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Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zum Thema "Binnenmarktstrategie für den Zeitraum 2003-2006"

Amtsblatt Nr. C 128 vom 29/05/2003 S. 0048 - 0052


Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zum Thema "Binnenmarktstrategie für den Zeitraum 2003-2006"

(2003/C 128/08)

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN,

gestützt auf die Bitten der Kommission, sich zu einer zukünftigen, mehrjährigen Binnenmarktstrategie, die im Frühjahr 2003 vorlegt werden soll, zu äußern;

aufgrund des Beschlusses seines Präsidiums vom 9. Oktober 2002, die Fachkommission für Wirtschafts- und Sozialpolitik gemäß Artikel 265 Absatz 5 des EG-Vertrags mit der Erarbeitung der diesbezüglichen Stellungnahme zu beauftragen;

gestützt auf seine Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Überprüfung der Binnenmarktstrategie im Jahr 2000 (CdR 311/2000 fin)(1);

gestützt auf seine Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Eine Binnenmarktstrategie für den Dienstleistungssektor (CdR 134/2001 fin)(2);

gestützt auf seine Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Gemeinsam die Dynamik erhalten - Überprüfung der Binnenmarktstrategie im Jahr 2001 (CdR 200/2001 fin)(3);

unter Bezugnahme auf seinen Stellungnahmeentwurf zu der Mitteilung der Kommission "Produktivität: Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften und Unternehmen", (CdR 224/2002 fin);

gestützt auf den von der Fachkommission für Wirtschafts- und Sozialpolitik am 6. Dezember 2002 angenommenen Stellungnahmeentwurf (CdR 341/2002 rev.) (Berichterstatterin: Frau Rodust, Mitglied des Landtags Schleswig-Holstein (D/SPE));

verabschiedete auf seiner 48. Plenartagung am 12. und 13. Februar 2003 (Sitzung vom 12. Februar) folgende Stellungnahme.

1. Standpunkte des Ausschusses der Regionen

Perspektiven nach zehn Jahren Binnenmarkt

Der Ausschuss der Regionen

1.1. begrüßt die Überlegungen der Europäischen Kommission, alle Beteiligten zu besonderen Anstrengungen aufzurufen, den Binnenmarkt zu vollenden, sowie ihre Ankündigung, im April 2003 eine mittelfristige Strategie bzw. ein Programm zur Entwicklung des Binnenmarktes vorzulegen, das höchstwahrscheinlich für einen Dreijahreszeitraum gelten soll. Im Vergleich zu früheren Strategiedokumenten soll dieses zielgerichteter, ehrgeiziger und kohärenter sein und sich vor allem auf die Wettbewerbsfähigkeit in einer erweiterten Union sowie auf ein besseres Funktionieren der Waren- und Dienstleistungsmärkte konzentrieren;

1.2. begrüßt dieses ehrgeizige Vorhaben. Der AdR hält es zusammen mit der Europäischen Kommission aber für erforderlich, eine neue mehrjährige Binnenmarktstrategie intensiver mit den verschiedenen Wirtschaftsprozessen zu verbinden und auf das einheitliche Ziel 2010 auszurichten, die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt auszubauen. Zu diesen Prozessen zählen vor allem der Luxemburg-Prozess 1997 zur Entwicklung einer europäischen Beschäftigungspolitik, der Cardiff-Prozess 1998 zur Reform der europäischen Wirtschaft, der Lissabon-Prozess von 2000 zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Göteborg-Prozess von 2001 zur Nachhaltigkeit und Umweltdimension. Sie alle sind seit Beginn der Binnenmarktgesetzgebung zur Stärkung einzelner Segmente der europäischen Wirtschaft eingeleitet worden;

1.3. unterstützt die in den Syntheseberichten der Europäischen Kommission angelegten Bemühungen, die Realisierung der neuen Binnenstrategie zusammen mit den anderen oben genannten Prozessen durch eine einheitliche globale Strategie zu vereinfachen und an der gemeinsamen Zielsetzung für 2010 auszurichten;

1.4. ist der Auffassung, dass eine zukünftige, mehrjährige Binnenmarktstrategie den weiteren Marktöffnungen besonderes Gewicht beimessen muss. Wichtige Sektoren in der Europäischen Union stehen noch am Anfang einer Öffnung für den Binnenmarkt (vor allem die Energie-, Transport-, Finanz- und Dienstleistungsmärkte). Die Einbeziehung des Geschäftsumfeldes (u. a. Unternehmensrecht, Patentrecht, Beihilfen und Wettbewerb, Daseinsvorsorge, Steuerharmonisierung, europäischer Arbeitsmarkt oder europäische Kompatibilität von Sozialsystemen) ist für die Perspektiven des Binnenmarktes inzwischen unverzichtbar;

1.5. teilt diese unerlässliche Ausweitung des Binnenmarktkonzeptes. Nach seiner Auffassung muss eine Binnenmarktstrategie in den nächsten Jahren hierzu Lösungen entwickeln, die vorrangig an den Anforderungen des Marktes orientiert sind und zugleich die wirtschaftspolitischen Verantwortungen und Initiativen der Mitgliedstaaten, die der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften sowie die Qualität des europäischen Sozialmodells betonen.

2. Empfehlungen des Ausschusses der Regionen

Die verschiedenen Wirtschaftsprozesse zusammenführen

Der Ausschuss der Regionen

2.1. hält es für notwendig, eine längerfristige Binnenmarktstrategie zu entwickeln, die bis zum Jahr 2010 ausgreift, um ihre Zielsetzungen stärker als bisher an dem übergreifenden Ziel für 2010 auszurichten und eine Verbindung mit den anderen Wirtschaftsprozessen zu erleichtern. Feinabstimmungen dieser Strategie sollten zwischenzeitlich möglich bleiben. Damit können die verschiedenen Prozesse besser zusammengeführt und mehr Transparenz und Planungssicherheit für alle beteiligten Akteure erreicht werden;

2.2. begrüßt die Einführung von mehr Wettbewerb als Leitprinzip weiterer Liberalisierungsmaßnahmen, um geschlossene Märkte zu öffnen, um Wettbewerbsfähigkeit auf europäischen und globalen Märkten durchzusetzen und um unnötige Einzelregulierungen zu vermeiden. Der AdR unterstreicht aber ausdrücklich, dass Wettbewerb zwar zum vorrangigen, aber nicht zum alleinigen Kriterium eines europäischen Binnenmarktes werden darf. Bei der Anwendung des Wettbewerbsprinzips als Instrument der Harmonisierung sind die durch die europäische Rechtsprechung gezogenen Grenzen, die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips, das Kohäsionsprinzip in seiner wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Dimension, das Auftreten externer Effekte von wirtschaftlichen Tätigkeiten sowie die Tatsache sorgfältig zu beachten, dass es Produkte und Dienstleistungen gibt, die nur in sehr geringer Menge produziert werden oder nicht mit jenen begünstigterer Gebiete konkurrieren können, da sie in Gebieten mit natürlichen Nachteilen und folglich höheren Kosten (kleine Inseln, Berggebiete, dezentralisierte Gebiete) realisiert werden;

2.3. hält bei der Weiterentwicklung in den Mitgliedstaaten an einer europäischen Rechtsetzung fest. Um eine zeitgerechte und einheitliche Anwendung in den Mitgliedstaaten zu gewährleisten, befürwortet er weder die Methode der offenen Koordinierung noch eine zwischenstaatliche Zusammenarbeit.

Liberalisierung und Geschäftsumwelt

Der Ausschuss der Regionen

2.4. ist sich bewusst, dass weitere Marktöffnungen Synergieeffekte erzeugen und ein multidimensionaler Binnenmarkt auch zu besseren Dienstleistungen führt. Er schlägt bei einer weiteren Liberalisierung von Marktsegmenten und der Geschäftsumwelt vor, in den Sektoren, die die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften besonders betreffen, folgende Anregungen zu berücksichtigen;

2.5. unterstreicht den Zusammenhang von Liberalisierung und territorialer Kohäsion. Wichtiger Teil davon ist die angestrebte Marktöffnung des Transportsektors (Schienengüterverkehr, nationaler und internationaler Personennahverkehr). Er betont jedoch gleichzeitig, dass die Liberalisierungspolitik weder zu einer Beschneidung der Entscheidungskompetenz der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Bestimmung der als gemeinnützig bzw. nicht gewinnorientiert geltenden Dienste auf einzelstaatlicher Ebene noch zu einer Einschränkung oder Verhinderung der Entwicklungschancen einzelner Regionen oder Kommunen führen darf. Dies gilt insbesondere für den ÖPNV. Beides zusammen sind wichtige Bestandteile der Daseinsvorsorge;

2.6. glaubt, dass die Liberalisierung des Transportsektors dabei an folgenden Eckpunkten orientiert werden sollte: Chancengleichheit für alle Verkehrsunternehmen, kontrollierter Wettbewerb, genügend Raum für unternehmerische Eigeninitiative, ausreichende, sinnvolle und zeitlich eindeutig festgelegte Übergangsfristen und Genehmigungslaufzeiten, keine unnötigen Sozialklauseln und Bürokratien für Arbeitnehmer sowie Bereitstellung von öffentlichen Nahverkehrsverbindungen für alle Bürger;

2.7. begrüßt den umfassenden Aktionsplan eEurope 2005 und fordert gemeinsame Regeln und Verfahren für die Nutzung von Informationsdiensten für den öffentlichen Sektor, die gewährleisten, dass die gleichen Grundbedingungen für alle Akteure auf dem europäischen Informationsmarkt gelten. Ungerechtfertigte Marktverzerrungen müssen beseitigt, die Bedingungen für ihre Anwendung transparenter gestaltet werden. Weitere technische Entwicklungen dürfen nicht zu neuen Begrenzungen oder Verschlüsselungen (z. B. Digitalfernsehen) bei grenzüberschreitenden Operationen führen, um eine Renationalisierung bzw. eine Einschränkung des Binnenmarktes zu verhindern;

2.8. ist der Auffassung, dass zur Verwirklichung von Dienstleistungsfreiheit die Regelungen für die verschiedenen Medien (Internet, Fernsehen und digitales Fernsehen, UMTS) stärker aufeinander abgestimmt und miteinander verzahnt werden müssen, um Marktverzerrungen zu vermeiden. Bei den Werbevorschriften und beim Jugendschutz sind dabei einheitliche Mindeststandards zu entwickeln, die für alle Medien in gleicher Weise gelten;

2.9. fordert nachdrücklich, die Hemmnisse im Dienstleistungssektor zu überwinden. In diesem Zusammenhang befürwortet er ein entschlossenes Vorantreiben der Marktliberalisierung bis hin zu einem Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen;

2.10. betont, dass ein europäischer Arbeitsmarkt unverzichtbarer Bestandteil des Binnenmarktes ist. Trotz zehn Jahren Binnenmarktregelungen führt die Freizügigkeit von Arbeitnehmern immer noch zu praktischen Problemen;

2.11. unterstreicht, dass die Flexibilität des Arbeitsmarktes unter besonderer Berücksichtigung der Qualifizierungs- und Mobilitätsaspekte sichergestellt werden muss. Er fordert weitere, entschiedenere Maßnahmen zur Beseitigung von Mobilitätshemmnissen. Das betrifft vor allem die Bereiche Anerkennung beruflicher Qualifikationen, Kompetenzen in der Anwendung der Informations- und Kommunikationstechnologien in ganz Europa sowie Sprachkenntnisse;

2.12. fordert, die Ausweitung der Portabilität von Sozialleistungen unter Kostenneutralität für die Mitgliedstaaten und ihre Regionen in eine neue Binnenmarktstrategie einzubeziehen. Der AdR begrüßt die Initiativen, die Regelungen des koordinierenden Sozialrechts neu zu fassen, zu vereinfachen, transparenter zu gestalten sowie ihre Durchführung zu erleichtern;

2.13. ist der Ansicht, dass die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im Bereich der Gesundheitssysteme unter aktiver Beteiligung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf die Patienten und die Betroffenen ausgerichtet sein muss, um den freien Grenzverkehr und das Funktionieren des Binnenmarkts zu erleichtern;

2.14. unterstreicht die Notwendigkeit, den unterschiedlichen Stand der Gesundheitssysteme in den Mitgliedstaaten der Union und in den an die Union angrenzenden zukünftigen Mitgliedstaaten möglichst rasch zu überwinden und dafür einheitliche Initiativen und Maßnahmen (best practices, Informationsaustausch usw.) zu entwickeln;

2.15. begrüßt das Vorhaben der Europäischen Kommission, die Rechtsunsicherheit im Bereich der europäischen Daseinsvorsorge zu überwinden. Die Leistungen der Daseinsvorsorge sollten als wichtiger Baustein des europäischen Gesellschaftsmodells erhalten bleiben. Marktöffnungen sollten unter Sicherung und Schutz der allgemeinen Interessen erfolgen, aber auch unter gleichzeitiger Anerkennung der nationalen Besonderheiten der Mitgliedstaaten;

2.16. unterstreicht, dass für die Bürger auch in einem funktionierenden Binnenmarkt die Verfügbarkeit eines breiten Spektrums an qualitativ hochwertigen Leistungen der Daseinsvorsorge zu erschwinglichen Preisen unverzichtbar ist;

2.17. teilt die Ansicht, dass sich staatliche Beihilfen langfristig wettbewerbsverzerrend und schädlich auf den Binnenmarkt auswirken können und verringert werden sollten. Er würde es begrüßen, wenn staatliche Beihilfen gezielter eingesetzt und stärker auf Querschnittsziele und auf eindeutige Fälle von Marktversagen ausgerichtet würden;

2.18. fordert im Rahmen einer neuen Binnenmarktstrategie eine europäische Beihilfenpolitik, die regionalpolitische Zielsetzungen berücksichtigt, dezentrale Initiativen für Regionalpolitik zulässt und einen fairen Wettbewerb garantiert;

2.19. unterstreicht die Bedeutung der Nachhaltigkeit sowie der Ausarbeitung von europäischen Standardkriterien und -normen im Umweltbereich, um ökonomische, ökologische und soziale Belange besser zum Ausgleich zu bringen, und die Notwendigkeit staatlicher Förderung in diesem Bereich. Schon die Einführung einer De-minimis-Regelung und/oder einer spezifischen Freistellungsregelung wäre hier hilfreich, die auch in die Abkommen mit den Beitrittsländern aufgenommen werden sollte;

2.20. hält den weiteren Ausbau des produktbezogenen Binnenmarktes vor allem in den Bereichen der gegenseitigen Anerkennung, eines neuen Harmonisierungskonzepts, der Markenzeichen der Europäischen Union, der Marktaufsicht, der Standardisierung und der einheitlichen Anwendung solcher Regelungen, gerade auch im Rahmen der Erweiterung, eines europäischen Patentrechts verbunden mit einer dezentralisierten Gerichtsbarkeit für unverzichtbar. Dabei hat sich das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung gerade bei dem Erhalt regionaler Unterschiede bewährt. Daran sollte festgehalten werden. Sinnvolle und regelmäßige Preisvergleiche sind eines der Instrumente, mit dem das Interesse am Binnenmarkt sowohl bei den Unternehmern als auch bei den Verbrauchern nachhaltig gesteigert werden kann. Die von den europäischen Diensten (EUROSTAT) vorgelegten Preisübersichten sollten entsprechend angepasst und genutzt werden.

Umsetzung einer zukünftigen Binnenmarktstrategie

Der Ausschuss der Regionen

2.21. regt an, die Problematik der Umsetzung der neuen mehrjährigen Binnenmarktstrategie ins Zentrum der politischen Planung zu rücken. Er unterstreicht seine diesbezüglichen Vorschläge der letzten Jahre. So hatte der AdR, um die großen Unterschiede im Kenntnisstand über den Binnenmarkt in den Mitgliedstaaten abzubauen (Binnenmarktanzeiger), runden Tischen vergleichbare Regionalkonferenzen aller Betroffenen angeregt, um seine Umsetzung zu fördern und um durch Erfahrungsaustausch weitere Gesetzgebung zu präzisieren;

2.22. schlägt vor, die neue Binnenmarktstrategie in einen wirklichen Aktionsplan zu überführen, der auch auf die Vorschläge des Weißbuches Europäisches Regieren zur Einbeziehung des betroffenen Sektors der Zivilgesellschaft und zur besseren Rechtsetzung abstellt. Dazu zählen über das Monitoring der Umsetzung hinaus u. a. gezielte Informationskampagnen über Regelwerk und Funktionieren des Binnenmarktes in den Mitgliedstaaten, deren Unternehmen und Bürger am wenigsten mit dem Binnenmarkt umgehen können. Die regionale und lokale Ebene ist hierbei unverzichtbar. Sektorspezifische Fachkonferenzen sollten dazu beitragen, einen systematischen Dialog mit den betroffenen Verbänden zu gewährleisten, um sicherzustellen, dass die regionalen und lokalen Erfahrungen und Bedingungen bei der Weiterentwicklung der Binnenmarktgesetzgebung berücksichtigt werden. Fokussierung, Vereinfachung, klare Prioritäten und mehr Transparenz tragen zu besserer Rechtsetzung und zu mehr Planungssicherheit bei;

2.23. regt an, mit der neuen Binnenmarktstrategie endlich ein Programm zur Reduzierung und Vereinfachung des Binnenmarktregelwerkes vorzulegen, wie es die Europäische Kommission seit längerem beabsichtigt. Dafür sollten vor allem die in dem Pilotvorhaben Vereinfachung der Rechtsvorschriften im Binnenmarkt (SLIM) entwickelten Techniken genutzt werden;

2.24. schlägt die Veröffentlichung eines "Binnenmarkt-Kodexes" vor. Dieser sollte die wesentlichen Bestimmungen der Binnenmarktgesetzgebung zusammenfassen, um allen Akteuren in Wirtschaft und Verwaltung ein einfaches Instrument zur Nutzung der Binnenmarktfreiheiten an die Hand zu geben. Ein solcher Kodex sollte in allen Sprachen der Union vorliegen und Allgemeingut in den europäischen Unternehmen werden;

2.25. begrüßt die Einrichtung von SOLVIT durch die Europäische Kommission als ein völlig neues, an der Praxis orientiertes Instrument, damit Unternehmen schnell und unbürokratisch zu ihren Rechten im Binnenmarkt kommen können. Der AdR fordert die Mitgliedstaaten auf, die Europäische Kommission bei der Realisierung dieses Instruments engagiert und unionsweit zu unterstützen. Die Europäische Kommission sollte das Angebot der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften zur Bewusstseinsbildung über den Binnenmarkt und zur Informationsvermittlung über SOLVIT durch ein spezielles Informationsprogramm aufgreifen. Ohne eine breitgestreute Kenntnis über Existenz und Funktion von SOLVIT vor Ort kann das neue Instrument seine Aufgaben nicht erfuellen. Dies kann nur die regionale und lokale Ebene gewährleisten;

2.26. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Umsetzung und Anwendung der Binnenmarktgesetzgebung nicht nur nach Fragen der politischen Opportunität und/oder anderweitiger Prioritäten zu behandeln. Nur fünf Mitgliedstaaten erfuellen bisher das vom Europäischen Rat 2002 (Barcelona) gesteckte Ziel, bis Frühjahr 2003 ein Umsetzungsdefizit von 1,5 % oder weniger zu erreichen. Angesichts von 1500 offenen Vertragsverletzungsverfahren müssen die Mitgliedstaaten hier ihren vertraglichen Verpflichtungen ganz anders als bisher nachkommen;

3. Beitrag der regionalen und lokalen Ebene

3.1. sieht es für eine neue Binnenmarktstrategie als besonders dringlich an, durch eine engere Zusammenarbeit mit dem betroffenen Teil der Zivilgesellschaft sowie der Öffentlichkeit mehr Transparenz in diesem Bereich - ein zentrales Anliegen im Rahmen eines besseren Europäischen Regierens - und damit ein größeres Bewusstsein für die Erfordernisse des Binnenmarktes auf allen Seiten zu schaffen;

3.2. regt an, die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften in die Entwicklung der neuen Strategie direkt einzubeziehen, da ihre vielfältigen Zuständigkeiten, wie z. B. regionale und lokale Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik, Beihilfen, ÖPNV, Arbeitsmarkt, Dienstleistungssektor, einheitlicher Zugang zu und Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien, um nur einige zu nennen, einen hohen Binnenmarktbezug aufweisen. Hierzu stehen die Beteiligungsverfahren des AdR, aber auch die neuen Überlegungen zur Einbeziehung der Zivilgesellschaft, um ein besseres Europäisches Regieren zu erreichen, zur Verfügung. Beides muss genutzt werden;

3.3. unterstreicht erneut, dass die Überlegungen und Maßnahmen der Europäischen Kommission zu einer interaktiven Information und Problemlösung beim Agieren im Binnenmarkt unverzichtbar, aber nicht ausreichend sind. Gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen sowie anderen Akteure, die in entfernt gelegenen Gebieten tätig sind, bleibt - bei allen Erfolgen in der Durchsetzung von eEurope - der elektronische Zugang zu Datenbanken und Informationsnetzwerken eine noch ungelöste Herausforderung. Die konkrete Beratung der kleinen und mittleren Unternehmen vor Ort über die Anwendung der Binnenmarktregelungen ist nach wie vor unverzichtbar. Der AdR verweist hier auf seine Vorschläge, die regionalen und lokalen Akteure viel stärker als bisher in die Entwicklung der Binnenmarktstrategie mit einzubeziehen und sie für ihre Umsetzung zu nutzen. Eine neue Binnenmarktstrategie muss diese Aufgabe vor allem den regionalen und lokalen Akteuren zuweisen;

3.4. regt die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften an, im Rahmen ihrer bilateralen und multilateralen Kooperation mit ihren Partnern in den zukünftigen Mitgliedstaaten und in ihren Beteiligungen an Twinningprojekten den Problemen der Umsetzung und Anwendung von Binnenmarktregelungen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Vor allem die verlängerte Vorbeitrittsstrategie PHARE zum Institution Building sollte hierfür genutzt werden;

3.5. empfiehlt den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, zur Binnenmarktstrategie beizutragen, indem sie ihre eigenen Märkte im Sinne des unter Ziffer 1.4 Genannten weiter dem Wettbewerb öffnen.

Brüssel, den 12. Februar 2003.

Der Präsident

des Ausschusses der Regionen

Albert Bore

(1) ABl. C 148 vom 18.5.2001, S. 16.

(2) ABl. C 357 vom 14.12.2001, S. 65.

(3) ABl. C 107 vom 3.5.2002, S. 68.