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Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zum Thema "Verhandlungsposition für die nächste Runde der WTO-Verhandlungen im Agrarbereich"

Amtsblatt Nr. C 244 vom 10/10/2003 S. 0026 - 0030


Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zum Thema "Verhandlungsposition für die nächste Runde der WTO-Verhandlungen im Agrarbereich"

(2003/C 244/06)

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN,

gestützt auf den Beschluss seines Präsidiums vom 12. März 2002, gemäß Artikel 265 Absatz 5 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft eine Stellungnahme zum Thema "Verhandlungsposition für die nächste Runde der WTO-Verhandlungen im Agrarbereich" abzugeben, und die Fachkommission für nachhaltige Entwicklung mit der Erarbeitung der Stellungnahme zu beauftragen;

gestützt auf die Mitteilung der Europäischen Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament zur Haltung der EU im Hinblick auf die "Jahrtausendrunde" der Welthandelsorganisation (KOM(1999) 331 endg.);

gestützt auf seine Stellungnahme zu der "Agenda 2000 - Reform der GAP" (CdR 273/98 fin)(1);

gestützt auf seine Stellungnahme zum Thema "Verhandlungsposition für die nächste Runde der WTO-Verhandlung im Agrarbereich" (CdR 527/1999 fin)(2);

auf die am 14. November 2001 verabschiedete so genannte Entwicklungsagenda von Doha für eine neue weltweite Runde von Handelsvereinbarungen;

gestützt auf die von den USA neu beschlossene "Farm-Bill";

gestützt auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 26. Oktober 1999 zur Haltung der EU bei der WTO-Konferenz in Seattle vom 30. November bis 3. Dezember 1999;

gestützt auf die Ergebnisse der Ministerkonferenz in Seattle vom 30. November bis 3. Dezember 1999;

gestützt auf die Vorschläge der Kommission im Rahmen des Mid-Term-Review vom 22. Januar 2003;

gestützt auf den Vorschlag der Kommission vom 16. Dezember 2002 zur weiteren Liberalisierung des Agrarhandels und dem Beschluss des Ministerrates vom 27. Januar 2003;

gestützt auf den am 13. Februar 2003 vom Vorsitzenden des Vermittlungsausschusses für Landwirtschaft bei der WTO, Steward Harbinson, vorgelegten Kompromissvorschlag, der von der Kommission vehement abgelehnt wurde;

aufgrund der in der Schlussakte von Marrakesch getroffenen Regelungen zum Abschluss der achten Handelsrunde im GATT und der daraus bedingten Fortsetzung des Reformprozesses ab 1999 (Jahrtausendrunde);

aufgrund der einstimmigen Entscheidungen der Agenda 2000 auf der Tagung des Europäischen Rats in Berlin am 25. März 1999;

gestützt auf den von der Fachkommission für nachhaltige Entwicklung am 20. Februar 2003 angenommenen Entwurf einer Stellungnahme (CdR 181/2002 rev.) (Berichterstatter: Herr Bocklet, Bayerischer Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten, D/EVP);

verabschiedete auf seiner 49. Plenartagung am 9. und 10. April 2003 (Sitzung vom 9. April) einstimmig folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Die WTO-Verhandlungen und die Globalisierung sind seit dem Scheitern der Konferenz von Seattle in allen Regionen der Europäischen Union in den Mittelpunkt der politischen Diskussionen gerückt. Mit Eintreten der WTO-Verhandlungen in eine neue Phase erscheint es notwendig, dass der AdR die Bedeutung der WTO-Verhandlungen im Lichte der fortschreitenden Globalisierung aus Sicht der europäischen Regionen beleuchtet.

1.2. Der als Ergebnis aus beinahe acht Jahren andauernden multilateralen Handelsgesprächen der Uruguay-Runde des GATT hervorgegangene Vertrag wurde 1994 von 117 Staaten in Marrakesch unterzeichnet. Unter anderem kamen die Teilnehmer der Uruguay-Runde überein, eine neue und stärkere internationale Organisation zur Überwachung des Welthandels zu gründen. Am 1. Januar 1995 ersetzte die Welthandelsorganisation WTO das GATT als Gesprächsort multilateraler Handelsbeziehungen.

1.3. In der WTO sind nun 146 Staaten Mitglied. Zusammen repräsentieren sie weit mehr als 90 % der internationalen Warenströme. Weitere Staaten bemühen sich um einen WTO-Beitritt. Ziel der WTO ist die Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für Handelsbeziehungen.

1.4. Die Uruguay-Runde war die erste GATT-Verhandlungsrunde, bei der ein umfassendes Übereinkommen über den Agrarhandel angestrebt wurde. Ergebnis waren ein Übereinkommen über die Landwirtschaft und ein Übereinkommen über Maßnahmen des Gesundheits- und Pflanzenschutzes. Das Landwirtschaftsübereinkommen war ein bedeutsames Ergebnis; seine Struktur gliedert sich in drei Hauptbereiche: Marktzugang, interne Stützung und Exportwettbewerb.

1.5. Bezüglich des Marktzugangs kamen die Mitgliedstaaten überein, sämtliche nichttarifären Importhindernisse (z. B. variable Importabgaben) in Maximalzölle umzuwandeln, die in einem sechsjährigen Durchführungszeitraum (1995-2000) abgebaut werden sollten. Außerdem wurde ein Mindestniveau für den Marktzugang vereinbart (entweder "minimum access" oder "current access"), das auf der Grundlage von Zollkontingenten mit niedrigerem Zoll umgesetzt wird. Die Ausfuhrbeihilfen wurden begrenzt, sowohl hinsichtlich ihrer Höhe als auch hinsichtlich der damit bezuschussten Ausfuhrmengen.

1.6. Nationale Beihilfen werden in drei Kategorien eingeteilt:

- amber box (Beihilfen mit direkten Auswirkungen auf die erzeugte Produktmenge, z. B. Preisstützungen über Marktordnungspreise, Zölle)

- Abbau um 20 % in 6 Jahren wurde beschlossen

- blue box (Beihilfen mit schwächerem, aber noch vorhandenem Einfluss auf die Menge, z. B. Preisausgleichszahlungen im Rahmen der EU-Agrarreform Agenda 2000)

- Keine Abbauverpflichtung

- green box (Beihilfen ohne direkte oder mit sehr geringen Auswirkungen auf Erzeugung und Handel, z. B. Maßnahmen zur Anpassung der Agrarstrukturen, Ausgleichszahlungen für Umweltauflagen oder für benachteiligte Gebiete)

- Keine Abbauverpflichtung.

1.7. Nach dem Scheitern der WTO-Verhandlungen von 1999 haben sich die 142 Mitglieder der Welthandelsorganisation im November 2001 auf die so genannte Entwicklungsagenda von Doha für eine neue weltweite Runde von Handelsvereinbarungen geeinigt. Ziel der Verhandlungen über die Landwirtschaft ist es, auf dem Weg zu einer gerechten und marktorientierten Handelsregelung voranzukommen. Gleichzeitig muss aber auch die bereits geleistete Arbeit des geltenden WTO-Übereinkommens im Bereich der Landwirtschaft anerkannt werden. Der in Doha vereinbarte Zeitplan sieht eine Einigung über die Modalitäten der Verhandlungen bis 31. März 2003 und ein Ende der gesamten Verhandlungsrunde für das Jahr 2005 vor.

1.8. Neben den Handelsfragen sind in den letzten Jahren weitere Aspekte in den Vordergrund getreten:

- Sicherheits- und Qualitätsprobleme der Lebensmittel haben gerade in Anbetracht der jüngsten Lebensmittelskandale an Bedeutung gewonnen.

- Die vielfältigen Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt sehen die Europäer bewusster als früher.

- Weitere Problembereiche, wie das Wohlergehen der Tiere oder die Verwendung genetisch veränderter Organismen, treten hinzu.

2. Mitteilung der Europäischen Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament zur Haltung der EU im Hinblick auf die "Jahrtausendrunde" der Welthandelsorganisation

2.1. Die Europäische Kommission hat im Hinblick auf die Jahrtausendrunde der WTO ein Dokument in Doha vorgelegt.

2.2. Im Bereich der Agrarwirtschaft enthält die Verhandlungsposition der EU folgende Forderungen:

- Sicherung des Anteils der EU am Weltmarkt und Verbesserungen hinsichtlich des Zugangs zu Drittlandsmärkten

- Beibehaltung einiger bestehender Bestimmungen des Landwirtschaftsübereinkommens der Uruguay-Runde, auf denen wesentliche Elemente der Agrarpolitik der EU beruhen: z. B. Beibehaltung der "blue box" und der "green box"

- Gewährleistung der Vereinbarkeit bestimmter Maßnahmen der Politik des ländlichen Raums und der Umweltpolitik in der Landwirtschaft durch Anerkennung der multifunktionalen Rolle der Landwirtschaft

- Schutz der geographischen Herkunftszeichen und Schutz gegen den Missbrauch von Nahrungsmittel- und Getränkebezeichnungen

- Besserer Schutz der Verbraucher.

2.3. Die Europäische Kommission hat am 16. Dezember 2002 einen Vorschlag für die Agrarverhandlungen bei der WTO vorgelegt, der am 27. Januar 2003 vom Ministerrat mit nur marginalen Änderungen verabschiedet wurde.

2.4. Dieser Vorschlag konzentriert sich auf die folgenden Ziele und Kernpunkte:

- Substantielle, fortschreitende Liberalisierung auf einer fairen und ausgewogenen Basis. Dies soll erreicht werden durch Verringerung der handelsverzerrenden Agrarsubventionen um 55 % sowie durch Kürzung der Haushaltsausgaben für Ausfuhrerstattungen um durchschnittlich 45 %. Ferner soll die Öffnung der Agrarmärkte durch das Senken der Agrarzölle um durchschnittlich 36 % vorangetrieben werden, wobei eine Senkung um mindestens 15 % je Tarifposten einzuhalten ist.

- Fairer, gerechter und effektiver Reformprozess im Hinblick auf die Lastenverteilung: Exportkredite sollen diszipliniert werden, Missbrauch von Nahrungsmittelhilfe zur Überschussentsorgung und staatliche Handelsunternehmen sind explizit einzubeziehen; die Deminimis-Regelung darf nicht beibehalten werden.

- Berücksichtigung der besonderen Erfordernisse der Entwicklungsländer: Erleichterung des Marktzuganges und verbesserte Ernährungssicherung. Dazu sollen alle Industriestaaten der EBA-Initiative der EU ("Everything but arms") folgen und sämtliche Agrarprodukte aus den ärmsten Ländern der Welt zollfrei importieren lassen. Ferner sollen die Industrieländer sicherstellen, dass für mindestens 50 % ihrer Agrareinfuhren aus allen Entwicklungsländern der Zollsatz Null gilt. Schließlich sollen zur Ernährungssicherung gezielte interne Stützungsmaßnahmen der Entwicklungsländer von den Kürzungen ausgenommen werden. Den Entwicklungsländern sollen bei der Umsetzung der Doha-Agenda geringere Reduzierungen und eine längere Umsetzungsfrist zugestanden werden.

- Anerkennung des EU-Landwirtschaftsmodells. Interne Stützungsmaßnahmen betreffend beispielsweise den Erhalt der biologischen Vielfalt, die Entwicklung des ländlichen Raums, den Tierschutz und die Verbraucherbelange sollen von den Reduzierungsverpflichtungen ausgenommen werden, da diese den gesellschaftlichen Forderungen und den Verbrauchererwartungen in der EU Rechnung tragen.

2.5. Der Vorsitzende des Vermittlungsausschusses für Landwirtschaft bei der WTO, Stuart Harbinson, legte am 12. Februar 2002 seinen ersten und am 18. März 2003 seinen zweiten überarbeiteten Kompromissvorschlag für die WTO-Verhandlungen im Agrarbereich vor. Dieser Harbinson-Vorschlag wurde sowohl von Kommissar Fischler und Kommissar Lamy als auch von den europäischen Landwirtschaftsministern im Agrarrat im März 2003 massiv abgelehnt. Auch von einer Mehrheit der WTO-Mitglieder wurde der Kompromissvorschlag von Harbinson abgelehnt.

Der Vorschlag enthält im Wesentlichen folgende Aussagen:

- Erleichterung des Marktzugangs in allen Mitgliedstaaten durch Reduzierung der Zollsätze in allen drei Tarifgruppen um 40 bis 60 %

- Senkung der Maßnahmen im Rahmen der Blue Box um 50 %

- Senkung der Maßnahmen im Rahmen der Amber Box um 60 %

- Reduzierung der Exporterstattungen um 50 %

- Reduzierung bei der De-Minimis-Regel in Industriestaaten von 5,0 % auf 2,5 %.

Der AdR kommt im Lichte dieser Vorschläge und des Entwurfes der WTO für ein Agrarabkommen zu den im Folgenden aufgeführten Schlussfolgerungen.

3. Schlussfolgerungen des AdR

3.1. Die Europäische Union muss auch weiterhin bei den bevorstehenden WTO-Verhandlungen eine führende Rolle spielen. Die Strategie der Europäischen Union muss sein, mit einer in sich konsistenten, offensiven Strategie für die Geltendmachung nicht handelsbezogener Anliegen und die Förderung der Entwicklung einzutreten, wobei die zentralen Ziele der Gemeinschaftspolitik für eine multifunktionale Landwirtschaft gewahrt werden müssen.

3.2. Das Mandat der Kommission sollte von allen Mitgliedstaaten mitgetragen und als Leitposition respektiert werden. Nur ein geschlossenes Auftreten der Europäischen Union sichert die größtmögliche Wahrung des Gesamtinteresses.

3.3. Die Erhaltung der genetischen Vielfalt und der Biodiversität muss immer im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen, besonders durch die Umsetzung des Protokolls von Cartagena über die biologische Sicherheit, das dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt beigefügt ist. Der Einsatz anerkannter biotechnologischer Methoden im Agrarbereich soll jedoch nicht verhindert werden, da die europäischen Landwirte nicht von den langfristigen wirtschaftlichen Vorteilen durch den Einsatz der Biotechnologie ausgeschlossen werden dürfen. Über die Nutzung der Biotechnologie entscheiden die WTO-Partner autonom.

3.4. Das WTO-Verhandlungsergebnis muss in Bezug auf den Einsatz der Mittel, die Wahl der Instrumente und die Gestaltung der Maßnahmen eine hinreichend regionale Differenzierung erlauben. Es ist ein weltweit gültiger Rahmen zu schaffen, in dem den spezifischen regionalen Bedürfnissen Rechnung getragen werden kann, ohne andere zu diskriminieren.

3.5. Die europäische Land- und Forstwirtschaft muss auch in Zukunft in der Lage sein,

- eine sichere und stabile Versorgung mit gesunden und hochwertigen Lebensmitteln sowie Non-Food-Produkten zu gewährleisten,

- eine Exportpolitik zu betreiben, die den EU-Landwirten eine konkurrenzfähige Position auf den Weltmärkten sichert,

- die Erhaltung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum zu sichern und den Beschäftigten im Sektor Landwirtschaft wie auch in den vor- und nachgelagerten Bereichen ein ausreichendes Einkommen zu ermöglichen.

3.6. Das Mandat der Europäischen Union für die WTO-Verhandlungen muss an die Agenda-2000-Beschlüsse gebunden sein und den Fortbestand der Milchquotenregelung, der Zuckermarktordnung sowie der Regelungen für weitere wichtige Sektoren wie Olivenöl, Reis und Baumwolle über das Jahr 2008 hinaus ermöglichen und auf die von der Kommission für die Gemeinsame Agrarpolitik und für die Entwicklung des ländlichen Raumes vorgeschlagenen Leitlinien abgestimmt sein.

3.7. Der AdR schließt sich dem Aufruf des Europäischen Parlaments an, die Doha-Runde zu einer Runde echter Fortschritte bei der Armutsbekämpfung zu machen. Er unterstützt daher die Konzipierung spezieller, hochgesteckter Maßnahmen für die Entwicklungsländer, die jedoch den zentralen Zielen der Gemeinschaftspolitik für eine multifunktionale Landwirtschaft und eine nachhaltige Entwicklung Rechnung tragen. Weitere Öffnungen des EU-Agrarmarktes über die neuen Zollvergünstigungen im Rahmen der Initiative für die 48 LDC-Länder "Everything but arms" hinaus können nicht zugelassen werden, da ansonsten wichtige Marktordnungsbereiche, wie z. B. die bestehenden Marktordnungen für Zucker und Reis, massiv gefährdet würden.

3.8. Es ist darauf zu achten, dass die Vergleichbarkeit der Stützungsmaßnahmen gewährleistet ist. Dabei müssen auch Instrumente wie zum Beispiel Agrarexportkredite, Ertragsausfallversicherungen, Transport-Beihilfesysteme, staatliche Vermarktungsorganisationen, die vorgeschobene Bereitstellung von Lebensmittelhilfe und die an den Kauf von - vorwiegend landwirtschaftlichen - Erzeugnissen des Darlehensgeberlandes gebundene Vergabe von Darlehen an Drittländer einbezogen werden, die von einigen Handelspartnern, z. B. USA und Australien, in verstärktem Umfang als Stützungsmaßnahmen eingesetzt werden und den WTO-Regeln bisher nicht unterworfen sind.

3.9. Die Ziele entsprechend der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung, wie sie auf dem Europäischen Rat in Göteborg im Jahr 2001 beschlossen wurde, müssen auch eine Grundlage der Regelung des weltweiten Agrarhandels werden. Die Einhaltung von ökologischen Standards und die Einführung von sozialen Mindeststandards liegt im Interesse der gesamten Weltbevölkerung.

3.10. Die Europäische Union sollte daher eine rasche und verbindliche Einbeziehung von Verbraucher-, Umwelt-, Sozial-, Hygiene-, Pflanzen- und Tierschutzstandards in internationale Abkommen anstreben und so den Forderungen der europäischen Verbraucher Rechnung tragen. Diese Abkommen müssen ausreichend mit dem WTO-Abkommen verknüpft werden, um die Einhaltung sicherzustellen. Begrüßt wird die verbindliche Verankerung der Belange des Tierschutzes.

3.11. Die in der EU geltenden Normen und Kontrollen im Bereich der Lebensmittelsicherheit und der vorgenannten Standards müssen international anerkannt und abgesichert werden. Importe müssen diesen europäischen oder vergleichbaren Normen entsprechen und kontrolliert werden. Falls die wissenschaftlichen Meinungen einzelner Länder voneinander abweichen, sollten die Länder beim Import von Produkten das Vorsorgeprinzip walten lassen.

3.12. Im Rahmen der WTO-Bestimmungen müssen die erhöhten Kosten für höhere europäische Produktionsstandards, die nicht von der WTO übernommen werden, in vollem Umfang ausgleichsfähig sein und dürfen bei der Ermittlung des PSE (Producer Subsidy Equivalent) nicht berücksichtigt werden.

3.13. In der Uruguay-Runde wurde vereinbart, dass von anderen WTO-Partnern bis zum Jahr 2003 die getroffenen Vereinbarungen nicht anfechtbar sind (sog. Friedensklausel). Diese Friedensklausel, deren Ende herannaht, muss verlängert werden, um zu vermeiden, dass die beginnenden Verhandlungen durch einseitige Aktivitäten von WTO-Partnern gestört werden; in der Milleniumsrunde muss über eine neue Friedensklausel verhandelt werden.

3.14. Der einseitige Verzicht auf die im Rahmen der bestehenden WTO-Regeln noch möglichen Maßnahmen der Markt- und Preispolitik und der damit zwangsläufig verbundene Abbau des Außenschutzes sind Vorleistungen an die WTO-Partner, ohne dass hierfür angemessene und konkrete Gegenleistungen eingefordert werden, wie z. B. die Anerkennung und Wahrung des Grundsatzes der Gemeinschaftspräferenz und der Andersartigkeit des überwiegenden Teils der europäischen Landwirtschaft aufgrund ihrer Multifunktionalität.

Der AdR gibt zu bedenken, dass eine weitere Reduzierung der bestehenden Agrarmarktordnungen in der EU zu verstärkten Mengen- und Preisschwankungen führen kann und dies dem Ziel der Einkommenssicherung und -stabilisierung zuwider läuft. Der AdR fordert deshalb die Kommission auf, nicht ohne Not vorab einen weiteren Abbau der Marktordnungen vorzuschlagen.

3.15. Der Ausschuss der Regionen unterstützt die Kommission in ihren Bestrebungen, ein ausgewogenes Ergebnis bei den WTO-Verhandlungen zu erreichen und die Belange der europäischen Landwirtschaft ausreichend zu berücksichtigen. Der AdR fordert die Kommission auf, nachfolgende Themen in den Vordergrund der Verhandlungen zu stellen:

- Festhalten an den Beschlüssen des Ministerrates vom 26. Januar 2003, in dessen Sitzung ein gemeinsamer Standpunkt für eine Verhandlungsposition der Gemeinschaft erzielt wurde.

- Berücksichtigung auch von Nichthandelsanliegen.

- Den zusätzlichen Liberalisierungsdruck der CAIRNS-Gruppe abzuwehren.

3.16. Der Ausschuss der Regionen fordert die Kommission auf, das von beiden US-Parlamentskammern verabschiedete und im Mai 2002 von US-Präsident Bush unterschriebene neue Agrargesetz (Farm Bill), das eine zusätzliche Steigerung der US-Agrarausgaben von mehr als 80 Mrd. USD für die nächsten zehn Jahre vorsieht, kritisch zu prüfen und bei den WTO-Verhandlungen auf die Tagesordnung zu bringen. Die jüngsten Entwicklungen in der amerikanischen Agrarpolitik sind bedauerlich, da sie einen Rückschritt im Vergleich zu den in Doha festgelegten Zielen darstellen.

3.17. Der Ausschuss der Regionen bestärkt die Kommission, an ihrem bisher eingeschlagenen Kurs, das europäische Agrarmodell in die WTO-Vereinbarungen zu integrieren, festzuhalten, da nur so der ländliche Raum in den Regionen Europas dauerhaft funktionsfähig erhalten werden kann.

3.18. Der Ausschuss der Regionen begrüßt, dass durch die Initiative "Alles außer Waffen" den ärmsten Entwicklungsländern der zollfreie Zugang in die Europäische Union ermöglicht wurde mit dem Ziel, die dringend notwendige wirtschaftliche Entwicklung der LDC-Länder zu fördern. Gleichzeitig fordert der AdR die Kommission auf, bei den künftigen Verhandlungen den sensiblen Zuckermarkt auszuklammern, weil durch die sinkenden Preise nicht nur die Zuckererzeuger in der EU, sondern auch die Zuckerproduzenten der AKP-Staaten stark in Bedrängnis kämen.

3.19. Der Ministerrat hat im Juli 2002 der Kommission ein Mandat erteilt, mit den WTO-Partnern über ein neues Importregime bei Getreide zu verhandeln. Ziel ist es, neben der Preisbildung an der Börse von Chicago auch Preise anderer Regionen der Welt in die Ermittlung der realen Weltmarktpreise einzubeziehen, um zu verhindern, dass die EU mit Billigimporten aus anderen Regionen überschüttet wird. Angesichts der niedrigen Getreidepreise in der EU wird die Kommission aufgefordert, sich bei den Verhandlungen nachdrücklich für die Interessen der europäischen Getreideerzeuger einzusetzen.

3.20. Der Ausschuss der Regionen schlägt der Kommission eine enge Zusammenarbeit vor mit dem Ziel, die regionalen Besonderheiten der europäischen Landwirtschaft bei den WTO-Verhandlungen gebührend berücksichtigen zu können.

3.21. Der Ausschuss der Regionen gibt zu bedenken, dass die zur Liberalisierung genannten Konzessionen über den in der Endübereinkunft der letzten Uruguay-Runde verankerten Rahmen hinausgehen. Das Ergebnis der WTO-Verhandlungen darf jedoch nicht über die Berliner Beschlüsse hinausgreifen. Die Verhandlungsposition der EU darf nicht durch zu großzügige Konzessionen im Vorfeld geschwächt werden.

3.22. Der AdR fordert die Kommission auf, bei der Öffnung des Agrarsektors für genmodifizierte Organismen (GMO) für eine hinreichende Sicherheit der konventionellen und ökologischen Agrarproduktion Sorge zu tragen.

3.23. Bilaterale Handelsabkommen zwischen der EU und Drittländern sollten nicht abgeschlossen werden, solange die Ergebnisse der WTO-Verhandlungen nicht bekannt sind. Sie dürfen keine weiteren Konzessionen zu Lasten der europäischen Landwirtschaft zur Folge haben.

Brüssel, den 9. April 2003.

Der Präsident

des Ausschusses der Regionen

Albert Bore

(1) ABl. C 93 vom 6.4.1999, S. 1.

(2) ABl. C 317 vom 6.11.2000, S. 12.