52002AE1361

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen" (KOM(2002) 319 endg. — 2002/0128 (COD))

Amtsblatt Nr. C 085 vom 08/04/2003 S. 0044 - 0051


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen"

(KOM(2002) 319 endg. - 2002/0128 (COD))

(2003/C 85/14)

Der Rat beschloss am 2. Juli 2002 gemäß Artikel 152 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu dem vorgenannten Vorschlag zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 25. November 2002 an. Berichterstatter war Herr Bedossa.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 395. Plenartagung am 11. und 12. Dezember 2002 (Sitzung vom 11. Dezember) mit 97 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 7 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1. Bestandsaufnahme

1.1. Alljährlich unterziehen sich in Europa Tausende Patienten (mehr als 500000) einer Behandlung, bei der Gewebe und Zellen menschlichen Ursprungs eingesetzt werden.

Dabei geht es zum einen um "herkömmliche" Transplantationen, deren therapeutischer Wert seit Jahrzehnten anerkannt ist (Hornhaut, Knochen, Haut, Blutgefäße, Herzklappen, hämatopoetische Zellen), und zum anderen um den Einsatz der in ständiger Weiterentwicklung befindlichen Biotechnologie.

1.2. Trotz der verschiedenen Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation und des Europarates sowie der Veröffentlichung von Regeln für die beste Praxis durch verschiedene europäische wissenschaftliche Gesellschaften sind die rechtlichen Voraussetzungen in Europa noch bei Weitem nicht harmonisiert, und es ist an der Zeit, hier Klarheit zu schaffen: Wenn die Gesundheitsbehörde nicht für die entsprechende Kontrolle sorgt, dann muss im Grunde der Nutzer von Materialien menschlichen Ursprungs selbst je nach benötigtem Erzeugnis sich für eine Kette der Entnahme, Verarbeitung und Lieferung entscheiden. Da er sie nicht kontrollieren kann, muss er sich auf die Ergebnisse seiner Transplantationen und auf die Aussagen seiner Kollegen verlassen. Es gibt keine organisierte Überwachung. In Staaten mit einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen ist die Sicherheit größer, aber die Regeln sind von Land zu Land sehr unterschiedlich.

1.3. Angesichts der bevorstehenden Erweiterung und im Rahmen der "Globalisierung" der Beziehungen ist es also an der Zeit, hier Ordnung zu schaffen.

1.4. Der notwendige europäische Ansatz

1.4.1. Zunehmender Verkehr mit diesen Erzeugnissen

Sowohl bei herkömmlichen Transplantationsmaterialien als auch bei biotechnologischen Produkten besteht ein umfangreicher Handel innerhalb der Gemeinschaft und mit Drittländern. So kann beispielsweise der Anteil importierter Transplantate bis zu 25 % betragen, wie das für Hornhauttransplantate in Frankreich der Fall ist.

1.4.1.1. Die Unterschiedlichkeit der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften erschwert derzeit eine angemessene Kontrolle der importierten Produkte, die über einen Mitgliedstaat, in dem es keine einschlägigen Bestimmungen gibt, in die Union gelangen und dann unionsweit ohne entsprechende gesundheitliche Sicherheitsgarantien in den Verkehr gebracht werden können. Harmonisierte Bestimmungen würden hingegen einen sichereren und besser zu überwachenden Handel ermöglichen.

1.4.2. Die Unterschiedlichkeit der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften erschwert die Tätigkeit der Hersteller bzw. der Gewebe- und Organbanken, die ihre Erzeugnisse in Drittländer exportieren. Die Harmonisierung, die für Arzneimittel oder Medizinprodukte wie In-vitro-Diagnostika gilt, findet in der Branche Beachtung und weckt eine vergleichbare Nachfrage.

Wenn es in der Europäischen Union nicht zu einer einheitlichen Vorgehensweise kommt, wird das für sie Nachteile gegenüber anderen hochentwickelten Ländern bringen. Die USA haben bereits derartige Vorschriften.

1.4.3. Erzeugnisse mit hohen Sicherheitsanforderungen und einer ausgeprägten ethischen Dimension

Wie alle Tätigkeiten, bei denen Erzeugnisse menschlichen Ursprungs verwendet werden, sind diese Verfahren mit einem Risiko spezifischer Komplikationen verbunden, vor allem im Zusammenhang mit der Übertragung von Infektionskrankheiten. Sie weisen eine besondere ethische Dimension auf, die mit der Herkunft der Transplantate und insbesondere mit der Achtung der Einwilligung durch den Spender, der Anonymität und der Unentgeltlichkeit der Spende zusammenhängt.

1.4.4. Zum Thema Sicherheit ist Folgendes anzumerken:

- Die Auswirkungen der bekannt gewordenen Fälle sind nicht zu vernachlässigen. Wenngleich für andere Krankheiten nur ein Restrisiko besteht, ist es doch vergleichbar mit dem Risiko, das Anlass für Rückruf- bzw. Rücknahmeaktionen im Bereich der Blutderivate war.

- Die Entwicklung neuer Biotechnologien beschleunigt den Handel, erhöht aber zugleich die Folgerisiken. Durch die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten ergeben sich immer größere Hürden.

- Die Nachfrage nach Sicherheitsvorkehrungen seitens der durch Blutpräparate- und den Creutzfeldt-Jakob-Skandal sensibilisierten Bevölkerung ist aufgrund des zunehmenden Interesses der Medien an Gesundheitsfragen gestiegen.

2. Struktur der Rechtsvorschriften

2.1. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) stimmt mit der Kommission darin überein, wenn sie in der Einführung der Begründung Rechtsvorschriften fordert, die entschieden, aber zugleich flexibel sind und spezielle Gemeinschaftsvorschriften für alle Bereiche ermöglichen, wobei vor allem ein hohes Gesundheitsschutzniveau hinsichtlich Qualität und Sicherheit im Sinne von Artikel 152 EGV gewährleistet sein muss, da hiermit sehr umfangreiche ethische Fragen verbunden sind.

2.2. Der EWSA hat mit Überzeugung die folgenden von der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien (EGE) definierten Aspekte hinsichtlich des dringenden Bedarfs an einer Regelung der Bedingungen, unter denen menschliches Gewebe innerhalb des europäischen Marktes verkehrt, zur Kenntnis genommen:

- den ethischen Imperativ, Gesundheit zu schützen,

- die Unversehrtheit des menschlichen Körpers zu achten,

- die vorherige, nach Aufklärung und ohne Zwang erteilte Einwilligung des Lebendspenders,

- Schutz der Identität durch Gewährleistung der Anonymität.

Es sollten verstärkt Informationssitzungen über Organ-, Zell- und Gewebespenden durchgeführt werden.

2.3. Unter diesen Voraussetzungen muss die Spende unentgeltlich bleiben, denn es handelt sich um einen Akt der Solidarität, um dieses gemeinsame Ziel voranzubringen und die Verfügbarkeit von Substanzen menschlichen Ursprungs zu verbessern.

2.4. Der EWSA stellt fest, dass derzeit noch erhebliche Unterschiede innerhalb der EU und noch stärker zwischen den Mitglied- und den Beitrittsstaaten hinsichtlich der Aspekte des Spenderschutzes, der Verfahren der Gewebebeschaffung, der Tätigkeit der Gewebebanken, der Feststellung der Spendereignung, der Einfuhr von Substanzen menschlichen Ursprungs usw. bestehen.

2.5. Seit der Konferenz von Porto im Jahre 2000 und vor allem seit der Sachverständigenkonferenz in Malaga im März 2002 scheinen letztere sich endlich über die inhaltlichen Notwendigkeiten der vorliegenden Richtlinie geeinigt zu haben: d. h. der Erarbeitung einer "Richtlinie der Gemeinschaft zur Festlegung hoher Sicherheits- und Qualitätsstandards für die Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Lagerung und Verteilung menschlicher Gewebe und Zellen".

Nur darum geht es hier, denn die Grenzen dieser Bestimmungen müssen sehr genau abgesteckt werden.

3. Auf den gesamten Bereich anwendbare Regeln

3.1. Gemeinsame, verbindliche und evolutive allgemeine Regeln

3.1.1. Sicherheitsregeln werden auf der Grundlage der bestehenden Regeln der bewährten Praxis definiert. Sie umfassen verbindliche Kriterien der Spenderauswahl nach ethischen und biologischen Gesichtspunkten.

3.1.2. Eine Forderung ist die Rückverfolgbarkeit, wobei jedoch in Anlehnung an die Empfehlungen zur Blutspendesicherheit die Anonymität des Spenders bei der Kennzeichnung und in den Begleitdokumenten zu gewährleisten ist.

3.1.3. Wenn die einzelstaatlichen Ethikregeln weiterhin gelten, können sie auf folgende Dokumente Bezug nehmen:

- Bioethikkonvention des Europarates (Operationsrückstände und lebende Spender)

- Entschließung 78-29 des Europarates über die Harmonisierung der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten betreffend die Entnahme, die Übertragung und die Transplantation von Substanzen menschlichen Ursprungs.

- Die Stellungnahme Nr. 16 vom 7. Mai 2002 der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien zur Patentierbarkeit menschlicher Zellen.

3.2. Einführung einer Regelung für die Zulassung und Überwachung der für die Konservierung und Verarbeitung verantwortlichen Stellen (ihre Rechtsform ist öffentlich)

- in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten

- Die Zulassung dieser Stellen muss in Übereinstimmung mit gemeinsamen auf Gemeinschaftsebene aufgestellten Kriterien unter Achtung der Gemeinschaftsregeln erfolgen. Für diese Überprüfung ist jeder einzelne Mitgliedstaat zuständig.

- Eine Überwachungsregelung ist unerlässlich für alle Einrichtungen.

- Die Errichtung europäischer Datenbanken wird die Kontrolle der Einführung der Produkte in den Mitgliedstaaten ermöglichen.

- Gewährleistung der Überwachung durch die Mitgliedstaaten mit Zentralisierung auf Gemeinschaftsebene.

3.2.1. Sanktionen

Wenn die vorgeschriebenen Regelungen nicht eingehalten werden, muss ein Sanktionssystem zur Anwendung kommen, das erforderlichenfalls die Schließung der betreffenden Einrichtung im Interesse der öffentlichen Gesundheit ermöglicht.

4. Allgemeine Bemerkungen

Der EWSA pflichtet der Kommission in ihrer präzisen und detaillierten Formulierung des Geltungsbereichs bei.

Seine Abgrenzung ist erforderlich, denn die Definitionen sind präzise und sollten nicht für Probleme gelten, die nicht in den Bereich des Gesundheitswesens fallen, d. h. es geht ausschließlich um die Verwendung im oder am menschlichen Körper.

Die Begriffe Spende, Beschaffung, Überwachung werden genau definiert, um ein hohes Qualitäts- und Sicherheitsniveau zu gewährleisten.

Der EWSA begrüßt deshalb:

- dass Blut und Blutprodukte sowie menschliche Organe von dieser Richtlinie ausgenommen sind;

- dass für die Transplantation menschlicher Organe eine andere Strategie gilt;

- dass dieser Text nicht für Organe, Gewebe und Zellen gilt, die der Xenotransplantation dienen, da auf diesem Gebiet noch umfangreiche Forschungen erforderlich sind;

- dass auf Gewebe und Transplantate zur autologen Verwendung spezifische Bestimmungen anzuwenden sind, weil sie anderen Qualitäts- und Sicherheitsregeln unterliegen;

- dass im Falle von Stammzellen sowie von embryonalen und fötalen Zellen und Geweben sehr viele ethische Erwägungen zu berücksichtigen sind und es derzeit hierzu keinen Konsens und keine harmonisierten Entscheidungen gibt; sollte jedoch in einem Mitgliedstaat eine bestimmte Verwendung dieser Zellen zugelassen werden, so finden die einschlägigen Vorschriften dieser Richtlinie Anwendung.

4.1. Geltungsbereich

Der EWSA hält diese Richtlinie für sehr wertvoll und gerechtfertigt.

Da der Geltungsbereich sehr breit und schwer einzugrenzen ist, sind eindeutigere Definitionen erforderlich, um klarer zwischen homologer (allogener) und autologer Herkunft zu unterscheiden, und müssen bestimmte Sonderbestimmungen oder Ausnahmeregelungen aufgenommen werden.

Einige Produkttypen sind aufzunehmen, bei anderen sollte auf Sonderbestimmungen verwiesen werden.

Reproduktionszellen sollten nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie aufgenommen werden, da sie speziellen Qualifikationsverfahren unterliegen, die in den Regelungsrahmen der medizinisch unterstützten Fortpflanzung fallen. Möglicherweise ist eine spezifische Richtlinie erforderlich.

4.2. Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung der für die menschliche Transplantation bestimmten Gewebe und Zellen

4.2.1. Der EWSA begrüßt zumindest zwei Bestimmungen:

Sofern die Verarbeitung Schritte beinhaltet, die einen Einfluss auf das Wachstum oder die Differenzierung der Gewebe und Zellen haben, sind zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen erforderlich.

Sofern diese Gewebe oder Zellen mit Hilfe hochtechnischer Verfahren wie Gewebezüchtungsverfahren verändert werden müssen, so wären hierfür künftig spezifische Rechtsvorschriften erforderlich.

4.3. Pflichten der Behörden der Mitgliedstaaten

4.3.1. Der EWSA begrüßt die strukturierte Beschreibung der Pflichten der Behörden der Mitgliedstaaten.

4.3.2. Der vorliegende Vorschlag steht den durch die Mitgliedstaaten getroffenen Entscheidungen hinsichtlich der Verwendung oder Nichtverwendung dieses oder jenes Typs von Zellen oder Geweben nicht entgegen; sollte jedoch eine besondere Verwendung derartiger Zellen in einem Mitgliedstaat genehmigt werden, so verlangt der Vorschlag die Anwendung sämtlicher Bestimmungen, die zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und zur Garantie der Grundrechte erforderlich sind.

- Für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung sind weiterhin die Mitgliedstaaten zuständig.

- Die Richtlinie trägt den unterschiedlichen nationalen Organisationsstrukturen, Einrichtungen zur Gewebebeschaffung bzw. Gewebebanken Rechnung.

- Die Festlegung von hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandards stärkt das Vertrauen der Bevölkerung der Mitgliedstaaten, so dass grenzüberschreitende Spenden erleichtert werden.

- Solche hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandards werden durch nationale Inspektions- und Zulassungsmechanismen ermöglicht. Dies gilt für das Ausbildungsniveau des betroffenen Personals.

- Die Rückverfolgbarkeit sämtlicher Gewebe und Zellen vom Spender zum Empfänger ist ein wesentliches Ziel, ebenso wie die Erfassung von Zwischenfällen und unerwünschten Reaktionen.

- Die ständig zunehmende Einfuhr von Geweben und Zellen aus Drittländern darf nur durch zugelassene Einrichtungen unter Aufsicht der zuständigen Behörde durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die Normen den in der Europäischen Union geltenden mindestens gleichwertig sind.

4.4. Qualität, Sicherheit, ethische Fragen bei der Beurteilung der Spender

- Hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards im Zusammenhang mit der Auswahl und Beurteilung des Spenders, um die Gesundheit der Empfänger zu gewährleisten.

- Hoher Schutz der Rechte und der Gesundheit des Spenders und des Empfängers. Der Austausch und die Zuteilung müssen ohne Erwerbszweck, auf der Grundlage der Freiwilligkeit, der freiwilligen und unentgeltlichen Spende gemäß den Texten des Europarates und der EGE erfolgen.

- Bei der Beschaffung menschlicher Gewebe und Zellen müssen die Grundrechtscharta sowie die Grundsätze der Konvention für Menschenrechte und Biomedizin beachtet werden.

- Der EWSA begrüßt die Bedeutung, die den Gewebebanken eingeräumt wird, die die Qualität und die Sicherheit während des gesamten Prozesses gewährleisten müssen.

5. Besondere Erwägungen

5.1. Die Ziele der Richtlinie sind offenkundig, vor allem die Notwendigkeit, auf europäischer Ebene einen Ordnungsrahmen zu erarbeiten, der wirksam, eindeutig und für alle Betroffenen transparent ist, und angesichts der bevorstehenden Erweiterung allgemeine Regeln für die ganze Europäische Union aufzustellen.

5.2. Die Rechtsgrundlage wird definiert (Art. 152 Abs. 4 Buchstabe a).

5.3. Die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit werden eingehalten, jedoch beinhaltet diese Richtlinie von ihrer transnationalen Dimension her einen gemeinsamen Ansatz, der eine effiziente Zusammenarbeit und Koordinierung erforderlich macht.

5.4. Der vorliegende Vorschlag schafft also die erforderliche ordnungspolitische und administrative Basis für die spektakuläre aktuelle Entwicklung der immer umfangreicheren Bewegungen von Geweben und Zellen menschlichen Ursprungs.

5.5. Mit dem Vorschlag übernimmt die Europäische Union eine Vorreiterrolle bei den Diskussionen zu diesem Thema in der Weltgesundheitsorganisation.

6. Spezifische Vorschläge des EWSA

6.1. Der Begriff "Spende" ist zu einschränkend für den Geltungsbereich der Richtlinie, der sich sowohl auf autologe als auch auf allogene Verwendungen erstreckt. Es wird vorgeschlagen, ihn durch den Begriff "Entnahme" zu ersetzen, der sich auf operative Eingriffe bezieht, die dem Ziel der Transplantation von entnommenen und "gewonnenen" Elementen dienen, um die Gewinnung von Operationsrückständen zur Wiederverwendung zu therapeutischen Zwecken zu bezeichnen.

Diese Bezeichnungen treten an die Stelle des Begriffs "Beschaffung", der somit in der ganzen Richtlinie wegfällt. Damit wird gleichzeitig die Terminologie der der geltenden Blutrichtlinie angeglichen.

Darüber hinaus ermöglicht es die Formulierung "ihre Kontrolle", die Zweideutigkeit auszuräumen, indem klargestellt wird, dass die Kontrolle sich auf die Entnahme und die Gewinnung und nicht auf das Produkt bezieht.

6.2. Der Begriff "Konservierung" ist dem restriktiveren Begriff "Lagerung" vorzuziehen.

6.3. Artikel 1 müsste anders formuliert werden: "Diese Richtlinie legt Qualitäts- und Sicherheitsstandards für menschliche Gewebe und Zellen zur Verwendung beim Menschen (anstatt 'im oder am menschlichen Körper') fest mit dem Ziel, ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten", denn damit würden alle Verwendungen beim Menschen (im oder am menschlichen Körper) erfasst.

6.4. Artikel 2 enthält eine schwerwiegende Ungenauigkeit, wenn von "industriell hergestellten Produkten" die Rede ist: es wäre besser, dass die Bestimmungen dieser Richtlinie für alle Produkte mit Ausnahme von Arzneimitteln gelten wie in Medizinprodukten verarbeitete Gewebe und Zellen.

Zu diesem Artikel ist ebenfalls zu bemerken, dass Arzneimittel von der Verarbeitung bis zur Verteilung ja bereits aus der Richtlinie ausgeklammert sind. Es ist also überfluessig zu erwähnen, dass zur Herstellung bestimmte autologe Zellen nicht einbezogen sind, was die Verarbeitung, Konservierung oder Verteilung betrifft.

6.5. Artikel 3 könnte in der derzeitigen Fassung, was die "Definitionen" betrifft, zahlreiche Reaktionen auslösen, da Sachverständige und Spezialisten sich möglicherweise veranlasst sehen könnten, Änderungen einzubringen, die ihrer Auffassung von diesem Geltungsbereich eher entsprechen. Der EWSA möchte hierzu folgende Bemerkungen vortragen:

6.5.1. Bei dem Begriff "Gewebe" sollte man sich an die Definition anlehnen, die in der Empfehlung R(94) 1 des Europarates über menschliche Gewebebanken enthalten ist: alle Bestandteile des menschlichen Körpers einschließlich Operationsrückstände mit Ausnahme von Organen, Blut und Blutprodukten sowie zur Fortpflanzung bestimmten Zellen, Körper- und Kopfhaare, Nägel und Abfälle des Organismus sind ebenfalls auszuschließen.

6.5.2. Der EWSA schlägt vor, den Begriff Spender vorerst auf lebende oder verstorbene Personen einzuschränken; über menschliche Elemente fötalen oder embryonalen Ursprungs könnten sich auf einzelstaatlicher Ebene Debatten bis hin zu ethischen Konflikten entspinnen, die im Rahmen der Union schwierig zu bewältigen wären.

6.5.3. Der EWSA begrüßt es, dass Organe von der vorliegenden Richtlinie ausgenommen sind, was dadurch gerechtfertigt ist, dass diese nicht konserviert werden. Ein Organ wird besonderen, gezielten und verschiedenartigen transplantationsspezifischen Verfahren unterzogen.

6.5.4. Nach Auffassung des EWSA sollte aus der Definition der "Verteilung" die Beförderung herausgelöst werden, da sie eine andere Tätigkeit beinhaltet und zudem in Artikel 23 gesondert erwähnt wird.

6.5.5. Der EWSA schlägt vor, den Begriff "Transplantation" durch den Begriff "Übertragung" zu ersetzen (der im Zusammenhang mit Gewebe verwendet wird) sowie "Verabreichung" (wie sie z. B. für bestimmte Zelltherapien verwendet wird) und "Patient" anstelle von Empfänger (der Begriff Empfänger scheint die Definition auf die Allotransplantation einzuengen).

6.5.6. Der Begriff "zeitversetzte autologe Verwendung" sollte in Anlehnung an die Definition in der Blutrichtlinie noch stärker präzisiert werden ("Transfusion, bei der Spender und Empfänger ein und dieselbe Person sind und vorher entnommenes Blut und Blutbestandteile verwendet werden").

6.5.6.1. Besondere Bestimmungen sind erforderlich für:

- autologe Zellen,

- autologes Gewebe mit zeitversetzter Verwendung,

- Operationsrückstände und Plazenta,

- Gewebe und Zellen zur Verwendung in der ästhetischen Chirurgie.

6.5.7. Nach Auffassung des EWSA ist es erforderlich, die beiden Begriffe "Verfolgbarkeit" und "Biokontrolle" genau zu definieren, denn darauf beziehen sich die Artikel 10 und 11.

- "Verfolgbarkeit": sämtliche Informationen und Maßnahmen, mit deren Hilfe sich schnell alle Etappen von der Auswahl des Spenders bis zur therapeutischen Verwendung der Gewebe und Zellen über die Entnahme bzw. Gewinnung, ihre Kontrolle, die Verarbeitung, Konservierung und Verteilung ermitteln und rückverfolgen lassen. Die Verfolgbarkeit ermöglicht die Herstellung einer Verbindung zwischen dem Spender und dem/den Empfänger/n (i.e. Patienten). Sie basiert auf einer Kodierung unter Wahrung der Anonymität der Personen.

- "Biokontrolle": Ausgehend von den Verfolgbarkeitsdaten umfasst sie alle organisierten Überwachungsverfahren in Bezug auf Zwischenfälle und unerwünschte Reaktionen bei Spendern, Empfängern (i.e. Patienten) sowie auf die epidemiologische Überwachung der Spender.

7. Allgemeine Vorschläge

7.1. Titel: Die Definition ist unvollständig.

7.1.1. Beschaffung..., unterscheiden zwischen:

- Entnahme: chirurgischer Eingriff durch ein Fachteam (der Klinik oder der Gewebebank) vor Ort oder an einem anderen Standort.

- Gewinnung: chirurgischer Eingriff zur Gewinnung der Operationsrückstände (Femurköpfe, explantierte Herzen) oder der Plazenta, medizinischer Eingriff zur Gewinnung von Stammzellen.

- Beschaffung (engl.: procurement): administratives und gesundheitspolitisches Verfahren zur Beschaffung von Geweben oder Zellen von einer anderen zugelassenen Stelle (Gewebebank, Sterilisations-/Inaktivierungslabor, das nicht den Status einer Gewebebank hat, Kliniken für Zelltherapie).

Eine weitere Möglichkeit wäre die Beibehaltung des Begriffs Beschaffung im gesamten Text der Richtlinie vorbehaltlich der Änderung seiner Definition in Artikel 3 unter Verwendung der drei oben genannten Begriffe.

7.1.2. Lagerung ..., zu ersetzen durch Konservierung (engl.: storage) zur Definition des gesamten Vorgangs der Erhaltung (dynamische und technische Stufe der Vorbereitung) und Lagerung (statische Stufe zur Erhaltung der Gewebe oder Zellen in ihrem Zustand).

7.1.3. menschlichen Ursprungs, am Ende des Titels würde das Thema besser umreißen.

7.1.4. Der Titel würde also lauten:

"Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Entnahme, Gewinnung, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung und Verteilung von Geweben und Zellen menschlichen Ursprungs."

7.2. Die Richtlinie beschreibt in sieben recht umfassenden Kapiteln die Zulassungsregelung, der die Facheinrichtungen, d. h. die Gewebebanken unterworfen sind. Die Genehmigungen werden also den jeweils zugelassenen Teams nach einfachen Verfahren und so häufig erteilt, dass den raschen Fortschritten der Erkenntnisse in diesem Bereich Rechnung getragen werden kann.

Es wäre jedoch sinnvoll, einen Anhang vorzusehen, der eine zugelassene Liste von spezifischen Produkten enthält, die unter diese Kategorie fallen.

7.3. In den Haupttext der Richtlinie sollte die Verpflichtung aufgenommen werden, dass für die Bearbeitung eines Produkttyps (Gewebe/Zelle) eine Genehmigung vorliegen muss, in der die Arbeitsverfahren und Praktiken produktbezogen für alle Stadien von der Entnahme bis zur Verteilung beschrieben sind.

7.3.1. Dies könnte in Artikel 20 erfolgen, wo lediglich von "Standardarbeitsverfahren" die Rede ist.

7.3.2. Diese Genehmigung, die durch die in Artikel 4 Absatz 1 genannten "zuständigen Behörden" erteilt werden könnte, wäre eine Garantie für die Gesundheitssicherheit und die Qualität der Transplantate.

7.4. Wenn in den Geltungsbereich andere Verwendungszwecke für diese Gewebe und Zellen einbezogen werden sollen, die eine Vertiefung der Forschung und hochtechnische Entwicklungen erforderlich machen und beispielsweise zu Behandlungen dienen, deren Ziel nicht in der Wiederherstellung einer Funktion besteht, wie dies bei der Übertragung von Geweben und Zellen der Fall ist und die ein Wachstum und "besondere Differenzierungen" erforderlich machen, hält der EWSA eine separate Richtlinie für geboten.

7.5. Vereinbarung zwischen den Gewebebanken und den Gesundheitseinrichtungen, die Gewebe liefern oder verwenden (gilt auch für Zelltherapieeinrichtungen und Gesundheitseinrichtungen)

7.5.1. Derartige Dokumente sind in Artikel 24 (Beziehungen zwischen Gewebebanken und Dritten) oder 25 (Zugang zu menschlichen Geweben und Zellen) nicht genannt.

7.5.2. Diese Vereinbarungen, die in den meisten Ländern gängige Praxis sind, regeln die Beziehungen zwischen den Lieferanten von Transplantaten (Gewebebanken) und den diese verwendenden Chirurgen bzw. Gesundheitseinrichtungen einerseits und zwischen den entnehmenden Chirurgen bzw. entnehmenden Gesundheitseinrichtungen und der Gewebebank andererseits in Form eines Vertrages, der die qualitativen, quantitativen und Haftungsverpflichtungen, die Verbindungs- und Beförderungsverfahren, die Abrechnung und die Regelung von Streitfragen beinhaltet.

7.5.3. Diese Praxis sollte auf europäischer Ebene vorgesehen und gegebenenfalls in Artikel 25 (Zugang zu menschlichen Geweben und Zellen) aufgenommen werden.

7.6. Klinische Tests

Unter Beibehaltung der klinischen Tests zur Verwendung der Gewebe oder Zellen zu therapeutischen Zwecken im Rahmen der Richtlinie sollten besondere Bestimmungen vorgesehen werden, die ihrer Spezifik (Entnahme-, Verarbeitungs- und Anwendungsgenehmigungen im Rahmen des klinischen Tests) sowie den geltenden Rechtsvorschriften zur biomedizinischen Forschung Rechnung tragen. Per definitionem kann bei einem klinischen Test kein Verfahren angewandt werden, für das zuvor eine Produktzulassung erteilt wurde.

7.7. Europäisches Gesundheitszertifikat

7.7.1. Man sollte für alle von der Richtlinie erfassten Gewebe- und Zellprodukte, die durch die Gewebebanken der Mitgliedstaaten aufbereitet wurden, ein "Europäisches Gesundheitszertifikat" einführen.

7.7.2. Dieses Zertifikat würde die Ergebnisse der obligatorischen Tests für die biologische Zulassung dieser Produkte enthalten und damit den grenzüberschreitenden Austausch erleichtern.

7.7.3. Der Ausschuss hält die Schaffung einer zentralen Datenbank für nützlich, in der alle verfügbaren Informationen über die berechtigten Zentren, die in den Gewebebanken oder anderen berechtigten Zentren vorhandenen und/oder verarbeiteten Produkte, die Gesundheitsbescheinigungen und die Biokontrolle gesammelt werden.

7.8. Unklare Abgrenzung zwischen Gewebebanken und Einrichtungen für die Bearbeitung von Zellen

Man sollte in der gesamten Richtlinie in Abgrenzung zur Definition der Gewebebank folgende Begriffe klarstellen:

- Gewebe- und Zellbank,

- Zellbank,

- Einrichtung für Zelltherapie,

- Gewebezentrum,

- Dritteinrichtungen - hochtechnisierte Leistungen.

7.9. Der EWSA hält die durchgeführte Folgenabschätzung für unzureichend und verlangt nicht nur deren Vertiefung, sondern auch, dass ein regelmäßiger Bericht hierüber vorgesehen wird, der auch im Hinblick auf die derzeit ausgeschlossenen Geltungsbereiche nützlich wäre, zu denen die Kommission noch Richtlinienvorschläge vorlegen wird.

8. Fazit

8.1. Diese spezifische Richtlinie ist dringend geboten, und die darin enthaltenen Bestimmungen sind erforderlich und in sich kohärent, was durch den gewählten ordnungspolitischen Ansatz veranschaulicht wird. Zudem gelten für den Austausch von Geweben und Zellen wesentliche Grundsätze: Anonymität der Spende, Freiwilligkeit, Solidarität, Unentgeltlichkeit dieser Teile des menschlichen Körpers.

8.2. Der EWSA schließt sich der Bemerkung der Kommission an, dass man in Anbetracht der rasanten wissenschaftlichen Entwicklung in diesen Bereichen die Möglichkeit offen lassen sollte, nach nachgewiesenen wissenschaftlichen Fortschritten regelmäßige Aktualisierungen der Richtlinie unter Achtung des Kohärenzprinzips vorzunehmen.

8.3. In den Haupttext der Richtlinie sollte die Verpflichtung aufgenommen werden, dass für die Bearbeitung eines Produkttyps (Gewebe/Zelle) eine Genehmigung vorliegen muss, in der die Arbeitsverfahren und Praktiken produktbezogen für alle Stadien von der Entnahme bis zur Verteilung beschrieben sind. Durch diese Genehmigung würde die gesundheitliche Unbedenklichkeit und die Sicherheit der Transplantate gewährleistet.

8.4. Klare Abgrenzung der Zuständigkeit aller Beteiligten

Für die Lieferung eines Produkts (Gewebe/Zellen) sind im allgemeinen die Gewebebanken zuständig. Die Verantwortung für die gesundheitliche Unbedenklichkeit eines Produkts verteilt sich jedoch auf drei Ebenen:

- Gesundheitseinrichtung, Ort der Entnahme bzw. Gewinnung: Auswahl des potentiellen Spenders, Technik und Hygiene, Verfolgbarkeit und Biokontrolle.

- Gewebebank oder Zelltherapieeinrichtung: Vorbereitungsverfahren, mikrobiologische Kontrolle (übertragbare Krankheiten, Bakterien usw.), biologische und funktionelle Zulassung, Verfolgbarkeit und Biokontrolle.

- Transplantationschirurg: Risikobewertung ausgehend von der "medizinischen Vorgeschichte" des Transplantats und der Dringlichkeit des Bedarfs des Empfängers, Verfolgbarkeit.

8.5. Es muss eine europaweite Vereinbarung zwischen den Gewebebanken und den Gesundheitseinrichtungen, die Gewebe liefern oder verwenden (ebenso wie für Zelltherapieeinrichtungen und Behandlungseinrichtungen) vorgesehen werden.

8.6. Die Anhänge sind integraler Bestandteil der Richtlinie, doch besteht die Gefahr, dass ihre regelmäßige Aktualisierung aus verwaltungstechnischen Gründen verschleppt werden könnte. Der EWSA plädiert deshalb dafür, in Artikel 29 die regelmäßige Anpassung der Anhänge an den wissenschaftlichen Fortschritt sowie ihre Überarbeitung im Zweijahresabstand zu verankern.

Brüssel, den 11. Dezember 2002.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger Briesch