52002AE0517

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates für die Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC)" (KOM(2001) 754 endg. — 2001/0293 (COD))

Amtsblatt Nr. C 149 vom 21/06/2002 S. 0024 - 0025


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates für die Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC)"

(KOM(2001) 754 endg. - 2001/0293 (COD))

(2002/C 149/07)

Der Rat beschloss am 18. Februar 2002, den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem vorgenannten Vorschlag zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 10. April 2002 an. Berichterstatterin war Frau Florio. Mitberichterstatter waren die Herren Bento Gonçalves und Burani.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 390. Plenartagung am 24. und 25. April 2002 (Sitzung vom 24. April) mit 98 Ja-Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Die Notwendigkeit einer Verordnung für die Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) lässt sich damit begründen, dass der Rat und die Kommission den Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung als vorrangig einstufen. Diese Priorität erfordert es in der Tat, sichere, vergleichbare und aktuelle Daten zu erheben, die es ermöglichen, ein realistisches Bild der Lage zu zeichnen und den Fortgang der diesbezüglichen Politik zu verfolgen.

1.2. Rechtsgrundlage der Verordnung für die Gemeinschaftsstatistik EU-SILC sind u. a. Artikel 136, 137 und 285 des Vertrags von Amsterdam, wonach es möglich und nötig ist, Statistiken über Einkommen, Lebensbedingungen und soziale Ausgrenzung aufzustellen.

1.3. Das Weiteren wurde in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Lissabon (23. und 24. März 2000) und von Nizza (7.-9. Dezember 2000) das Gemeinschaftsziel bekräftigt, Armut über die Fortführung des Dialogs, den Austausch von Informationen und bewährten Verfahren auf der Grundlage einvernehmlich festgelegter Indikatoren zu beseitigen.

1.4. Im Jahre 2000 hat die Kommission das "Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung" entwickelt; Programmziele waren u. a. "die Erfassung und Verbreitung vergleichbarer Statistiken in den Mitgliedstaaten und auf Gemeinschaftsebene". Ferner wurde in diesem Programm festgelegt, welche Finanzierungsbedingungen für zuverlässige und vergleichbare Statistiken zur Analyse von Armut und sozialer Ausgrenzung erforderlich sind.

1.5. Zu den Strukturindikatoren werden in der Mitteilung der Kommission über dasselbe Thema(1) auch die Einkommensverteilung und die Armutsquote gezählt.

1.6. Auslöser für den Verordnungsvorschlag betreffend die Statistik EU-SILC war die Veröffentlichung des zweiten Berichts über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt.

2. Der Verordnungsvorschlag

2.1. In der Verordnung wird vorgeschlagen, einen gemeinschaftsweit geltenden Rahmen für die systematische Aufstellung von Gemeinschaftsstatistiken über Einkommen und Lebensbedingungen der Bevölkerung festzulegen, um so das Phänomen Armut und soziale Ausgrenzung auf einzelstaatlicher und auf europäischer Ebene besser verstehen zu können. Die Verordnung selbst stellt ein nützliches Instrument für die Erreichung der Ziele und die Überwachung der laufenden Prozesse dar.

2.2. Laut Verordnung sollen die erfassten Daten zum einen die Mehrpersonen- und zum anderen die Einpersonenhaushalte berücksichtigen und auf gemeinschaftsweit geltenden harmonisierten Methoden und Definitionen basieren.

2.3. Die geplanten statistischen Erhebungen werden die Dimensionen Querschnitt und Längsschnitt berücksichtigen. Mit der Querschnittsdimension sollen Daten erhoben werden, die ein Bild von der Lage zeichnen, wie sie sich zu einem festen Zeitpunkt in einem bestimmten Zeitraum darstellt.

2.4. Demgegenüber beziehen sich die Längsschnittsdaten auf Veränderungen, die über einen bestimmten Zeitraum hinweg bei derselben Stichprobengruppe beobachtet werden. Die Längsschnittdimension sieht eine kleinere Stichprobe als die Querschnittsdimension vor; sie muss einen Zeitraum von mindestens vier Jahren umfassen.

2.5. Was die Datenquellen anbelangt, wird in der Verordnung für eine gewisse Flexibilität plädiert und insbesondere die Nutzung vorhandener einzelstaatlicher Datenquellen - nationale Erhebungen, Verzeichnisse, Querschnittsaufstellungen usw. - berücksichtigt, gleichzeitig jedoch auch die Aufnahme neuer Quellen befürwortet. So sieht sie zwar direkte Interviews vor, gestattet - wo dies möglich ist - aber auch den Rückgriff auf Daten, die aus Verzeichnissen stammen.

2.6. Die Daten müssen jedes Jahr erhoben werden.

2.7. Es werden nach primären und sekundären Variablen festgelegte Zielthemen ermittelt, um so die jährliche Einführung verschiedener Module zur Beobachtung neuer Erscheinungen zu ermöglichen.

2.8. In den ersten vier Jahren der Durchführung des Programms sollen Ad-hoc-Finanzmittel für die Mitgliedstaaten bereitgestellt werden. Später sollen zwei Drittel der Erfassungskosten von der Kommission getragen werden.

3. Vorschläge des Wirtschafts- und Sozialausschusses(2)

3.1. Wie der Wirtschafts- und Sozialausschuss bereits in früheren Stellungnahmen betonte, bleibt die einzelstaatliche Datenerfassung aufgrund der einzelnen Datenerfassungssysteme allerdings noch allzu unterschiedlich und erschwert somit Vergleich und Analyse.

3.2. Nach Ansicht des Ausschusses wird die Wirkung der Verordnung dadurch beschränkt, dass die darin vorgesehenen Statistiken nur die gesamtstaatliche Dimension der Erscheinungen von Armut und sozialer Ausgrenzung berücksichtigen. In der Tat sieht die Verordnung keine Datenerfassung auf regionaler und lokaler Ebene vor. Dies ist ein deutlicher Widerspruch zu den Leitlinien der Europäischen Union, insbesondere was die Politik des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts betrifft, die seit 1992 eine der drei Säulen der Union darstellt.

3.3. Der Bezug zur Regionalpolitik muss verdeutlicht werden, insbesondere mit Blick auf die Regionen mit Entwicklungsrückstand (Ziel 1), in denen Arbeitslosigkeit, Armut und soziale Ausgrenzung zutiefst besorgniserregende Ausmaße annehmen.

3.4. Des Weiteren sollte eine gezieltere Analyse für die städtischen Ballungszentren auf den Weg gebracht werden, in deren Randgebieten solche Erscheinungen besonders frappant sind. Spezielle Beachtung müssen ferner die Gebiete des ländlichen Raums finden, die von gravierenden Armutsquoten betroffen sind.

3.5. Geschlechtsspezifische Daten sind nicht ausdrücklich vorgesehen, während aus zahlreichen von internationalen Einrichtungen und der Europäischen Kommission durchgeführten Erhebungen hervorgeht, dass gerade die weibliche Bevölkerung von Ausgrenzung und Armut heimgesucht wird.

3.6. Was das Erfordernis angeht, harmonisierte Methoden und Definitionen zu erreichen, die eine echte Vergleichbarkeit der Daten ermöglichen, sollten evtl. Fristen gesetzt und eine diesbezügliche genaue Selbstverpflichtung der Mitgliedstaaten - auch in finanzieller Hinsicht - verlangt werden.

3.7. Der Ausschuss erachtet die Zusammenarbeit zwischen Eurostat, der Europäischen Kommission, den im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vertretenen wirtschaftlichen und sozialen Organisationen und Verbänden, die stärker in der von Marginalisierung und Ausgrenzung geprägten Realität verwurzelt sind, als grundlegend für die Aufwertung und optimale Nutzung der Analyse- und Monitoring-Instrumente (wie EU-SILC).

Brüssel, den 24. April 2002.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Göke Frerichs

(1) KOM(2000) 594 endg.

(2) siehe auch:

- Stellungnahme des WSA zu dem "Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 577/98 des Rates zur Durchführung einer Stichprobenerhebung über Arbeitskräfte in der Gemeinschaft" - ABl. C 48 vom 21.2.2002;

- in Arbeit befindliche Stellungnahme des WSA zum Thema "Sozialindikatoren".