ungerechtfertigte Bereicherung und die Geschäftsführung ohne Auftrag, sind entsprechende Bestimmungen vorzusehen.

(16) Im Sinne der Parteiautonomie können die Parteien das auf ein außervertragliches Schuldverhältnis anzuwendende Recht frei wählen. Diese Möglichkeit der Rechtswahl wird zum Schutz der schwächeren Partei mit bestimmten Bedingungen versehen.

(17) Aus Gründen des öffentlichen Interesses können die Gerichte der Mitgliedstaaten in Ausnahmefällen Vorbehaltsklauseln (ordre public) und Eingriffsnormen anwenden.

(18) Zur Wahrung eines angemessenen Interessenausgleichs zwischen den Parteien müssen die Sicherheits- und Verhaltensregeln des Staates, in dem die schädigende Handlung begangen wurde, selbst dann eingehalten werden, wenn auf das außervertragliche Schuldverhältnis ein anderes Recht anzuwenden ist.

(19) Im Interesse der Kohärenz des Gemeinschaftsrechts ist es geboten, dass die in den Verträgen oder im abgeleiteten Recht enthaltenen Bestimmungen, die das anwendbare Recht betreffen oder beeinflussen wie Kollisionsnormen für besondere Bereiche, gemeinschaftsrechtliche Eingriffsnormen, der Vorbehalt der öffentlichen Ordnung der Gemeinschaft oder die dem Binnenmarkt eigenen Grundsätze, von dieser Verordnung unberührt bleiben. Außerdem zielt diese Verordnung nicht darauf ab - und ihre Anwendung darf nicht dazu führen -, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts, insbesondere des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs, zu behindern.

(20) Um die internationalen Verpflichtungen, die die Mitgliedstaaten eingegangen sind, zu wahren, darf sich die Verordnung nicht auf von den Mitgliedstaaten in besonderen Rechtsgebieten geschlossenen Übereinkommen auswirken. Um die Übersicht über die einschlägigen Rechtsakte zu erleichtern, wird die Kommission anhand der Angaben der Mitgliedstaaten ein Verzeichnis der betreffenden Übereinkommen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichen.

(21) Da das Ziel der geplanten Maßnahme, gerichtliche Entscheidungen durch einheitliche Bestimmungen berechenbarer zu machen, die in einem verbindlichen und unmittelbar anwendbaren Rechtsakt der Gemeinschaft festgelegt sind, auf Ebene der Mitgliedstaaten, die keine einheitlichen Bestimmungen auf Gemeinschaftsebene festlegen können, nicht ausreichend erreicht werden kann und daher wegen der Wirkungen der Maßnahme in der gesamten Gemeinschaft besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip nach Artikel 5 EG-Vertrag tätig werden. Entsprechend dem ebenfalls in diesem Artikel festgelegten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht die Verordnung, die die Rechtssicherheit stärkt, ohne dass es hierzu einer Harmonisierung des innerstaatlichen materiellen Rechts bedarf, nicht über das für die Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.

(22) [Das Vereinigte Königreich und Irland haben gemäß Artikel 3 des Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands im Anhang zum Vertrag über die Europäische Union und im Anhang zum Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten. / Gemäß Artikel 1 und 2 des Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands im Anhang zum Vertrag über die Europäische Union und im Anhang zum Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beteiligen sich diese Staaten nicht an der Annahme dieser Verordnung; die Verordnung ist daher für diese beiden Mitgliedstaaten nicht bindend.]

(23) Dänemark beteiligt sich gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks nicht an der Annahme dieser Verordnung; die Verordnung ist daher für diesen Mitgliedstaat nicht bindend -

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Kapitel I - Anwendungsbereich

Artikel 1 - Materieller Anwendungsbereich

1. Diese Verordnung gilt für außervertragliche zivil- und handelsrechtliche Schuldverhältnisse, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen.

Sie gilt nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.

2. Vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen sind:

a) Außervertragliche Schuldverhältnisse, die auf einem Familienverhältnis oder einem diesem gleichgestellten Verhältnis einschließlich Unterhaltspflichten beruhen,

b) außervertragliche Schuldverhältnisse, die sich aus ehelichen Güterständen und Erbsachen ergeben,

c) außervertragliche Schuldverhältnisse aus Wechseln, Schecks, Eigenwechseln und anderen handelbaren Wertpapieren, sofern die Verpflichtungen aus diesen anderen Wertpapieren aus deren Handelbarkeit entstehen,

d) die persönliche gesetzliche Haftung der Gesellschafter und der Organe für die Schulden einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer juristischen Person sowie die persönliche gesetzliche Haftung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen,

e) außervertragliche Schuldverhältnisse zwischen den Verfügenden, den Treuhändern und den Begünstigten eines "Trusts".

f) außervertragliche Schuldverhältnisse aufgrund von Schäden durch Kernenergie.

3. In dieser Verordnung bezeichnet der Begriff "Mitgliedstaat" alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme [des Vereinigten Königreichs, Irlands und] Dänemarks.

Artikel 2 - Anwendung des Rechts von Drittstaaten

Das nach dieser Verordnung bezeichnete Recht ist auch dann anzuwenden, wenn es nicht das Recht eines Mitgliedstaats ist.

Kapitel II - Einheitliche Kollisionsnormen

Abschnitt 1 Die auf Ausservertragliche Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung anzuwendenden Vorschriften

Artikel 3 - Allgemeine Kollisionsnorm

1. Auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung ist unabhängig davon, in welchem Staat das schädigende Ereignis eintritt und in welchem Staat oder welchen Staaten die indirekten Schadensfolgen festzustellen sind, das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt oder einzutreten droht.

2. Wenn die Person, deren Haftung geltend gemacht wird, und der Geschädigte zum Zeitpunkt des Schadenseintritts ihren gewöhnlichen Aufenthalt im selben Staat haben, unterliegt das außervertragliche Schuldverhältnis dem Recht dieses Staates.

3. Wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass das außervertragliche Schuldverhältnis eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat aufweist, gilt ungeachtet der Absätze 1 und 2 das Recht dieses anderen Staates. Eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat kann sich insbesondere aus einem bestehenden Rechtsverhältnis zwischen den Parteien wie einem Vertrag, der mit der betreffenden unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht, ergeben.

Artikel 4 - Produkthaftung

Unbeschadet des Artikels 3 Absätze 2 und 3 ist für das außervertragliche Schuldverhältnis im Falle eines Schadens oder der Gefahr eines Schadens aufgrund eines fehlerhaften Produkts das Recht des Staates maßgebend, in dem der Geschädigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, es sei denn, die Person, deren Haftung geltend gemacht wird, weist nach, dass das Produkt ohne ihre Zustimmung in diesem Land in Verkehr gebracht worden ist; in diesem Fall ist das Recht des Landes anwendbar, in dem die Person, deren Haftung geltend gemacht wird, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Artikel 5 - Unlauterer Wettbewerb

1. Auf außervertragliche Schuldverhältnisse, die aus einem unlauteren Wettbewerbsverhalten entstanden sind, ist das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher unmittelbar und wesentlich beeinträchtigt worden sind oder beeinträchtigt werden könnten.

2. Beeinträchtigt ein unlauteres Wettbewerbsverhalten ausschließlich die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers, ist Artikel 3 Absätze 2 und 3 anwendbar.

Artikel 6 - Verletzung der Privatsphäre und der Persönlichkeitsrechte

1. Auf außervertragliche Schuldverhältnisse, die aus einer Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte entstanden sind, findet das Recht des Ortes des angerufenen Gerichts (lex fori) Anwendung, wenn die Anwendung des nach Artikel 3 bezeichneten Rechts mit den wesentlichen Grundsätzen der lex fori in Bezug auf die Meinungs- und Informationsfreiheit unvereinbar wäre.

2. Das Recht auf Gegendarstellung oder gleichwertige Maßnahmen richtet sich nach dem Recht des Staates, in dem sich der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Sendeunternehmens oder des Zeitungsverlags befindet.

Artikel 7 - Umweltschädigung

Auf außervertragliche Schuldverhältnisse, die aus einer Umweltschädigung entstanden sind, ist das nach Maßgabe von Artikel 3 Absatz 1 geltende Recht anwendbar, es sei denn, der Geschädigte hat sich dazu entschieden, seinen Anspruch auf das Recht des Staates zu stützen, in dem das schädigende Ereignis eingetreten ist.

Artikel 8 - Verletzung der Rechte an geistigem Eigentum

1. Auf außervertragliche Schuldverhältnisse, die aus der Verletzung von Rechten an geistigem Eigentum entstanden sind, ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schutz beansprucht wird.

2. Auf außervertragliche Schuldverhältnisse, die aus der Verletzung eines einheitlichen gemeinschaftsrechtlichen gewerblichen Schutzrechts entstanden sind, ist das einschlägige Recht der Gemeinschaft anzuwenden. Für Fragen, die im Gemeinschaftsrecht ungeregelt bleiben ist das Recht des Mitgliedstaats anwendbar, in dem die Verletzungshandlung begangen worden ist.

Abschnitt 2 Die auf Ausservertragliche Schuldverhältnisse aus anderer als unerlaubter Handlung anzuwendenden Vorschriften

Artikel 9 - Bestimmung des anwendbaren Rechts

1. Wenn ein außervertragliches Schuldverhältnis, das aus anderer als unerlaubter Handlung entstanden ist, an ein bestehendes Rechtsverhältnis zwischen den Parteien wie einen Vertrag anknüpft, der in enger Verbindung mit dem außervertraglichen Schuldverhältnis steht, ist das Recht anwendbar, das auf dieses bestehende Rechtsverhältnis anzuwenden ist.

2. Wenn die Parteien zum Zeitpunkt des Schadenseintritts ihren gewöhnlichen Aufenthalt im selben Staat hatten, ist unbeschadet des Absatzes 1 das Recht dieses Staates auf das außervertragliche Schuldverhältnis anwendbar.

3. Unbeschadet der Absätze 1 und 2 ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis, das aus ungerechtfertigter Bereicherung entstanden ist, das Recht des Staates anwendbar, in dem die Bereicherung erfolgt ist.

4. Unbeschadet der Absätze 1 und 2 ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis, das aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag entstanden ist, das Recht des Staates anwendbar, in dem der Geschäftsherr zum Zeitpunkt der Geschäftsbesorgung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Wenn sich jedoch ein aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag entstandenes Schuldverhältnis auf den physischen Schutz einer Person oder die Sicherstellung eines bestimmten körperlichen Gegenstands bezieht, ist das Recht des Staates anwendbar, in dem sich die Person oder der Gegenstand zum Zeitpunkt der Geschäftsbesorgung befunden haben.

5. Wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass das außervertragliche Schuldverhältnis eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat aufweist, gilt ungeachtet der Absätze 1, 2, 3 und 4 das Recht dieses anderen Staates.

6. Unbeschadet der Bestimmungen dieses Artikels findet im Bereich des geistigen Eigentums auf alle außervertragliche Schuldverhältnisse Artikel 8 Anwendung.

Abschnitt 3 Gemeinsame Kollisionsnormen für ausservertragliche Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung und für außervertragliche Schuldverhältnisse aus anderer als unerlaubter Handlung

Artikel 10 - Freie Rechtswahl

1. Außer bei außervertraglichen Schuldverhältnissen, für die Artikel 8 maßgebend ist, können die Parteien nach Eintritt des Ereignisses, durch das ein außervertragliches Schuldverhältnis entstanden ist, das Recht wählen, dem es unterliegen soll. Diese Wahl muss ausdrücklich erfolgen oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falles ergeben. Rechte Dritter bleiben unberührt.

2. Befinden sich alle anderen Sachverhaltselemente zum Zeitpunkt des Schadenseintritts in einem anderen Staat als jenem, dessen Recht gewählt wurde, so bleibt die Anwendung der Bestimmungen, von denen nach dem Recht dieses anderen Staates nicht durch Vereinbarung abgewichen werden kann, von der Rechtswahl der Parteien unberührt.

3. Befinden sich alle anderen Sachverhaltselemente zum Zeitpunkt des Schadenseintritts in einem oder mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, so bleibt die Anwendung der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts von der Wahl des Rechts eines Drittstaats durch die Parteien unberührt.

Artikel 11 - Anwendungsbereich des für außervertragliche Schuldverhältnisse maßgebenden Rechts

Das nach den Artikeln 3 bis 10 dieser Verordnung auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ist insbesondere maßgebend für:

a) die Voraussetzungen und den Umfang der Haftung einschließlich der Bestimmung der Personen, deren Handlungen haftungsbegründend sind;

b) Ausschlussgründe sowie jede Beschränkung oder Teilung der Haftung;

c) das Vorliegen und die Art ersatzfähiger Schäden;

d) die Maßnahmen, die das Gericht innerhalb der Grenzen der ihm durch sein Prozessrecht eingeräumten Befugnisse zur Vorbeugung, zur Beendigung oder zum Ersatz des Schadens anordnen kann;

e) die Schadensbemessung, soweit sie nach Rechtsnormen erfolgt;

f) die Übertragbarkeit des Schadenersatzanspruchs;

g) die Personen, die Anspruch auf Ersatz des persönlich erlittenen Schadens haben;

h) die Haftung für die von einem anderen verursachten Schäden;

i) die verschiedenen Arten des Erlöschens von Verpflichtungen sowie die Verjährung und die Rechtsverluste, die sich aus dem Ablauf einer Frist ergeben, einschließlich des Beginns, der Unterbrechung und Hemmung von Fristen.

Artikel 12 - Eingriffsnormen

1. Bei Anwendung des Rechts eines bestimmten Staates aufgrund dieser Verordnung kann den zwingenden Bestimmungen des Rechts eines anderen Staates, mit dem der Sachverhalt eine enge Verbindung aufweist, Wirkung verliehen werden, soweit diese Bestimmungen nach dem Recht des letztgenannten Staates ohne Rücksicht darauf anzuwenden sind, welchem Recht das außervertragliche Schuldverhältnis unterliegt. Bei der Entscheidung, ob diesen zwingenden Bestimmungen Wirkung zu verleihen ist, sind ihre Natur und ihr Gegenstand sowie die Folgen zu berücksichtigen, die sich aus ihrer Anwendung oder Nichtanwendung ergeben würden.

2. Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung der nach dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts geltenden Vorschriften, die ohne Rücksicht auf das für das außervertragliche Schuldverhältnis maßgebende Recht den Sachverhalt zwingend regeln.

Artikel 13 - Sicherheits- und Verhaltensregeln

Unabhängig vom anzuwendenden Recht sind bei der Feststellung der Haftung die Sicherheits- und Verhaltensregeln am Ort und zum Zeitpunkt des Eintritts des schädigenden Ereignisses zu berücksichtigen.

Artikel 14 - Direktklage gegen den Versicherer des Ersatzpflichtigen

Das Recht des Geschädigten, direkt gegen den Versicherer des Ersatzpflichtigen vorzugehen, unterliegt dem für das außervertragliche Schuldverhältnis maßgebenden Recht, es sei denn, der Geschädigte hat sich dazu entschieden, seinen Anspruch auf das auf den Versicherungsvertrag anzuwendende Recht zu stützen.

Artikel 15 - Gesetzlicher Forderungsübergang und geteilte Haftung

1. Hat eine Person, der Gläubiger, aufgrund eines außervertraglichen Schuldverhältnisses eine Forderung gegen eine andere Person, den Schuldner, und hat ein Dritter die Verpflichtung, den Gläubiger zu befriedigen, oder befriedigt er den Gläubiger aufgrund dieser Verpflichtung, so bestimmt das für die Verpflichtung des Dritten maßgebende Recht, ob der Dritte die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner gemäß dem für deren Beziehungen maßgebenden Recht ganz oder zu einem Teil geltend machen kann.

2. Dies gilt auch, wenn mehrere Personen dieselbe Forderung zu erfuellen haben und der Gläubiger von einer dieser Personen befriedigt worden ist.

Artikel 16 - Form

Eine ein außervertragliches Schuldverhältnis betreffende einseitige Rechtshandlung ist formgültig, wenn sie die Formerfordernisse des für das betreffende außervertragliche Schuldverhältnis maßgebenden Rechts oder des Rechts des Staates, in dem sie vorgenommen wurde, erfuellt.

Artikel 17 - Beweis

1. Das nach dieser Verordnung für das außervertragliche Schuldverhältnis maßgebende Recht ist anzuwenden, soweit es für außervertragliche Schuldverhältnisse gesetzliche Vermutungen aufstellt oder die Beweislast verteilt.

2. Zum Beweis einer Rechtshandlung sind alle Beweisarten der lex fori oder eines der in Artikel 16 bezeichneten Rechte, nach denen die Rechtshandlung formgültig ist, zulässig, sofern der Beweis in dieser Art vor dem angerufenen Gericht erbracht werden kann.

Kapitel III - Sonstige Vorschriften

Artikel 18- Gleichstellung mit dem Hoheitsgebiet eines Staates

Für die Zwecke dieser Verordnung sind dem Hoheitsgebiet eines Staates gleichgestellt:

a) die Einrichtungen und sonstigen Anlagen zur Exploration und Gewinnung natürlicher Ressourcen, die sich in, auf oder über einem Teil des Meeresgrunds befinden, der außerhalb der Hoheitsgewässer dieses Staates liegt, soweit dieser Staat aufgrund des Völkerrechts ermächtigt ist, dort Hoheitsrechte zum Zwecke der Exploration und Gewinnung natürlicher Ressourcen auszuüben;

b) ein auf hoher See befindliches Seefahrzeug, das von diesem Staat oder in dessen Namen registriert oder mit einem Schiffszertifikat oder einem gleichgestellten Dokument versehen worden ist oder dessen Eigentümer Angehöriger dieses Staates ist;

c) ein im Luftraum befindliches Luftfahrzeug, das von diesem Staat oder in dessen Namen registriert oder im Luftfahrzeugregister eingetragen worden ist oder dessen Eigentümer Angehöriger dieses Staates ist.

Artikel 19 - Gleichstellung mit dem gewöhnlichen Aufenthalt

1. Bei Gesellschaften, Vereinen oder juristischen Personen steht die Hauptniederlassung dem gewöhnlichen Aufenthalt gleich. Wenn jedoch das schädigende Ereignis oder der Schaden anlässlich des Betriebs einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung eingetreten ist, steht dem gewöhnlichen Aufenthalt der Ort gleich, an dem sich diese Niederlassung befindet.

2. Wenn das schädigende Ereignis oder der Schaden bei der Ausübung der beruflichen Tätigkeit einer natürlichen Person eingetreten ist, steht dem gewöhnlichen Aufenthalt der Ort gleich, an dem sich seine berufliche Niederlassung befindet.

3. Für die Anwendung von Artikel 6, Absatz 2, steht der Ort, an dem der Fernsehveranstalter im Sinne der Richtlinie 89/552/EWG, abgeändert gemäß der Richtlinie 97/36/EG, niedergelassen ist, dem gewöhnlichen Aufenthalt gleich.

Artikel 20 - Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung

Unter dem nach dieser Verordnung anzuwendenden Recht eines Staates sind die in diesem Staat geltenden Rechtsnormen unter Ausschluss derjenigen des Internationalen Privatrechts zu verstehen.

Artikel 21 - Staaten ohne einheitliche Rechtsordnung

1. Umfasst ein Staat mehrere Gebietseinheiten, von denen jede eigene Rechtsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse hat, so gilt für die Bestimmung des nach dieser Verordnung anzuwendenden Rechts jede Gebietseinheit als Staat.

2. Ein Staat, in dem verschiedene Gebietseinheiten eigene Rechtsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse haben, ist nicht verpflichtet, diese Verordnung auf Kollisionen zwischen den Rechtsnormen dieser Gebietseinheiten anzuwenden.

Artikel 22 - Öffentliche Ordnung am Ort des Gerichtsstands

Die Anwendung einer Norm des nach dieser Verordnung bezeichneten Rechts kann nur versagt werden, wenn dies mit der öffentlichen Ordnung des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar ist.

Artikel 23 - Verhältnis zu anderen Gemeinschaftsrechtsakten

1. Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung der Bestimmungen, die in den Verträgen zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften oder in Rechtsakten der Organe der Europäischen Gemeinschaften enthalten sind und die

- in besonderen Bereichen Kollisionsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse enthalten, oder

- Vorschriften enthalten, die unabhängig von dem nach dieser Verordnung maßgebenden einzelstaatlichen Recht auf das außervertragliche Schuldverhältnis anzuwenden sind, oder

- der Anwendung der lex fori oder des in dieser Verordnung bezeichneten Rechts entgegenstehen.

2. Diese Verordnung berührt nicht die Gemeinschaftsrechtsakte für besondere Bereiche, die in dem jeweils koordinierten Bereich die Erbringung von Dienstleistungen und die Lieferung von Waren den nationalen Bestimmungen unterwerfen, die im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats anwendbar sind, in dem der Dienstleistende niedergelassen ist, und die in dem koordinierten Bereich eine Beschränkung des freien Verkehrs von Dienstleistungen und Waren aus einem anderen Mitgliedstaat gegebenenfalls nur unter bestimmten Bedingungen erlauben.

Artikel 24 - Nicht auf Ausgleich gerichteter Schadenersatz

Die Anwendung einer Norm des nach dieser Verordnung bezeichneten Rechts, die zur Folge hätte, dass eine über den Ausgleich des entstandenen Schadens hinausgehende Entschädigung etwa in Form eines Schadenersatzes mit Strafcharakter oder mit abschreckender Wirkung zugesprochen werden könnte, ist mit der öffentlichen Ordnung der Gemeinschaft nicht vereinbar.

Artikel 25 - Verhältnis zu bestehenden internationalen Übereinkommen

Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung internationaler Übereinkommen, denen die Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme dieser Verordnung angehören und die in besonderen Bereichen Kollisionsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse enthalten.

Kapitel IV - Schlussbestimmungen

Artikel 26 - Verzeichnis der Übereinkommen gemäß Artikel 25

1. Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission bis spätestens 30. Juni 2004 das Verzeichnis der Übereinkommen gemäß Artikel 25. Kündigen die Mitgliedstaaten nach diesem Stichtag eines dieser Übereinkommen, so setzen sie die Kommission davon in Kenntnis.

2. Das Verzeichnis der Übereinkommen gemäß Absatz 1 wird von der Kommission innerhalb von sechs Monaten nach Erhalt des vollständigen Verzeichnisses im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

Artikel 27 - Inkrafttreten und zeitliche Anwendbarkeit

Diese Verordnung tritt am 1. Januar 2005 in Kraft.

Die Verordnung ist auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwenden, die sich aus Ereignissen ergeben, die nach ihrem Inkrafttreten eingetreten sind.

Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar in den Mitgliedstaaten.

Geschehen zu Brüssel am [ ... ]

Im Namen des Europäischen Parlaments Im Namen des Rates

Der Präsident Der Präsident