52003AE0409

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG hinsichtlich der Vorschriften über den Ort der Lieferung von Elektrizität und Gas" (KOM(2002) 688 endg. — 2002/0286 (CNS))

Amtsblatt Nr. C 133 vom 06/06/2003 S. 0058 - 0062


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG hinsichtlich der Vorschriften über den Ort der Lieferung von Elektrizität und Gas"

(KOM(2002) 688 endg. - 2002/0286 (CNS))

(2003/C 133/13)

Der Rat beschloss am 16. Dezember 2002 gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu dem vorgenannten Vorschlag zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 6. März 2003 an. Berichterstatter war Herr Pezzini.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss verabschiedete auf seiner 398. Plenartagung am 26. und 27. März 2003 (Sitzung vom 26. März) mit 97 Stimmen ohne Gegenstimmen bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Nach der Schaffung des EU-Binnenmarktes erfolgte in den Mitgliedstaaten eine schrittweise Liberalisierung der Elektrizitäts- und Gasmärkte, um diesen Sektor leistungsfähiger zu gestalten. Der Europäische Rat von Lissabon vom 23. und 24. März 2000 hielt "rasche Arbeit" für geboten und rief die Kommission auf, die Liberalisierung in Bereichen wie Gas und Strom mit dem Ziel zu beschleunigen, in diesen Bereichen einen voll funktionsfähigen Binnenmarkt zu verwirklichen. Auf ihrer Tagung vom 30. Mai 2000 ersuchten die EU-Energieminister die Kommission, "rechtzeitig Vorschläge für weitere Maßnahmen vorzulegen."

1.2. Der Rat (Energie) hat auf seiner Tagung vom 25. November 2002 dem Prozess der Liberalisierung im Energie- und Gasbereich weitere Impulse gegeben, indem er folgende Vorgaben für die Mitgliedstaaten festgelegt hat:

- Öffnung der Elektrizitäts- und der Erdgasmärkte für gewerbliche Kunden bis 1. Juli 2004;

- Öffnung der Märkte für nichtgewerbliche Kunden bis 1. Juli 2007;

- Verpflichtung zur rechtlichen Entflechtung der Netzbetreiberunternehmen und der Energie erzeugenden Unternehmen;

- die Pflichten, die sich aus der gemeinwirtschaftlichen Aufgabenstellung ergeben (u. a. Bereitstellung von Energie zu vernünftigen Preisen);

- die Vorschriften über Preise und über die Netzdurchleitung;

- die einschlägigen Vorschriften über die Aufteilung der verfügbaren Verbindungskapazitäten für den grenzüberschreitenden Stromhandel.

1.2.1. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss ist sich durchaus bewusst, dass die derzeitige Lage weit davon entfernt ist, einheitlich zu sein, auch wenn die Mehrheit der Mitgliedstaaten eine Liberalisierung innerhalb der vorgesehenen Fristen befürwortet. Hingegen hat der unterschiedliche Grad der Öffnung des Energiemarktes in den Mitgliedstaaten zur Folge, dass sich erhebliche Unterschiede bei der vollständigen Verwirklichung des Binnenmarktes ergeben.

1.2.2. Der EWSA unterstützt daher alle Anstrengungen, die die Schaffung eines reibungslos funktionierenden Marktes zum Ziel haben. Die Öffnung des Marktes allein gewährleistet nicht, dass der Markt in der Praxis funktioniert.

1.3. Die Liberalisierung dieser Märkte geht mit zunehmender Deregulierung sowie einer Zunahme des grenzüberschreitenden Handels zwischen den Mitgliedstaaten einher. Als Folge neuer Maßnahmen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten kommt es zu spürbaren Veränderungen in der Funktionsweise dieser Märkte.

1.3.1. Der herkömmliche Elektrizitätsmarkt war dadurch gekennzeichnet, dass sich in den meisten Mitgliedstaaten die wichtigsten Stromerzeuger, Übertragungsnetzbetreiber sowie die überregionalen und lokalen Verteilerunternehmen fast gänzlich in öffentlichem Besitz befanden. Im Allgemeinen handelte es sich um einen Inlandsmarkt, denn der Handel mit Elektrizität erfolgte hauptsächlich innerhalb der jeweiligen Landesgrenzen. Gleiches galt für die Gasmärkte.

1.4. Infolge der Liberalisierung haben die Energiemärkte jedoch ihren rein nationalen Charakter verloren und funktionieren nun mehr und mehr in einem europäischen Rahmen. Dies führte zum Auftreten neuer Marktbeteiligter wie Energiebörsen, unabhängigen Stromerzeugern, Maklern und Händlern. Infolge von Privatisierungen und Fusionen verlieren die öffentlichen Unternehmen, z. B. die großen Stromerzeuger, ihre beherrschende Stellung. In jenen Ländern, in denen die Liberalisierung in vollem Gange ist, zeigt sich, dass sich die Methoden des Wirtschaftens und der Markt selbst verändern.

1.5. Die zunehmende Liberalisierung im Bereich der Gas- und Elektrizitätsverteilung macht jedoch eine Überprüfung der geltenden MwSt-Regelungen dringend notwendig, denn es muss gewährleistet sein, dass sie dem Erfordernis einer korrekten und einfachen Besteuerung der betreffenden Lieferungen entsprechen. Außerdem bringt die neue Marktstruktur neue Probleme mit sich, etwa die Frage der Besteuerung der Übertragungskosten.

2. Probleme im Zusammenhang mit den derzeitigen Vorschriften

2.1. Ort der Lieferung

2.1.1. In Bezug auf die Mehrwertsteuer bestimmt der "Ort der Lieferung", welcher Mitgliedstaat das Recht hat, eine Transaktion zu besteuern. Daher bestimmt er also auch den zu entrichtenden Mehrwertsteuersatz sowie (i. d. R.) den Mitgliedstaat, in dem sich der Lieferant registrieren lassen muss. Er ist genauestens definiert und nicht notwendigerweise der Ort, an dem die Lieferung physisch stattfindet.

2.1.2. Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Sechsten MwSt-Richtlinie(1) gelten Elektrizität und Gas als Gegenstand. Da ihre Lieferung also eine Lieferung von Gegenständen darstellt, ist der Ort der Lieferung gemäß Artikel 8 der Sechsten MwSt-Richtlinie zu bestimmen. Vor der Liberalisierung der Elektrizitäts- und Gasmärkte stellte sich die Frage nicht, ob diese Lieferung unter Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a) oder unter Buchstabe b) (Lieferung mit oder ohne Beförderung) fällt, weil in fast allen Mitgliedstaaten die Erzeugung und Verteilung von Elektrizität sowie der Handel damit eine inländische Angelegenheit war und es dementsprechend keinen grenzüberschreitenden Handel mit Elektrizität gab. Gelegentliche grenzüberschreitende Transaktionen bereiteten keine Probleme, denn in einem solchen Fall ließ sich der betreffende Verteiler in dem anderen Mitgliedstaat registrieren.

2.1.3. Im neuen, liberalisierten Markt treten grenzüberschreitende Transaktionen hingegen häufig auf. Angesichts des Wesens der Elektrizität ist es in der Praxis beinahe unmöglich, das Fließen des Stroms physisch zu verfolgen. Verkauft beispielsweise ein Stromerzeuger in Nordeuropa Elektrizität an einen Verbraucher in Südeuropa, bedeutet dies nicht, dass die im Norden erzeugten Elektronen tatsächlich in den Süden gelangen. Dementsprechend kann bei Elektrizität und Gas auch nicht von einem Transport gesprochen werden, und es wäre sinnlos, bei einer grenzüberschreitenden Lieferung dieser Gegenstände Versand- und Empfangsbeweise zu verlangen.

2.1.4. Der Strom- und Gasfluss im physischen Sinne entspricht nicht unmittelbar dem Vertragsverhältnis zwischen Verkäufer und Käufer; dies gilt vor allem, wenn der Käufer eine direkte Lieferung an seinen Kunden verlangt.

2.1.5. Gemäß der geltenden Regelung muss sich ein Lieferant gelegentlich in einem anderen als seinem eigenen Mitgliedstaat mehrwertsteuerlich registrieren lassen. Dies ruft Schwierigkeiten hervor und verursacht Kosten und kann die Entwicklung des Binnenmarktes beeinträchtigen.

2.1.6. Schwierigkeiten können sich auch durch Unterschiede im Zivilrecht der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Bestimmung des Zeitpunkts und des Ortes der Lieferung ergeben.

2.2. Übertragungskosten

2.2.1. Gemäß Artikel 7 der Richtlinie 96/92/EG benennen die Mitgliedstaaten einen Netzbetreiber, der für den Betrieb, die Wartung sowie gegebenenfalls den Ausbau des Übertragungsnetzes in einem bestimmten Gebiet und der Verbindungsleitungen mit anderen Netzen verantwortlich ist und so die Versorgungssicherheit gewährleistet. Dem Netzbetreiber obliegt es, die Energieübertragung durch das Netz unter Berücksichtigung des Austauschs mit anderen Verbundnetzen zu regeln. Bei der Einfuhr von Elektrizität sorgt der Netzbetreiber für die entsprechende Kapazität.

2.2.2. Die Kosten des Netzes werden vom Inlandsnetzbetreiber getragen. Das Netz wird für die nationale und internationale Übertragung von Elektrizität genutzt. Die Gesamtkosten des Netzbetreibers werden nach Kosten im Zusammenhang mit Übertragungsleistungen im Inland und Kosten für grenzüberschreitende Leistungen aufgeschlüsselt. Marktbeteiligte, die Elektrizität exportieren, zahlen zur Deckung der Netzkosten eine Gebühr, die in mehrwertsteuerlicher Sicht die Gegenleistung für eine Dienstleistung darstellt. Wird diese Gebühr gebietsfremden Unternehmern in Rechnung gestellt, dann wird der Ort dieser Dienstleistungen wichtig. Gilt die Gebühr als Entgelt für eine innergemeinschaftliche Beförderungsleistung, würde die MwSt in dem Mitgliedstaat geschuldet, in dem der Unternehmer mehrwertsteuerlich registriert ist. Wird die Gebühr jedoch für die Gewährung des Zugangs zum Übertragungsnetz angesehen, würde der Ort der Besteuerung gemäß Artikel 9 Absatz 1 bestimmt und gälte somit als in dem Land gelegen, in dem der Netzbetreiber niedergelassen ist. Die Ungewissheit, welcher Absatz von Artikel 9 anzuwenden ist, könnte zu unterschiedlichen Auslegungen und dies wiederum zu Doppel- oder Nichtbesteuerung führen.

3. Der Lösungsvorschlag

3.1. Allgemein

3.1.1. Gewisse Bestimmungen der derzeitigen MwSt-Regelung, insbesondere innergemeinschaftliche Lieferungen von Gas und Elektrizität, verursachen unnötige Probleme. Neue Regeln bezüglich des Ortes der Lieferung tragen dem besonderen Charakter der betreffenden Gegenstände Rechnung und werden das Funktionieren des Binnenmarktes für diese erleichtern. In Bezug auf Gas und Strom wird also von dem Grundsatz der normalen mehrwertsteuerlichen Behandlung von Gegenständen, nämlich der Besteuerung an dem Ort, an dem sich die Gegenstände tatsächlich befinden, abgewichen, da es in den meisten Fällen nicht möglich ist, eine Beziehung zwischen dem Umsatz und dem betreffenden Warenstrom im physischen Sinne herzustellen.

3.2. Die neue Regelung

3.2.1. Die im Folgenden aufgelisteten "Regeln" sind ein Versuch, die Sachlage allgemein verständlich und mit der erforderlichen Genauigkeit darzustellen.

3.2.2. Erste Regel

3.2.2.1. Die Lieferung von Elektrizität oder Gas an eine Person im gleichen Mitgliedstaat wie der Verkäufer ist in diesem Mitgliedstaat zu versteuern, wobei der Verkäufer die Steuer schuldet. Der Verkauf an eine Person außerhalb der EU unterliegt nicht der MwSt in der Europäischen Union. In beiderlei Hinsicht ist dies eine Fortführung der derzeitigen Handhabung.

3.2.3. Zweite Regel

3.2.3.1. Die Lieferung von Elektrizität oder Gas an eine Person in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat des Verkäufers ist, falls der Käufer diesen Gegenstand im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zum Zwecke des Wiederverkaufs erwirbt, im Mitgliedstaat des Käufers zu versteuern. Die Steuer wird vom Käufer geschuldet. Der Verkäufer muss sich nicht im Mitgliedstaat des Käufers registrieren lassen.

3.2.4. Dritte Regel

3.2.4.1. Die Lieferung von Elektrizität oder Gas an eine Person in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat des Verkäufers ist, falls der Käufer diesen Gegenstand nicht im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zum Zwecke des Wiederverkaufs erwirbt, in dem Mitgliedstaat zu versteuern, in dem die Energie verbraucht wird. Die Steuer wird vom Verkäufer, der sich in diesem Mitgliedstaat registrieren lassen muss, geschuldet.

3.2.4.2. Wenn jedoch der Käufer der Energie in dem Mitgliedstaat mehrwertsteuerlich registriert ist, in dem die Energie verbraucht wird, kann sich die Regierung dieses Mitgliedstaates dafür entscheiden, die Verantwortung vom Verkäufer auf den Käufer zu übertragen. In diesem Falle muss sich der Verkäufer nicht in diesem Mitgliedstaat registrieren lassen.

3.2.4.3. In praktischer Hinsicht ist der Ort, an dem die Energie verbraucht wird, der Ort, an dem der Gas- und Stromverbrauch gemessen wird.

3.2.5. Vierte Regel

3.2.5.1. Auf den Kauf von Elektrizität oder Gas von einem nicht in der EU ansässigen Anbieter wird nicht ausdrücklich eingegangen. Diesbezüglich scheint folgende Position vertreten zu werden:

- Falls der Käufer diesen Gegenstand im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zum Zwecke des Wiederverkaufs erwirbt, ist der Kauf im Mitgliedstaat des Käufers zu versteuern und die Steuer wird vom Käufer geschuldet.

- Falls der Käufer diesen Gegenstand nicht im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zum Zwecke des Wiederverkaufs erwirbt, ist der Kauf in dem Mitgliedstaat zu versteuern, in dem die Energie verbraucht wird. Dem Verkäufer fiele die Hauptverantwortung für die Steuer zu; ist er jedoch nicht in diesem Mitgliedstaat registriert, kann die Regierung des Mitgliedstaats von ihrem Recht Gebrauch machen, die Verantwortung auf den Käufer zu übertragen, falls dieser in dem betroffenen Mitgliedstaat registriert ist.

3.2.6. Fünfte Regel

3.2.6.1. Die derzeitige Ungewissheit in Bezug auf die Übertragungskosten für Elektrizität würde beseitigt, wenn folgende Bedingungen erfuellt wären:

- Wie bisher ist die Dienstleistung, falls der Dienstleistungserbringer und sein Kunde im selben Mitgliedstaat ansässig sind, in diesem Mitgliedstaat zu versteuern; zuständig ist die Person, die die Dienstleistung erbringt.

- Wenn beide Personen in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ansässig sind, schuldet der Kunde die MwSt in seinem Mitgliedstaat.

- Wenn der Lieferant außerhalb der EU ansässig ist, schuldet der Kunde die MwSt in seinem Mitgliedstaat.

4. Bemerkungen

4.1. Allgemein

4.1.1. Dieser Vorschlag der Kommission zur Überarbeitung der MwSt-Regelung im Hinblick auf die Liberalisierung des Energiemarktes wird einen wertvollen Beitrag zu dessen weiterer Liberalisierung leisten, indem Hindernisse für die Stromerzeuger beseitigt werden, die nicht vorhersehbar waren, als Strom und Gas hauptsächlich Staatsmonopole waren, die die Staatsgrenzen nicht überschritten. Diese Änderungen wurden von der Industrie gefordert, die die vorliegenden Vorschläge weitgehend unterstützt. Derzeit sind ca. 200 Unternehmen mit der Lieferung von Strom oder Gas in einen anderen Mitgliedstaat tätig; es wird davon ausgegangen, dass ihre Zahl in den nächsten Jahren vielleicht sogar um das Zehnfache ansteigen wird.

4.1.2. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt den Vorschlag, möchte jedoch zwei Vorbehalte und eine Empfehlung vorbringen, die in den drei folgenden Abschnitten dargelegt werden.

4.2. Erster Vorbehalt

4.2.1. Durch die unter der Überschrift "Dritte Regel" beschriebenen Bestimmungen wird ein Unsicherheitsfaktor in das System eingebracht. Ein in einem Mitgliedstaat ansässiger Lieferant kann viele Kunden in anderen Mitgliedstaaten haben, die die Energie nicht verkaufen, sondern nutzen. Die Regierung des Mitgliedstaates, in dem der Kunde ansässig ist, kann ihre Wahlmöglichkeit bei dem einen Kunden anwenden, bei einem anderen wiederum nicht; außerdem kann sie bei jedem Kunden ihre Meinung ändern und sich bei Folgelieferungen für die andere Möglichkeit entscheiden und auch diese Entscheidung wieder rückgängig machen. Der Lieferant könnte Kunden in anderen Mitgliedstaaten haben und dort auf dieselbe Unsicherheit stoßen.

4.2.2. Das Kommissionsdokument gibt keine Auskunft darüber, warum diese Möglichkeit gewählt wurde, die im Widerspruch zu dem Grundsatz steht, dass die Besteuerung eindeutig und vor allem ermessensunabhängig sein soll, insbesondere wenn es um die Frage geht, wer zahlungspflichtig ist.

4.2.3. Die Kommission hat dazu zwei Antworten vorgelegt:

- Ein Lieferant, der mehrere Kunden in einem anderen Mitgliedstaat hat, ist dort sehr wahrscheinlich mehrwertsteuerlich registriert, sodass sich kein Problem ergeben würde.

- Ein Mitgliedstaat, der sich dafür entscheidet, die MwSt-Schuld vom Verkäufer auf den Käufer zu übertragen, müsste dies bei allen Lieferanten und für alle Lieferungen tun.

4.2.3.1. Zur ersten Antwort der Kommission verweist der Ausschuss darauf, dass es sehr gut möglich ist, dass Lieferanten mehr als einen Kunden in einem anderen Land haben, ohne dort selbst registriert zu sein.

4.2.3.2. Zur zweiten Antwort der Kommission vertritt der Ausschuss auch weiterhin die Auffassung, dass sich der Mitgliedstaat gemäß den Bestimmungen der Richtlinie frei entscheiden könnte, die MwSt-Schuld nur bei einigen Lieferungen zu übertragen. Der Ausschuss würde sich eine schriftliche Bestätigung der Kommission wünschen, dass alle Mitgliedstaaten dieser Interpretation zustimmen.

4.2.4. Die Bestimmung, die zur Anwendung zu kommen scheint, wenn kein Gebrauch von der Wahlmöglichkeit gemacht wird, verpflichtet den Lieferanten, sich außerhalb seines Mitgliedstaates registrieren zu lassen; mit der neuen Richtlinie sollte versucht werden, diese Belastung zu vermeiden.

4.2.5. Der Ausschuss schlägt vor, die "dritte Regel" wie folgt zu verändern:

4.2.5.1. Vorschlag für eine neue Fassung der dritten Regel:

4.2.5.2. Die Lieferung von Elektrizität oder Gas an eine Person in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat des Verkäufers sollte, falls der Käufer diesen Gegenstand nicht im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zum Zwecke des Wiederverkaufs erwirbt, in dem Mitgliedstaat zu versteuern sein, in dem die Energie verbraucht wird. Falls der Käufer in diesem Mitgliedstaat mehrwertsteuerlich registriert ist, sollte er die Steuer schulden. Ist dies nicht der Fall, sollte der Verkäufer, der sich in diesem Mitgliedstaat registrieren lassen müsste, für das Entrichten der Steuer verantwortlich sein.

4.3. Zweiter Vorbehalt

4.3.1. Die neue Regelung ist davon abhängig, ob der Käufer Elektrizität oder Gas im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zum Zwecke des Wiederverkaufs erwirbt. Auf die Frage des Ausschusses, wie sich die Lage im Fall einer Kommune darstellt, die Strom kauft und einen Teil davon an die in ihrem Gebiet ansässige Bevölkerung weiterverkauft, einen Teil für die kommunalen Einrichtungen und einen Teil für die Straßenbeleuchtung nutzt, antwortet die Kommission, dass die Absicht des Käufers beim Kauf bekannt sein muss. Wenn die Absicht darin besteht, den Großteil des Stroms weiterzuverkaufen, unterliegt der Kauf der zweiten Regel, der zufolge die Transaktion in dem Mitgliedstaat zu versteuern ist, in dem der Käufer ansässig ist; die Steuer wird vom Käufer geschuldet. Im gegenteiligen Fall kommt die dritte Regel zur Anwendung.

4.3.2. Nach Ansicht des Ausschusses ist die "Absicht" ein schwer nachweisbares Kriterium und für steuerliche Zwecke ungeeignet; auch der Ausdruck "Großteil" ist zu ungenau. Mit einer eindeutigeren Formulierung dieser Bestimmung könnten Probleme bei der Anwendung der vorgeschlagenen Richtlinie vermieden werden.

4.4. Empfehlung

4.4.1. Bei einem italienischen Unternehmen, das Gas von einem französischen Erzeuger kauft, das ausschließlich für die Stromerzeugung und den Stromverkauf genutzt wird, würde dieser Gaseinkauf dem Richtlinienvorschlag der Kommission zufolge derzeit unter die dritte Regel fallen. Nach Ansicht des Ausschusses würde es den Grundsätzen dieser Richtlinie jedoch eher entsprechen, wenn er unter die zweite Regel fiele.

5. Schlussfolgerung

5.1. Der Ausschuss begrüßt das Ziel des Vorschlags und einen Teil seiner Bestimmungen, möchte seine Zustimmung jedoch erst geben, wenn er eine zufriedenstellende Antwort auf seine Vorbehalte unter Ziffer 4.2 und 4.3 erhalten hat.

Brüssel, den 26. März 2003.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger Briesch

(1) ABl. L 145 vom 13.6.1977, S. 1.