52003AE0591

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu:dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Gemeinschaftsregelnfür Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und Förderregeln für Erzeuger bestimmter Kulturpflanzen (2003/0006 (CNS)), unddem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2826/2000 (2003/0007 (CNS))(KOM(2003) 23 endg. — 2003/0006 + 0007 (CNS))

Amtsblatt Nr. C 208 vom 03/09/2003 S. 0064 - 0072


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu:

- dem "Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Gemeinschaftsregelnfür Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und Förderregeln für Erzeuger bestimmter Kulturpflanzen" (2003/0006 (CNS)), und

- dem "Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2826/2000" (2003/0007 (CNS))

(KOM(2003) 23 endg. - 2003/0006 + 0007 (CNS))

(2003/C 208/17)

Der Rat beschloss am 10. Februar 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 37 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu den vorgenannten Vorschlägen zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz erarbeitete ihre Stellungnahme am 25. April 2003. Berichterstatter war Herr Strasser, Mitberichterstatter war Herr Kienle.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 399. Plenartagung am 14. und 15. Mai 2003 (Sitzung vom 14. Mai) mit 82 Ja-Stimmen gegen 27 Nein-Stimmen bei 15 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Der Europäische Rat von Berlin (März 1999) hat mit den Agrarbeschlüssen im Rahmen der Agenda 2000 den 1992 begonnenen Reformprozess fortgesetzt und die Rahmenbedingungen für die gemeinsame Agrarpolitik für den Zeitraum 2000-2006 festgelegt. Beschlossen wurden eine stärkere Marktorientierung durch Senkung der institutionellen Preise, eine Verlagerung der finanziellen Aufwendungen zu Direktzahlungen und eine Einbeziehung von ökologischen Erfordernissen. Außerdem wurde die Europäische Kommission beauftragt, eine Halbzeitbewertung (Midterm Review, MTR(1)) mit unterschiedlichen Terminen und Aufträgen vorzunehmen, wenn die Entwicklung auf den Märkten dies erforderlich macht.

1.2. Die Kommission hat in der Mitteilung zur MTR vom 10. Juli 2002 u. a. festgestellt, dass seit Beginn des Reformprozesses im Jahr 1992 viel erreicht worden ist, das Marktgleichgewicht sich verbessert hat und eine tragfähige Grundlage für die Erweiterung und die derzeitigen WTO-Verhandlungen geschaffen wurde.

2. Inhalt der Reformvorschläge

2.1. Die Europäische Kommission hat am 22. Januar 2003 unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Brüssel im Oktober 2002 und der lebhaften Debatte, die nach Veröffentlichung ihrer Mitteilung zur MTR u. a. im Rat, im Europäischen Parlament und im EWSA stattfand, die Legislativvorschläge für eine neuerliche Reform der GAP vorgelegt. Damit soll den "Landwirten eine langfristige Perspektive für eine nachhaltige Landwirtschaft gegeben werden". Die Kommission gruppiert ihre Reformvorschläge wie folgt:

- Stabilisierung der Märkte und Verbesserung der Gemeinsamen Marktorganisationen;

- Entkoppelung der Direktzahlungen - Festsetzung einer "einheitlichen Betriebsprämie", Cross-Compliance;

- Modulation und Degression der Direktzahlungen;

- Konsolidierung und Stärkung der ländlichen Entwicklung.

2.2. Die Regelung über die Ausgleichszahlungen soll in einer neuen Verordnung zusammengefasst werden. Zahlreiche bisherige Verordnungen würden außer Kraft gesetzt. Die neuen Regeln sollen bereits zum 1. Januar 2004 in Kraft treten. Nur die Modulation soll erst im Jahr 2006 in Kraft treten.

2.3. Für die geplanten Änderungen betreffend die Gemeinsamen Marktordnungen für "Getreide", für "Reis", für "Trockenfutter" und für "Milch und Milcherzeugnisse" hat die Kommission spezielle Legislativ-Vorschläge vorgelegt, die vom Ausschuss in eigenen Stellungnahmen beurteilt werden(2).

2.4. Bei Inanspruchnahme der "betriebsbezogenen Einheitszahlungen" durch Landwirte mit Ackerbau müssen 10 % der Ackerflächen 10 Jahre stillgelegt werden (ohne Rotationsmöglichkeit und ohne Möglichkeiten des Anbaus von Energiepflanzen wie bisher). Davon ausgenommen sollen Betriebe bis 20 ha und Betriebe mit ökologischem Anbau bleiben. Zur Förderung des Anbaus von Energiepflanzen ist eine Zahlung von 45 EUR/ha (maximal für 1,5 Mio. ha) vorgesehen.

2.5. Das Kernstück der Reformvorschläge der Kommission ist die Entkoppelung nahezu aller Direktzahlungen von ihrer derzeitigen Bemessungsgrundlage (z. B. je Tier oder je ha Anbaufläche). Die Zahlungen für Ackerkulturen (mit einer Reihe von Ausnahmen) für Rinder und Schafe bzw. für Milch ab 2004/2005, sollen zu einer einzigen, weitgehend auf historischen Bezugswerten (Durchschnitt der Jahre 2000, 2001 und 2002) beruhenden Zahlung zusammengefasst werden. Im Unterschied zum Vorschlag im Sommer 2002 schlägt die Kommission bei Stärkekartoffeln nur noch eine Teilentkoppelung von 50 % vor.

2.6. Für Schalenfrüchte schlägt die Kommission vor, die derzeitige Regelung durch eine jährliche Pauschalzahlung von 100 EUR/ha zu ersetzen, die mit nationalen Mitteln aufgestockt werden kann.

2.7. Die entkoppelte Betriebsprämie soll zur Erleichterung der Übertragbarkeit in "Zahlungsansprüche" aufgeteilt werden. Der einzelne "Anspruch" ergibt sich aus der zugesprochenen entkoppelten Betriebsprämie, dividiert durch die Anzahl Hektar (einschließlich Futterfläche) die in den Referenzjahren zu diesem Betrag geführt hat. Die "Ansprüche" (Quasi-Flächenprämien) können mit oder ohne Land auf andere Landwirte im gleichen Mitgliedstaat übertragen werden und sollen damit handelbar sein.

2.8. Die Gewährung der flächenbezogenen Betriebsprämie und anderer Direktzahlungen soll von der Einhaltung einer Reihe gesetzlicher Standards für Umwelt- und Tierschutz sowie Lebensmittel- und Arbeitssicherheit (Anlage III) sowie von der Erhaltung eines von den Mitgliedstaaten individuell zu bestimmenden "guten landwirtschaftlichen Zustands" (Anlage IV) abhängig gemacht werden (Cross-Compliance).

2.9. Es soll ein Betriebsberatungssystem eingeführt werden, das zunächst für jene Betriebe verpflichtend sein soll, die mehr als 15000 EUR im Jahr in Form von Direktzahlungen erhalten oder einen Umsatz von mehr als 100000 EUR im Jahr verzeichnen. Dieses Betriebssystem soll den Landwirten helfen, die Standards einer modernen, dem Qualitätsaspekt Vorrang einräumenden Landwirtschaft zu erfuellen.

2.10. Unter Berücksichtigung der Beschlüsse des Europäischen Rates in Brüssel schlägt die Kommission ab 2007 (Beginn der nächsten finanziellen Vorausschau) eine gegenüber Juli 2002 veränderte obligatorische "Degression und Modulation" vor. Damit soll jedoch nicht nur eine Mittelumschichtung zugunsten der zweiten Säule (ländliche Entwicklung), sondern auch die Deckung des weiteren Finanzierungsbedarfes neuer Agrarmarktreformen ermöglicht werden. Vorgesehen ist nun eine "progressive und differenzierte Kürzung" der Direktzahlungen (siehe Tabelle). Der Vorschlag einer Kappung der Direktzahlungen bei 300000 EUR je Betrieb wurde fallen gelassen. Nach dem Verordnungsentwurf sollen zunächst alle Direktzahlungen um den allgemeinen Kürzungssatz verringert werden, wobei kleineren Betrieben ein Teil zurückerstattet wird.

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2.11. Im Rahmen der vorgesehenen Degression soll von den durch Kürzung eingesparten Mitteln ein Prozentsatz, der von 1 % im Jahre 2007 auf 6 % im Jahre 2011 ansteigen wird, für Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raumes zur Verfügung stehen, der weit überwiegende Teil aber für neue Agrarmarktreformen und zur Finanzierung von Sondersituationen.

2.12. Die Kommission schlägt vor, den Umfang der Fördermittel zur Entwicklung des ländlichen Raumes aufzustocken und den Anwendungsbereich dieser Gemeinschaftspolitik durch Einführung neuer Maßnahmen für Landwirte zu erweitern.

2.13. Die Kommission regt an, Mittel zur Förderung der Qualitätsproduktion und eine finanzielle Unterstützung von Erzeugerorganisationen für die Information der Verbraucher und die Werbung für Erzeugnisse, die im Rahmen von Qualitätsprogrammen produziert werden, bereitzustellen.

2.14. Ferner schlägt die Kommission vor, Landwirte mit einer befristeten und degressiven Beihilfe zu unterstützen, damit sie ihre Betriebe leichter an die Standards auf der Grundlage der EU-Rechtsvorschriften über Umweltschutz, Lebensmittelsicherheit, Tierschutz und Arbeitssicherheit anpassen können (maximal 10000 EUR je Betrieb und Jahr, für höchstens 5 Jahre, degressiv). Außerdem soll es eine Unterstützung für die Inanspruchnahme von Betriebsberatungsdiensten (maximal 1500 EUR) und für einen verbesserten Tierschutz (höchstens 500 EUR je Vieheinheit/Jahr und höchstens für 5 Jahre) geben.

3. Allgemeine Bemerkungen

3.1. In dieser Stellungnahme wird auf grundsätzliche Fragen der Reformvorschläge (die horizontale Verordnung) und die Vorschläge für neue Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums eingegangen.

3.2. Der Ausschuss verweist auf seine am 11. Dezember 2002 verabschiedete Stellungnahme, in der er bereits kritische Bemerkungen zur Halbzeitbewertung der GAP abgegeben hat. Die Vorschläge der Kommission gehen deutlich über die Prüfaufträge des Europäischen Rats von Berlin hinaus und lassen auch aus der erwarteten Marktentwicklung bei den meisten Erzeugnissen keine Begründung für eine weitreichende Reform der GAP ableiten.

3.3. Die Kommission stützt sich nun bei ihrem Vorschlag für eine tiefgreifende Reform auch auf Beschlüsse des Europäischen Rates in Göteborg vom 16. Juni 2001 (EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung) und Brüssel vom 24. und 25. Oktober 2002 (Vereinbarung zur Einführung direkter Beihilfen in den neuen Mitgliedstaaten).

3.4. Für den Ausschuss ist von wesentlicher Bedeutung, dass bei weiteren Reformen die multifunktionale Aufgabe der europäischen Landwirtschaft unterstützt wird. Die nachhaltige Bewirtschaftung muss auch in benachteiligten Regionen gesichert werden, um so einen Funktionsverlust mit weitreichenden Folgen für die regionale Wirtschaft und Beschäftigung sowie Besiedelung zu verhindern.

3.5. Der Beschluss des Europäischen Rates von Brüssel bringt durch die Fixierung des Finanzrahmens für Maßnahmen der Rubrik 1a (Marktordnungsmaßnahmen) bis einschließlich 2013 auf der einen Seite eine größere Sicherheit und Planbarkeit. Jedoch ist das Agrarbudget eng begrenzt und daher auch der Spielraum für weitere Reformschritte der GAP sehr eingeengt, was einen effizienten Umgang mit den finanziellen Mitteln erfordert. Diese Begrenzung wurde nicht aufgrund agrarpolitischer, sondern ausschließlich fiskalischer Gründe vorgenommen; sie korrespondiert nach Auffassung des EWSA nicht mit der Haushaltsobergrenze von 1,27 % des BSP und ergibt sich auch nicht daraus: Dies ist auch hinsichtlich der Erweiterung, weiteren Reformschritten im Marktordnungssystem in Zusammenhang mit der WTO und bei der notwendigen Stärkung der Politik für die Entwicklung des ländlichen Raumes zu sehen und zu bewerten.

3.6. Der EWSA anerkennt, dass in einzelnen Punkten gegenüber den Vorschlägen im Rahmen der Mitteilung vom 10. Juli 2002 Änderungen vorgenommen wurden, die eine Verbesserung bedeuten (wie beispielsweise bei der Modulation oder beim Betriebsberatungssystem).

3.7. Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission gleichzeitig mit der Präsentation der Legislativvorschläge Analysen über die Auswirkungen der Reformvorschläge vorgelegt hat. Es handelt sich dabei um 6 Folgeabschätzungsanalysen ("Impact studies"), die allerdings noch auf die Vorschläge im Rahmen der Mitteilung zur MTR abstellen. Diese wurden im März 2003 durch 2 weitere interne Studien ergänzt, in welchen die durch die Legislativvorschläge bedingten Abänderungen berücksichtigt wurden. Diese Studien gehen jedoch von einer vermeintlichen Marktstabilität aus, die kaum als gesichert vorauszusetzen ist, und es wurden keine regionalspezifischen Analysen vorgenommen, etwa über mögliche Auswirkungen in benachteiligten Gebieten.

3.8. Die Kommission leitete aus den im Januar vorgelegten Studien ab, dass die Reformvorschläge das Marktgleichgewicht deutlich verbessern, sich günstig auf die Betriebseinkommen auswirken, eine Vereinfachung der Prämienabwicklung ermöglichen und bei Rindfleisch eine Verbesserung der Markterlöse bewirken würden.

3.9. Die zuletzt vorgelegten Studien bestätigen u. a. die vielfach geäußerte Befürchtung, dass die vorgeschlagene Erhöhung der Quoten entsprechende Preisrückgänge für die Landwirte zur Folge hätte oder auch die Produktion von Ölsaaten weiter zurückgehen würde. Von Interesse ist ferner, dass die prognostizierte reale Einkommenssteigerung bis 2009 pro Arbeitseinheit bei einer Umsetzung der Reformvorschläge geringer wäre als ohne Reformen. Zu beachten ist dabei, dass die angenommenen Einkommenssteigerungen hauptsächlich auf den Rückgang der Beschäftigung zurückzuführen sind.

3.10. Die Kommission begründet die Notwendigkeit der neuerlichen Reform der GAP auch damit, dass das bestehende Prämiensystem vielfach die Landwirte davon abhält, das zu produzieren, wofür auf den Märkten eine Nachfrage besteht, es keine ausreichenden Anreize für eine Qualitätsproduktion gibt und was zu einer Überschussproduktion verleitet. Diese Argumente stehen jedoch in einem Widerspruch zu der Aussage der Kommission, dass durch die bisherigen Reformen große Fortschritte erzielt wurden und sich das Marktgleichgewicht verbessert hat. Außerdem darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die überwiegende Zahl der Landwirte bereits in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen hat, um sich in dem verschärften Wettbewerb zu behaupten und den hohen Ansprüchen der Verbraucher an die Produktion bezüglich Qualität und Lebensmittelsicherheit gerecht zu werden.

3.11. Als wesentliches Ziel wird die Vereinfachung der Abwicklung der GAP, insbesondere der Verwaltung der Prämien genannt. Der EWSA hält dieses Ziel zwar für richtig, hat jedoch große Zweifel und befürchtet einen noch wesentlich höheren bürokratischen Aufwand für die landwirtschaftlichen Betriebe und die Agrarverwaltung. Dies gilt vor allem für die neue Betriebsprämie, die Regeln der Übertragbarkeit und die Auflagen der Cross-Compliance. Dadurch werden die Landwirte mit erheblichen zusätzlichen Aufwendungen und Kosten konfrontiert, was zu einer Schwächung der Rentabilität und in besonderen Fällen auch zur Aufgabe der kleineren Betriebe führen kann. Er plädiert auch dafür, darauf zu achten, dass bei der praktischen Umsetzung neuer Maßnahmen es zu keinem überzogenen bürokratischen Aufwand kommt.

3.12. Der Ausschuss hat sich in mehreren Stellungnahmen zur Sicherung der Multifunktionalität und zum Prinzip funktionsorientierter Direktzahlungen bekannt. Das erfordert, dass die verschiedenen Instrumente der GAP von Zeit zu Zeit überprüft und gegebenenfalls an veränderte Erfordernisse angepasst werden. Der EWSA ist jedoch der Meinung, dass wesentliche Elemente der Reformvorschläge, wie die vorgeschlagene Betriebsprämie oder die zusätzliche Senkung der Milchpreise nicht geeignet sind, die Multifunktionalität der europäischen Landwirtschaft abzusichern.

3.13. Der EWSA weist darauf hin, dass Produktionsrückgänge in der Landwirtschaft in einem größeren Umfang bzw. eventuell sogar die Aufgabe der Bewirtschaftung in einzelnen Regionen erhebliche dauerhafte Konsequenzen für vor- und nachgelagerte Wirtschaftsbereiche hat. Das hat in der Folge auch Auswirkungen auf die regionale Wirtschaftskraft sowie auf die Beschäftigung insgesamt und kann daher das Problem einer hohen Arbeitslosigkeit in vielen ländlichen Region noch wesentlich verschärfen. Diese negativen Auswirkungen würden nicht nur das Entwicklungspotenzial vieler ländlicher Regionen beeinträchtigen, sondern damit auch die soziale Kohäsion als wichtiges Ziel relativieren und Fragen des Natur- und Umweltschutzes sowie des Landschaftsbildes tangieren.

3.14. Der EWSA betont, dass die zur Erreichung der Reformziele eingesetzten Instrumente der besonderen Situation der Landwirtschaft und Viehzucht in ultraperipheren Regionen nicht angemessen wären und daher unbedingt in einer spezifischen Studie adäquate Vorschläge für diese Gebiete entwickelt werden sollten.

3.15. Die Kommission erwartet von der Umsetzung ihrer Reformvorschläge positive Effekte für die Qualität und Sicherheit der Lebensmittel. Der EWSA hat in einer Reihe von Stellungnahmen die Notwendigkeit betont, dass den Erwartungen der Gesellschaft in der Lebensmittelerzeugung entsprochen wird. Er hat klargestellt, dass es in der gesamten Lebensmittelkette eine ungeteilte Verantwortung gibt.

3.16. Der EWSA ist der Ansicht, dass die Kommission die Schlussfolgerungen des EU-Gipfels vom 24. und 25. Oktober 2002 berücksichtigen sollte, der betont, dass die Interessen der Produzenten der benachteiligten Gebiete der aktuellen EU der 15 geschützt werden müssen; die multifunktionale Landwirtschaft muss in allen Gebieten Europas mit den Schlussfolgerungen der Räte von Luxemburg 1997 und Berlin 1999 übereinstimmen.

3.17. Der EWSA sieht einen schwer auflösbaren Zielkonflikt darin, dass einerseits die Erzeugerpreise für die Landwirte zunehmend an den Weltmarktpreis herangeführt werden sollen, andererseits die Produktionsstandards ständig verschärft werden. Der EWSA hat bereits(3) darauf hingewiesen, dass die Multifunktionalität der Landwirtschaft bei den gegebenen Produktionsvoraussetzungen in den EU-Mitgliedstaaten zu Weltmarktbedingungen immer schwerer zu gewährleisten ist. Höhere Standards bzw. Anforderungen an eine multifunktionale landwirtschaftliche Produktion müssen auch gegenüber Einfuhren, die diese europäischen Standards und Anforderungen nicht erfuellen und deshalb wettbewerbsverzerrend wirken, entsprechend abgesichert werden. Hier sieht der EWSA einen Ansatz für die langfristige, gesellschaftliche Legitimierung eines (nicht ent- sondern umgekoppelten) Finanztransfers im Rahmen der GAP an die multifunktional wirtschaftenden Landwirte. Weiters unterstreicht der EWSA die Bedeutung eines effizienten internationalen Schutzes geografischer Herkunftsbezeichnungen (DOP, IGP) gegen Imitationen zum Schaden der europäischen Landwirtschaft.

3.18. Der EWSA hat sich im Zusammenhang mit der WTO-Handelsrunde u. a. für die Verteidigung von wichtigen Maßnahmen der "blue-box" ausgesprochen(4). Es ist ein Widerspruch festzustellen, wenn von der Kommission erklärt wird, die Maßnahmen im Rahmen der "blue-box" würden verteidigt, dann jedoch unter Hinweis auf WTO-Zwänge für die Entkoppelung eintritt.

3.19. Der EWSA unterstreicht die Bedeutung der Verteidigung der unverzichtbaren Instrumente der GAP, wie beispielsweise einen ausreichenden Außenschutz, um damit einen Beitrag für die Sicherung der Multifunktionalität der europäischen Landwirtschaft zu leisten.

4. Besondere Bemerkungen

4.1. Entkoppelung

4.1.1. Die Entkoppelung steht als Kernstück der Reformvorschläge im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung. Der EWSA hat in seiner Stellungnahme vom 11. Dezember 2002 seine Skepsis und Kritik umfassend begründet. Er verweist darauf, dass der Ausschuss in mehreren Stellungnahmen grundsätzliche Überlegungen zur Weiterentwicklung von Direktzahlungen eingebracht hat, auf die er bis heute keine befriedigende Antwort erhalten hat. Der EWSA bedauert, dass die Kommission keine wirklich europäische Alternative zum Vorschlag einer Betriebsprämie(5) zur Diskussion gestellt hat; die Möglichkeit nach Art. 58 würde lediglich auf regionaler Ebene greifen.

4.1.2. Die vorgeschlagene Entkoppelung kann zweifellos eine größere Entscheidungsfreiheit (keine einseitige Orientierung an Prämien), mehr Flexibilität und auch Vereinfachungen für den Landwirt bringen. Nach Auffassung des EWSA würden sich jedoch erhebliche Nachteile ergeben, mit denen man sich kritisch auseinandersetzen muss:

- Die geplante Betriebsprämie stellt auf einen zurückliegenden Zeitraum ab und würde bestehende Benachteiligungen und Ungleichgewichte nicht beseitigen, sondern sie vielmehr zementieren.

- Der Kommissionsvorschlag würde jene Betriebe benachteiligen, die sich weiterentwickeln müssen, was vor allem viele Junglandwirte bei der Hofübernahme stark beeinträchtigen könnte.

- Die vorgesehene Entkoppelung hätte wegen einer verstärkten Spekulation mit den Produktionsrechten und auf dem Bodenmarkt negative Auswirkungen und würde zu neuen eigentumsähnlichen Rechten führen, was innerhalb der Landwirtschaft soziale Spannungen auslösen wird.

- Die Aufrechterhaltung der Produktion wird in bestimmten Produktionssparten und/oder Regionen (etwa Rinderhaltung in Grünlandgebieten und benachteiligten Regionen) gefährdet, womit das Ziel einer flächendeckenden und nachhaltigen Landbewirtschaftung in Frage gestellt wird.

- Innerhalb der Landwirtschaft wären Wettbewerbsverzerrungen zu erwarten, wenn Landwirte mit hoher Betriebsprämie auf bislang prämienlose Produktionssparten umsteigen, z. B. von der Rindermast auf die Schweinehaltung oder von der Getreideproduktion auf den Gemüsebau.

- Die landwirtschaftlichen Marktordnungen und insbesondere die Mengenregulative verlieren ihre Steuerungsfunktion, weil die vorgesehene Betriebsprämie u. a. keinen Bezug mehr zu Referenzmengen hat, wodurch die Gefahr von starken Schwankungen der Produktion und der Preise entsteht.

- Der Landwirtschafts- und Ernährungssektor und insbesondere die KMU sorgen sich um die Rohstoffversorgung auf lokaler Ebene, die bei einer Entkoppelung nicht gesichert ist, vielmehr droht in manchen Gegenden ein Zusammenbrechen oder ein erheblicher Rückgang.

- Die gesellschaftliche Akzeptanz des Finanztransfers an die Landwirtschaft wird nicht wie erhofft gestärkt, weil für die Bürger nicht nachvollziehbar wäre, für welche Leistungen die künftigen Betriebsprämien gewährt werden, da sie als "Finanzboni" ohne ausreichenden Bezug zu der im jeweiligen Betrieb tatsächlich ausgeübten landwirtschaftlichen Tätigkeit stehen würden.

4.1.3. Die Direktzahlungen haben auch die Funktion, Leistungen zu honorieren, die die Gesellschaft von den Landwirten erwartet, jedoch nicht oder nur teilweise durch Markterlöse abgegolten werden. Eine Reihe dieser Leistungen hängen ursächlich mit der Produktion zusammen und sind Kuppelprodukte (etwa die Offenhaltung der Landschaft durch Bewirtschaftung, hohe Standards in der Produktion, etc.), mit den nationalen Lösungen nach Artikel 5 der geplanten Verordnung und den in Anlage IV aufgeführten Rahmen wird man einer europäischen Lösung nicht gerecht.

4.1.4. Der EWSA hat in der Stellungnahme "Die Zukunft der GAP"(6) den ursächlichen Zusammenhang zwischen Produktion und Multifunktionalität aufgezeigt und festgestellt, dass dieser Zusammenhang bei einer Weiterentwicklung der Direktzahlungen als maßgebliche Begründung zu beachten ist. Der Ausschuss teilt die Auffassung der Kommission, dass Direktzahlungen ausreichend begründet und gesellschaftlich akzeptiert sein müssen. Daher hat er sich wiederholt für funktionsorientierte Direktzahlungen ausgesprochen und auch dafür, dass in der Gestaltung dieses wichtigen Instrumentes Anpassungen dann erfolgen müssen, wenn sich Bedingungen und Anforderungen grundsätzlich verändern.

4.1.5. Die vorgeschlagene Betriebsprämie würde in der Praxis vielfach dazu führen, dass dieselben gesellschaftlichen Leistungen sehr unterschiedlich abgegolten werden. Dabei ist zu beachten, dass Landwirte, die die Produktion aufrechterhalten, alle Regeln entsprechend der Cross-Compliance einzuhalten haben, um den Anspruch auf die Betriebsprämie zu sichern, die jedoch auf Grund des historischen Bezugs niedrig sein kann. Dagegen ist ein Landwirt, der aus der Produktion aussteigt, nur mit wenigen, zu unspezifischen und regional eventuell unterschiedlichen Verpflichtungen konfrontiert, um seine Flächen "in einem guten landwirtschaftlichen Zustand zu erhalten", kann jedoch dem System entsprechend Anspruch auf eine hohe Betriebsprämie haben. Es wird befürchtet, dass die landwirtschaftliche Tätigkeit und damit auch die Produktion immer mehr entwertet werden.

4.1.6. Im Artikel 58 des VO-Vorschlages soll den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt werden, "eine gewisse Ausgewogenheit zwischen den einzelbetrieblichen Zahlungsansprüchen und regionalen bzw. nationalen Durchschnittswerten herzustellen". Damit könnten zwar die Berechnung und die Verwaltung der Beihilfen vereinfacht bzw. teilweise Probleme entschärft werden, die mit der Betriebsprämie für den Bodenmarkt entstehen würden. Offensichtlich hat aber die Kommission keine Möglichkeit gesehen, eine derartige Regelung politisch auf europäischer Ebene durchsetzen zu können, weil dadurch massive Veränderungen in den Finanzströmen zwischen den Mitgliedstaaten sowie der Einkommensverhältnisse zwischen den Betrieben und den Regionen ausgelöst würden.

4.1.7. Der EWSA weist auf die Gefahr hin, dass trotz der vorgeschlagenen Teilentkoppelung viele Betriebe die Produktion von Stärkekartoffeln aufgeben und Produktionssparten mit weniger Risiko und Kapitaleinsatz wählen, was in einzelnen Regionen gravierende negative Folgen haben könnte. Der Ausschuss spricht sich gegen die Kürzung der Beihilfen für Hartweizen aus, da diese für die Aufrechterhaltung der Produktion in traditionellen Anbaugebieten mit nur wenigen Produktionsalternativen unabdingbar sind. Demgegenüber tritt der Ausschuss ebenso für ein neues Instrument zur Unterstützung der Erzeugung von Schalenfrüchten ein. Allerdings hält er die vorgeschlagene Höhe für unzureichend, um mit Einfuhren aus Drittstaaten konkurrieren zu können.

4.1.8. Die angeführten Probleme dienten mit als Begründung für den wiederholten Vorschlag des EWSA, andere Möglichkeiten einer Weiterentwicklung der Direktzahlungen einer genauen Prüfung zu unterziehen. Der Ausschuss stellt erneut die Frage, warum die Kommission kein aus einer Basisförderung und produktbezogenen Elementen zusammengesetztes Beihilfensystem geprüft hat. Damit könnte einerseits eine Abgeltung für die multifunktionalen Leistungen in einer nachhaltigen Form erfolgen, andererseits die wirtschaftlich-produktive Funktion der landwirtschaftlichen Betriebe gesichert werden, was vor allem für benachteiligte Regionen von großer Bedeutung ist. Mit einem derartigen System könnten viele der mit dem Kommissionsvorschlag verbundenen Probleme vermieden werden.

4.2. Cross-Compliance (CC)

4.2.1. Der EWSA hat sich wiederholt dafür ausgesprochen, dass die Vorschriften in den Bereichen Lebensmittelsicherheit, Arbeitsschutz sowie Umweltschutz und Tierschutz EU-weit einheitlich und besser durchgesetzt werden. Dies muss ebenso für die Rechtsvorschriften betreffend Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sowie Jugendarbeits- und Gefahrenschutz gelten. Die von der Kommission vorgeschlagene Cross-Compliance-Regelung kann ein nützliches Instrument sein, um diesem Ziel näher zu kommen.

4.2.2. Der EWSA wiederholt seine Forderung, dass die verlangten Standards klar und eindeutig sind und tatsächlich in der gesamten EU einheitlich gelten. Zugleich ist erforderlich, dass die Regelungen des Cross-Compliance praxistauglich sind, der administrative Aufwand beherrschbar bleibt und Doppelkontrollen vermieden werden.

4.2.3. Die Kommission schlägt vor, die Gewährung der Direktzahlungen von der Erfuellung von 38 EU-Regulativen sowie von der Erhaltung der landwirtschaftlichen Flächen "in gutem landwirtschaftlichen Zustand" abhängig zu machen. Bei Nichteinhaltung dieser Auflagen soll je nach Schwere des Verstoßes eine Reduzierung der Direktzahlungen zwischen 10-100 % erfolgen.

4.2.4. Der EWSA verweist darauf, dass einzelne Bestimmungen nicht für alle Landwirte gleichermaßen anzuwenden sind, etwa in Zusammenhang mit der Habitat- oder der Vogelschutz-Richtlinie oder im Bereich der Gesundheit. Damit stellt sich die Frage der Gleichbehandlung und Rechtssicherheit für die Landwirtschaft, zumal nur ein Teil der Regulative bei Kontrollen auf den landwirtschaftlichen Betrieben überprüft werden kann.

4.2.5. Der EWSA verweist darauf, dass für den Nachweis der CC-Standards mit hohen Anforderungen an die Landwirte zu rechnen ist. Auf jeden Fall wird auch der Dokumentations- und Eigenaufwand für die Betriebe stark zunehmen. Deshalb hält der EWSA einen angemessenen Übergangszeitraum für die Anpassung der Betriebe an das neue CC-System für erforderlich und vertretbar.

4.2.6. Die Kommission will mit ihrem Vorschlag eine Verwaltungsvereinfachung erreichen, indem sie das gegenwärtige integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem für die Direktzahlungen anpasst und um Kontrollen der Cross-Compliance und der guten landwirtschaftlichen Praxis ergänzt. Der EWSA stellt jedoch fest, dass der Kontroll- und Verwaltungsaufwand die Verwaltungsabläufe eher schwerfälliger macht. Entsprechend der Zielsetzung "Weniger Bürokratie" sollte der Umfang der einzuhaltenden Rechtsnormen auf jene wichtigen, für die Zielerreichung der CC-Standards unbedingt notwendigen Bestimmungen begrenzt werden.

4.2.7. Das Gleiche gilt für die Auflagen im Bereich des "guten landwirtschaftlichen Zustands". Auch hier sollten jene Bestimmungen als Auflagen definiert werden, die für die Aufrechterhaltung einer multifunktionalen Landwirtschaft nötig sind und in der Praxis auch objektiv kontrollierbar sind. Einige der vorgeschlagenen Auflagen dürften nur schwer anwendbar sein (z. B. Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit oder Bodenstrukturen).

4.2.8. Im Interesse der Vereinfachung ist es unerlässlich, für die Kontrollen Prioritäten aufzustellen und die Vertretungen der landwirtschaftlichen Branchen und Berufsgruppen an der Entwicklung von Unterstützungs- und Beratungseinrichtungen für die landwirtschaftlichen Betriebe zu beteiligen, die mit den Verwaltungen zusammenarbeiten und Formen der freiwilligen Zertifizierung fördern sollten.

4.2.9. Der EWSA erinnert in diesem Zusammenhang auch daran, dass die hohen Standards in der landwirtschaftlichen Produktion der EU nicht durch wettbewerbsverzerrende Importe unterlaufen werden dürfen, d. h. auch Erzeugnisse aus Drittstaaten müssen die Ziele der Cross-Compliance, des Tierschutzes und der Lebensmittelsicherheit kohärent erfuellen.

4.3. "Farm advisory system" (FAS)

4.3.1. Die Kommission hat ihren Vorschlag aus der Mitteilung zur MTR für ein "Farm Audit" weiterentwickelt und schlägt nun die Einführung eines verpflichtenden Betriebsberatungssystems vor.

4.3.2. Der EWSA kann nachvollziehen, dass den Mitgliedstaaten für die Einführung des vorgeschlagenen Betriebsberatungssystems ein gewisser Spielraum für die Ausgestaltung gegeben wird. Der EWSA hat sich dafür ausgesprochen, dass derartige Systeme auf freiwilliger Basis angeboten werden und dafür ein Anreizsystem geschaffen wird. Diese Beratung sollte nicht nur im Hinblick auf die Einhaltung der gesetzlichen Standards erfolgen, sondern auf eine fortlaufende Verbesserung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Situation der Betriebe abzielen.

4.3.3. Der EWSA weist darauf hin, dass die Teilnahme an einem derartigen Betriebsberatungssystem für die Landwirte zusätzliche Kosten verursacht. Es ist daher wichtig, den Landwirten die Möglichkeit einer Unterstützung anzubieten, wie das im Vorschlag der Kommission für die ländliche Entwicklung vorgesehen ist. Hinsichtlich der Betriebsberatung fordert der Ausschuss dazu auf, den Ausbildungs- und Qualifizierungsinstrumenten für Selbständige und Arbeitnehmer besonderes Augenmerk zu widmen. Der EWSA weist darauf hin, dass den landwirtschaftlichen Berufsorganisationen und Gewerkschaften bei der Aus- und Weiterbildung und Beratung der Landwirte und landwirtschaftlichen Arbeitskräfte eine große Bedeutung zukommt.

4.4. Degression und Modulation

4.4.1. Gegenüber den Vorschlägen vom Juli 2002 wurden deutliche Änderungen vorgenommen. Neben einer Umschichtung von Mitteln in die 2. Säule der Agrarpolitik (Modulation) ist nunmehr auch eine Umschichtung innerhalb der 1. Säule (Degression) geplant. Der EWSA bedauert, dass keine Entscheidung des Rates zum entsprechenden Finanzbogen der 2. Säule vorliegt; unter diesen Bedingungen ist es müßig, über einen konkreten Prozentsatz von auf die 2. Säule zu übertragenden Agrarhaushaltsmitteln zu sprechen. Bei der Kürzung der Direktzahlungen wird in einem größeren Ausmaß in Abhängigkeit von der Prämienhöhe differenziert. Andererseits entfällt der ursprüngliche Vorschlag einer Obergrenze, was ein Vorteil für die größeren Betriebe ist. Das bedeutet, dass, wie vom Ausschuss vorgeschlagen, betriebsgrößenbedingte Effekte z. B. der Kostendegression zumindest ansatzweise Berücksichtigung finden würden. Dem Kriterium der Beschäftigung in den Betrieben wurde hingegen nicht Rechnung getragen.

4.4.2. Die Modulation und Degression soll für die neuen Mitgliedstaaten bis einschließlich 2012 nicht zur Anwendung kommen. Der EWSA geht deshalb davon aus, dass die Mittel, die aus der Modulation für die 2. Säule resultieren, ausschließlich in den 15 "alten" Mitgliedstaaten ausgegeben werden.

4.4.3. Entsprechend Artikel 10 soll nach dem Verfahren von Artikel 82 Absatz 2 dem Verwaltungssauschuss für Direktzahlungen die Möglichkeit eingeräumt werden, die Prozentsätze im Rahmen der Degression zu verändern. Da mit jeder Änderung weitreichende Konsequenzen verbunden wären, hat der EWSA Bedenken gegen eine derartige Ermächtigung.

4.4.4. Der EWSA weist darauf hin, dass die Vorschläge für die Degression in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den vorgesehenen Preissenkungen zu sehen sind. Beide Maßnahmen zusammengenommen würden einzelbetrieblich in vielen Fällen zu starken Einkommenseinbußen führen. Besonders betroffen wären Landwirte, die ihr Einkommen ausschließlich aus der landwirtschaftlichen Produktion beziehen.

4.5. Flächenstilllegung und "CO2-Kredit"

4.5.1. Das bisherige System der Flächenstilllegung mit dem Element der Rotation und der Möglichkeit Stilllegungsflächen für nachwachsende Rohstoffe nutzen zu können, hat zu einer deutlichen Entlastung der "klassischen" Agrarmärkte geführt. Der Reformvorschlag der Kommission bedeutet eine Dauerstilllegung von Flächen für 10 Jahre, ohne Rotationsmöglichkeit, eine Nutzung für nachwachsende Rohstoffe soll nicht mehr möglich sein.

4.5.2. Der EWSA spricht sich für die Beibehaltung der Möglichkeit zur Stilllegung als Rotation aus. Wie bisher sollte auch künftig die Alternative gegeben sein, anstatt einer Stilllegung Energiepflanzen anzubauen. Sofern aus Gründen des Naturschutzes eine mehrjährige Dauerbrache erforderlich ist, so hält der EWSA entsprechende Angebote über die Agrarumweltmaßnahmen für sinnvoll.

4.5.3. Nach Meinung des EWSA ist die vorgesehene Förderung des Anbaues von Energiepflanzen in der Höhe von 45 EUR/ha ein erstes positives Zeichen. Doch ist es fraglich, ob angesichts der noch zu geringen Förderung und ohne die Nutzung von stillgelegten Flächen das vorgegebene Ziel von 1,5 Mio. ha realisiert werden kann.

4.5.4. Der EWSA erachtet es für richtig, dass Betriebe bis 20 ha Ackerflächen und ökologisch produzierende Betriebe wie bisher von der Stilllegungsverpflichtung ausgenommen bleiben.

4.6. Neue Maßnahmen für die ländliche Entwicklung

4.6.1. Wiederholt hat sich der EWSA für eine Verstärkung der Maßnahmen für die ländliche Entwicklung ausgesprochen. Wesentlich ist für ihn, dass auch die Möglichkeiten aller Strukturfonds dafür genützt werden. Das ist auch deshalb wichtig, weil für eine insgesamt positive Entwicklung ein umfassender Ansatz in der Politik für den ländlichen Raum notwendig ist.

4.6.2. Der Ausschuss spricht sich für eine substantielle Anschlussregelung der Verordnung (EG) Nr. 2826/2000 über Informations- und Absatzförderungsmaßnahmen für Agrarerzeugnisse im Binnenmarkt aus. Die im Rahmen der ländlichen Entwicklung geplante Absatzförderung fiele zu restriktiv aus und würde die Absatzförderung weitgehend auf Kleinstprojekte beschränken.

4.6.3. Der Europäische Rat von Brüssel (Oktober 2002) hat den Finanzrahmen für Agrarausgaben bis 2013 festgeschrieben. Während für die Rubrik 1a (Marktordnungsausgaben) eine Plafonierung vereinbart wurde, gibt es eine solche für die Rubriken 1b und 2 (Ländliche Entwicklung) nicht.

4.6.4. Der EWSA bemängelt, dass durch die vorgesehene Umverteilung von der ersten zur zweiten Säule - selbst im 6. Jahr nach Beginn der Modulation - nur knapp 1,5 Mrd. EUR zusätzlich für Maßnahmen der ländlichen Entwicklung zur Verfügung stehen. Unter der Voraussetzung, dass der politische Wille dazu vorhanden ist, könnten unter Nutzung des insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzrahmens (in den vergangenen Jahren nie voll ausgeschöpft) zusätzliche Mittel für die ländliche Entwicklung mobilisiert und eine bessere Balance erzielt werden.

4.6.5. Die von der Kommission vorgeschlagenen neuen Maßnahmen für die ländliche Entwicklung sind im wesentlichen darauf abgestellt, die Landwirte bei der Erfuellung der Standards und verstärkten Ausrichtung auf eine Qualitätsproduktion zu unterstützen. Dies ist eine wichtige Funktion. Der Ausschuss weist jedoch darauf hin, dass für die hierfür vorgesehenen Maßnahmen keine ausreichenden Haushaltsmittel vorgesehen sind.

4.6.6. Der EWSA begrüßt grundsätzlich den Vorschlag neuer flankierender Maßnahmen zur Förderung der Lebensmittelqualität, zur Unterstützung bei Erfuellung von Produktionsauflagen und zur Förderung von Tierschutzmaßnahmen entsprechend der bewährten Agrarumweltmaßnahmen.

4.6.7. Für den Fall, dass die Landwirte die neuen flankierenden Maßnahmen entsprechend ihrer Zielsetzung auch in Anspruch nehmen, werden die zusätzlichen Mittel von maximal 1,5 Mrd. EUR kaum ausreichen. Das bedeutet, dass das von der Kommission genannte Ziel "verstärkte Entwicklung des ländlichen Raumes" nicht erreicht wird.

4.6.8. Der EWSA unterstützt, dass bereits heute im Rahmen von Artikel 16 (Verordnung (EG) Nr. 1257/1999) Ausgleichszahlungen bei der Umsetzung von Natura-2000 Maßnahmen ermöglicht werden. Er spricht sich jedoch dafür aus, dass künftig gleichwertige Sachverhalte, wie z. B. die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, gleichbehandelt werden.

4.6.9. Die Einführung einer neuen Beihilfe für Erzeuger, die sich an Qualitätssysteme halten, darf nicht dazu führen, dass diesen Erzeugern andere, bereits bestehende Beihilfen im Rahmen von Programmen für flankierende Maßnahmen verwehrt werden.

5. Zusammenfassung

5.1. Der EWSA bekennt sich zu einer Anpassung der Gemeinsamen Agrarpolitik an veränderte Erfordernisse. Der EWSA hat sich in eigenen Initiativstellungnahmen intensiv mit einer Weiterentwicklung der landwirtschaftlichen Direktzahlungen befasst. Der EWSA lehnt einen abrupten Systemwechsel ab, wie er durch die Überführung der bisherigen Flächen- und Tierprämien in die von der Kommission vorgeschlagene Betriebsprämie vollzogen würde. Eine Lockerung der Verknüpfung zwischen Marktregulierung und Produktion birgt die Gefahr neuer Störungen in der Landwirtschaft, vor allem in benachteiligten Gebieten. Der EWSA bedauert, dass die Kommission seine Anregung, anstelle einer Betriebsprämie zum Beispiel eine Basisförderung zuzüglich produktbezogener Zuschläge zu prüfen, nicht aufgegriffen und verfolgt hat.

5.2. Der EWSA ist der Meinung, dass mit den vorliegenden Vorschlägen zur Betriebsprämie und zu Cross-Compliance leider noch keine befriedigende Antwort auf die Frage gegeben ist, wie die hohen gesellschaftlichen Anforderungen an die Landwirtschaft (mit hohen europäischen Standards) bei gleichzeitig liberalisierten Agrarmärkten (Zielsetzung der WTO-Verhandlungen) abgegolten werden sollen. Damit bleibt die Sorge, dass in vielen europäischen Regionen die Abwanderung junger Menschen aus der Landwirtschaft anhält. Auch ist Skepsis angezeigt, ob die vorliegenden Vorschläge auf eine nachhaltige und dauerhafte öffentliche Akzeptanz stoßen werden.

5.3. Nach Meinung des EWSA kann das neu vorgeschlagene Instrument des Cross-Compliance dazu beitragen, dass die Vorschriften in den Bereichen Lebensmittelsicherheit, Arbeitsschutz sowie Umweltschutz und Tierschutz EU-weit einheitlich praktiziert werden. Allerdings müssen die Regelungen des Cross-Compliance auch praxistauglich und der administrative Aufwand beherrschbar sein.

5.4. Nach Meinung des EWSA sollten in den Reformvorschlägen freiwillige Maßnahmen bzw. Anreize deutlicher zum Vorschein kommen. So sollte der Einstieg in ein Betriebsberatungssystem auf freiwilliger Basis erfolgen. Auch sollte nicht eine obligatorische 10-jährige Dauerbrache Gegenstand der Reform sein, sondern vielmehr eine Beibehaltung des Prinzips der Rotationsbrache auf freiwilliger Basis, zumal letztere sowohl bei den Landwirten als auch gesellschaftlich hohe Akzeptanz findet.

5.5. Der EWSA spricht sich nachdrücklich für einen Ausbau der 2. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik zur Entwicklung der ländlichen Räume aus. Gemessen an der Mitteilung vom Juli 2002 zur Midterm Review bleiben die legislativen Vorschläge zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik in diesem Punkt deutlich zurück. Auch würde ein ausschließlich durch die Modulation getragener Ausbau der 2. Säule die Komplementarität zwischen beiden Säulen der Gemeinsamen Agrarpolitik schwächen. In Bezug auf die Verbesserung der Produktqualität, Nahrungsmittelsicherheit und des Umweltschutzes gehen die Vorschläge in die richtige Richtung. Allerdings werden hierfür keine angemessenen Mittel zur Verfügung gestellt, doch hält es der Ausschuss für möglich, dass diese im Rahmen der anstehenden Reform der Strukturfonds erhöht werden.

Brüssel, den 14. Mai 2003.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger Briesch

(1) Stellungnahme des EWSA zum Thema "Halbzeitbewertung der Gemeinsamen Agrarpolitik", ABl. C 85 vom 8.4.2003.

(2) ABl. C 85 vom 8.4.2003.

(3) Initiativstellungnahme des EWSA zum Thema "Eine Politik zur Konsolidierung des europäischen Agrarmodells", ABl. C 368 vom 20.12.1999, S. 76-86.

(4) Stellungnahme des EWSA zum Thema "Halbzeitbewertung der Gemeinsamen Agrarpolitik", ABl. C 85 vom 8.4.2003.

(5) Der von der Kommission gewählte Begriff "einheitliche Betriebsprämie" ist missverständlich, weil deren Höhe je Betrieb nicht einheitlich, sondern auf Grund des historischen Bezugs sehr unterschiedlich wäre.

(6) ABl. C 125 vom 27.5.2002.