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Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2002/96/EG über Elektro- und Elektronik-Altgeräte" (KOM(2003) 219 endg. — 2003/0084 (COD))

Amtsblatt Nr. C 234 vom 30/09/2003 S. 0091 - 0092


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2002/96/EG über Elektro- und Elektronik-Altgeräte"

(KOM(2003) 219 endg. - 2003/0084 (COD))

(2003/C 234/20)

Der Rat beschloss am 13. Mai 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 175 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem vorgenannten Vorschlag zu ersuchen.

Am 13. Mai 2003 beauftragte das Präsidium des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses die Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz mit der Vorbereitung der diesbezüglichen Arbeiten.

In Anbetracht der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 401. Plenartagung am 16. und 17. Juli 2003 (Sitzung vom 17. Juli) Frau Cassina zur Hauptberichterstatterin und verabschiedete mit 65 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme.

1. Einleitung und Inhalt des Vorschlags

1.1. Die Richtlinie 2002/96/EG über Elektro- und Elektronik-Altgeräte regelt die Sammlung und umweltverträgliche Behandlung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten, die von industriellen Großgeräten bis zu Haushaltskleingeräten (Waschmaschinen, Kühlschränke, Toaster, Haartrockner usw.), IT- und Telekommunikationsgeräten (PCs, Drucker, Telefone) und Mobiltelefonen reichen. Sie hat Artikel 175 Absatz 1 des EG-Vertrags zur Rechtsgrundlage und zielt gemäß dem Vorsorgeprinzip auf die umweltgerechte Beseitigung oder Wiederverwendung der betreffenden Geräte und/oder ihrer Bauteile ab.

1.2. Die Kommission hat am 29. April 2003 eine Änderung(1) dieser Richtlinie vorgeschlagen, die vom Europäischen Parlament und vom Rat erst einige Monate zuvor verabschiedet worden war(2). Der so kurz auf die Verabschiedung folgende Änderungsvorschlag ist aus folgenden Gründen gerechtfertigt:

1.2.1. Bei der endgültigen Verabschiedung wurde man gewahr, dass eine - in erster Lesung angenommene - Änderung von Artikel 9 nur die Hersteller(3) von Elektro- und Elektronik-Geräten, die an andere Nutzer als private Haushalte abgegeben und von diesen dann beseitigt oder ersetzt werden, (hinsichtlich der Finanzierung) in die Pflicht genommen werden.

1.2.2. Da hierzu in der Endphase des Beschlussfassungsprozesses (2. Lesung) aber keine Änderungen vorgeschlagen wurden, war es laut Verfahrensordnung nicht möglich, Artikel 9 bei der Verabschiedung der Richtlinie nochmals zu ändern.

1.2.3. Um den mit der Anwendung von Artikel 9 verbundenen Problemen zu begegnen, haben das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission in einer gemeinsamen Erklärung(4) die Zweckmäßigkeit eingeräumt, schnellstmöglich einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie vor dem auf den 13. August 2004 festgelegten Zeitpunkt für die obligatorische Umsetzung der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten vorzulegen.

1.3. Diese Änderung betrifft ausschließlich Elektro- und Elektronik-Altgeräte anderer Nutzer als privater Haushalte.

1.3.1. Der Vorschlag zur Änderung der Richtlinie verlagert die Verpflichtung zur Finanzierung der Rücknahme, der Behandlung, des Recycling und der Beseitigung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten, die vor dem 13. August 2005 in den Verkehr gebracht wurden ("historische Altgeräte") von deren Herstellern auf die Hersteller neuer Geräte bei der Lieferung der Ersatzgeräte. Die Mitgliedstaaten können alternativ dazu auch vorsehen, dass die Nutzer teilweise oder vollständig zur Finanzierung herangezogen werden.

1.3.2. Werden Geräte nicht ersetzt, haben ihre Nutzer die Kosten zu übernehmen.

2. Bemerkungen

2.1. Der Richtlinie 2002/96/EG kommt große Bedeutung zu, da sie sich konsequent und in Übereinstimmung mit den anderen Umweltvorschriften der Gefahren annimmt, die von Produkten ausgehen, die zunehmend in den Alltag der Privathaushalte wie auch der Unternehmen einziehen. Außerdem ist zu bedenken, dass vor dieser Richtlinie über 90 % der Elektro- und Elektronik-Altgeräte ohne vorherige angemessene Behandlung zur Minderung des Risikos der Umweltverschmutzung auf Mülldeponien entsorgt, verbrannt oder wiederverwertet wurden. Deshalb legt der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss darauf Wert, dass das von der Richtlinie in erster Linie verfolgte Ziel des Umweltschutzes auch bei der Bewertung der Änderung als wichtigster Maßstab angelegt wird(5).

2.2. Der Änderungsvorschlag ist insofern vernünftig, als damit verhindert werden soll, dass allein den Herstellern von Elektro- und Elektronik-Geräten Kosten angelastet werden, die die wirtschaftlichen Bedingungen von Unternehmen verschlechtern könnten, die im Laufe der Jahre bereits Marktanteile verloren haben oder die durch diese Kosten in wirtschaftliche Schwierigkeiten kämen. Dies ist jedoch eine marktorientierte und nicht eine ökologische Begründung.

2.3. In diesem Zusammenhang stellt der EWSA fest, dass im Falle der Nichtersetzung von Altgeräten die Gesamtkosten vom Nutzer zu tragen wären, was einige Probleme mit sich bringen könnte, beispielsweise wenn die Nichtersetzung die Folge des Konkurses des Unternehmens, der Produktionseinstellung wegen höherer Gewalt oder der Nichteinlösung der Verpflichtung des Eigentümers wäre.

2.3.1. In dem besonderen Fall der Produktionseinstellung oder Geschäftsaufgabe wegen höherer Gewalt und wenn es unmöglich ist, die Kostenübernahme von dem Nutzer zu verlangen, wäre es nicht nur ungerecht, einem bereits in Schwierigkeiten befindlichen Wirtschaftsakteur zusätzliche Kosten aufzubürden, sondern es könnten auch große Gefahren für die Umwelt heraufbeschworen werden, solange nicht irgendwelche anderen Akteure die Entsorgung der betreffenden Elektro- und Elektronik-Altgeräte erledigen. Nach Ansicht des EWSA sollten die Mitgliedstaaten in diesem Fall generell dazu verpflichtet sein, die umweltfreundliche Beseitigung der Altgeräte zu gewährleisten.

2.4. Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gegeben wird, im Falle der Ersetzung der Elektro- und Elektronik-Altgeräte vorzusehen, dass die Nutzer vollständig oder teilweise zur Finanzierung der Behandlung der Altgeräte herangezogen werden, und weist darauf hin, dass von einem Mitgliedstaat zum anderen sehr unterschiedliche diesbezügliche Bestimmungen in gewissen Fällen zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnten (so könnte es geschehen, dass der Nutzer in einem Land keinerlei Kosten zu tragen hätte, während er in einem anderen Land die Gesamtheit der Kosten übernehmen müsste!).

2.5. Hersteller und Nutzer haben unbeschadet der Richtlinie auch die Möglichkeit, in Vereinbarungen andere Finanzierungsmodalitäten als die vorgesehenen festzulegen(6). Die Richtlinie scheint nach Ansicht des EWSA folglich darum bemüht zu sein, unterschiedliche Modalitäten zur Bestimmung der finanziell verantwortlichen Akteure und des Grades ihrer jeweiligen finanziellen Verantwortung vorzusehen.

3. Schlussfolgerungen

3.1. Ausgehend von den obigen Erwägungen fände der EWSA es besser, wenn nicht zu viele Optionen angeboten würden und lediglich die Methode genannt würde, Hersteller und Nutzer gemeinsam heranzuziehen, wobei der Prozentsatz der jeweiligen Beteiligung variieren könnte. Der EWSA hielte es deshalb für gerechter, transparenter und umweltverträglicher, wenn in der Änderung lediglich die gemeinsame Verpflichtung von Hersteller und Nutzer - auch im Falle "historischer Altgeräte" - festgelegt würde, zumal für die nach dem 13. August 2005 verkauften Geräte die Modalitäten der Handhabung dieser gemeinsamen Verpflichtung zum Zeitpunkt des Kaufs in den Kaufverträgen eindeutig festgelegt sein werden.

3.2. Auf jeden Fall ersucht der EWSA die Mitgliedstaaten, bei der Umsetzung der Richtlinie darauf zu achten, dass die Verpflichtungen eindeutig festgelegt und gerecht verteilt sind, weil die Erreichung der Umweltziele der Richtlinie bei genau festgelegten und akzeptierten Verpflichtungsverhältnissen viel leichter fällt.

Brüssel, den 17. Juli 2003.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger Briesch

(1) KOM(2003) 219 endg.

(2) ABl. L 37 vom 13.3.2003, S. 24 ff; ABl. C 116 vom 20.4.2001.

(3) In Artikel 9 heißt es in der Tat: "Bei Elektro- und Elektronik-Altgeräten aus Produkten, die vor dem 13. August 2005 in Verkehr gebracht werden ('historische Altgeräte') tragen die Hersteller die Finanzierung der Kosten für die Entsorgung."

(4) Siehe Anhang IV der damaligen Richtlinie.

(5) Zu der Richtlinie 2002/96/EG hat der EWSA eine eigene Stellungnahme (ABl. C 116 vom 20.4.2001, S. 38-43) abgegeben, auf deren Bemerkungen und deren weitgehend zustimmende Bewertung hier hingewiesen sei.

(6) Siehe Artikel 9 Absatz 2 des Richtlinienvorschlags.