52003DC0595

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage) - Auslegung der Kommission /* KOM/2003/0595 endg. */


MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN - Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage) - Auslegung der Kommission

INHALTSVERZEICHNIS

1 Einleitung

2 Die Öffnung des Seekabotage-Marktes

2.1 Die Dienstleistungsfreiheit im Bereich der Seekabotage

2.2 Wer kann die Dienstleistungsfreiheit in Anspruch nehmen?

2.2.1 Der Begriff des Gemeinschaftsreeders

2.2.2 Registrierung in einem Mitgliedstaat und Zugang zur Kabotage im Staat der Registrierung

2.3 Die Öffnung des Marktes für Schiffe, auf die die Verordnung keine Anwendung findet

3 Der Geltungsbereich der Verordnung (EWG) nr. 3577/92

3.1 Wassersportfahrzeuge

3.2 Kreuzfahrten

3.3 Seeverkehrs- oder Hafendienste?

3.4 Schiffszubringerdienste

4 Vorschriften in Bezug auf die Besatzung

4.1 Der Inhalt der Besatzungsvorschriften, die der Aufnahmestaat auferlegen kann

4.2 Anschlusskabotage

4.3 Die Änderung der Besatzungsvorschriften

5 Gemeinwirtschaftliche Leistungen

5.1 Geographischer Umfang der Verbindungen, für die gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt wurden

5.2 Inselkabotagestrecken, für die gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt werden können

5.3 Welche Verpflichtungen können auferlegt werden?

5.3.1 Der Unterschied zwischen Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes (gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen) und Verträgen über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes (gemeinwirtschaftliche Verträge)

5.3.2 Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung

5.4 Verfahren für die Auferlegung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen

5.5 Marktzugang und Wettbewerb auf Strecken, für die gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt wurden

5.5.1 Ausschließlichkeit

5.5.2 Die Laufzeit gemeinwirtschaftlicher Verträge

5.5.3 Bündelung von Strecken

5.6 ,Kleine Inseln"

5.7 Staatliche Subventionen als Ausgleich für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen

6 Schutzmaßnahmen

Zusammenfassung.

Nachdem nun seit zehn Jahren Erfahrungen mit der Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 gesammelt wurden, hat sich die Kommission entschlossen, zu veröffentlichen, wie sie die Bestimmungen dieser Verordnung seit ihrem Inkrafttreten ausgelegt hat, um so für größere Transparenz zu sorgen.

Diese Mitteilung hat nur informativen Charakter und soll den Personen, die sich auf diese Verordnung berufen wollen, die Lektüre erleichtern. Sie legt im Einzelnen dar, wie die Kommission die Verordnung anzuwenden gedenkt. Sie zielt weder auf eine Änderung der Verordnung ab noch berührt sie die Zuständigkeit des Gerichtshofs in Auslegungsfragen.

Der Aufbau der Mitteilung folgt dem der Verordnung.

Die Mitteilung legt zunächst fest, in welchen Bereichen im Einzelnen bei der Seekabotage der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs gilt. Sie erläutert, wer diese Freiheit in Anspruch nehmen kann, und auf welche Dienste die Verordnung Anwendung findet.

Schließlich legt die Mitteilung den Umfang der insgesamt drei Ausnahmen vom freien Dienstleistungsverkehr fest, die in der Verordnung vorgesehen sind. Erstens ist für alle Fragen im Zusammenhang mit der Besatzung von Schiffen, die in der Inselkabotage zwischen zwei Häfen im Staatsgebiet eines Mitgliedstaats eingesetzt werden, der betreffende Mitgliedstaat zuständig. Zweitens können die Mitgliedstaaten den Reedern gemeinwirtschaftliche Leistungen auferlegen, um ausreichende Liniendienste von, zwischen und nach Inseln sicherzustellen. Und schließlich können die Mitgliedstaaten die Kommission ersuchen, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um einer schweren Störung des Binnenmarktes entgegenzuwirken.

1. Einleitung

Die Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage) [1], die im Zuge der Schaffung des Binnenmarktes verabschiedet wurde, ist jetzt gerade zehn Jahre alt. Mit dem Inkrafttreten der Verordnung am 1. Januar 1993 begann die schrittweise Liberalisierung der Seekabotage. Einige Dienste wurden von der Anwendung der Verordnung für einige Jahre ausgenommen. Seit dem 1. Januar 1999 sind praktisch alle Seekabotagedienste liberalisiert. Lediglich für zwei Arten von Inselkabotagediensten besteht noch eine Ausnahmeregelung in Griechenland: für den Linienverkehr mit Fahrgastschiffen und Fahrgastfährschiffen sowie für Beförderungsdienstleistungen durch Schiffe von weniger als 650 BRZ.

[1] ABl. L 364 vom 12.12.1992, S. 7.

Die Kommission hat seit 1993 bereits mehrfach eine Bestandsaufnahme der wirtschaftlichen und rechtlichen Auswirkungen der Liberalisierung vorgenommen [2], ohne auf die Probleme einzugehen, die die Auslegung der Verordnung bereitet. Hier gibt es jedoch zahlreiche Schwierigkeiten. Darauf weisen Dutzende von Fragen sowohl seitens der Mitgliedstaaten als auch seitens juristischer und natürlicher Personen hin, die bei der Kommission eingingen. Dies zeigen auch die Vertragsverletzungsverfahren, die die Kommission gegen einige Mitgliedstaaten einleiten musste, weil sie deren Rechtsvorschriften für nicht mit der Verordnung vereinbar hielt. Mit mehreren dieser Fragen wurde der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften befasst.

[2] KOM(95) 383, KOM(97) 296, KOM(2000) 99, KOM(2002) 203.

Mit dem Abstand, den sie nach mehreren Jahren der Durchführung der Verordnung gewonnen hat, hält es die Kommission für sinnvoll, für ein breites Publikum zu erläutern, wie sie die Bestimmungen der Verordnung weiter auszulegen gedenkt.

Dabei geht es der Kommission in erster Linie um Transparenz. Die Kommission hat mehrfach zu Fragen im Zusammenhang mit der Durchführung dieser Verordnung Stellung genommen, jedoch immer auf bilateraler Ebene. Die von bestimmten Personen aufgeworfenen Fragen sind jedoch häufig auch für andere Personen von unmittelbarem Interesse.

Weiter möchte sich die Kommission um Klärung bemühen. Bestimmte Vorschriften der Verordnung sind nicht leicht verständlich für jemanden, der sie nicht täglich anwendet. Ziel dieser Mitteilung ist es, die Lektüre der Verordnung für Personen zu vereinfachen, die sie anwenden werden oder sich auf sie berufen möchten.

Die Mitteilung gibt lediglich wider, wie die Kommission die Verordnung bisher ausgelegt hat, und hat rein informativen Charakter. Sie zielt weder auf eine Änderung der Verordnung ab noch berührt sie die Zuständigkeit des Gerichtshofs in Auslegungsfragen. Sollte ein künftiges Urteil des Gerichtshofs der Analyse der Kommission widersprechen, wird sie dem selbstverständlich unmittelbar Rechnung tragen.

Aus Gründen der Vereinfachung folgt die Mitteilung dem Aufbau der Verordnung. Dabei werden die Artikel der Verordnung nur selten zitiert. Es ist daher angewiesen, den Text der Verordnung bei der Lektüre heranzuziehen.

2. Die Öffnung des Seekabotage-Marktes

2.1. Die Dienstleistungsfreiheit im Bereich der Seekabotage

Durch Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 wird die Seekabotage in den Ländern liberalisiert, in denen dieser Wirtschaftssektor den nationalen Unternehmen vorbehalten war. Allen Gemeinschaftsreedern [3] steht es damit offen, Dienstleistungen zwischen zwei Häfen eines Mitgliedstaats zu erbringen.

[3] Zur Frage, wer die Dienstleistungsfreiheit in Anspruch nehmen kann, siehe Nummer 2.2.

Die Kommission vertritt die Ansicht, dass diese Freiheit in keinem Fall von einer vorherigen Bewilligung abhängig gemacht werden kann, besonders wenn diese an restriktive Bedingungen geknüpft ist [4]. Die Mitgliedstaaten können von den Reedern höchstens verlangen, im Voraus Angaben zu den Diensten zu machen, die sie anbieten wollen. Weiter können die Mitgliedstaaten nach Meinung der Kommission den Unternehmen auch nicht vorschreiben, dass sie einen Vertreter auf ihrem Staatsgebiet haben müssen.

[4] Vgl. hierzu allerdings die Vorschriften in den Kapiteln 4 und 5.

Die Stillhalteklausel in Artikel 7 der Verordnung, die trotz der Streichung des Artikels des EG-Vertrags, auf den sie verweist, gültig bleibt, untersagt im Prinzip den Mitgliedstaaten, Beschränkungen für den freien Dienstleistungsverkehr einzuführen, die es bei Inkrafttreten der Verordnung noch nicht gab.

2.2. Wer kann die Dienstleistungsfreiheit in Anspruch nehmen?

In Artikel 1 der Verordnung ist festgelegt, wer die Dienstleistungsfreiheit in der Seekabotage in Anspruch nehmen kann, nämlich Gemeinschaftsreeder (1), deren Schiffe in einem Mitgliedstaat registriert sind (2) und unter der Flagge eines Mitgliedstaats fahren (3), sofern diese Schiffe alle Voraussetzungen erfuellen, um zur Kabotage in diesem Mitgliedstaat zugelassen zu werden (4).

Die Bedingungen (1), (2) und (4), die die Verordnung vorgibt, sollten genauer erläutert werden. Weiter stellt sich die Frage, ob der Markt für Schiffe geöffnet werden soll, die die vorstehend genannten Bedingungen nicht erfuellen.

2.2.1. Der Begriff des Gemeinschaftsreeders

In Artikel 2 Nummer 2 der Verordnung wird zwischen drei Arten von "Gemeinschaftsreedern" unterschieden:

,a) Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, die in einem Mitgliedstaat nach dem Recht dieses Staates niedergelassen und im Schiffsverkehr tätig sind;

b) Schifffahrtsgesellschaften, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet worden sind und ihre Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat haben und über die die tatsächliche Aufsicht in einem Mitgliedstaat ausgeübt wird, und

c) außerhalb der Gemeinschaft niedergelassene Staatsangehörige eines Mitgliedstaats oder Reedereien, die ihren Sitz außerhalb der Gemeinschaft haben und von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats kontrolliert werden, wenn ihre Schiffe in einem Mitgliedstaat nach dessen Rechtsvorschriften registriert sind und unter der Flagge eines Mitgliedstaats fahren".

Die meisten Fragen wirft die Definition des Begriffs ,Aufsicht" beziehungsweise "kontrolliert" auf, der in der Verordnung in Bezug auf zwei der drei aufgeführten Kategorien von "Gemeinschaftsreedern" genannt wird.

Nach der Verordnung gehören zu den ,Gemeinschaftsreedern" ,... Schifffahrtsgesellschaften, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet worden sind und ihre Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat haben und über die die tatsächliche Aufsicht in einem Mitgliedstaat ausgeübt wird" (Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe b)). Nach Ansicht der Kommission besagt die Formulierung ,tatsächliche Aufsicht in einem Mitgliedstaat" in diesem Zusammenhang, dass die wichtigen Entscheidungen und das Tagesmanagement vom Staatsgebiet der Gemeinschaft aus erfolgen und dass die Sitzungen des Geschäftsführungsgremiums auf dem Staatsgebiet der Gemeinschaft stattfinden.

Weiter gehören zu den ,Gemeinschaftsreedern" ,außerhalb der Gemeinschaft niedergelassene Staatsangehörige eines Mitgliedstaats oder Reedereien, die ihren Sitz außerhalb der Gemeinschaft haben und von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats kontrolliert werden, wenn ihre Schiffe in einem Mitgliedstaat nach dessen Rechtsvorschriften registriert sind und unter der Flagge eines Mitgliedstaats fahren" (Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe c)). Nach Ansicht der Kommission beinhaltet die Formulierung ,von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats kontrolliert werden" in diesem Artikel, dass sich der größte Teil des Eigenkapitals des Unternehmens in den Händen von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats befindet.

Auch die Bedingung, dass das Schiff in einem Mitgliedstaat registriert sein muss, bedarf der Erläuterung.

2.2.2. Registrierung in einem Mitgliedstaat und Zugang zur Kabotage im Staat der Registrierung

Die Verordnung führt nicht die Register der Mitgliedstaaten auf, für die die Bedingungen der Registrierung und des Zugangs zur Kabotage im Staat der Registrierung erfuellt sind. Diese Liste wäre in jedem Fall Änderungen unterworfen.

Bei der Bedingung, dass ein Schiff in einem Mitgliedstaat registriert sein muss, geht man davon aus, dass das betreffende Register sich in einem Staatsgebiet befindet, in dem der EG-Vertrag und das dazugehörige Sekundärrecht Anwendung finden. Damit gilt die Verordnung nicht für Schiffe, die in den Registern der Kerguelen - Französische Süd- und Antarktisgebiete -, der Niederländischen Antillen, der Isle of Man, der Bermudas und der Kaimaninseln eingetragen sind [5].

[5] Diese Gebiete gehören größtenteils zu den überseeischen Ländern und Hoheitsgebieten, für die nach Artikel 299 Absatz 3 EG-Vertrag das besondere Assoziierungssystem gilt.

Dagegen gilt sie für Schiffe, die in Gibraltar eingetragen sind, da der EG-Vertrag auf dieses Gebiet Anwendung findet [6]. Den in diesem Register eingetragenen Schiffen könnte jedoch der Zugang zur Kabotage in der Gemeinschaft verweigert werden, wenn festgestellt würde, dass auf sie der Vertrag und das einschlägige Sekundärrecht nicht tatsächlich Anwendung finden.

[6] Artikel 299 Absatz 4 des Vertrags besagt: ,Dieser Vertrag findet auf die europäischen Hoheitsgebiete Anwendung, deren auswärtige Beziehungen ein Mitgliedstaat wahrnimmt."

Die Verordnung sieht weiter vor, dass ein Schiff eines Mitgliedstaates nur dann zur Kabotage in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen werden kann, wenn es alle Voraussetzungen erfuellt, um zur Kabotage in dem Mitgliedstaat zugelassen zu werden, in dem es registriert ist.

Schiffe, die im Staat der Registrierung keinen Zugang zur Kabotage haben, erhalten also auch keinen Zugang zu den Märkten der anderen Mitgliedstaaten. In gleicher Weise können für Schiffe mit bedingtem Zugang zum nationalen Markt ähnliche Bedingungen auferlegt werden, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat eingesetzt werden sollen. Beispielsweise kann, wenn die Eintragung im Zweitregister X eines Mitgliedstaats unter der Bedingung erfolgt, dass das Schiff mindestens während der Hälfte des Jahres auf internationalen Strecken eingesetzt wird, ein in diesem Register X eingetragenes Schiff keinen darüber hinausgehenden Zugang zur Kabotage in den anderen Mitgliedstaaten beantragen (es erhielte nicht die Genehmigung, dort Liniendienste während des ganzen Jahres anzubieten) [7].

[7] Siehe dazu den vierten Bericht der Kommission über die Durchführung der Verordnung 3577/92 des Rates zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seekabotage (1999-2000) KOM(2002) 203, S. 5 und 6.

2.3. Die Öffnung des Marktes für Schiffe, auf die die Verordnung keine Anwendung findet

Mehrere Mitgliedstaaten haben ihren Markt über das von der Verordnung geforderte Maß hinaus geöffnet, unter anderem durch bilaterale Abkommen oder Einzelgenehmigungen. Dies widerspricht dem Gemeinschaftsrecht nicht.

3. Der Geltungsbereich der Verordnung (EWG) nr. 3577/92

Die Verordnung (EWG° Nr. 3577/92 gilt gemäß ihres Artikels 2 Nummer 1 für Dienstleistungen im Seeverkehr (die Beförderung von Fahrgästen und Gütern auf dem Seeweg) innerhalb eines Mitgliedstaats. Der Text enthält weiter eine nicht erschöpfende Aufzählung von Beispielen von Kabotagediensten, die unter die Verordnung fallen.

Seit Inkrafttreten der Verordnung wurden hinsichtlich ihres Geltungsbereichs vor allem die folgenden vier Fragen gestellt: Gilt die Verordnung auch für Wassersportfahrzeuge ? Gilt die Verordnung auch für den ,Kabotage-Teil" eines internationalen Kreuzfahrtdienstes? Fallen Dienstleistungen von Schiffen wie Schleppbooten in den Geltungsbereich der Verordnung? Sind Schiffszubringerdienste als Kabotage oder als grenzüberschreitender Verkehrsdienst zu betrachten? Auf diese Fragen wird nachstehend im Einzelnen eingegangen.

3.1. Wassersportfahrzeuge

Die Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 gilt nur für Seeverkehrsdienstleistungen, ,die gewöhnlich gegen Entgelt erbracht werden". Die meisten Fahrten von Wassersportfahrzeugen fallen daher nicht in ihren Geltungsbereich.

3.2. Kreuzfahrten

Kreuzfahrten fallen in den Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92, wenn die Dienstleistung innerhalb ein- und desselben Mitgliedstaates erbracht wird (siehe Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung). Die Frage ist, ob die Verordnung auch für den ,Kabotage-Teil" eines internationalen Kreuzfahrtdienstes gilt.

Die Kommission ist der Ansicht, dass die Verordnung nur dann Anwendung findet, wenn Fahrgäste in dem Mitgliedstaat an/von Bord gehen, in dem der ,Kabotage-Teil" durchgeführt wird.

Eine Kreuzfahrt, die in Mitgliedstaat X oder einem Drittland beginnt und in einem Drittland oder einem Mitgliedstaat X endet und auf der Häfen in Mitgliedstaat Y angelaufen werden, fällt nicht unter die Verordnung (EWG) Nr. 3577/92, wenn in Mitgliedstaat Y keine Fahrgäste von oder an Bord gehen. In diesem Fall gilt die Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern [8].

[8] ABl. L 378 vom 31.12.1986, S. 1.

3.3. Seeverkehrs- oder Hafendienste?

Fallen Dienstleistungen von Schiffen wie Schleppbooten in den Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92? Der Wortlaut der Verordnung selbst gibt darüber keinen Aufschluss. Zur Klärung der Frage, wie eine Reihe von Dienstleistungen zu bewerten sind, die gewöhnlich in Küstennähe erbracht werden (beispielsweise Schlepp-, Lotsen-, Ausbaggerungsdienste usw.), ist es sinnvoll, auf den allgemeinen Rechtsrahmen zu verweisen, der für die Erbringung von Dienstleistungen gilt.

Im Kapitel ,Dienstleistungen" des EG-Vertrags heißt es in Artikel 49: ,Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind [...] verboten". Dieser Artikel findet jedoch keine Anwendung auf den ,Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs". Artikel 51 Absatz 1 EG-Vertrag besagt: ,Für den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs gelten die Bestimmungen des Titels über den Verkehr". Im Titel ,Verkehr" des Vertrags ist festgelegt, dass der Rat mit qualifizierter Mehrheit darüber entscheiden kann, ob, inwieweit und nach welchen Verfahren geeignete Vorschriften für die Seeschifffahrt zu erlassen sind (siehe Artikel 80 Absatz 2 EG-Vertrag).

Bisher hat der Rat zwei Verordnungen erlassen, bei denen der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr angewandt wurde: die Verordnung (EWG) Nr. 4055/86, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern betrifft, und die Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 für den Verkehr zwischen Mitgliedstaaten. Beide Verordnungen gelten für die Beförderung von Fahrgästen und Gütern auf See.

Darüber hinaus wird im Rat und im Europäischen Parlament derzeit ein Vorschlag für eine Richtlinie erörtert, durch die der Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit auf Hafendienste ausgeweitet wird [9]. Sie gilt für die technisch-nautischen Dienste Lotsen, Schleppen und Festmachen; diese Dienste werden für die Hafennutzer entweder innerhalb des Hafengebietes oder auf den Zugangswasserstraßen zum bzw. aus dem Hafen oder Hafensystem erbracht [10].

[9] KOM(2002) 101 endgültig.

[10] Der Richtlinienentwurf umfasst auch Ladungsumschlagsvorgänge und Fahrgastdienste.

Von den in Küstennähe erbrachten Dienstleistungen fallen also solche wie Ausbaggerungsdienste, die keine Dienstleistungen ,auf dem Gebiet des Verkehrs" sind, in den Geltungsbereich des Artikels 49 EG-Vertrag, während für Dienstleistungen ,auf dem Gebiet des Verkehrs" (beispielsweise Schleppdienste) die oben genannten Rechtsvorschriften auf der Grundlage des Artikels 80 Absatz 2 EG-Vertrag gelten.

Hinsichtlich der Dienstleistungen ,auf dem Gebiet des Verkehrs" lässt sich zusammenfassend sagen, dass die innerhalb des Hafengebietes erbrachten technisch-nautischen Dienste nach der Definition des Richtlinienentwurfs in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen würden. Für die technisch-nautischen Dienste im Zusammenhang mit der Beförderung von Gütern oder Fahrgästen im Hochseeverkehr außerhalb des Hafengebiets gelten die Verordnungen (EWG) Nr. 4055/86 und (EWG) Nr. 3577/92. In der Praxis betrifft dies in erster Linie das Schleppen von manövrierunfähigen Schiffen oder die Positionierung von Bohrinseln.

Die Kommission möchte darauf hinweisen, dass für die Beförderung von Fahrgästen mit dem Schiff die Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 gilt, auch wenn die Dienstleistung innerhalb eines - nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaates - einzigen ,Hafensystems" erbracht wird (z.B. die Ueberquerung eines Ästuars auf See). Die Kommission vertritt die Ansicht, dass dementsprechend auch für die im Rahmen des Fremdenverkehrs erfolgende Beförderung von Fahrgästen mit dem Schiff, bei der Abgangshafen auch der Zielhafen ist, die Verordnung gilt.

3.4. Schiffszubringerdienste

Schiffszubringerdienste sind Dienste, bei denen ein Frachtführer Güter von einem Schiff löscht, die dieses in einem Abgangshafen aufgenommen hat, um die gleichen Güter auf ein anderes Schiff zu verladen, das die Fahrt zu einem Bestimmungshafen fortsetzt. Dieser Dienst wird in der Regel durch ein Durchgangskonnossement abgedeckt. Es stellte sich die Frage, ob solche Dienste als grenzüberschreitende Verkehrsdienste zu betrachten sind, auf die die Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 Anwendung findet (die keine Vorschriften hinsichtlich der Flagge enthält), oder als Kabotagedienste, für die die Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 gilt (in der die Flagge vorgeschrieben ist).

Im Februar 1996 konsultierte die Kommission die Mitgliedstaaten in dieser Angelegenheit. Dabei ergab sich, dass in allen Mitgliedstaaten, in denen Kabotagedienste entsprechend der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 Schiffen unter Gemeinschaftsflagge vorbehalten sind, Schiffszubringerdienste als Kabotagedienste gelten (mit Ausnahme von Portugal), während diese Dienste in den übrigen Mitgliedstaaten nicht an eine Flagge gebunden sind. Die Kommission kam daher zu der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten Schiffszubringerdienste Schiffen unter Gemeinschaftsflagge vorbehalten könnten.

Es ist jedoch zu bedenken, dass die Zulassung eines Unternehmens für Schiffszubringerdienste zur Beförderung von Gütern im grenzüberschreitenden Verkehr im Vor- oder Nachlauf zu einer internationalen Fahrt des gleichen Unternehmens erhebliche Einsparungen bei den Beförderungskosten ermöglichen kann.

Nach Ansicht der Kommission muss diese Frage daher weiter geprüft werden.

***

Nachdem die Kommission klargestellt hat, wie der Umfang der Dienstleistungsfreiheit im Seeverkehr in der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 festgelegt ist, prüft sie nun, welche Ausnahmen von dieser Freiheit die Verordnung ermöglicht.

In der Verordnung sind drei Arten von Ausnahmen vorgesehen. Die Dienstleistungsfreiheit im Bereich der Inselkabotage kann durch Besatzungsvorschriften (siehe Abschnitt 4) und durch die Auferlegung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen (siehe Abschnitt 5) durch den betreffenden Mitgliedstaat eingeschränkt werden. Weiter kann die Dienstleistungsfreiheit im Falle einer schweren Störung des innerstaatlichen Verkehrsmarktes zeitweilig (siehe Abschnitt 6) ausgesetzt werden.

4. Vorschriften in Bezug auf die Besatzung

Für Fragen im Zusammenhang mit der Besatzung ist seit jeher der Flaggenstaat zuständig. Die Vorschriften können je nach Register sehr unterschiedlich sein. So haben manche Mitgliedstaaten strenge Vorschriften in Bezug auf die Nationalität: alle Mitglieder der Besatzung müssen Staatsbürger der Gemeinschaft sein. Andere beschränken sich darauf, die Posten des Kapitäns und des Ersten Offiziers Staatsbürgern der Gemeinschaft vorzubehalten. Diese unterschiedlichen Anforderungen in Bezug auf die Staatsbürgerschaft führen dazu, dass sich die Kosten zwischen den Registern enorm unterscheiden.

Zur Einschränkung des innergemeinschaftlichen Wettbewerbs auf den empfindlichsten Strecken sieht Artikel 3 der Verordnung vor, dass der ,Aufnahme-Mitgliedstaat" Schiffen, die zur Inselkabotage eingesetzt werden, seine eigenen Vorschriften auferlegen kann. Die ,Aufnahme-Mitgliedstaaten" können auch für kleine Schiffe (Schiffe von weniger als 650 BRZ) Vorschriften hinsichtlich der Besatzung erlassen. In der Praxis machen fünf Mitgliedstaaten von diesen Möglichkeiten der Verordnung Gebrauch.

Damit der Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit nicht ausgehöhlt wird, sieht die Verordnung jedoch vor, dass bei Frachtschiffen über 650 BRZ, die zur Inselkabotage eingesetzt werden, die Vorschriften des Flaggenstaates weiter gelten, wenn die betreffende Fahrt auf eine Fahrt aus einem anderen Staat folgt oder einer Fahrt in einen anderen Staat vorangeht (,Anschlusskabotage").

Daraus ergeben sich Fragen in Bezug auf die Zuständigkeit des Aufnahmestaats.

Zunächst ist der Inhalt der Besatzungsvorschriften zu klären, für die der Aufnahmestaat zuständig ist, und dann zu prüfen, wo die Grenze zwischen den Zuständigkeiten des Aufnahmestaats und denen des Flaggenstaates im Falle der Anschlusskabotage verläuft.

Weiter stellt sich auch die Frage, ob für Kreuzfahrtschiffe, die Inselkabotagedienste wahrnehmen, die Vorschriften des Flaggenstaates oder die des Aufnahmestaates gelten. Nach Auffassung der Kommission ist der Wortlaut der Verordnung in diesem Punkt eindeutig: bei Kreuzfahrtschiffen ist für die Besatzungsvorschriften der Flaggenstaat zuständig (siehe Artikel 3 Absatz 1). Mit dieser Frage wurde der Gerichtshof befasst.

4.1. Der Inhalt der Besatzungsvorschriften, die der Aufnahmestaat auferlegen kann

Die Verordnung legt nicht im Einzelnen fest, welches die ,Fragen im Zusammenhang mit der Besatzung" sind, für die der Aufnahmestaat zuständig ist. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, dass die Zuständigkeit des Aufnahmestaats uneingeschränkt ist (in der Verordnung heißt es ,alle" Fragen im Zusammenhang mit der Besatzung). Die Kommission verfolgt hier einen restriktiveren Ansatz. Sie ist der Meinung, dass die Zuständigkeit des Aufnahmestaates in diesem Bereich, die eine Abweichung vom Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit darstellt, eingeschränkt werden muss, um diesen Grundsatz zu schützen.

Nach Ansicht der Kommission kann der Aufnahmestaat den vorgeschriebenen Anteil von Staatsbürgern der Gemeinschaft an Bord von Schiffen festlegen, die für die Inselkabotage eingesetzt werden (und auch an Bord von Schiffen von weniger als 650 BRZ). Ein Mitgliedstaat kann so vorschreiben, dass die Besatzung seiner Schiffe ausschließlich aus Staatsbürgern der Gemeinschaft besteht. Weiter können die Mitgliedstaaten verlangen, dass Seeleute an Bord von Schiffen in der Europäischen Union über einen Sozialschutz verfügen. Hinsichtlich der Arbeitsbedingungen können sie die in dem jeweiligen Land geltenden Mindestlöhne vorschreiben. Was die Sicherheits- und Ausbildungsvorschriften (einschließlich der an Bord gesprochenen Sprachen) angeht vertritt die Kommission jedoch die Meinung, dass die Mitgliedstaaten keine Vorschriften erlassen können, die über die geltenden gemeinschaftlichen oder internationalen Vorschriften (STCW- und SOLAS-Übereinkommen) hinausgehen, ohne die Dienstleistungsfreiheit in unangemessener Weise einzuschränken.

4.2. Anschlusskabotage

In Artikel 3 Absatz 1 heißt es: ,Bei Frachtschiffen über 650 BRZ, die zur Inselkabotage eingesetzt werden, ist für alle Fragen im Zusammenhang mit der Besatzung des Schiffes nach dem 1. Januar 1999 jedoch der Staat zuständig, in dem das Schiff registriert ist (Flaggenstaat), wenn die betreffende Fahrt auf eine Fahrt aus einem anderen Staat folgt oder einer Fahrt in einen anderen Staat vorangeht".

Nach Ansicht der Kommission dürfen die Vorschriften des Flaggenstaates nur dann Anwendung finden, wenn die Güter tatsächlich auf dem internationalen Teil der Fahrt befördert werden, der auf den nationalen Teil der Fahrt folgt oder diesem vorangeht.

Andernfalls könnten die Reeder nämlich die Vorschriften des Aufnahmestaates umgehen, indem sie ihrer Fahrt im Rahmen der Inselkabotage eine fiktive internationale Fahrt anhängen. Daher hat die Kommission akzeptiert, dass die Mitgliedstaaten die Vorschriften des Aufnahmestaates weiter anwenden, wenn die internationale Fahrt, die der Inselkabotage-Fahrt folgt oder ihr vorangeht, eine Ballastreise ist. Nach Ansicht der Kommission können jedoch die Vorschriften des Flaggenstaates auf ein Schiff unter Gemeinschaftsflagge angewandt werden, das für eine Inselkabotagefahrt eingesetzt wird, nachdem es eine funktionell und kommerziell völlig autonome Fahrt abgeschlossen hat, die auf eine Fahrt aus einem anderen Staat folgt oder einer Fahrt in einen anderen Staat vorangeht, und auf dem Weg zum Ladehafen der Inselkabotagefahrt eine Ballastreise zurücklegt, die so kurz und unbedeutend ist, dass in der Praxis die Inselkabotagefahrt durchaus der internationalen Fahrt folgt oder ihr vorangeht.

Die Besatzungsvorschriften, die Anwendung finden, wenn das betreffende Schiff im Rahmen einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung eingesetzt wird, werden unter Nummer 5.3.2.2 ausgeführt.

4.3. Die Änderung der Besatzungsvorschriften

Nach der Verordnung musste der Rat die endgültige Regelung in Bezug auf die Besatzung vor dem 1. Januar 1999 verabschieden, und zwar auf der Grundlage eines Vorschlags der Kommission, der das Ergebnis einer eingehenden Prüfung der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Liberalisierung der Inselkabotage war.

Die Kommission legte dem Rat am 17. Juni 1997 einen entsprechenden Bericht und am 29. April 1998 einen Vorschlag für eine Verordnung [11] vor. In diesem Vorschlag war vorgesehen, dass der Flaggenstaat ganz allgemein für alle Fragen im Zusammenhang mit der Besatzung zuständig sein sollte. Die Zuständigkeit des Aufnahmestaates beschränkte sich auf Schiffe von weniger als 650 BRZ und die Festlegung des vorgeschriebenen Anteils von Staatsbürgern der Gemeinschaft an der Besatzung von im Linienverkehr eingesetzten Fahrgastschiffen und Fahrgastfährschiffen (einschließlich kombinierter Fahrgast-/Frachtdienste und Linien-Kreuzfahrtdiensten). Für Seeleute aus Drittländern an Bord solcher Schiffe galten die gleichen Beschäftigungsbedingungen wie für Bürger der Mitgliedstaaten.

[11] KOM(1998) 251 endg.

Der Vorschlag der Kommission fand bei den Mitgliedstaaten keine Unterstützung. Daher schlug die Kommission am 11. Dezember 2001 vor, ihn zurückzuziehen. Sie erwägt zur Zeit nicht, einen neuen Vorschlag vorzulegen. Die Bestimmungen des Artikels 3 der Verordnung werden daher in absehbarer Zeit nicht geändert werden.

5. Gemeinwirtschaftliche Leistungen

Die Beförderung von Fahrgästen und Fracht auf dem Seeweg ist für die Bewohner der europäischen Inseln lebenswichtig. Daher wurde ein spezielles Vorschriftenpaket ausgearbeitet, um einige dieser Seeverkehrsverbindungen zu schützen, die vom Markt nicht ausreichend bedient werden.

Die Verordnung gibt die Rahmenbedingungen vor, unter denen Marktinterventionen der Mitgliedstaaten in Form von Beschränkungen des Marktzugangs oder von Ausgleichszahlungen in Fällen, in denen Seeverkehrsdiensten gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt wurden, mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind. Nachstehend werden besagte Vorschriften der Verordnung, die die Vereinbarkeit öffentlicher Interventionen mit den allgemeinen Bestimmungen des EG-Vertrags gewährleisten sollen, näher erläutert.

5.1. Geographischer Umfang der Verbindungen, für die gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt wurden

Gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung können Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes (auch als gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen bezeichnet) nur für Strecken von, zwischen und nach Inseln auferlegt werden. Lange Ästuare oder Fjorde, bei denen auf dem Landweg eine Strecke von rund 100 km zurückgelegt werden müsste [12], können im Sinne dieses Kapitels Inseln gleichgestellt werden, da auch hier das Problem isolierter und nicht ohne weiteres zugänglicher Ansiedlungen existiert.

[12] Die Strecke bei Umrundung des ,Ästuars" sollte mindestens zehnmal so lang sein wie die Strecke bei seiner Ueberquerung.

5.2. Inselkabotagestrecken, für die gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt werden können

Es ist Sache der Mitgliedstaaten (einschließlich gegebenenfalls der regionalen oder lokalen Behörden) festzulegen, für welche Strecken gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt werden müssen [13]. So können Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes insbesondere für Liniendienste in der Inselkabotage vorgesehen werden, um im Falle eines Marktversagens angemessene Verbindungen sicherzustellen.

[13] Die Schiffseigner können keine gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen festlegen.

Nach den Vorschriften der Verordnung können die Mitgliedstaaten gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen nur auferlegen, um ausreichende Verkehrsdienste für eine bestimmte Insel (oder zur Ueberquerung eines Ästuars) zu garantieren, wenn die Gemeinschaftsreeder im eigenen wirtschaftlichen Interesse keinen gleichwertigen Dienst oder keine gleichwertigen Bedingungen anbieten würden [14]. Ansonsten sollte die Freiheit des Schiffsverkehrs gewahrt bleiben.

[14] Siehe Erwägungsgrund 9 und Artikel 2 Absatz 4 der Verordnung. Siehe auch das Urteil des Gerichtshofs vom 20. Februar 2001 in der Rechtssache C-205/99 (Vorlage eines Vorabentscheidungsersuchens des Tribunal Supremo, Spanien, an den Gerichtshof nach Artikel 234 EG-Vertrag in einem Verfahren zwischen Asociación Profesional de Empresas Navieras de Líneas Regulares (Analir) et al. und der Administración General del Estado), Randnrn. 31 ff., Slg. 2001 S. I-01271.

Wenn die Mitgliedstaaten gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen für Dienste nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung auferlegen, müssen sie ihre Maßnahmen auf die in Artikel 4 Absatz 2 genannten wesentlichen Auflagen beschränken und den ebenfalls in Artikel 4 Absatz 1 festgeschriebenen Grundsatz der Nichtdiskriminierung von allen an der fraglichen Strecke interessierten Gemeinschaftsreedern beachten. Dieser Anforderung ist bei der Festlegung des Inhalts der zu erfuellenden Verpflichtungen und des anzuwendenden Verwaltungsverfahrens für die Auswahl eines Betreibers oder die Gewährung eines Ausgleichs strengstens Rechnung zu tragen.

5.3. Welche Verpflichtungen können auferlegt werden?

5.3.1. Der Unterschied zwischen Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes (gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen) und Verträgen über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes (gemeinwirtschaftliche Verträge)

In der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 wird unterschieden zwischen ,Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes" (siehe Artikel 2 Nummer 4 und Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung) und ,Verträgen über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes" (siehe Artikel 2 Nummer 3). Verträge über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes werden in der Regel zur Umsetzung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen geschlossen, wenn ein horizontaler Ansatz, der für alle an einer bestimmten Strecke beteiligten Schiffseigner gilt, nicht ausreicht, um die notwendige Verbindung und vor allem die angestrebte Qualität eines bestimmten Dienstes zu garantieren.

In Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung sind umfassende Anforderungen aufgeführt, die bei der Auferlegung von ,Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes" vorgesehen werden können. Artikel 2 Nummer 3 der Verordnung enthält nur Beispiele für den Umfang von Verträgen über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes; die Mitgliedstaaten können über diese Anforderungen hinausgehen. In der Praxis enthalten ,Verträge über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes" häufig Qualitätsanforderungen, während solche Anforderungen für ,Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes" nicht gestellt werden können. Hinsichtlich der ,Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes" kann die vom Schiffseigner verlangte ,Dienstleistungskapazität" auch Auflagen in Bezug auf seine Solvenz sowie in Bezug darauf umfassen, dass er seinen Zahlungsverpflichtungen in Bezug auf Steuern und Sozialabgaben nachgekommen sein muss [15]. Nach Ansicht der Kommission kann auch die Auflage, eine Schnellfähre einzusetzen, unter diese Kategorie fallen.

[15] Rechtssache C-205/99, wie oben, Randnrn. 45 bis 51.

In Fällen, in denen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt werden, können die Auflagen hinsichtlich der Regelmäßigkeit und Häufigkeit des Dienstes von den betroffenen Schiffseignern kollektiv - und nicht individuell - erfuellt werden [16].

[16] Muss eine Insel vier Mal pro Woche bedient werden und sind zwei Schiffseigner bereit, sich an diesem Dienst zu beteiligen, sollte sich jeder von ihnen nur zu einem Dienst zweimal pro Woche oder einmal beziehungsweise dreimal pro Woche verpflichten.

5.3.2. Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung

Entsprechend dem in der Verordnung verankerten Grundsatz der Nichtdiskriminierung dürfen die Mitgliedstaaten keine Verpflichtungen festlegen, die auf ein bestimmtes Schifffahrtsunternehmen zugeschnitten sind und die verhindern würden, dass andere Gemeinschaftsreeder Zugang zum Markt erhalten, und auch keine Auflagen mit entsprechender Wirkung anwenden.

Insbesondere möchte die Kommission die Mitgliedstaaten auf die Probleme hinweisen, die sich aus folgenden Arten von Bestimmungen ergeben:

5.3.2.1. Die Übernahme von Schiffen

Einmal wurde die Frage gestellt, ob ein Mitgliedstaat, der einen Vertrag über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes ausschreibt, von dem Bieter, der den Auftrag erhält, verlangen kann, Schiffe und Besatzungen von dem vorherigen Betreiber zu übernehmen. Die Kommission vertritt die Ansicht, dass eine solche Verpflichtung in den meisten Fällen gegen die Kabotage-Verordnung verstoßen würde, da sie diskriminierend wäre. Sie würde die Gemeinschaftsreeder daran hindern, ein Angebot für ihre eigenen Schiffe abzugeben, und etablierten Betreibern einen Vorteil verschaffen, wenn dieser sich um seine eigene Nachfolge bewirbt.

Allerdings kann die Kommission akzeptieren, dass in Fällen, in denen zur Bedienung einer Insel der Einsatz eines Schiffes mit so speziellen Konstruktionsmerkmalen erforderlich ist, dass es auf dem Markt nicht zu finden ist/verkauft werden oder für einen anderen Zweck eingesetzt werden kann, die Dienstleistungsfreiheit weniger dadurch einschränkt wird, dass dieses Schiff übernommen werden muss, als dadurch, dass der Auftrag für den Dienst an einen einzigen Reeder vergeben wird, dessen Vertrag eine ausreichend lange Laufzeit hat, um die vollständige Amortisierung eines für einen speziellen Zweck gebauten Schiffes zu gestatten. In solchen Fällen könnte das Schiff - zu klaren Bedingungen, die im Einzelnen in den Ausschreibungsunterlagen festgelegt sind - durch nachfolgende Betreiber von einem für diesen Zweck eingerichteten Unternehmen geleast werden. Es wäre auch denkbar, den neuen Dienstleistungserbringer zu verpflichten, das Schiff direkt von seinem Vorgänger zu übernehmen. Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Auflage nicht auf die Besatzung ausgeweitet werden kann (auch wenn die Übernahme des Bordpersonals selbstverständlich eine Option für den Bieter bleiben sollte).

Sollten einzelstaatliche Behörden selbst Schiffe besitzen oder ihnen Schiffe zur Verfügung stehen, so können diese allen potenziellen Dienstleistungserbringern unter denselben nichtdiskriminierenden Bedingungen angeboten werden.

5.3.2.2. Auflagen in Bezug auf die Besatzung

Weiter wurden Fragen hinsichtlich der Auflagen in Bezug auf die Besatzung gestellt, die im Rahmen gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen und gemeinwirtschaftlicher Verträge gemacht werden könnten.

Die Kommission vertritt die Ansicht, dass die Besatzungsvorschriften, die die Aufnahmestaaten in der Gemeinschaft allen Schiffen auferlegen können, die für Inselkabotagedienste eingesetzt werden (Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung), grundsätzlich der gleichen Art sein sollten wie die, die im Rahmen gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen und gemeinwirtschaftlicher Verträge (Artikel 4 der Verordnung) festgelegt werden. Auf diese Vorschriften wird im Abschnitt 4 dieser Mitteilung näher eingegangen.

Die Mitgliedstaaten würden wohl gegen den in der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 festgelegten Grundsatz der Nichtdiskriminierung verstoßen, wenn sie gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegen, die über das in Artikel 3 dieser Verordnung vorgesehene Maß hinausgehen [17].

[17] Dennoch ist die Kommission der Meinung, dass in einigen Ausnahmefällen eine Auflage, die gemäß Artikel 3 der Verordnung nicht statthaft ist, für den gemeinwirtschaftlichen Dienst jedoch wesentliche Bedeutung hat, gemäß Artikel 4 der Verordnung akzeptiert werden kann, wenn sie ordnungsgemäß begründet und dem angestrebten Ziel angemessen ist. Diese Fragen sind im Einzelfall zu prüfen.

Dennoch ist die Kommission der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten berechtigt sind, ihre eigenen Besatzungsvorschriften an Bord von Schiffen durchzusetzen, die auf Strecken eingesetzt werden, für die gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt wurden, auch wenn die Inselkabotagefahrt auf eine Fahrt aus einem anderen Staat folgt oder einer Fahrt in einen anderen Staat vorangeht. Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung sollte nicht für Strecken gelten, für die gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt wurden.

5.4. Verfahren für die Auferlegung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen

Die Mitgliedstaaten verfügen über verschiedene verwaltungstechnische Möglichkeiten für die Auferlegung von ,Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes", die auf einer bestimmten Strecke für alle Betreiber gelten, beispielsweise Melde-, Zulassungs- oder Genehmigungsverfahren. Die Mitgliedstaaten können überdies zur Durchsetzung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen Verträge mit einem oder einer begrenzten Anzahl von Betreibern schließen.

In seinem Urteil vom 20. Februar 2001 stellte der Gerichtshof fest, dass ein so restriktives Verfahren wie ein Genehmigungsverfahren zugelassen werden kann, sofern es erforderlich ist, zu dem verfolgten Ziel in angemessenem Verhältnis steht und auf objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien beruht, die den betroffenen Unternehmen im Voraus bekannt sind. Die Unternehmen sollten darüber hinaus das Recht haben, gegen alle Entscheidungen zu ihren Ungunsten Berufung einzulegen [18].

[18] Rechtssache C-205/99.

Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass es für einen Mitgliedstaat schwierig wäre, nach dem Inkrafttreten der Verordnung ein Genehmigungsverfahren einzuführen, ohne gegen die Stillhalteklausel in Artikel 7 der Verordnung zu verstoßen. Im Grunde können nur Mitgliedstaaten, die bereits vor Inkrafttreten der Verordnung über ein Genehmigungsverfahren verfügten, dieses weiter anwenden.

Wenn die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats einen ,Vertrag über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes" abschließt, müssen auch die geltenden Vergabeverfahren eingehalten werden. Die Rechtsvorschriften für das öffentliche Beschaffungswesen sehen vor, dass zumindest ein ausreichendes Maß an Öffentlichkeit gegeben sein muss, um einen wirksamen Wettbewerb zu gewährleisten, und außerdem ein transparentes und diskriminationsfreies Auswahlverfahren nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgehalten werden muss [19]. Bei der Vergabe von Verträgen, die in den Geltungsbereich der Richtlinie 92/50 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge [20] fallen, müssen darüber hinaus die technischen Spezifikationen bestimmten Vorschriften entsprechen und die Auftragsvergabe ist im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt zu machen.

[19] Siehe dazu die Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht (ABl. C 121 vom 29.4.2000, S. 2) wie auch das Urteil des Gerichtshofs vom 7. Dezember 2000 in der Rechtssache C-324/98, Teleaustria und Telefonadress / Telekom Austria, Slg. 2000, S. I-10745; siehe auch Nummer 5.3.2).

[20] ABl. L 209 vom 24.7.1992, S. 1.

Nach Ansicht der Kommission birgt der Abschluss von Verträgen über Verkehrsdienste das Risiko der Diskriminierung, da der Vertrag in der Regel nur mit einem Betreiber für eine bestimmte Strecke geschlossen wird. Sie hält daher prinzipiell die Einleitung einer offenen gemeinschaftsweiten Ausschreibung für den besten Weg, den Grundsatz der Nichtdiskriminierung zu wahren (siehe dazu auch Punkt 5.6 [21]).

[21] Grundsätzlich sollte für das gesamte Verfahren eine unabhängige Behörde zuständig sein. Allerdings erkennt die Kommission an, dass es in einigen Fällen ausreichen könnte, nur den letzten Teil des Verfahrens (Evaluierung der Angebote und endgültige Entscheidung) einer unabhängigen Stelle zu übertragen.

Die Kommission verlangt von den Mitgliedstaaten nicht, dass sie jeden gemeinwirtschaftlichen Vertrag notifizieren, den sie abschließen (zu Verträgen mit Ausgleichszahlungen siehe Nummer 5.7) dieser Mitteilung. Die in Artikel 9 der Verordnung vorgeschriebene Notifizierung bezieht sich nur auf Rechtsakte größerer Tragweite, beispielsweise einen allgemeinen Rechtsrahmen für Kabotagedienste.

5.5. Marktzugang und Wettbewerb auf Strecken, für die gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt wurden

Durch die Auferlegung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen regeln die Mitgliedstaaten den Marktzugang auf bestimmten Strecken, was - wenn der Grundsatz der Nichtdiskriminierung nicht eingehalten wird - Wettbewerbsverzerrungen nach sich ziehen kann. Solche Interventionen können angesichts des verfolgten Ziels (ausreichende Liniendienste von, zwischen und nach Inseln sicherzustellen) als gerechtfertigt wie auch rechtmäßig angesehen werden. Allerdings müssen Interventionen die gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen betreffen zum verfolgten Ziel in angemessenem Verhältnis stehen. Sollten sie über das unbedingt erforderliche Maß hinausgehen, würden sie unnötigerweise eine Freiheit behindern, die für das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes unerlässlich ist. Die Kommission möchte in diesem Zusammenhang drei Fragen aufgreifen.

5.5.1. Ausschließlichkeit

Räumt ein Mitgliedstaat einem Reeder auf einer Strecke, für die gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt wurden, Ausschließlichkeit ein, so erzielt er dadurch in der Regel die geringstmögliche Belastung für die Gemeinschaft, schränkt aber die traditionelle Handelsfreiheit im Seeverkehr ein.

Es sollte ein ausgewogenes Verhältnis zwischen diesen beiden Grundsätzen geschaffen werden.

In ordnungsgemäß begründeten Fällen kann Ausschließlichkeit durchaus das geeignete Mittel sein, die erforderlichen Verkehrsverbindungen zu sichern, wenn sie für einen begrenzten Zeitraum und über ein offenes, gerechtes und nichtdiskriminierendes gemeinschaftsweites Auswahlverfahren gewährt wird.

Ausschließlichkeit kann auch in einer Weise gewährt werden, die den Zugang weiterer Dienste unter nichtdiskriminierenden Bedingungen beschränkt und das Dienstleistungsangebot des Betreibers, der die erforderlichen Verkehrsbedingungen garantiert, im Rahmen ausschließlicher Rechte schützt.

Die Kommission weist jedoch darauf hin, dass in vielen Fällen weniger restriktive Maßnahmen als die Ausschließlichkeit ergriffen werden können, um das ,Absahnen" des Marktes zu vermeiden und die Beträge der benötigten staatlichen Beihilfen zu senken. Ein Betreiber, der ohne ausschließliche Rechte vertraglich verpflichtet ist, während des gesamten Jahres gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zu erfuellen, könnte durch einen anderen Betreiber geschädigt werden, der keine gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen hat, nur während der einträglicheren Monate des Jahres auf dem Markt ist und dadurch die Einkünfte des ersten Betreibers deutlich schmälert.

Nach Ansicht der Kommission können neben einem gemeinwirtschaftlichen Vertrag mit einem Betreiber geringfügige gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen für sämtliche Betreiber derselben Strecke auferlegt werden [22]. Beispielsweise könnte vorgeschrieben werden, dass jeder Reeder, der auf einer Strecke tätig wird, für die ein gemeinwirtschaftlicher Vertrag mit der Auflage eines ganzjährigen Betriebs vergeben wurde, diese Strecke ebenfalls während des ganzen Jahres bedienen muss.

[22] Zu der Möglichkeit für einen Mitgliedstaat, neben einem gemeinwirtschaftlichen Vertrag auch gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen aufzuerlegen, siehe auch Rs. C-205/99, Randnrn. 60 bis 71.

5.5.2. Die Laufzeit gemeinwirtschaftlicher Verträge

Die Verordnung legt für gemeinwirtschaftliche Verträge keine Hoechstdauer fest. Es ergibt sich jedoch aus Artikel 1 und Artikel 4 der Verordnung, dass gemeinwirtschaftliche Verträge eine begrenzte Geltungsdauer haben sollten, um eine regelmäßige und offene Überprüfung des Marktes zu ermöglichen. In Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit jeglicher Marktintervention sollte die Lösung gewählt werden, die unter geringst möglicher Verfälschung des Wettbewerbs die erforderlichen Verkehrsverbindungen garantiert. Alle Gemeinschaftsreeder sollten regelmäßig die Möglichkeit erhalten, sich um einen bestimmten Dienst zu bewerben (siehe dazu auch Nummer 5.6).

Nach Ansicht der Kommission entspricht eine Vertragsdauer von über 6 Jahren im Allgemeinen nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

5.5.3. Bündelung von Strecken

Die Mitgliedstaaten möchten oft Strecken von und nach verschiedenen Inseln, für die gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt wurden, in einem einzigen Bündel zusammenfassen, um Größenvorteile zu erzielen und Betreiber anzuziehen. Solche Bündelungen verstoßen grundsätzlich nicht gegen das Gemeinschaftsrecht, solange sie nicht zu Diskriminierungen führen.

Ausschlaggebend für die geeignete Größe eines Bündels sollte der erzielte optimale Synergieeffekt bei der Sicherung notwendiger Verkehrsverbindungen sein.

5.6. "Kleine Inseln"

Die Kommission wurde darauf hingewiesen, dass die Ausschreibungsverfahren für die Vergabe gemeinwirtschaftlicher Verträge im Seeverkehrssektor übermäßig kompliziert sind, wenn es um die Organisation von Diensten für kleine Inseln geht, die in der Regel nur lokale Betreiber interessieren.

Um dieser besonderen Situation und dem Erfordernis, den Grundsätzen der Transparenz und der Nichtdiskriminierung zu entsprechen, gleichzeitig Rechnung zu tragen, was nach Ansicht der Kommission nur über offene und nichtdiskriminierende Auswahlverfahren möglich ist, könnte unbeschadet der gegebenenfalls anwendbaren Gemeinschaftsvorschriften über das Auftragswesen, ein geeigneter Betreiber für die Bedienung kleiner Inseln durch einen einfachen Aufruf zur Interessenbekundung ausgewählt werden, ohne ein formales Ausschreibungsverfahren einzuleiten, sofern der Dienst in der gesamten Gemeinschaft bekanntgemacht wird, was unschwer zu organisieren ist.Weiter ist die Kommission der Meinung, dass eine längere Laufzeit der Verträge von 12 Jahren anstelle von 6 Jahren akzeptiert werden könnte.

Für die Zwecke dieser Mitteilung können (Erfahrung und eine Studie im Auftrag der Kommission belegen dies) als ,kleine Inseln" Inseln angesehen werden, bei denen die Gesamtzahl der Fahrgäste, die jährlich auf dem Seeweg zu und von diesen Inseln befördert werden, etwa 100 000 oder weniger beträgt. In Bezug auf Regionen in äußerster Randlage gilt dieser Schwellenwert nur für Fahrten innerhalb der Region (nicht für Fahrten zwischen der Insel in äußerster Randlage und dem Festland).

Die vereinfachten Regeln können im Prinzip für die Beförderung sowohl von Fahrgästen als auch von Gütern zu und von ,kleinen Inseln" gelten, die im Rahmen gemeinwirtschaftlicher Verträge durchgeführt wird. Güterverkehr, der unter normalen Wettbewerbsdingungen möglich ist, sollte jedoch ausgenommen werden, wenn die Gefahr einer ungerechtfertigten Verfälschung besteht.

Bedient der gleiche Betreiber mehrere kleine Inseln , wird für die Berechnung des oben genannten Schwellenwertes die Gesamtzahl der Fahrgäste berücksichtigt, die dieser Betreiber im Rahmen des gemeinwirtschaftlichen Dienstes befördert hat.

5.7. Staatliche Subventionen als Ausgleich für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen

Die Verordnung gilt unabhängig davon, ob Subventionen gezahlt werden oder nicht. Werden jedoch staatliche Beihilfen als Ausgleich für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen gewährt, so müssen die Mitgliedstaaten die einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften und besonders die Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 sowie die Bestimmungen des EG-Vertrags über staatliche Beihilfen in der Auslegung des Gerichtshofs einhalten.

6. Schutzmaßnahmen

Gemäß Artikel 5 der Verordnung können die Mitgliedstaaten ,im Falle einer schweren Störung des innerstaatlichen Verkehrsmarktes, die auf die Liberalisierung der Kabotage zurückzuführen ist, die Kommission bitten, Schutzmaßnahmen zu ergreifen". Artikel 2 Nummer 5 bestimmt, dass diese Maßnahmen höchstens 12 Monate lang Anwendung finden können, wenn auf dem Markt Probleme auftraten, die zu einem möglicherweise anhaltenden deutlichen Angebotsüberhang führen können, auf die Seekabotage zurückzuführen sind oder durch sie verschärft werden, das finanzielle Gleichgewicht bzw. die Existenz zahlreicher Gemeinschaftsreeder ernstlich gefährden können, sofern die kurz- und mittelfristigen Prognosen für den betreffenden Markt keine wesentliche und dauerhafte Besserung erwarten lassen.

Diese Bestimmung wurde nur ein einziges Mal angewandt, und zwar in Spanien, bei Inkrafttreten der Verordnung [23].

[23] Entscheidung der Kommission 93/396/EWG vom 13. Juli 1993 über den Antrag Spaniens auf Genehmigung einer Verlängerung von Schutzmaßnahmen nach Artikel 5 der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage) (ABl. L 173 vom 16.7.1993, S. 33).

Es ist darauf hinzuweisen, dass einzelne Konkursfälle von Reedern auf einer bestimmten Strecke kein ausreichendes Gewicht haben, um die Anwendung dieser Klausel zu rechtfertigen.

Nach den Kabotage-Berichten, die seit Inkrafttreten der Verordnung veröffentlicht wurden, hat die Liberalisierung der Kabotage keine weitere schwere Störung des innerstaatlichen Verkehrsmarktes nach sich gezogen. Es ist wenig wahrscheinlich, dass es jetzt noch dazu kommt, da inzwischen die meisten Dienste liberalisiert wurden.