52003IE0398

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Vereinfachung"

Amtsblatt Nr. C 133 vom 06/06/2003 S. 0005 - 0012


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Vereinfachung"

(2003/C 133/02)

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 18. Juli 2002, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Stellungnahme zu dem vorgenannten Thema zu erarbeiten.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 5. März 2003 an. Berichterstatter war Herr Simpson.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 398. Plenartagung am 26. und 27. März 2003 (Sitzung vom 26. März) mit 81 Ja-Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Bei der Vorlage des Programms der derzeitigen Kommission vor dem Europäischen Parlament im Februar 2000 hat Präsident Romano Prodi die "Förderung neuer europäischer Entscheidungsstrukturen" als eines der vier strategischen Ziele seiner Amtszeit genannt(1). Hierzu gehören eine offenere Arbeitsweise der Europäischen Kommission, eine Vereinfachung des Gemeinschaftsrechts und eine Verringerung seines Umfangs, die bessere Einbindung der Zivilgesellschaft in das Rechtsetzungsverfahren und der Ausbau der Vernetzung. In ihrer Gesamtheit zielen diese Maßnahmen auf das Erreichen einer besseren Rechtsetzung. Die Kommission hat jedoch angemerkt, dass sie diese Anstrengungen nicht allein unternehmen kann.

1.2. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) hat seit Oktober 2000 drei Stellungnahmen(2) zum Thema Vereinfachung und Verbesserung des Regelungsumfelds der Europäischen Union vorgelegt, die widerspiegeln, welche Bedeutung der Ausschuss dieser Frage beimisst. Eine der Stellungnahmen wurde auf Betreiben des Präsidenten der Europäischen Kommission, Romano Prodi, verfasst(3). Ferner hat der Ausschuss eine Stellungnahme zu der von der Kommission 2002 vorgelegten Überprüfung der Binnenmarktstrategie abgegeben(4), die sich u. a. mit Aspekten der Vereinfachung befasst und deren entscheidende Bedeutung für die Vollendung eines echten Binnenmarktes anerkennt.

1.3. In der ersten dieser Stellungnahmen ("Vereinfachung der Binnenmarktvorschriften (BBS)" - Berichterstatter: Herr Vever)(5) wurde das Konzept unabhängiger Folgenabschätzungen vorgestellt, die nach Möglichkeit von einem externen Organ erstellt werden sollen; in ihr wurden zudem einige spezifische Maßnahmen vorgeschlagen. Ferner wurde in dieser Stellungnahme empfohlen, dass die verschiedenen Akteure Verhaltenskodizes vereinbaren sollten, und schließlich wurde der Entwurf eines Verhaltenskodexes für den EWSA vorgelegt.

1.4. Die zweite Stellungnahme ("Vereinfachung" - Berichterstatter: Herr Walker)(6) hat diese Vorschläge wiederholt und einige zusätzliche Empfehlungen ausgesprochen - u. a. die, die Geltung aller Rechtsvorschriften zu befristen ("sunset legislation"), die KMU von der Erfuellung bestimmter Rechtsvorschriften bzw. von Passagen bestimmter Rechtsvorschriften zu entbinden, die existierenden Rechtstexte zu kodifizieren und den Vereinfachungsprozess zu beschleunigen.

1.5. In seiner dritten Stellungnahme ("Vereinfachung und Verbesserung des rechtlichen Rahmens" - Berichterstatter: Herr Walker)(7) hat der Ausschuss seinen Vorschlag für ein unabhängiges Gremium auf europäischer Ebene näher erläutert und dessen Einrichtung nach dem Vorbild des US-amerikanischen Office of Regulatory Affairs vorgeschlagen. Ferner wurde ein Aktionsplan für die Europäische Kommission, den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Mitgliedstaaten entworfen. Außerdem wurden in ihr eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen vorgeschlagen.

1.6. Eine Synthese der in den genannten Stellungnahmen enthaltenen Bemerkungen und Empfehlungen ist in Anhang 1 nachzulesen.

1.7. Des Weiteren veranstaltete der EWSA am 10. September 2002 unter der Ägide der Binnenmarktbeobachtungsstelle eine Anhörung zum Thema "Vereinfachung der Binnenmarktvorschriften: Festlegung der Prioritäten".

1.7.1. Bei dieser Anhörung stellte sich im Gegensatz zur Haltung der vergangenen Jahre heraus, dass

- die Vereinfachung inzwischen als ein Thema angesehen wird, das alle gesellschaftlichen Gruppen interessiert;

- eine breit angelegte Einbeziehung von Akteuren und der Einsatz unterschiedlicher Methoden (etwa im Wege der Ko- und Selbstregulierung) erforderlich ist, damit die Vereinfachung funktionieren kann; und dass

- die entscheidende Frage nunmehr lautet, wie die Vereinfachung in die Praxis umgesetzt werden soll.

1.7.2. Anlässlich dieser Anhörung führte der EWSA eine umfassende Befragung unter den Verbänden, Gewerkschaften und anderen Binnenmarktakteuren durch, die ergab, dass

- 65 % der Befragten die bestehenden Rechtsvorschriften für zu kompliziert halten;

- 60 % der Befragten den Aktionsplan der Kommission befürworten, er aber 40 % der Befragten nicht weit genug geht;

- 90 % der Befragten der Auffassung sind, dass die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zu umständlich sind und deswegen auf einzelstaatlicher Ebene Vereinfachungsmaßnahmen getroffen werden müssen, damit der Vereinfachungsplan der EU überhaupt gelingen kann;

- 75 % der Befragten die Idee einer stärkeren Selbst- und Koregulierung unter Einbindung der Wirtschafts- und Sozialakteure unterstützen.

1.8. Die Mängel des gegenwärtigen Regelungsumfeldes werden weithin anerkannt, nicht zuletzt von der Kommission, die sich dazu verpflichtet hat, echte und anhaltende Verbesserungen herbeizuführen. Der Ausschuss begrüßt und unterstützt diese Absicht; er ist jedoch der Ansicht, dass die Kommission allein dieses Ziel nicht erreichen kann. Erforderlich dazu sind ein angemessenes Engagement des Europäischen Parlaments, des Rates und der Mitgliedstaaten sowie konzertierte Anstrengungen aller genannten Akteure auf partnerschaftlicher Basis. Der Ausschuss begrüßt es, dass ihm hier erneut die Möglichkeit geboten wird, zu diesem Prozess aktiv beizutragen.

1.9. Herr Bolkestein, Mitglied der Kommission, hat hierzu gesagt, dass Märkte zwar nicht ohne Vorschriften funktionierten, schlechte Vorschriften jedoch eine Last darstellten, die wir uns nicht leisten könnten(8). Er hat dazu geraten, Rechtsvorschriften zurückzuschrauben, und weiter ausgeführt, dass ... Wettbewerb unser bester Freund sei ... und dass das Beharren auf Vorschriften in zu vielen Fällen den Wettbewerb ersticken würde. Während er die Vereinfachung der Vorschriften als vorrangige Aufgabe bezeichnete, stellte er fest, dass das Rechtsetzungstempo erhöht werden müsse, denn die Rechtsvorschriften hinkten dem Markt hinterher und es bestuende die Gefahr, dass für die Wirtschaft von morgen Rechtsvorschriften von gestern gelten würden.

2. Die Kommissionsmitteilung

2.1. Vor Kurzem hat die Kommission eine vier Dokumente umfassende Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat vorgelegt, in der offizielle Vorschläge für Änderungen des "europäischen Regierens" skizziert werden. Bei dem ersten Dokument handelt es sich um eine zusammenfassende Mitteilung(9), in der die grundlegenden Konzepte und Ideen dargestellt werden; sie wird ergänzt durch drei spezifische Mitteilungen(10) zu einzelnen Aspekten der Vorschläge.

2.2. Die Kommission hat diese Mitteilungen in dem Wissen verfasst, dass vereinfachte und verbesserte Entscheidungsstrukturen in der Gemeinschaft an sich ein erstrebenswertes Ziel sind, dass jedoch die Schlussfolgerungen des Konvents von Laeken und der Regierungskonferenz (RK), die im Jahr 2004 folgen wird, zusätzliche Auswirkungen auf die "Governance" haben könnten.

2.3. In diesen Mitteilungen wurden Verbesserungen herausgearbeitet, die innerhalb des geltenden Rechtsrahmens vorgenommen werden können und sollten, ohne dass damit die Bedeutung bzw. Erwartung in Bezug auf Vorschläge geschmälert wird, die aus dem Konvent zur Zukunft Europas hervorgehen und der RK unterbreitet werden. Die Kommission ist der Ansicht, dass die Umsetzung der in den Mitteilungen formulierten Vorschläge ab Anfang 2003 erfolgen sollte(11). Die Mitteilungen sollten vor dem Hintergrund des Weißbuchs "Europäisches Regieren"(12) aufgenommen werden, das im Juli 2001 vorgelegt worden ist.

2.4. Das Weißbuch stellt zentrale Postulate über die Mängel und Schwächen der gegenwärtigen Entscheidungsstrukturen und die Notwendigkeit von Veränderungen auf. Unter anderem wird betont, dass die Bürger die Funktionsweise der Europäischen Union nicht verstehen. Die Europäische Kommission ist der Ansicht, dass die nun vorgeschlagenen Maßnahmen notwendig sind, um "die Glaubwürdigkeit des Handelns der Gemeinschaft bei den Bürgern zu stärken"(13).

2.5. In den kürzlich vorgelegten Mitteilungen werden drei Ansätze für Verbesserungen genannt:

(1) ein Aktionsplan(14) für eine verbesserte Rechtsetzung durch die Europäischen Institutionen(15) und die Mitgliedstaaten mithilfe der Verbesserung und Vereinfachung des Regelungsumfeldes;

(2) eine Verbesserung des Konsultationsprozesses durch die Förderung einer intensiveren Kultur des Dialogs und der Mitwirkung seitens der Interessengruppen(16); und

(3) eine systematischere Vornahme von Folgenabschätzungen von Gesetzgebungsinitiativen(17).

2.6. Die Einzelheiten der unter diese Überschriften gefassten Vorschläge der Kommission sind in Anhang 2 zusammenfassend dargestellt.

3. Allgemeine Bemerkungen

3.1. In seinen vorangegangenen Stellungnahmen hat der Ausschuss deutlich gemacht, dass er die Notwendigkeit einer Regulierung anerkennt und dass er eine Verbesserung des Regelungsumfelds nicht notwendigerweise mit dem Vorgang des Deregulierens gleichsetzt. Er teilt jedoch die Besorgnis der Kommission, dass ein schlecht durchdachtes Regelwerk die wirtschaftliche Entwicklung behindert und es das Streben nach Vollbeschäftigung untergräbt, wenn Unternehmen überfluessige Auflagen gemacht werden; dies gilt insbesondere für Kleinbetriebe.

3.1.1. Auch verfehlen mangelhafte Rechtsvorschriften häufig ihr Regelungsziel. Ebenso können mangelhafte Bestimmungen (bzw. Rechtsvorschriften) dazu führen, dass die Gerichte angerufen werden, um diese Texte auszulegen. Das kann hohe Kosten verursachen und mit großem Zeitaufwand einhergehen, ohne dass dies in jedem Fall zu einem Ergebnis führt, das den ursprünglichen Absichten derjenigen entspricht, die diese Vorschriften ausgearbeitet haben.

3.2. In seiner Stellungnahme zur Überprüfung der Binnenmarktstrategie im Jahr 2002 ("Zeit, die Versprechen einzulösen")(18) hat der Ausschuss bereits darauf verwiesen, dass der Europäischen Union aufgrund schlecht durchdachter Rechtvorschriften jährlich mehr als 1 Billion EUR verloren gehen.

3.3. Nicht nur Unternehmen haben mit den negativen Folgen eines schlecht durchdachten Regelwerks zu kämpfen; negative Auswirkungen verspüren auch die einzelstaatlichen Behörden und Bürger in ihrem Alltag. Diese unerwünschten Folgen resultieren hauptsächlich aus der Komplexität des Regelungsumfeldes, die ihrerseits verursacht wird durch zwei verschiedene, aber miteinander zusammenhängende Tatbestände, die bei der Durchführung des Vereinfachungsvorhabens eine unterschiedliche Herangehensweise verlangen.

3.3.1. Die erste Ursache ist der undurchsichtige, komplexe und teilweise nachgerade widersprüchliche Charakter der Rechtsvorschriften. Gelegentlich liegt dies an der mangelhaften Formulierung des Ursprungstextes, die es in einigen Fällen notwendig machen kann, zur Auslegung der gesetzgeberischen Absicht die Gerichte anzurufen. Häufiger ist die Ursache jedoch im flickwerkartigen Entstehen eines Großteils des EU-Rechts zu suchen, bei dem Änderungen zu Rechtsakten erlassen und diese Änderungen wiederum geändert werden; hinzu kommt, dass mit Rücksicht auf besondere Umstände oft Rechtsvorschriften erlassen werden, die auf ursprünglich nicht für den betreffenden Zweck gedachte Rechtsakte aufgepfropft werden.

3.3.1.1. In den meisten Fällen resultieren die Probleme aus Änderungen an den ursprünglichen Texten, die vom Europäischen Parlament und/oder vom Rat im Bemühen um einen Konsens, der die Umsetzung der Vorschriften sichert, vorgenommen werden. Diese Änderungen führen außerdem häufig dazu, dass die Folgenabschätzungen zum ursprünglichen Vorschlag unwirksam werden.

3.3.1.2. Ein weiterer Hauptfaktor für diese Komplexität ist das schiere Volumen des Korpus von Rechtsvorschriften auf Gemeinschafts- wie auf einzelstaatlicher Ebene, der mit Ausnahme hochspezialisierter Rechtssachverständiger den Zugriff für alle erschwert.

3.3.2. Die zweite Ursache der Komplexität liegt in den großen Unterschieden zwischen den Regelungswerken der Mitgliedstaaten, die eine Aufstückelung des vorgeblich einheitlichen Binnenmarktes in fünfzehn unterschiedliche Jurisdiktionen bewirken. Dies folgt:

- teils aus Verzögerungen auf Seiten der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Gemeinschaftsvorschriften in einzelstaatliches Recht;

- teils aus der Tatsache, dass die Mitgliedstaaten die Vorschriften im Zuge der Umsetzung entsprechend ihrer eigenen Rechtskultur und -tradition auslegen, d. h. dem Ganzen einen einzelstaatlichen "Anstrich" verleihen;

- teils aus dem unterschiedlich starken Umsetzungsgrad der Gemeinschaftsvorschriften in den Mitgliedstaaten;

- teils aus den Ausnahmeregelungen und Freistellungen, die die Mitgliedstaaten bei den Verhandlungen vor dem Erlass zahlreicher Gemeinschaftsvorschriften erreichen;

- und teils daraus, dass die Mitgliedstaaten auf der Einhaltung der Regelungen einzelstaatlicher Einrichtungen, bestehender Geschäftspraktiken und Traditionen beharren, die zwar keine Gesetzeskraft besitzen, aber dennoch als verbindlich behandelt werden.

3.3.3. Vor diesem Hintergrund nimmt der EWSA mit Bedauern die enttäuschenden Fortschritte zur Kenntnis, die bei der Umsetzung der Gemeinschaftsvorschriften in einzelstaatliches Recht erzielt wurden(19). Zwar ist der Umsetzungsrückstand in den vergangenen zehn Jahren deutlich zurückgegangen, in den letzten sechs Monaten hat sich der Trend jedoch umgekehrt, so dass zwei Drittel der Mitgliedstaaten das Ziel eines Rückstands von 1,5 Prozent verfehlen. Die Mehrheit von ihnen wird mehr als genug damit zu tun haben, bis zum Frühjahrsrat 2003 das Ziel eines Nullrückstands bei der Umsetzung der Richtlinien zu erreichen. Während die Zahl der Vertragsverletzungsverfahren in den letzten zehn Jahren deutlich angestiegen ist, wurden nur geringe Fortschritte bei der Reduzierung der Verfahren gemacht, die eine mangelhafte Anwendung des Gemeinschaftsrechts zum Gegenstand haben.

3.3.4. Insgesamt führt dies zu Wettbewerbsverzerrungen und einer Behinderung des innergemeinschaftlichen Handels. Den Unternehmen - und insbesondere Kleinbetrieben - ist es praktisch unmöglich, das Ausmaß ihrer rechtlichen Pflichten im Geschäftsverkehr mit einem anderen Mitgliedstaat als dem ihres Geschäftssitzes zu erfassen. Allzu häufig ziehen sie es angesichts der Komplikationen und Risiken vor, die gebotene Chance nicht wahrzunehmen.

3.4. Der Ausschuss hat bereits früher in zwei separaten Stellungnahmen(20) ausgeführt, dass das Gesamtvolumen der direkten EU-Rechtsvorschriften relativ gering ist. Der Anteil der Rechtsvorschriften, der unmittelbar von der EU herrührt und sich direkt auf das Leben des einzelnen Bürgers auswirkt, schwankt von Land zu Land. Der überwiegende Teil der Rechtsetzung besteht hingegen aus einer Hierarchie einzelstaatlicher Bestimmungen, Regierungsverordnungen, Regelungen einzelstaatlicher Einrichtungen, Tarifbestimmungen sowie Bestimmungen auf regionaler, kommunaler und lokaler Ebene. Diese Hierarchie hat die Gestalt einer Pyramide: Je weiter man in ihr nach unten geht, desto größer wird das Volumen der Rechtsvorschriften, die Transparenz schwindet und die Kohärenz nimmt ab.

3.5. Folglich unterstützt der Ausschuss im Kern die Zielrichtung der Kommissionsvorschläge, die zu einem auf mehr Sachkenntnis beruhenden Entscheidungsfindungsprozess führen sollen, dem genauere vorherige Abschätzungen zugrunde liegen.

3.6. Der Ausschuss äußert jedoch seine Bedenken hinsichtlich einiger Aspekte der Verfahren, die jetzt eingeführt werden sollen.

3.6.1. Die Einführung der Folgenabschätzungsmaßnahmen und eines umfassenderen Konsultationsnetzes wurden vor dem Hintergrund einer Europäischen Union mit 15 Mitgliedstaaten dargelegt. Durch die Erweiterung der Europäischen Union werden diese Veränderungen umfassender und komplexer ausfallen. In den ersten Jahren könnte die Aussicht auf Vereinfachung durch die Folgen der Erweiterung getrübt werden. Dessen ungeachtet ist ein besseres Verständnis der Grundprinzipien der gemeinschaftlichen Regelwerke in den neuen Mitgliedstaaten ebenso wichtig wie in den gegenwärtigen.

3.6.2. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass eine Verbesserung der Entscheidungsprozesse im Zentrum der Gemeinschaft verstärkt mit dem Eindruck einer fortschreitenden Zentralisierung einhergeht, sofern nicht durch entsprechende Bestimmungen sichergestellt wird, dass das Subsidiaritätsprinzip geschützt und gestärkt wird.

3.6.3. Der Ausschuss nimmt zur Kenntnis, dass die vorgeschlagenen Veränderungen zwar zu einer Systematisierung bei der Vorbereitung von Rechtsakten und Bestimmungen führen können, diese Änderungen (an sich) jedoch keine Schritte zu einer Reduzierung der Quantität und der Wirkung bestehender Rechtsvorschriften auslösen würden. Eine Vereinfachung über den Weg der Deregulierung wird die Durchführung anderer vorgeschlagener Maßnahmen erforderlich machen.

3.7. Der Ausschuss hat sich als Bindeglied zwischen vielen Teilen der organisierten Zivilgesellschaft, den Sozialpartnern und der Kommission bewährt. Dieses Verhältnis hat sich als vorteilhaft für alle Beteiligten erwiesen. Die Kommission hat jetzt ein Verfahren für erweiterte Konsultationen entworfen und baut teilweise darauf, dass die neuen Medien und das Internet diesen Prozess erleichtern.

3.8. Im Interesse eines möglichst großen Nutzens empfiehlt der Ausschuss der Kommission dafür zu sorgen, dass die entsprechenden Fachgruppen des EWSA Zugang zu den im Konsultationsprozess eingegangenen Antworten erhalten, wodurch die Arbeit des Ausschusses bei der Vorbereitung seiner Stellungnahmen für die Kommission auf eine solidere Grundlage gestellt würde. Möglicherweise möchte das Parlament einen entsprechenden Vorschlag vorbringen.

3.9. Dieser Vorschlag würde nicht nur entsprechende Verwaltungsabsprachen, sondern auch die Berücksichtigung seiner Auswirkungen auf die zeitliche Planung der einzelnen Stadien der Vorbereitung von Rechtsakten erfordern.

3.10. Der Ausschuss nimmt zur Kenntnis, dass er von der Europäischen Kommission ermuntert wird, eine aktivere Rolle(21) zu spielen, und signalisiert seine Bereitschaft hierzu.

3.11. Der EWSA begrüßt den Umstand, dass die Kommission(22) sich zunächst zu einer nachvollziehbareren Ausübung ihres Initiativrechts und einer stärkeren Berücksichtigung der Differenzen verpflichtet hat. Insbesondere begrüßt er ihre Zusage(23) darauf zu achten, "den Text ihrer Legislativvorschläge auf das unbedingt Notwendige zu beschränken".

3.12. Er unterstreicht die Notwendigkeit für eine Umsetzung der Vorschläge der Kommission innerhalb kürzest möglicher Zeit.

3.13. Der Ausschuss weist darauf hin, dass im Rahmen des Vereinfachungsprozesses das bestehende Niveau der europäischen Standards - einschließlich der Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzstandards - nicht vermindert werden darf. Weder bei einer eventuellen Abschaffung noch bei einer Veränderung von Regelungen dürfen diese Standards der Vereinfachung zum Opfer fallen.

4. Besondere Bemerkungen

4.1. Der Ausschuss hat Vorschläge der Kommission für eine Ausweitung der Konsultationen stets unterstützt. Das offizielle Anhörungsverfahren sollte jedoch nicht auf Gesprächspartner der Wahl der Kommission beschränkt bleiben. Vielmehr müssen alle Interessenträger an diesem Verfahren beteiligt werden. Es muss vermieden werden, dass die Vorschläge der Kommission nicht mehr sind als Wunschzettel der einflussreichsten Lobby-Gruppen. Das Konsultationsverfahren wird erst funktionieren, wenn sich alle Akteure dafür einsetzen. Kleinbetriebe und ihre Interessenverbände müssen stärker vorausschauend agieren und mehr Ressourcen auf das Verfahren verwenden. Eine Vereinfachung kann nur funktionieren, wenn die Standpunkte der von ihr Betroffenen Berücksichtigung finden.

4.1.1. Um die Berücksichtigung der Sichtweisen aller Betroffenen der Zivilgesellschaft zu gewährleisten, ist insbesondere darauf zu achten, dass bestimmte Organisationen, und damit die von ihnen vertretenen Bürger, nicht von Anfang an von den Konsultationen der Kommission ausgeschlossen werden. So dürfen sich die Konsultationen nicht ausschließlich auf Organisationen beschränken, die über Strukturen auf europäischer Ebene verfügen, da sonst Teile der Zivilgesellschaft solange keine Möglichkeiten zur Mitgestaltung haben, wie in ihrem Bereich eine europäische Dachorganisation fehlt oder sie kein Mitglied einer solchen Organisation sind. Vielmehr sollte die Kommission ihre Legislativvorschläge in höherem Maße bekannt machen und aktiv die Meinung aller direkt betroffenen Organisationen (lokaler, regionaler, nationaler und europäischer) einholen. Die Personen, Organisationen oder Unternehmen, die von den vorgeschlagenen Rechtsvorschriften betroffen sind oder wahrscheinlich betroffen sein werden, haben einen legitimen Platz im Konsultationsprozess und das Recht, gehört zu werden.

4.1.1.1. Der Ausschuss hat bereits früher empfohlen(24), das Konsultationsverfahren auszudehnen, indem alle Betroffenen zu Stellungnahmen aufgefordert werden, wobei die Teilnahme an den Konsultationen für die Befragten freiwillig sein sollte. Er rät dazu, alle Möglichkeiten des Internet auszuschöpfen, um den Zugang hierzu zu erleichtern.

4.1.1.2. Der EWSA teilt das Anliegen der Kommission(25),

- Qualität und insbesondere Ausgewogenheit der Anhörungen zu wichtigen politischen Vorhaben zu gewährleisten;

- die zahlreichen Anhörungsverfahren zu systematisieren und zu rationalisieren;

- die Durchführbarkeit und Effizienz des Verfahrens zu gewährleisten;

- die Transparenz der Anhörung aus Sicht der angehörten Organe oder Akteure zu sichern; und

- durch möglichst umfassende Bekanntgabe der Ergebnisse der Anhörung und der daraus gezogenen Schlüsse verantwortungsvolles Handeln unter Beweis zu stellen.

4.2. Der Ausschuss akzeptiert, dass das Verfahren umfassenderer Konsultationen den Zeitraum zwischen der Vorlage eines Legislativvorschlags und seinem letztendlichen Inkrafttreten verlängern mag; er vertritt jedoch die Auffassung, dass die für Ex-ante-Beratungen aufgewandte Zeit einen Gewinn und keinen Verlust darstellt, weil so ein breiterer Konsens und eine größere Akzeptanz der Legislativvorschläge erreicht wird.

4.3. Vermutlich ist es dem neuen System inhärent, dass der EWSA zum Inhalt der wichtigsten politischen Folgenabschätzungen angehört werden würde; er schlägt allerdings vor, dies ausdrücklich zu erwähnen.

4.4. Der EWSA trägt erneut seine Überzeugung vor, dass Folgenabschätzungen für alle Legislativvorschläge erstellt werden sollten; gleichwohl ist es eine Tatsache, dass die von der Kommission erstellten Folgenabschätzungen häufig durch vom Europäischen Parlament bzw. vom Rat zu den Legislativvorschlägen vorgelegte Änderungen wertlos werden, wie vom Ausschuss bereits dargelegt wurde(26). Wenn die Folgenabschätzungen der Kommission durch nachfolgende Änderungen unwirksam gemacht werden, hat es keinen Sinn, ihre Qualität anzuheben und ihre universelle Anwendung zu fordern. Aus diesem Grund ist es wesentlich, dass sowohl im Europäischen Parlament als auch im Rat Folgenabschätzungen für alle Änderungsvorschläge angefertigt werden, durch die neue, in der ursprünglichen Folgenabschätzung nicht berücksichtigte Tatbestände eingeführt werden, und dass diese Abschätzungen mindestens den Standard der von der Kommission vorgelegten Folgenabschätzungen einhalten.

4.4.1. Der Ausschuss wiederholt seinen Standpunkt, dass ein unabhängiges, interinstitutionelles Gremium für die Begleitung des Folgenabschätzungsverfahrens eingerichtet werden muss. Er ist auch der Auffassung, dass dieses Verfahren auf einer systematischen Folgenabschätzung von Rechtsakten (Regulatory Impact Analysis - RIA) basieren muss.

4.4.2. Der Ausschuss unterstützt die Empfehlung des Rates, die Folgenabschätzungen öffentlich zugänglich zu machen. Ebenso begrüßt er die Ankündigung(27) der Kommission, Folgenabschätzungen entsprechend den Grundgedanken der europäischen Strategie für eine nachhaltige Entwicklung zu erstellen.

4.5. Der Ausschuss begrüßt nachdrücklich den Beschluss der Kommission(28), in entsprechenden Fällen eine Überprüfungsklausel in ihre Rechtsvorschläge aufzunehmen. Er unterstützt die Kommission in ihrem Anliegen, bei diesem Vorgehen auf Rechtssicherheit für alle Akteure zu achten.

4.6. Zusätzlich zu einer breit gefassten Konsultation in der Vorbereitungsphase des Legislativprozesses besteht die Notwendigkeit für ein systematisches und offizielles Verfahren für Ex-post-Konsultationen. Insbesondere Kleinbetriebe dürften kaum an Ex-ante-Konsultationen beteiligt sein, da die meisten von ihnen zu stark von ihrem Tagesgeschäft in Anspruch genommen werden, als dass sie über laufende Legislativverfahren informiert wären. Sie werden jedoch Rückmeldungen über die Auswirkungen der Rechtsvorschriften geben können, nachdem diese in Kraft getreten sind. Dies gilt im Großen und Ganzen auch für die kleineren und weniger gut organisierten Einrichtungen der Zivilgesellschaft. Diese Ex-post-Rückmeldungen sollten dann für eine Verfeinerung und Verbesserung des Vorbereitungsverfahrens für anschließende Folgenabschätzungen dienen.

4.7. In dieses Jahr fällt der zehnte Jahrestag der Gründung des Binnenmarktes; während dieser Zeit hat das Thema Vereinfachung immer auf der politischen Tagesordnung Europas gestanden, und dennoch gibt es nur äußerst geringe Anzeichen für praktische Fortschritte. Dieser Umstand gilt insbesondere im Hinblick auf den gemeinschaftlichen Besitzstand (Aquis communautaire), der derzeit einen Umfang von gut 85000 Seiten hat. Vieles davon hinterlässt den Eindruck eines undurchdringlichen Vorschriftendschungels, von dem sich viele verwirrt abwenden und der erheblich zur "Europamüdigkeit" beiträgt. Das Kodifizierungsverfahren könnte den Korpus auf etwa 22000 Seiten verringern, was eine Reduzierung in der Größenordnung von 75 % bedeuten würde.

4.7.1. Es ist bedauerlich, dass diese Arbeit nicht bereits in der Anfangsphase des Erweiterungsprozesses eingeleitet wurde, um die Last, die den Beitrittsländern mit der Einlösung ihrer Verpflichtungen zur Übernahme des Aquis communautaire auferlegt wurde, zu verringern. Die Kommission muss sich dringend einem abgestimmten Kodifizierungsprogramm zuwenden. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Patrick Cox, hat sich hierzu wie folgt geäußert(29): "Wir haben einen Dschungel an Rechtsvorschriften geschaffen ... kein einziger Politikbereich wurde bisher einem Kodifizierungsakt unterworfen." Trotz der guten Absichten der Europäischen Kommission setzt sich der Eindruck fest, dass die Ergänzung des Aquis sie so stark in Anspruch nimmt, dass ihr keine Zeit für seine Kodifizierung oder Vereinfachung bleibt.

4.8. Vor dem Hintergrund des Binnenmarktes sollte das Gemeinschaftsrecht vorzugsweise in Form von Verordnungen anstelle von Richtlinien verkündet werden, da Erstere bindenden Charakter haben, im Zuge der einzelstaatlichen Umsetzung keinen Veränderungen unterworfen sind und damit auch zu keinen Verzerrungen im innergemeinschaftlichen Handel führen, wie es bei Richtlinien der Fall ist. Der Ausschuss ist sich bewusst, dass es aufgrund des verbindlichen Charakters von Verordnungen häufig schwieriger und langwieriger ist, im Rat eine Einigung zu erzielen. Er glaubt jedoch, dass sich der Erfolg des Legislativprozesses nicht im Tempo der Rechtsetzung, sondern in seinen Auswirkungen auf die Wirtschaft zeigt. Der EWSA hofft, dass der in Laeken aus der Taufe gehobene Europäische Konvent zur Zukunft Europas diese Frage aufgreifen wird.

4.9. Der Ausschuss begrüßt, dass die Einführung eines auf Überprüfung des Vereinfachungsbedarfs und Reduzierung des Umfangs des Aquis abstellenden Relais-Programms kurz bevorsteht(30); er ruft den Rat, das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten zur umfassenden Mitarbeit an diesem Programm auf, damit in möglichst kurzer Zeit greifbare Ergebnisse erzielt werden können.

4.10. Um Wirksamkeit entfalten zu können, wird das Programm die aktive Kooperation des Rates, des Europäischen Parlamentes und der Mitgliedstaaten im Sinne einer rechtzeitigen und angemessenen Behandlung der zu ändernden Rechtsvorschriften erfordern. Wie der neueste Binnenmarktanzeiger verdeutlicht(31), verheißt die Bilanz der Mitgliedstaaten nicht Gutes hinsichtlich der Möglichkeiten, sie von einer effizienten Zusammenarbeit im Zuge der Vereinfachung und der Reform des Regelungsumfeldes zu überzeugen. Sollten sich ihre Leistungen nicht verbessern, dürften die Versuche einer Reduzierung des Volumens des Aquis mithilfe eines Kodifizierungsverfahrens oder der Neufassung von Rechtsvorschriften eher zu einer Verschlechterung als zu einer Verbesserung der Situation beitragen.

4.11. Der Ausschuss hält es für unzumutbar, dass die durchschnittliche Zeitspanne, die zwischen der Vorlage eines Legislativvorschlages durch die Kommission und seiner schließlichen Einarbeitung in die einzelstaatlichen Gesetzesvorschriften liegt, acht Jahre beträgt(32). Er stimmt der Kommission daher darin zu, dass eine Beschleunigung des Rechtsetzungsverfahrens wünschenswert ist.

4.12. In seinen früheren Stellungnahmen hat der Ausschuss immer wieder betont, dass Rechtsvorschriften jenen zugänglich sein müssen, für die sie gelten. Er nimmt daher befriedigt die Absicht der Kommission zur Kenntnis, die Zugänglichkeit und Transparenz der - in Arbeit befindlichen oder bereits verabschiedeten - Gemeinschaftsrechtsvorschriften zu verbessern, durch eine Ausweitung des öffentlichen Zugangs zu EUR-Lex(33) und unter Überprüfung anderer Möglichkeiten - etwa von Diskussionsforen im Internet.

5. Debatte im Ministerrat

5.1. Die in den vier Dokumenten der Mitteilungen dargelegten Vorschläge der Kommission sind jetzt vom Ministerrat (Wettbewerbsfähigkeit)(34) aufgegriffen worden. In seiner Diskussion und Entschließung über "Einfachere Rechtsvorschriften" begrüßt der Rat den Aktionsplan, die vorgeschlagenen Maßnahmen für eine systematischere Anhörung der interessierten Kreise und dem Einsatz von Folgenabschätzungen ab 2003, die allen wichtigen Rechtsetzungsvorschlägen beizufügen sind. Er empfiehlt, die Ergebnisse dieser Folgenabschätzungen öffentlich zugänglich zu machen.

5.2. Der Rat unterstützt zudem die Aufforderung an die Mitgliedstaaten, sich umfassend an dem Prozess zu beteiligen.

5.3. Möglicherweise ist es von Bedeutung, dass die Schlussfolgerungen in Bezug auf eigenes Handeln und Engagement des Rates recht vage gehalten sind. In einer Passage, die einen eher allgemein gehaltenen Tenor hat, bekundet der Rat die Absicht, für "neue Impulse" zu sorgen, und beauftragt den Ausschuss der Ständigen Vertreter, die "Einsetzung einer horizontalen Gruppe 'Bessere Rechtsetzung' (...) in gebührender Weise in Erwägung zu ziehen".

5.4. Der Rat mag verständlicherweise Zurückhaltung mit Kommentaren bzw. Entscheidungen üben, die sich auf die aktuellen Beziehungen in den Entscheidungsstrukturen zwischen dem Rat und der Kommission beziehen, solange keine größere Klarheit über die diesbezüglich zu erwartenden Schlussfolgerungen des Konvents zur Zukunft Europas und der anschließenden RK besteht.

5.5. Der Ausschuss möchte sich jedoch erneut für schlankere Entscheidungsstrukturen in der Exekutive innerhalb der europäischen Institutionen aussprechen; das gilt insbesondere für verbesserte Mechanismen innerhalb der Kommission sowie für einen hohen Grad internen Monitorings. Der vorgelegte Aktionsplan skizziert mögliche Verwaltungsreformen, die Unterstützung verdienen.

5.6. Die Debatte über die Vereinfachung der Instrumente des Regierens und eine Verbesserung der Rechtsetzung hat im vergangenen Jahr gewaltige Fortschritte gemacht. Dieses Tempo muss bei der Vor- und Nachbereitung der RK 2004 beibehalten werden.

6. Die Notwendigkeit von Partnerschaftsvereinbarungen

6.1. Der bisherige Mangel an konkreten Fortschritten liegt u. a. darin begründet, dass keine Partnerschaften herbeigeführt worden sind. Nicht nur auf Ratsebene, wo besonders schwierige Voraussetzungen herrschen, tun Partnerschaften Not, sondern auch bei den anderen Institutionen. Damit die Vereinfachungsgrundsätze umgesetzt werden können, werden weitere Vereinbarungen auf Verwaltungsebene in und zwischen den Institutionen und den Mitgliedstaaten benötigt.

6.1.1. Zwar verfolgt nicht jeder die gleichen Zielsetzungen, doch darf dies nicht der Entwicklung eines Klimas im Wege stehen, das von Zuverlässigkeit, Zusammenarbeit und gegenseitigem Vertrauen der verschiedenen Akteure geprägt ist. Dies muss in Partnerschaftsvereinbarungen festgeschrieben werden. Die verschiedenen Akteure müssen Verpflichtungen zur gegenseitigen Konsultation und Vernetzung eingehen.

6.2. Im Hinblick auf einen produktiven Beitrag zur Realisierung des Vereinfachungsprozesses und einer Verbesserung des Regelungsumfeldes - bei denen es sich um Ziele handelt, deren Erreichung in der Vergangenheit allzu oft durch eine Mischung aus Gleichgültigkeit und Eigennutz vereitelt wurde - müssen diese Vereinbarungen die verbindliche Zusage aller Unterzeichneten beinhalten, sich aktiv und zügig für ein Erreichen der vereinbarten Ziele einzusetzen. Es muss eine neue Kultur des Dialogs und der Mitwirkung etabliert werden.

7. Schlussfolgerungen

7.1. Der Ausschuss möchte hervorheben, dass es sich bei der Vereinfachung, der verbesserten Rechtsetzung und dem besseren Regieren um wichtige Fragen handelt; für die Probleme in diesem Bereich sollte möglichst bald eine wirksame Lösung gefunden werden. Er betont erneut, dass sein vorrangiges Anliegen nicht in einer Deregulierung besteht. Es geht nicht nur um eine Entscheidung zwischen Regulierung und Selbstregulierung, sondern zwischen wirksamen, harmonisierten Rechtsvorschriften und ineffizienten, fragmentierten Rechtsvorschriften auf europäischer und nationaler Ebene.

7.1.1. Das Ziel besteht darin, die Regelwerke nicht nur zu vereinfachen, sondern auch ihre Wirksamkeit zu gewährleisten und Rechtssicherheit zu schaffen. Eine Vereinfachung tut dringend Not, doch wenn sie Wirkung entfalten soll, muss es sich dabei um einen kontinuierlichen und anhaltenden Prozess handeln, dessen Erfolg von seiner Transparenz abhängt. Die Betroffenen müssen in jeder Hinsicht an diesem Prozess beteiligt werden. Der Ausschuss unterstützt daher nachdrücklich die Vorschläge der Kommission für eine breitere Konsultation; dies sollte eine Ex-post-Konsultation einschließen sowie die Bereitschaft, diese Rückmeldungen für eine verbesserte Vorbereitung der anschließenden regelmäßigen Folgenabschätzungen zu nutzen.

7.1.2. Der Ausschuss ist mit den in den Kommissionsdokumenten enthaltenen Vorschlägen weitgehend einverstanden, insbesondere begrüßt er die Ausweitung der regelmäßigen Folgenabschätzung auf das jährliche Arbeitsprogramm der Kommission.

7.2. Die Kodifizierung des Acquis communautaire, die zu einer ganz erheblichen Verringerung seines Umfangs und einer entsprechenden Verbesserung seiner Verständlichkeit, Kohärenz, Zugänglichkeit und Wirksamkeit führen könnte, ist längst überfällig. Sie sollte schleunigst in die Wege geleitet und entschlossen und beharrlich verfolgt werden.

7.3. Der Erfolg der Vereinfachungsinitiative hängt unter anderem von der Herbeiführung und Umsetzung einer wirksamen Partnerschaftsvereinbarung zwischen allen Akteuren, die an den Rechtsetzungsverfahren auf europäischer und nationaler Ebene beteiligt sind, und von ihrem Vorsatz ab, die gesetzten Ziele mit aller Kraft anzustreben.

7.4. Der EWSA plädiert dafür, dass Folgenabschätzungen nach dem offiziellen Verfahren der systematischen Folgenabschätzung von Rechtsakten (Regulatory Impact Analysis) vorgenommen werden. Ihre Durchführung sollte allen Gremien mit Legislativbefugnissen (Initiativ- und/oder Änderungsbefugnissen) auf europäischer und nationaler Ebene zur Auflage gemacht werden. Sofern Änderungen an den vorgeschlagenen Rechtsvorschriften die ursprüngliche Folgenabschätzung ungültig werden lassen, sollten diese Änderungen von einer angepassten Folgenabschätzung begleitet werden.

7.5. Der EWSA begrüßt den Entschluss der Kommission(35), die Grundsätze der Verantwortlichkeit, der Verhältnismäßigkeit, der Transparenz und der Rechtssicherheit bei der Verbesserung des Regelungsumfeldes zum Tragen kommen zu lassen. Ein europäisches Regieren, das diese Grundsätze vermissen lässt, kann nicht wahrhaft demokratisch sein. Der EWSA fordert das Europäische Parlament und den Rat auf, sich zur selben Vorgehensweise zu verpflichten. Wie die Kommission festgestellt hat(36), kann man beim Erreichen einer besseren Rechtsetzung von einer echten moralischen Pflicht sprechen.

7.6. Auf dem Europäischen Rat von Lissabon im März 2000 setzte sich die Europäische Union das Ziel, innerhalb von zehn Jahren zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu werden - einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen. Entscheidend für die Umsetzung dieses Vorhabens sind die Verbesserung des Regelungsumfeldes und die Beseitigung von Verzerrungen im Binnenmarkt, die durch Unterschiede in den Regelungswerken verursacht werden.

7.7. Letztendlich wird der Erfolg dieses Vorhabens vom politischen Willen zu seiner Realisierung abhängen. Es bleibt zu hoffen, dass dieser politische Wille wirklich vorhanden ist.

Brüssel, den 26. März 2003.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger Briesch

(1) KOM(2002) 705 endg.

(2) ABl. C 14 vom 16.1.2001, ABl. C 48 vom 21.2.2002 und ABl. C 125 vom 27.5.2002.

(3) ABl. C 125 vom 27.5.2002, S. 105.

(4) ABl. C 241 vom 7.10.2002.

(5) ABl. C 14 vom 16.1.2001.

(6) ABl. C 48 vom 21.2.2002.

(7) ABl. C 125 vom 27.5.2002.

(8) In seinem Beitrag anlässlich der Anhörung über das Thema Vereinfachung unter der Leitung der BBS am 10. September 2002 im Gebäude des EWSA.

(9) KOM(2002) 275 endg. vom 5.6.2002.

(10) KOM(2002) 276-278 endg.

(11) KOM(2002) 275 endg., Abs. 6.

(12) KOM(2001) 428 endg.

(13) KOM(2002) 278 endg., Einleitung.

(14) KOM(2002) 278 endg., Einleitung.

(15) Ein offensichtliches Versäumnis ist, dass die Kommission nur auf den Rat und das Europäische Parlament, nicht jedoch auf den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss oder den Ausschuss der Regionen Bezug nimmt.

(16) KOM(2002) 277 endg.

(17) KOM(2002) 276 endg.

(18) ABl. C 241 vom 7.10.2002, S. 180.

(19) Binnenmarktanzeiger Nr. 11, November 2002.

(20) ABl. C 48 vom 21.2.2002, S. 130 und ABl. C 125 vom 27.5.2002, S. 105.

(21) KOM(2002) 277 endg., Abschnitt II.

(22) KOM(2002) 275 endg.

(23) KOM(2002) 275 endg.

(24) ABl. C 125 vom 27.5.2002.

(25) KOM(2002) 275 endg.

(26) KOM(2002) 275 endg.

(27) KOM(2002) 275 endg.

(28) KOM(2002) 278 endg.

(29) In seiner Ansprache auf der Plenartagung des EWSA am 19. September 2002.

(30) KOM(2002) 705 endg.

(31) KOM(2002) 705 endg.

(32) Ausführungen der Kommission gegenüber der Binnenmarktbeobachtungsstelle des EWSA am 18. Dezember 2002.

(33) http:/www.Europa.eu.int/eur-lex/de/index.html

(34) Presseerklärung zu den Schlussfolgerungen des Rates vom 30. September 2002.

(35) KOM(2002) 275 endg.

(36) KOM(2002) 275 endg.