52003AR0100

Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zum Thema "Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament — Handel und Entwicklung — Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Nutzung der Vorteile des Handels"

Amtsblatt Nr. C 023 vom 27/01/2004 S. 0008 - 0013


Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zum Thema "Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Handel und Entwicklung - Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Nutzung der Vorteile des Handels"

(2004/C 23/02)

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN,

gestützt auf die "Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Handel und Entwicklung - Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Nutzung der Vorteile des Handels" (KOM(2002) 513 endg.);

aufgrund des Beschlusses der Europäischen Kommission vom 11. Februar 2003, den Ausschuss gemäß Artikel 265 Absatz 1 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dieser Vorlage zu ersuchen, sowie gestützt auf das Schreiben von Frau Loyola De Palacio, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, an Albert Bore, Präsident des Ausschusses der Regionen vom selben Tag, mit dem der Ausschuss gemäß dem Protokoll über die Modalitäten der Zusammenarbeit aus dem Jahr 2001 zu diesem Thema konsultiert wird;

gestützt auf das "Protokoll über die Modalitäten der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Kommission und dem Ausschuss der Regionen", am 20. September 2001 von den Präsidenten beider Institutionen unterzeichnet (DI CdR 81/2001 rev.);

aufgrund des Beschlusses seines Präsidiums vom 9. Oktober 2002, die Fachkommission für Außenbeziehungen mit der Erarbeitung dieser Stellungnahme zu beauftragen (Punkt 7 b der Tagesordnung, 2002/DEV/5);

gestützt auf die Artikel 177 und 178 des EG-Vertrags;

gestützt auf das Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, unterzeichnet in Cotonou am 23. Juni 2000;

gestützt auf die Gemeinsame Erklärung des Rates und der Kommission zur Entwicklungspolitik der Gemeinschaft vom 10. November 2000;

gestützt auf die Schlussfolgerungen der vierten WTO-Ministerkonferenz im November 2001 in Doha;

gestützt auf die Schlussfolgerungen der Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Monterrey im März 2002 und in Johannesburg zur nachhaltigen Entwicklung im September 2002;

gestützt auf die "Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Die Entwicklungspolitik der Europäischen Gemeinschaft" (KOM(2000) 212 endg.);

gestützt auf die "Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Auf dem Weg zu einer globalen Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung" (KOM(2002) 82 endg.);

gestützt auf den "Bericht des Europäischen Parlaments über die Stärkung der Kapazitäten in den Entwicklungsländern" vom 18. März 2003 [A5-0066/2003 - 2002/2157(INI)];

gestützt auf die "Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zum Thema Verhandlungsposition für die nächste Runde der WTO-Verhandlungen im Agrarbereich" (CdR 181/2002 fin)(1);

gestützt auf seinen Entwurf einer Stellungnahme (CdR 100/2003 rev.), der am 23. Mai 2003 von der Fachkommission für Außenbeziehungen angenommen wurde [Berichterstatter: Sir Ron Watson, CBE, Mitglied des Großstadtgemeinderates von Sefton (UK/EVP)];

in Erwägung nachstehender Gründe:

1) Die Einbindung der Entwicklungsländer und insbesondere der am wenigsten entwickelten Länder in die Weltwirtschaft ist eine notwendige Voraussetzung für ihr Wachstum und ihre nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung;

2) Die Politik der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit fördert die nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Entwicklungsländer, insbesondere der am meisten benachteiligten Entwicklungsländer, und die harmonische, schrittweise Eingliederung der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft;

3) Die regionale Integration und Kooperation tragen dazu bei, die Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft einzubeziehen, und fördern ganz entscheidend die Friedenskonsolidierung und die Verhütung von Konflikten,

verabschiedete auf seiner 51. Plenartagung am 9. Oktober 2003 folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Am 1. Januar 1995 trat die Welthandelsorganisation (WTO) an die Stelle des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) und ist damit nunmehr das entscheidende Gremium für multilaterale Handelsverhandlungen. Der Beschluss, die WTO zu errichten, wurde 1994 in Marrakesch gefasst, als fast acht Jahre multilateraler Handelsverhandlungen im Rahmen der "Uruguay-Runde" des GATT zum Abschluss gebracht wurden;

1.2. Die WTO hat nach dem wichtigen Beitritt von China im Dezember 2001 jetzt 144 Mitgliedsländer, zwischen denen über 90 % des Welthandels abgewickelt werden;

1.3. Seit dem weithin bekannten Scheitern der vierten WTO-Ministerkonferenz im November 1999 in Seattle, bei der es zu massiven Protesten gegen die "Globalisierung" und die Tätigkeit der WTO gekommen war, haben eine Reihe bedeutender Konferenzen mit dem Ziel stattgefunden, einen angemessenen gemeinsamen Rahmen für die Welthandelsbeziehungen zu schaffen. Diese Handelsbeziehungen sollen die Grundsätze der nachhaltigen Entwicklung wahren und den besonderen Bedürfnissen der 49 am wenigsten entwickelten Länder (LDC) Rechnung tragen:

- Auf der vierten WTO-Ministerkonferenz, die im November 2001 in Doha stattfand, wurde die Entwicklungsagenda von Doha auf den Weg gebracht. Dieses Handelskonzept ist auf eine positive Betonung des Entwicklungsaspekts und der Bedeutung des Kapazitätsaufbaus gestützt, und soll so dazu beizutragen, dass die Länder an den Handelsverhandlungen effektiv teilnehmen können. Die im Gefolge der Uruguay-Runde (von 1985 bis 1997) eingeleitete Doha-Runde soll am 1. Januar 2005 abgeschlossen werden;

- Auf der UN-Konferenz über die Entwicklungsfinanzierung im März 2002 in Monterrey wurde die Notwendigkeit betont, beeinträchtigende Sachzwänge auf der Angebotsseite zu beseitigen und eine verlässliche Finanzierung von handelsbezogener Hilfe und von Maßnahmen für den Kapazitätsaufbau zu gewährleisten;

- Auf dem Weltgipfel über nachhaltige Entwicklung im August/September 2002 in Johannesburg bestand Einigkeit darüber, dass handels-, entwicklungs- und umweltpolitische Konzepte aufeinander abgestimmt sein müssen;

1.4. Die Europäische Union hat aktiv an diesen Konferenzen von WTO und Vereinten Nationen sowie allgemein an Verhandlungen über Handel und Entwicklung mitgewirkt:

- Das für Handel zuständige Kommissionsmitglied, Pascal Lamy, hat sich mit Nachdruck für eine umfassende neue Verhandlungsrunde (d. h. die Entwicklungsagenda von Doha) eingesetzt und die Bemühungen der WTO unterstützt, die Handelsregeln und deren Durchsetzung mit Hilfe des Allgemeinen Übereinkommens über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) auch auf die Dienstleistungen auszudehnen;

- Die EU führt eine andauernde und politisch sehr kontroverse Debatte über die Notwendigkeit, die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) zu reformieren, und sie erarbeitet derzeit ihre Verhandlungsposition im Rahmen der WTO zur Landwirtschaft (Herr Bocklet, Bayerischer Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten, war Berichterstatter einer diesbezüglichen Stellungnahme, die am 9. April 2003 im Plenum des Ausschusses verabschiedet wurde);

- Die EU hat eine eigene Initiative, die Initiative "Alles außer Waffen" (EBA) eingeleitet, die die Industrieländer veranlassen soll, alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse zollfrei aus den ärmsten Ländern der Welt (aus den am wenigsten entwickelten Ländern, den LDC, derzeit sind das 49) einzuführen;

- Die Europäische Kommission veröffentlichte im April 2000 eine Mitteilung mit dem Titel "Die Entwicklungspolitik der Europäischen Gemeinschaft"(2), in der sie betont, dass die Entwicklungsländer ihre Kapazitäten aufbauen müssen, um als ernst zu nehmende Partner in Handelsverhandlungen eintreten zu können, und dass politische Reformen unterstützt werden müssen, die zur Förderung des Handels und ausländischer Investitionen in diesen Ländern beitragen könnten (z. B. Förderung fundierter makroökonomischer Konzepte, Unterstützung der Mitwirkung des Privatsektors);

1.5. Während in einem Teil der EU-Politik die Bedeutung von wirtschaftlicher Entwicklung, Handel und Wettbewerb mit der eindeutigen Marschrichtung "Liberalisierung" betont wurde, stand in einem anderen Politikbereich das weiter gefasste Konzept der "nachhaltigen Entwicklung" im Mittelpunkt, das als Integration der "drei Pfeiler" definiert wurde. Diese Pfeiler sind wirtschaftliche und soziale Entwicklung (einschließlich der Fragen des Gesundheitsschutzes, der Gerechtigkeit und des Schutzes der Arbeitnehmerrechte) und Umweltschutz. Zuweilen wird in der Formulierung ein vierter Pfeiler - kulturelle Entwicklung oder kulturelle Identität - hinzugefügt. Weitere wichtige Grundsätze der nachhaltigen Entwicklung sind die "Zukunftsfähigkeit" oder auch generationenübergreifende Gerechtigkeit (d. h. künftige Generationen dürfen nicht durch das kurzsichtige Streben nach kurzfristigen Vorteilen zugunsten der jetzt lebenden Generation benachteiligt werden) und "Globalität" (dabei wird anerkannt, dass unbedingt die Folgen des Handelns in Bezug auf ihre weltweiten Auswirkungen auf die Umwelt - und auch hier langfristig - bedacht werden müssen).

1.6. Die EU hat zugestanden, dass zwischen diesen beiden Politikbereichen "Kohärenz" herrschen und "Synergien" vorhanden sein müssen - das wurde vor allem in der Mitteilung der Kommission "Auf dem Weg zu einer globalen Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung" ausgeführt(3). Ausdrücklich wurde angestrebt sicher zu stellen, dass die wichtigen EU-Politikbereiche (u. a. GAP, Gemeinsame Fischereipolitik sowie die Politik in den Bereichen Handel, Energie, Verkehr und Industrie) stärker mit den Grundsätzen der nachhaltigen Entwicklung in Einklang gebracht werden.

2. Standpunkte des Ausschusses der Regionen

Der Ausschuss der Regionen

2.1. erkennt an, dass zwischen der Ausweitung des Handels, wirtschaftlicher Entwicklung und Armutsminderung ein sehr komplexes Beziehungsgeflecht besteht;

2.2. ist der Ansicht, dass - ganz allgemein gesprochen - eine stärkere Öffnung des Handels zwischen den Staaten sowohl in der Vergangenheit wie in der Zukunft positive Wirkungen hinsichtlich der Investitionen und der wirtschaftlichen Entwicklung entfaltet bzw. entfaltet hat;

2.3. ist jedoch der Ansicht, dass die Verbindung zur Armutsminderung nicht so klar auf der Hand liegt, da diese von einer Kombination weiterer innenpolitischer und institutioneller Faktoren abhängig ist: ein "Teufelskreis" von Handel und wirtschaftlicher Entwicklung kann dazu führen, dass es für die Gesellschaft insgesamt absolut gesehen zu einer Minderung der Armut kommen kann, dass aber die Ungleichheiten in Bezug auf Wohlstand und Einkommen innerhalb der sich entwickelnden Gesellschaften zunehmen;

2.4. unterstützt nachdrücklich die stärkere Beachtung von Verflechtungen zwischen Handel, Entwicklung, Armutsminderung und Kapazitätsaufbau, wie dies in der Entwicklungsagenda von Doha der Fall ist.

Ein positives Modell für die Öffnung der Märkte

Der Ausschuss der Regionen

2.5. ist der Auffassung, dass eine Reihe grundlegender Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit die Öffnung des Handels zu einer positiven Kraft wird; diese Voraussetzungen sind allgemein in der Kommissionsmitteilung richtig aufgeführt, einige sollten jedoch stärker hervorgehoben werden;

2.6. merkt an, dass insgesamt der richtige Ausgleich gefunden werden muss zwischen dem Streben nach mehr Handel, Investitionen und Wirtschaftswachstum als Teil einer auf Liberalisierung und Globalisierung basierenden Agenda auf der einen Seite (eine solche Agenda hat zweifelsohne das Potenzial, signifikante Veränderungen in Bezug auf den Wohlstand der weniger entwickelten Länder herbeizuführen) und auf der anderen Seite der Wahrung der Grundsätze der nachhaltigen Entwicklung, der Notwendigkeit, transparenter, fairer Handelsbedingungen und einer klaren Anerkennung der akuten Probleme der weniger entwickelten Länder in den Handelsverhandlungen durch die reicheren Industriestaaten; diese Probleme ergeben sich durch die zu starke Abhängigkeit von einer begrenzten Zahl landwirtschaftlicher Erzeugnisse bzw. von Erzeugnissen des verarbeitenden Gewerbes, die sehr anfällig für Marktschwankungen sind, sowie wegen des Fehlens von Kapazitäten, um komplexe Verhandlungen gleichberechtigt führen zu können;

2.7. bedauert, dass ein solches Gleichgewicht derzeit nicht existiert, denn

- trotz des jüngsten Weltgipfels über nachhaltige Entwicklung in Johannesburg, auf dem versucht wurde, die drei Pfeiler der nachhaltigen Entwicklung (wirtschaftliche und soziale Entwicklung und Umweltschutz) zu integrieren, wird doch von den Regierungen und Unternehmensverbänden der wirtschaftlichen Entwicklung - einschließlich des Handels - größere Bedeutung als den beiden anderen Grundsätzen beigemessen;

- die Welthandelsorganisation (WTO) hat eine Schlüsselrolle für die Schaffung eines verbindlichen Rahmens an Vorschriften für das Führen von Handelsverhandlungen inne. Sie verfolgt weiter eine rigorose Agenda der wirtschaftlichen Liberalisierung und beachtet dabei nicht ausreichend die soziale Entwicklung (Aspekte der Gesundheit, der Arbeitsbedingungen, der Gerechtigkeit und der Armut), den Umweltschutz und die - von einigen als vierter Pfeiler der nachhaltigen Entwicklung angesehene - kulturelle Identität. Dieses engstirnige Engagement für nur ein Element der nachhaltigen Entwicklung wäre kein Problem, wäre die WTO in einem umfassenderen, institutionellen und normativen Rahmen tätig, durch den ein Ausgleich zwischen den miteinander konkurrierenden Pfeilern erzielt werden kann. Da dieser aber nicht vorhanden ist, auch nicht im Rahmen der Vereinten Nationen, kann die WTO in einem größtenteils autonomen Raum operieren, wobei sie über Streitbeilegungsmechanismen und Durchsetzungsbefugnisse verfügt, die vergleichbaren internationalen Umweltschutzverbänden nicht zur Verfügung stehen (z. B. das Umweltprogramm der Vereinten Nationen - UNEP - oder auch die Kommission für nachhaltige Entwicklung);

- die reicheren Industriestaaten haben ihre Zusagen für Maßnahmen zur Reduzierung von Zöllen und Ausfuhrerstattungen nur zögerlich eingelöst: Schätzungen zufolge verlieren die armen Länder fast 2 Mrd. USD täglich wegen ungerechter Handelsregeln - das ist 14 mal soviel, wie sie an Hilfe erhalten(4);

- die entwickelten Länder haben bisher nicht erkannt, wie wichtig die Schaffung gleicher Bedingungen für alle bei den Handelsverhandlungen ist; dazu müssten sie zunächst eingestehen, dass den ärmeren Ländern die Kapazitäten fehlen, um auf Augenhöhe mit den Unterhändlern aus den Industrieländern zu stehen, die über viel mehr Ressourcen verfügen. Zweitens müssten sie Unterstützung beim Ausbau dieser Kapazitäten leisten: immerhin 30 WTO-Mitgliedstaaten können sich kein Büro in Genf, also am Sitz der WTO, leisten, und nur wenige Entwicklungsländer können Delegationen bezahlen, die groß genug sind, um die 40 bis 50 wichtigen Handelssitzungen abzudecken, die jede Woche durchschnittlich in Genf stattfinden(5).

Besserer Zugang zu den Märkten

Der Ausschuss der Regionen

2.8. begrüßt, dass in den vergangenen Jahren beträchtliche Fortschritte beim Abbau von Handelshindernissen in den Industrieländern wie auch in den Entwicklungsländern und bei der Ausdehnung der multilateralen Disziplinen auf Bereiche wie Rechte am geistigen Eigentum, Landwirtschaft oder Textilwaren und Bekleidung erzielt wurden;

2.9. ist sich jedoch bewusst, dass die Ausfuhren der Entwicklungsländer sowohl in Industrieländer als auch in andere Entwicklungsländer nach wie vor erheblichen Beschränkungen unterliegen, und dass eine weitere Liberalisierung des Handels mit Agrarerzeugnissen für die Armutsminderung von zentraler Bedeutung ist: in den Ländern mit hohem Einkommen ist der durchschnittliche Zollsatz für landwirtschaftliche Erzeugnisse immer noch fast doppelt so hoch wie für Erzeugnisse des verarbeitenden Gewerbes und die von den Entwicklungsländern erhobenen Einfuhrzölle bleiben weiter fast doppelt so hoch wie die Zölle der Industrieländer;

2.10. stellt mit Sorge fest, dass trotz der Fortschritte seit der Uruguay-Runde die Landwirtschaft in den Industrieländern nach wie vor stark subventioniert wird, wobei die Stützungszahlungen im Jahr 2000 eine Höhe von 327 Mrd. USD erreichten(6);

2.11. unterstützt das Allgemeine Präferenzsystem der EU zur Förderung von Ausfuhren der Entwicklungsländer und weitere Formen einer bevorzugten Behandlung wie etwa die Initiative "Alles außer Waffen" für die am wenigsten entwickelten Länder;

2.12. erkennt an, dass der Abschluss von Freihandelsvereinbarungen und die daraus resultierende Senkung (oder Beseitigung) von Zöllen zu beträchtlichen Einnahmeverlusten des Staates in Entwicklungsländern führen kann: in zahlreichen Ländern sind die Zollgebühren eine wesentliche Einnahmequelle des Staates (z. B. für das Jahr 1999: 32 % in Papua New Guinea, 77 % in Guinea); zur Abfederung solcher Verluste ist für eine Übergangszeit eine finanzielle Unterstützung notwendig;

2.13. weiß um die Schwierigkeiten der EU bei der Einleitung der Reform der GAP, denn es geht darum, eine Balance zwischen konkurrierenden Zielen zu erzielen - zwischen der Senkung der Zollschranken für landwirtschaftliche Erzeugnisse und vor allem der Ausfuhrerstattungen auf der einen und dem Schutz des "europäischen Agrarmodells" auf der anderen Seite; zu diesem Schutz gehören auch gemeinschaftliche Unterstützungsmassnahmen für den Erhalt der biologischen Vielfalt, die Entwicklung des ländlichen Raums, den Tierschutz und die Verbraucherbelange (und natürlich auch die Einkommen der Landwirte);

2.14. stellt aber besorgt fest, dass die Argumente für die Erhaltung dieses Agrarmodells und gegen weitere Zollsenkungen, die über die bereits im Rahmen der Initiative "Alles außer Waffen" vereinbarten Senkungen hinausgehen würden - wie in der Stellungnahme von Herrn Bocklet zur "Verhandlungsposition für die nächste Runde der WTO-Verhandlungen im Agrarbereich" so stichhaltig dargelegt - möglicherweise jeden weiteren Fortschritt bei der Liberalisierung des Handels blockieren könnten. Dabei werden die nur zu berechtigten Befürchtungen, die in Herrn Bocklets Stellungnahme zum Ausdruck kommen, von jenen, die an der Erhaltung des Status quo interessiert sind, als Entschuldigung für den Widerstand gegen jede vernünftige Reform in diesem Bereich benutzt.

Stärkung der Leistungsfähigkeit der Institutionen

Der Ausschuss der Regionen

2.15. begrüßt sehr, dass in der Mitteilung der Schwerpunkt auf die Stärkung der Kapazitäten der Entwicklungsländer gelegt wird, um sie so bei der bestmöglichen Nutzung ihres Handelspotenzials zu unterstützen;

2.16. erkennt an, dass die Entwicklungsländer eine Vielzahl von Problemen in Bezug auf die internen Kapazitäten haben und der Unterstützung durch eine Kombination von öffentlicher Entwicklungshilfe, Investitionen und Reformen bedürfen. Dazu gehören:

- Politikkonzepte, die in- und ausländischen Investitionen und dem Unternehmertum zuwiderlaufen,

- ein unterentwickelter Finanzsektor,

- eine unzulängliche Infrastruktur, einschließlich Verkehrsverbindungen, Versorgungsleistungen und Telekommunikation,

- geringes Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung,

- institutionalisierte Korruption,

- Unruhen;

2.17. erkennt zudem an, dass sich für die Entwicklungsländer bei den Handelsbeziehungen eine Reihe miteinander verbundener Problemen stellen, u. a.:

- zu starke Abhängigkeit von einer kleinen Palette landwirtschaftlicher Erzeugnisse bzw. von Erzeugnissen des verarbeitenden Gewerbes, sodass diese Länder sehr anfällig gegenüber sich verschlechternden Handelbedingungen und schwankenden Weltmarktpreisen werden,

- erbitterter Wettbewerb zwischen einer Vielzahl kleinerer Erzeuger,

- hohe Handelsschranken, insbesondere für landwirtschaftliche und arbeitsintensive Erzeugnisse;

2.18. verweist mit Genugtuung auf die Kommissionsmitteilung vom April 2000 zum Thema "Die Entwicklungspolitik der Europäischen Gemeinschaft" (und die Gemeinsame Erklärung des Rates und der Kommission vom 10. November 2000), in der zweckmäßiger Weise die wichtigsten Bereiche genannt wurden, auf die sich die EU bei der Unterstützung des Aufbaus von Handelskapazitäten konzentrieren sollte; diese lassen sich in zwei große Kategorien unterteilen (welche als solche in der ursprünglichen Mitteilung nicht ausdrücklich genannt wurden):

(i) spezifische Hilfe unmittelbar für die Handelsverhandlungen (einschließlich Hilfe beim WTO-Beitritt und bei den multilateralen Handelsverhandlungen, und Unterstützung bei der Umsetzung und Anwendung bestehender und künftiger WTO-Übereinkommen);

(ii) mehr allgemeine Unterstützung im Hinblick auf die Stärkung der wirtschaftlichen sozialen, und politischen Institutionen und Verfahren in den einzelnen Ländern; dazu gehören:

- Förderung der Politikreformen und Investitionen, die erforderlich sind, um die wirtschaftliche Effizienz zu erhöhen und eine stärkere Beteiligung an der Weltwirtschaft zu gewährleisten,

- Unterstützung durch technische Hilfe und Kapazitätsaufbau im Bereich der Verflechtung zwischen Handel und Umwelt (z. B. Schulungen für Umweltverträglichkeitsprüfungen),

- Förderung solider makroökonomischer, sektoraler und fiskalischer Konzepte zur Verbesserung des Investitionsklimas,

- Unterstützung der Einbeziehung des Privatsektors in die Wirtschaft,

- Unterstützung für die Entwicklung regionaler Märkte und den Aufbau gemeinsamer Institutionen der Entwicklungsländer untereinander, insbesondere durch die Aushandlung, Umsetzung und Anwendung bilateraler und regionaler Abkommen mit der EU: Regionale Handelsabkommen zwischen Entwicklungsländern können zu einer Süd-Süd-Integration führen. Über die Süd-Süd-Integration kann die Effizienz gesteigert und der Wettbewerb erhöht werden, es werden Skaleneffekte ermöglicht und Anreize für ausländische Direktinvestitionen geschaffen;

2.19. pflichtet der Aussage in der Mitteilung bei, dass der Handel so in die Entwicklungsstrategien einbezogen werden muss, dass er zu den grundlegenden Zielen der Armutsminderung und der nachhaltigen Entwicklung beiträgt, indem Handelsfragen in die Strategiepapiere zur Armutsbekämpfung (PRSP) oder in andere nationale Entwicklungsstrategien mit einbezogen werden, um so dem in Doha, Monterrey und Johannesburg angenommenen Konzept zu entsprechen;

2.20. verweist in diesem Zusammenhang auf das enorme Potenzial des Fremdenverkehrs - insbesondere des Ökotourismus - um Entwicklungen von hohem Wert einzuleiten, die Beschäftigung vor Ort schaffen, einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Infrastruktur leisten und die - sofern richtig vorgegangen wird - die Umwelt und die Kultur vor Ort bewahren;

2.21. unterstützt den Kommissionsvorschlag, die Hilfe der EU auf folgende Bereiche zu konzentrieren:

- Hilfe beim WTO-Beitritt und bei den multilateralen Handelsverhandlungen, vor allem durch Schulungsprogramme,

- Unterstützung bei der Umsetzung und Anwendung der WTO-Übereinkommen, insbesondere in Bezug auf die Notwendigkeit, Hilfe bei der Schaffung ordnungspolitischer und institutioneller Rahmenbedingungen zu leisten,

- Förderung umfassenderer politischer Reformen, einschließlich einer Reform der Zollverwaltung (z. B. Vereinfachung der Ein- und Ausfuhrdokumente und der einschlägigen Verfahren); Gewährleistung der Einhaltung internationaler Standards beim Erlass und der Durchsetzung von Rechtsvorschriften (z. B. in den Bereichen Gesundheit, Arbeitsbedingungen, Übereinkommen über Gesundheits- und Pflanzenschutz); sowie Gewährleistung des Erlasses und der Durchsetzung angemessener Rechtsvorschriften über den Schutz der Rechte an geistigem Eigentum;

2.22. stimmt der Bemerkung in dem Bericht des Europäischen Parlaments(7) zu, wonach

"das Recht auf Zugang zu den Märkten der entwickelten Länder (selbst wenn es nicht auf Gegenseitigkeit beruht) für die ärmsten Länder in keiner Weise ausreicht, um eine reale Zunahme der Handelsströme sicherzustellen, solange nicht auch ihre Kapazitäten im Hinblick auf industrielle und landwirtschaftliche Entwicklung, die Einhaltung der in den Einfuhrländern geltenden Zertifizierungsvorschriften und Normen, insbesondere in den Bereichen Gesundheit und Pflanzenschutz, sowie auf die Kenntnis der Handelskreisläufe gestärkt werden";

2.23. weist die Kommission darauf hin, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften eine wichtige Rolle beim Kapazitätsaufbau im Rahmen der Beziehungen spielen können, die sie für die Zusammenarbeit mit Kommunen und Regionen in anderen Ländern unterhalten; derartige Beziehungen - wie z. B. Städtepartnerschaften oder die Beteiligung an internationalen Projekten der Entwicklungszusammenarbeit (u. a. auch an künftigen Projekten wie den auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung 2002 in Johannesburg initiierten "Typ-2-Partnerschaften") - ermöglichen den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in der EU die Weitergabe von Know-how und Erfahrungen im Zusammenhang mit der lokalen Wirtschaftsförderung und dem Aufbau von Handelsbeziehungen an die Gebietskörperschaften in den Entwicklungsländern;

2.24. hebt hervor, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in der EU über beträchtliche Befugnisse und Zuständigkeiten (und damit auch Know-how und Erfahrung) in Politik- und Dienstleistungsbereichen verfügen, die großen Einfluss auf die Wirtschaftstätigkeit und den Handel haben, wie z. B.:

- Strategieplanung;

- Verkehrsinfrastrukturen und -dienste;

- Wirtschaftsförderung;

- Schaffung von Anreizen für ausländische Investitionen, einschl. Fremdenverkehr;

- Aufbau von Wirtschaftspartnerschaften zwischen Unternehmen und lokalen Gebietskörperschaften (einschl. öffentlich-privater Finanzierungen);

- Förderung und Regulierung der lokalen Märkte;

- Bildung und Vermittlung von Kompetenzen;

- Maßnahmen im Auftragswesen (Möglichkeit der Festlegung von "Fair Trade"- Bedingungen);

2.25. ersucht die Kommission mit Nachdruck, ein günstiges Umfeld, einschließlich mehr finanzieller Unterstützung, für die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften ebenso zu schaffen wie für die Akteure der Zivilgesellschaft, also für nichtstaatliche Organisationen, Kirchen und Gewerkschaften sowie Wirtschaftsverbände, damit diese sich am Aufbau von Kapazitäten in den weniger entwickelten Ländern beteiligen.

Brüssel, den 9. Oktober 2003.

Der Präsident

des Ausschusses der Regionen

Albert Bore

(1) ABl. C 192 vom 12.8.2002, S. 37.

(2) KOM(2000) 212 endg.

(3) KOM(2002) 82 endg.

(4) The Least Developed Countries Report (Bericht über die am wenigsten entwickelten Länder) der UNCTAD, 1999.

(5) Weltentwicklungsbericht 2000/2001: Bekämpfung der Armut. Weltbank, 2001.

(6) Weltbank, Global Economic Prospects 2002.

(7) A5-0066/2003 - 2002/2157 (INI).