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Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Grünbuch zum Verbraucherschutz in der Europäischen Union" (KOM(2001) 531 endg.)

Amtsblatt Nr. C 125 vom 27/05/2002 S. 0001 - 0005


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Grünbuch zum Verbraucherschutz in der Europäischen Union"

(KOM(2001) 531 endg.)

(2002/C 125/01)

Die Kommission beschloss am 4. Oktober 2001, den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft um Stellungnahme zu dem vorgenannten Grünbuch zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 1. März 2002 an. Berichterstatterin war Frau Davison.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 389. Plenartagung (Sitzung vom 20. März 2002) mit 52 gegen 3 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Am 2. Oktober 2001 nahm die Europäische Kommission ein Grünbuch zum Verbraucherschutz in der Europäischen Union an. Damit soll eine breit angelegte Konsultierung der Öffentlichkeit zur künftigen Ausrichtung des Verbraucherschutzes in der EU auf dem Gebiet der Geschäftspraktiken und insbesondere zu den Optionen für eine besseres Funktionieren des Binnenmarktes im B2C-Bereich (Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern) in Gang gesetzt werden. Der im Grünbuch behandelte Bereich des Verbraucherschutzes umfasst die Regulierung der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher in den Bereichen Marketing, Werbung, Zahlungsmodalitäten und Kundendienst mit Ausnahme der Bereiche Gesundheit und Sicherheit sowie anderer damit in Verbindung stehender Angelegenheiten.

1.2. Das Grünbuch folgt einer Analyse der Kommissionsdienststellen, die nachweist, dass die bestehenden Verbraucherschutzregelungen der EU den Herausforderungen eines sich rasch wandelnden Marktes nicht gewachsen sind. Die Verbraucher haben nicht genug Vertrauen, um sich unmittelbar an grenzübergreifenden Transaktionen zu beteiligen, und die Unternehmen, insbesondere KMU, zögern, ihre Waren und Dienstleistungen EU-weit anzubieten; dies liegt teils an der Unklarheit, welche einzelstaatlichen Verbraucherschutzbestimmungen anwendbar sind, und teils an der Begrenztheit des EU-Verbraucherschutzrechts. Bislang wurden die Möglichkeiten des "Binnenmarkts für Verbraucher" noch nicht ausgeschöpft und seine Entwicklung hinkt der Entwicklung des B2B-Binnenmarkts (Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen) hinterher.

1.3. Die Kommission gibt zu, dass diese Situation nicht neu ist. Sie sieht sich jedoch durch die Einführung des Euro, den elektronischen Geschäftsverkehr, die Erweiterung, die politische Anerkennung der Notwendigkeit, die Verbraucherdimension des Binnenmarktes zu verstärken, sowie die Notwendigkeit, die EU bürgernäher zu gestalten, dazu veranlasst, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um den Binnenmarkt für Verbraucher jetzt zu vollenden.

1.4. In den Fällen, in denen der grenzübergreifende Geschäftsverkehrs zwischen Unternehmen und Verbrauchern Beschränkungen unterliegt, möchte die Kommission eine stärkere Harmonisierung der Regelungen für die Geschäftspraktiken im B2C-Bereich erreichen. Fragen des Verbrauchervertragsrechts, die der detaillierten Regelung bedürfen, werden hier nicht behandelt.

1.5. Die Kommission hat alle interessierten Kreise dazu aufgefordert, sich zu dem Grünbuch zu äußern, und hat eine Anhörung veranstaltet, in der ihre Vorstellungen im Allgemeinen positiv aufgenommen wurden.

1.6. Die Kernfrage besteht darin, für welche Art von Methode man sich entscheidet, um eine stärkere Harmonisierung herbeizuführen. Hier gibt es im Wesentlichen zwei Optionen:

- einen spezifischen Ansatz auf der Grundlage eines zu verabschiedenden Bündels weiterer Richtlinien, der in den letzten zwanzig Jahren in den meisten Fällen gewählt wurde, oder

- einen kombinierten Ansatz mit Hilfe einer umfassenden Rahmenrichtlinie, die nötigenfalls durch spezifische Einzelrichtlinien zu ergänzen wäre.

1.7. Wird die zweite Option gewählt, besteht die Kernfrage im Geltungsbereich der Richtlinie. Das Grünbuch bietet die Wahl, entweder vom Begriff der "lauteren Geschäftspraktiken" oder dem der "irreführenden und täuschenden Praktiken" auszugehen. Beide Begriffe sind im vorhandenen EU-Recht verankert.

1.8. In diesem Zusammenhang werden im Grünbuch auch neue Vorstellungen zur Verwendung von Selbstregulierungscodices innerhalb eines rechtlichen Rahmens entwickelt. Nach Ansicht der Kommission könnte mit Hilfe einer Rahmenrichtlinie auf eine effektive EU-weite Selbstregulierung auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes hingewirkt werden.

1.9. Schließlich enthält das Grünbuch Vorstellungen zu einer besseren Durchsetzung der Rechte der Verbraucher bei B2C-Transaktionen. Derzeit gibt es keinen rechtlichen Rahmen für eine grenzübergreifende Zusammenarbeit zwischen den in den Mitgliedstaaten für die Durchsetzung der Verbraucherrechte zuständigen Behörden. Es wird daran gedacht, ein System für die Zusammenarbeit der einzelstaatlichen Verbraucherschutzorganisationen untereinander einzurichten, um den Verbrauchern in anderen Mitgliedstaaten zu ihrem Recht zu verhelfen.

2. Allgemeine Bemerkungen

2.1. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt die Initiative der Kommission, die zum Teil seinen Vorschlägen zur Rechtsvereinfachung und einem stärkeren Engagement für den Verbraucherschutz(1) entspricht. Der Titel des Grünbuchs ist etwas irreführend, da er nur die Geschäftspraktiken abzudecken scheint, und die darin entwickelten Vorstellungen bedürfen einer weiteren Klärung. Dennoch teilt der Ausschuss die Auffassung, dass die Beteiligung der Verbraucher und kleiner Unternehmen(2) am Binnenmarkt gefördert werden muss und dass eine bessere Durchsetzung der Beachtung der Vorschriften ein vernünftiges Ziel darstellt.

2.2. Nach Ansicht des Ausschusses bedarf das bestehende Recht einer gewissen Vereinfachung und Konsolidierung, ohne dass die Errungenschaften der Verbraucher gefährdet werden. Das in manchen Bereichen stückwerkhafte oder allzu detaillierte EU-Recht macht deutlich, dass neben der Einführung jeglicher neuen Rechtsvorschrift eine Rechtsreform stattfinden muss. So erwies sich die Timesharing-Richtlinie beispielsweise sehr bald als überholt und lückenhaft. Da es sich bei der vorgeschlagenen Verordnung über Verkaufsförderung um eine sektorale Verordnung handelt, schlägt der Ausschuss vor, das Verfahren der Konsultierung zu den Überlegungen des Grünbuchs zu beschleunigen. Auf diese Weise würde die grundsätzliche Entscheidung, mit der Koregulierung und einer Generalklausel fortzufahren, vor der endgültigen Regelung der Verkaufsförderung stattfinden und eine gute Koordinierung der beiden ermöglicht, denn es ist wichtig zu verhindern, dass es eine Zeit der Verwirrung und Rechtsunsicherheit gibt.

2.3. Der Ausschuss hat die Optionen Selbstregulierung und Koregulierung geprüft und ist zu dem Schluss gekommen, dass die allgemeine Verpflichtung zu lauteren Geschäftspraktiken die Grundlage für einen flexibleren Ansatz bei der Regelung der Einzelheiten des Verbraucherschutzes in diesem Bereich, wenn auch nicht im Bereich des Vertragsrechts sein könnte. Deshalb befürwortet der Ausschuss eher den allgemeineren Vorschlag als eine Beschränkung irreführender und täuschender Praktiken. Die EU verfügt hierzu bereits über ein Vorbild in Form der Richtlinie über allgemeine Produktsicherheit und irreführende Werbung, und Schweden folgt diesem Beispiel mit Erfolg. Lauterkeit kann definiert werden. So wurde sie beispielsweise in der Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln und auch im Rahmen der OECD-Leitlinien für den elektronischen Geschäftsverkehr definiert.

2.4. Der Ausschuss möchte jedoch betonen, dass der Vorschlag einer Rahmenrichtlinie und einer Generalklausel anhand des Grünbuchs nicht vollkommen bewertet werden kann. Die Kommission hat noch nicht geklärt, wie diese Regelung auf Gemeinschaftsebene funktionieren würde. Sie sollte auf eine Vereinfachung abzielen und nicht auf den Erlass einer Menge neuer Rechtsvorschriften hinauslaufen. Zu den erforderlichen Verfahren, die EU-weit eine einheitliche Anwendung und gleiche Ausgangsbedingungen gewährleisten, bedarf es näherer Einzelheiten. In diesem Zusammenhang schlägt der Ausschuss die Anwendung von Artikel 153 vor. Er weist darauf hin, dass es zu wenig EU-weit koordinierte Forschungsarbeiten zu Verbraucherfragen gibt und fordert, dieser Tatsache im Forschungs-Rahmenprogramm Rechnung zu tragen.

2.5. Der Ausschuss begrüßt die Option, der Koregulierung im Rahmen dieses neuen Ansatzes zur Regulierung der Geschäftspraktiken eine größere Rolle zuzuweisen. Verhaltenscodices, auf die sich Unternehmen freiwillig verpflichten, sind nützlich, sofern

- diese Verhaltenscodices oder Leitlinien für eine gute Verfahrenspraxis gut sind und sich auf die Definition guter Verfahrenspraktiken in den Grenzen der Rahmenrichtlinie konzentrieren;

- eine Überwachung von Seiten der Regierung und der Verbraucherorganisationen stattfindet;

- die Verhaltenscodices mit Rechtsbehelfen verknüpft sind;

- im Falle von Verletzungen von Selbstregulierungsregeln durch Beteiligte alle erforderlichen Schritte unternommen werden.

2.6. Der Ausschuss begrüßt die Tatsache, dass der neue Ansatz auch beinhaltet, dass größere Anstrengungen zur Vermeidung von unterschiedlichen Auslegungen bestehender und künftiger Regelungen unternommen werden, indem den Verbrauchern, der Wirtschaft, der Justiz und den Aufsichtsbehörden nicht bindende praktische Leitlinien in verständlicher benutzerfreundlicher Sprache an die Hand gegeben werden. Die Rolle des Regelungsausschusses sollte allerdings klarer definiert werden.

2.6.1. Der Ausschuss möchte nicht, dass diese Leitlinien dazu dienen, dass Rechtsvorschriften durch einen Ausschuss auf den Weg gebracht werden. Er betont ferner, dass für die offizielle Auslegung von Richtlinien oder Verordnungen ausschließlich die einzelstaatlichen Gerichte und in letzter Instanz der Gerichtshof zuständig sind. Längerfristig geht es darum, ausgehend von der Rahmenrichtlinie einen eindeutigen Katalog von Verbraucherrechten aufzustellen.

2.7. Um die vollständige Einbeziehung der wichtigsten Partner, der Wirtschaft und der Verbraucher, sowie erforderlichenfalls die Beteiligung der übrigen Zivilgesellschaft sicherzustellen, schlägt der Ausschuss ferner vor, die Rolle des Dialogs zwischen Wirtschaft und Verbrauchern im Rahmen der neuen Generalklausel über die lauteren Geschäftspraktiken, insbesondere bei der Definition der Leitlinien für die Auslegung und Anwendung der verbindlichen und der nicht bindenden Bestimmungen, zu klären. Zur Gewährleistung der vollen Beteiligung aller Akteure wird es notwendig sein, einschlägige Forschungsarbeiten zu finanzieren oder anderweitig zu unterstützen.

2.7.1. Der Ausschuss ist bereit, die Aufgabe der Förderung des Dialogs zwischen Erzeugern/Herstellern und Verbrauchern zu übernehmen, und bittet die Regierungen dafür zu sorgen, dass die Verbraucher im Ausschuss ausgewogen und voll vertreten sind.

2.7.2. Er gibt zu bedenken, dass die Einbeziehung von Interessengruppen ("stakeholder participation") die Rolle des demokratischen Regierens zwar ergänzen, aber niemals ersetzen kann. Technische Kategorien wie "Effizienz" oder "Kohärenz" sind, wie es in dem Bericht des Europäischen Parlaments über das Weißbuch der Kommission über Europäisches Regieren (A5-0399/2001 endg. vom 15.11.2001) heißt, kein Ersatz für demokratische Kontrolle.

2.8. Der Ausschuss ist für ein weit höheres Maß an Harmonisierung und vertritt die Auffassung, dass das Verbraucherschutzniveau im Einklang mit Artikel 153 so hoch wie möglich sein sollte.

3. Besondere Bemerkungen

3.1. Die Kommission bittet um sachgerechte Antworten auf konkrete Fragestellungen. Der Ausschuss möchte zur Erörterung der einzelnen Hauptfragen beitragen.

3.2. Die erste Frage bezieht sich auf die Schlüsselelemente einer Generalklausel, die allgemeinen Kriterien und die Kernprinzipien einer Regulierung der Geschäftspraktiken.

3.2.1. Der Ausschuss teilt die Auffassung, dass eine Generalklausel, die eine Rechtsnorm enthält, ein flexibles, geeignetes Mittel zur Lenkung des Marketingverhaltens in einem sehr dynamischen Bereich ist, der sich stetig weiterentwickelt und ständig ändert.

3.2.2. Es muss klar sein, dass der Begriff der Lauterkeit ein moralisch verantwortliches Geschäftsgebaren umfasst und dass Verhaltenscodices zur Selbstregulierung in dieser Hinsicht Anhaltspunkte für die Auslegung bieten.

Einbezogen sein muss die Bereitstellung unmissverständlicher, hilfreicher und angemessener vorvertraglicher Informationen.

3.2.3. Die Generalklausel muss durch Definitionen von Geschäftspraktiken ergänzt werden, die als unlauter zu gelten haben.

3.2.3.1. Solche Praktiken sind u. a.:

- eigenes gesetzwidriges Verhalten oder Verleitung anderer hierzu,

- irreführende Anpreisungen, nicht den Tatsachen entsprechende Behauptungen einschließlich:

- Ausnutzung (Missbrauch) der Leichtgläubigkeit von Kindern,

- Trägheitsverkauf (unverlangte Produkte).

Diese Aufzählung ist nicht erschöpfend und kann bei Bedarf ergänzt werden.

3.2.4. Beispiele unlauterer Praktiken sind Werbung für Säuglingsmilch auf Kosten des Stillens, Irreführung der Verbraucher über Kosteneinsparungen, die durch den Wechsel des Dienstleistungsanbieters erzielt werden können, und unzutreffende Angaben zum benötigten Arbeitsaufwand.

3.2.5. Die Rahmenrichtlinie würde eine rechtliche Untermauerung des Schutzes gefährdeter Verbrauchergruppen bedeuten und würde beispielsweise freiwilligen Einstufungs- und Filterungsverfahren und Verfahren zur Meldung und Entfernung von Inhalten ("notice and take down"-Verfahren) im Internet Wirksamkeit verleihen und Kinder vor schädlichen Inhalten schützen, die, wie der Ausschuss gezeigt hat, die Kinder in großer Zahl erreichen(3). Dazu müssten auch Sicherheitshinweise und -systeme gehören, die pädophilen Annäherungsversuchen und Kinderpornographie im Internet vorbeugen.

3.2.6. Darüber hinaus sollten Methoden, die Wachsamkeit erfordern, weil sie unlautere Praktiken beinhalten könnten, unter bestimmten, genau definierten Umständen auf eine "graue" Liste gesetzt werden. Es sind Leitlinien z. B. für folgende Fälle auszuarbeiten:

- Aufnahme von Gesundheits- und Sicherheitshinweisen,

- Liquidations-, Räumungs- und Ausverkauf,

- Behauptungen über die Umweltfreundlichkeit,

- Werbegewinnspiele und -preisausschreiben,

- Angebote von Finanz- und sonstigen Anlagen.

3.2.7. Beispiele für Grauzonen, in denen Codices hilfreich sein können, sind das Werben mit Gewinnen, die versteckte Kosten mit sich bringen, die Verwendung von Premium-Lines beim Online-Verkauf von Informationen/Unterhaltungsangeboten, speziell auf Kinder gerichtetes Marketing wie z. B. das Werben für Marken (insbesondere Süßigkeiten und Getränke) mit Hilfe des Lehrmaterials in Schulen und die wiederholte Annahme von Bestellungen für Waren oder Dienstleistungen von älteren Kunden, die sich offensichtlich in einem verwirrten Geisteszustand befinden. In mehreren Ländern gibt es Selbstregulierungen für Premium-Lines. So hat z. B. die britische Selbstregulierungsstelle ICSTIS festgestellt, dass sich die Hälfte aller im Jahr 2000 eingegangenen Beschwerden auf das Herunterladen aus dem Internet durch Kinder bezogen. In einer vor kurzem durchgeführten Umfrage von European Research into Consumer Affairs sowie der Landesakademie Niederösterreich gaben ein Viertel der britischen und ein Sechstel der österreichischen Kinder an, etwas über das Internet gekauft oder für Spiele und Unterhaltung bezahlt zu haben.

3.3. Die zweite Hauptfrage bezieht sich auf die Aufnahme einer Grundlage für die Selbstregulierung in die Rahmenrichtlinie.

3.3.1. Der Ausschuss hält die Selbstregulierung für wichtig, um die Definitionen der Lauterkeit des Wettbewerbs und guter Vermarktungsmethoden innerhalb eines gesetzlichen Rahmens mit Inhalt zu fuellen, und befürwortet von dieser Warte aus die Aufnahme einer Grundlage für die Selbstregulierung in die Rahmenrichtlinie.

Händler, die Selbstregulierungscodices unterzeichnen, aber nicht einhalten, sind mit Strafen zu bedrohen.

3.4. Die dritte Hauptfrage bezieht sich auf die Entwicklung nicht bindender praktischer Leitlinien.

3.4.1. Der Ausschuss befürwortet den Gedanken, die Rahmenrichtlinie durch von der Kommission herausgegebene Empfehlungen mit nicht bindenden praktischen Leitlinien zu ergänzen, mit denen sie Sinn und Zweck der Richtlinie, anderer Verordnungen und spezieller Einzelrichtlinien verständlich und benutzerfreundlich interpretiert.

3.4.2. Die Rahmenrichtlinie muss sehr genaue Angaben darüber enthalten, für welchen Anwendungsbereich diese Leitlinien gelten und wo ihre Grenzen sind. Außerdem muss in der Rahmenrichtlinie deutlich gemacht werden, dass die in Form von Empfehlungen der Kommission veröffentlichten Leitlinien keine Einzelrichtlinien und Verordnungen ersetzen, wenn solche benötigt werden, und dass sie der Aufstellung der o. g. Liste unlauterer Praktiken nicht entgegenstehen dürfen.

3.5. Die letzte Hauptfrage bezieht sich auf die Erarbeitung nicht bindender rechtlicher Leitlinien für die Einbeziehung von Interessengruppen ("stakeholder participation").

3.5.1. Vorausgesetzt, dass die Institutionalisierung des "Dialogs" keine Untergrabung der Rechtsstaatlichkeit und der Grundsätze und strukturellen Elemente der repräsentativen Demokratie bewirkt, begrüßt der Ausschuss eine stärkere Einbeziehung von Wirtschafts- und Verbraucherverbänden in die Beschlussfassungsprozesse, die der Festlegung von Regeln und politischen Leitlinien für den Verbraucherschutz dienen.

3.5.2. Die Rahmenrichtlinie sollte daher genau die Kriterien für die Vertretung von Wirtschafts- und Verbraucherverbänden und den Charakter, die Organisation und die Funktionsweise der Regulierungsstelle festlegen, die für die Förderung des Dialogs, die Festlegung der Normen und Vorschriften und deren Auslegung zuständig sein soll.

3.5.3. Schließlich muss aus der Rahmenrichtlinie auch eindeutig hervorgehen, dass ein solcher Prozess der Aufstellung von Leitlinien keinesfalls die Möglichkeit ausschließt, in einer Konfliktsituation den Rechtsweg zu beschreiten oder andere Möglichkeiten der Streitbeilegung zu nutzen.

4. Durchsetzung

4.1. Die Kommission hat große Anstrengungen unternommen, damit das bestehende Verbraucherrecht in der Praxis funktioniert und um den Verbrauchern im Fall grenzübergreifender Beanstandungen Zugang zum Recht zu verschaffen, doch treten nach wie vor Probleme auf. Eine uneinheitliche Durchsetzung wirkt sich hemmend auf den lauteren Wettbewerb und die Wirksamkeit des Binnenmarktes aus und führt zur Unzufriedenheit der Verbraucher. Darüber hinaus bedauert der Ausschuss die unnötigen Verzögerungen bei der Umsetzung verbraucherrechtlicher Vorschriften in den Mitgliedstaaten. Diese müssen das Gemeinschaftsrecht schneller umsetzen. Daher begrüßt der Ausschuss die Vorschläge zur Abhaltung regelmäßiger Sitzungen mit den Regierungen über diese Fragen sowie zur Errichtung zentraler, nationaler Anlaufstellen für Durchsetzungsfragen. Auch grenzübergreifende Kontakte zwischen lokalen Durchsetzungsstellen sind zu fördern.

4.2. Ein dringend zu lösendes Problem ist, dass viele Mitgliedstaaten nicht über eine zentrale Durchsetzungsstelle verfügen. Die Mitgliedstaaten sollten dazu verpflichtet werden, bei der Notifizierung ihrer nationalen Gesetze zur Umsetzung des EU-Rechts der Kommission auch Einzelheiten über die einschlägigen, für die Durchsetzung zuständigen Stellen und über die Art der Sanktionen mitzuteilen, die diesen Stellen nach nationalem Recht zur Verfügung stehen; die Sanktionen müssen einander angeglichen und wirkungsvoll sein. Ein umlaufendes Programm zur Überprüfung der Um- und Durchsetzung der EU-Verbraucherschutzrichtlinien in den Mitgliedstaaten, der Austausch von Mitarbeitern und die gemeinsame Überwachung würden ein konsequenteres Vorgehen gewährleisten.

4.3. Der Ausschuss hat bereits in der Vergangenheit zu einem engeren europaweiten Zusammenwirken von Durchsetzungsbeamten aufgerufen und sieht sich in diesem Bestreben bestärkt durch die Gründung des International Marketing Supervision Network (IMSN) Europe, einem informellen Verbund von Durchsetzungsstellen, im Jahr 1999. Einzelheiten von Fällen, die in einem Mitgliedstaat bearbeitet werden, könnten sinnvollerweise den anderen Durchsetzungsbehörden zugänglich gemacht werden, u. a. über eine gemeinsame Website. Den Mitgliedstaaten sollte die Verpflichtung auferlegt werden, den Durchsetzungsstellen anderer Mitgliedstaaten Amtshilfe zu leisten, wenn diese (bereits öffentlich gemachte) Auskünfte über die Tätigkeit von Unternehmen benötigen, die ihren Sitz oder ihren Geschäftsschwerpunkt im Hoheitsbereich des betreffenden Mitgliedstaates haben.

4.4. Die Kommission sollte die Frage der Festlegung gemeinschaftlicher Mindeststandards für die Durchsetzung prüfen, die auf einer Reihe von Kerngrundsätzen wie Wirksamkeit und Unabhängigkeit beruhen und von der Kommission überwacht werden. Der Ausschuss tritt nicht für europaweit einheitliche Durchsetzungsstandards ein, denn dies könnte bedeuten, dass ein kleinster gemeinsamer Nenner zugrunde gelegt wird, statt das Niveau allgemein höherzuschrauben. Der Akzent sollte auf wirkungsvollen Auditverfahren liegen, um eine weitgehende Gleichwertigkeit der Resultate statt der Methoden zu erreichen. Darüber hinaus sollte die Kommission die Koregulierungs- oder Selbstregulierungspläne regelmäßig, d. h. alle zwei oder drei Jahre bewerten, einen Erfahrungsbericht über die Selbstregulierung in den Mitgliedstaaten erstellen und Verbesserungen vorschlagen.

4.5. Die Bemühungen zur Unterstützung einzelner Verbraucher bei der Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche mit Hilfe des Netzes für die außergerichtliche Streitbeilegung EEJ-NET usw. müssen verstärkt werden. Die Kommission sollte erwägen, einen Anzeiger über die Umsetzung des Verbraucherrechts ähnlich dem Binnenmarktanzeiger der GD Binnenmarkt einzurichten.

4.6. Außerdem besteht Bedarf an einer weiteren Aufklärung der europäischen Verbraucher, so dass sie in der Lage sind, selbst für ihre Rechte einzutreten. Der Ausschuss bedauert, dass die Kommission dazu neigt, den Begriff "Verbraucherschutz" ausschließlich unter dem Blickwinkel der "wirtschaftlichen Interessen" zu sehen. Ebenso wichtig sind Information und Aufklärung, insbesondere für benachteiligte Verbrauchergruppen. Die neuen Möglichkeiten der Informationsgesellschaft sollten genutzt werden, um mehr Verbrauchern Informationen zugänglich zu machen, wobei aber die Bedürfnisse derer, die über keine regelmäßigen Zugangsmöglichkeiten verfügen, nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Der Ausschuss hofft, dass der Vorschlag der Kommission die Finanzierung der Verbraucheraufklärung auf europäischer Ebene auf eine sicherere Grundlage stellen und zu Kooperationsprogrammen von Verbraucherorganisationen auf Gemeinschaftsebene führen wird.

Brüssel, den 20. März 2002.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Göke Frerichs

(1) WSA-Stellungnahme zum Thema "Vereinfachung", ABl. C 48 vom 21.2.2002.

(2) Siehe auch die derzeit erarbeitete Stellungnahme des WSA zur Verkaufsförderung.

(3) Stellungnahme zum Thema "Ein Programm für den Schutz von Kindern im Internet", in der Forschungsergebnisse von European Research into Consumer Affairs, des Medienbildungsinstituts an der Landesakademie Niederösterreich, und der griechischen Verbrauchervereinigung im Rahmen des EU-Internet-Aktionsplans zitiert werden, ABl. C 48 vom 21.2.2002, S. 27.