52002AE0037

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu:dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, unddem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/799/EWG des Rates über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten und indirekten Steuern

Amtsblatt Nr. C 080 vom 03/04/2002 S. 0076 - 0080


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu:

- dem "Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer", und

- dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/799/EWG des Rates über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten und indirekten Steuern"

(2002/C 80/16)

Der Rat beschloss am 9. Juli 2001, den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft um Stellungnahme zu den vorgenannten Vorschlägen zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 10. Januar 2002 an. Berichterstatter war Herr Walker.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 387. Plenartagung (Sitzung vom 16. Januar 2002) mit 89 gegen 1 Stimme bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Im Bereich der Mehrwertsteuer gibt es zwei verschiedene Rechtsgrundlagen für die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten: die Richtlinie 77/799/EWG(1) über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten und indirekten Steuern und die Verordnung (EWG) Nr. 218/92(2) über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung (MwSt). Der Anwendungsbereich der Richtlinie 77/799/EWG erstreckte sich bei ihrer Annahme nicht auf die Mehrwertsteuer, sondern war auf die Einkommen- und Vermögensteuern beschränkt. Erst mit der Richtlinie 79/1070/EWG(3) wurde er auf die MwSt ausgedehnt. Die Richtlinie 77/799/EWG ist eine Rechtsgrundlage für den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten. Der Austausch muss allerdings über die sogenannten "zuständigen Behörden" erfolgen, d. h. er kann nicht direkt zwischen zwei Dienststellen in verschiedenen Mitgliedstaaten abgewickelt werden.

1.1.1. Es sind drei Arten des Informationsaustauschs vorgesehen, und zwar die Auskunft auf Ersuchen in konkreten Einzelfällen, der automatische und der spontane Auskunftsaustausch. Der automatische und der spontane Austausch im MwSt-Bereich wird in der Richtlinie nicht genau geregelt. Sie verweist lediglich auf die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, bilaterale Abkommen zu schließen. Bis dato wurden aber nur einige wenige bilaterale Abkommen über einen solchen Auskunftsaustausch im MwSt-Bereich geschlossen. Gemäß der Richtlinie können die Mitgliedstaaten außerdem Bediensteten des ersuchenden Mitgliedstaats die Anwesenheit bei bestimmten Kontrollen gestatten. Von dieser Möglichkeit haben bisher aber nur wenige Mitgliedstaaten Gebrauch gemacht.

1.1.1.1. Die Beseitigung der Steuergrenzen zwischen den Mitgliedstaaten am 1. Januar 1993 machte eine Intensivierung der Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden erforderlich. Aus diesem Grund wurde die Verordnung Nr. 218/92/EWG verabschiedet. Sie ergänzt die Richtlinie von 1977 und sieht einen intensiveren Austausch von Informationen über die innergemeinschaftliche Lieferung und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen vor. Die wesentlichen Neuerungen der Verordnung von 1992 waren die Schaffung eines EDV-gestützten Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystems (MIAS), und die automatische Übermittlung des Gesamtwerts aller innergemeinschaftlichen Lieferungen von Gegenständen an Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat mehrwertsteuerlich erfasst sind, und der MwSt-Nummern dieser Personen an die betreffenden Mitgliedstaaten. Sind die in der Datenbank verfügbaren Informationen unzureichend, kann gemäß Artikel 5 die Erteilung weiterer Auskünfte beantragt werden. Die ersuchte Behörde muss die Auskünfte innerhalb von drei Monaten erteilen.

1.2. Das MIAS und die verstärkte Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden, die mit der Verordnung (EWG) Nr. 218/92 eingeführt wurden, werden von den zuständigen Beamten zwar als nützliche Kontrollinstrumente betrachtet, weisen jedoch folgende Schwächen auf:

- Die in diesem Rahmen automatisch oder auf Ersuchen ausgetauschten Daten, die aus den zusammenfassenden Meldungen der Steuerpflichtigen stammen, liegen nicht früh genug vor und können nicht rasch genug übermittelt werden. Dies macht eine wirksame Betrugsbekämpfung unmöglich.

- Da die im Rahmen von MIAS ausgetauschten Daten erst nach sechs Monaten vorliegen, können sie nur für nachträgliche Kontrollen verwendet werden, die oft zu spät erfolgen. Zudem war die Verordnung (EWG) Nr. 218/92 nie dazu gedacht, die Behandlung einzelner Betrugsfälle zu regeln, die naturgemäß eine zeitnahe Kontrolle erfordern.

- Der Anwendungsbereich der Verordnung erstreckt sich nicht auf alle Umsätze, bei denen Betrug vorkommen kann. Er ist auf die innergemeinschaftliche Lieferung und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen beschränkt, während bei den meisten Betrugsmechanismen im MwSt-Bereich sowohl inländische als auch innergemeinschaftliche Umsätze eine Rolle spielen, weshalb die Steuerverwaltungen gezwungen sind, auf andere rechtliche Instrumente zurückzugreifen.

1.3. Dies hat dazu geführt, dass die Mitgliedstaaten in erster Linie die Richtlinie 77/799/EWG als Grundlage für ihre Zusammenarbeit zur Betrugsbekämpfung wählen. Da diese Richtlinie jedoch ursprünglich zur Erleichterung des Informationsaustauschs auf dem Gebiet der direkten Steuern gedacht war und nach Einführung der derzeitigen MwSt-Übergangsregelung am 1. Januar 1993 nicht so angepasst wurde, dass sie den Anforderungen einer verstärkten Zusammenarbeit im MwSt-Bereich besser entspricht, ist sie mit folgenden Unzulänglichkeiten behaftet:

- Die Zusammenarbeit ist zu stark zentralisiert und es mangelt ihr an Intensität und ausreichend präzisen Festlegungen.

- Es gibt zu wenig direkte Kontakte zwischen örtlichen und staatlichen Betrugsbekämpfungsstellen.

- Die Vorschrift, dass der Austausch über die zentralen Verbindungsbehörden erfolgen muss, beeinträchtigt die Wirksamkeit, führt dazu, dass die Bediensteten die vorhandenen Möglichkeiten nicht ausreichend nutzen, und ruft Verzögerungen hervor.

- Abgesehen vom MIAS erfolgt zu selten ein automatischer oder spontaner Austausch, der zur Aufdeckung bzw. Verhinderung von Betrug im innergemeinschaftlichen Handel notwendig wäre.

- In einer ganzen Reihe von Bereichen (z. B. Anwesenheit ausländischer Bediensteter bei den Prüfungen, Möglichkeit multilateraler Prüfungen, mögliche Verwendung der von einem anderen Mitgliedstaat übermittelten Informationen) mangelt es an klaren Regeln.

1.4. Über diese Mängel und Lücken hinaus hat die Praxis gezeigt, dass schon allein die Existenz zweier verschiedener Rechtsgrundlagen für die Verwaltungszusammenarbeit im MwSt-Bereich Komplikationen verursacht, die das Funktionieren des Systems beeinträchtigen. Die Verordnung gilt nur für die innergemeinschaftliche Lieferung und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen. Dies bedeutet, dass im Falle der innergemeinschaftlichen Dienstleistungen und aller sonstigen der MwSt unterliegenden Umsätze die Richtlinie anzuwenden ist. Die Durchführung der Zusammenarbeit ist jedoch in beiden Instrumenten unterschiedlich geregelt. Die Fristen für die Beantwortung von Auskunftsersuchen sind unterschiedlich, und die übermittelten Informationen können nicht in gleicher Weise verwendet werden. Gemäß der Verordnung haben die Mitgliedstaaten außerdem zentrale Verbindungsbehörden geschaffen, die für den Informationsaustausch im Rahmen der Verordnung in erster Linie zuständig sind. In manchen Mitgliedstaaten sind jedoch für den Informationsaustausch auf der Grundlage der Richtlinie andere Dienststellen zuständig. Dies bedeutet, dass es keine Synergien zwischen der Verordnung und der Richtlinie für die Zwecke der MwSt-Kontrolle gibt. Für eine weitere Verschlechterung der Ausgangsbedingungen sorgt die Tatsache, dass bestimmte Umsätze in manchen Mitgliedstaaten als Dienstleistung angesehen werden, in anderen dagegen als Lieferung von Waren.

1.5. Aus dem Bericht der Kommission gemäß Artikel 14 der Verordnung (EWG) Nr. 218/92 und Artikel 12 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1553/89(4) vom 28. Januar 2000 sowie den Arbeiten der Ad-hoc-Gruppe "Betrugsbekämpfung" des Rates ergibt sich eindeutig, dass die Beibehaltung der derzeitigen Regelung eine wirksame Verbesserung der Kontrolle und der Verwaltungszusammenarbeit notwendig macht. Am 5. Juni 2000 forderte der Rat die Kommission auf, so rasch wie möglich Vorschläge zur Umsetzung aller Empfehlungen vorzulegen, die von der Ad-hoc-Gruppe einstimmig angenommen wurden.

1.6. Wie umfangreich und ernst das Problem ist, lässt sich daran ermessen, dass die Mitgliedstaaten nach den von der Kommission vorgelegten Zahlen(5) von der MwSt befreite innergemeinschaftliche Umsätze in Höhe von etwa 930 Mrd. EUR pro Jahr überwachen müssen. Diese Umsätze waren vor 1993 Gegenstand von Grenzkontrollen, müssen jetzt aber durch die Steuerbehörden kontrolliert werden. Die Mitgliedstaaten müssen ungefähr 24 Millionen mehrwertsteuerpflichtige Wirtschaftsbeteiligte überwachen, die jährlich etwa 100 Millionen Mehrwertsteuererklärungen abgeben.

2. Die Vorschläge der Kommission

2.1. Um die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im MwSt-Bereich zu intensivieren, schlägt die Kommission vor, zum einen die Verordnung (EWG) Nr. 218/92 zu verstärken und zum anderen die Bestimmungen der Richtlinie 77/799/EWG in die künftige Verordnung zu integrieren. Auf diese Weise soll ein einziger Rechtsrahmen geschaffen werden, der die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten klaren und verbindlichen Regeln unterwirft. Vorgesehen sind insbesondere direktere Kontakte zwischen Dienststellen in verschiedenen Mitgliedstaaten, um die Zusammenarbeit wirksamer zu gestalten und zu beschleunigen. Der Entwurf ermöglicht außerdem einen intensiveren und rascheren Informationsaustausch der einzelstaatlichen Verwaltungen untereinander sowie zwischen den Verwaltungen und der Kommission, so dass Betrug wirksamer bekämpft werden kann.

2.2. Ziel des Vorschlags ist die Schaffung eines wirksamen Systems der gegenseitigen Unterstützung und des Informationsaustauschs, das das reibungslose Funktionieren der MwSt-Regelung gewährleistet. Obwohl vorgeschlagen wird, der Kommission die Aufgabe zu übertragen, für das reibungslose Funktionieren der Verwaltungszusammenarbeit zu sorgen, ist für sie keine aktive Rolle bei der Aufdeckung und Bekämpfung von Steuerbetrug vorgesehen.

2.2.1. Gleichwohl ist die Kommission der Ansicht, dass der innergemeinschaftliche MwSt-Betrug auf Gemeinschaftsebene und durch ein gemeinsames Vorgehen von Mitgliedstaaten und Kommission bekämpft werden muss. Während die Verantwortung für das reibungslose Funktionieren des gemeinsamen MwSt-Systems in erster Linie bei den Mitgliedstaaten liegt, will die Kommission in diesem Bereich eine koordinierende und stimulierende Rolle übernehmen.

2.2.2. Die Kommission will deshalb auf der Grundlage von Artikel 280 EG-Vertrag eine separate Verordnung mit spezifischen Bestimmungen zur Betrugsbekämpfung vorschlagen, die der Kommission im Informationsaustausch eine koordinierende Rolle auf Gemeinschaftsebene überträgt.

2.3. Da es notwendig ist, die Verordnung (EWG) Nr. 218/92 vollständig und die Richtlinie 77/799/EWG in den Teilen, die die MwSt betreffen, zu ersetzen, wird die MwSt künftig vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen. Letzterer wird dagegen auf bestimmte Steuern auf Versicherungsprämien ausgeweitet, um dem Wunsch nachzukommen, den die Mitgliedstaaten während der Verhandlungen im Rat über den Vorschlag für eine Änderung der Richtlinie 76/308/EWG(6) geäußert hatten.

2.4. Der Vorschlag soll die Zusammenarbeit zwischen den Steuerverwaltungen intensivieren und ihnen einen einfachen, wirksamen Rechtsrahmen an die Hand geben, damit gewissermaßen für Waffengleichheit gegenüber den Betrügern gesorgt ist. Der Vorschlag soll also weder die Pflichten der Steuerpflichtigen noch die Bestimmungen über die Anwendung der MwSt-Vorschriften ändern. Aus diesem Grund unterbreitet die Kommission den Vorschlag gemäß Artikel 95 EG-Vertrag. Durch die Wahl von Artikel 95 EG-Vertrag als Rechtsgrundlage steht dieser Vorschlag in einer Linie mit dem Vorschlag für die Verordnung (EWG) Nr. 218/92 vom 19. Juni 1990(7), in dem bereits Artikel 100a EG-Vertrag (jetzt Artikel 95 EG-Vertrag) als Rechtsgrundlage empfohlen wurde.

3. Allgemeine Bemerkungen

3.1. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss hat mehrmals(8) auf die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im MwSt-Bereich und auf anderen Gebieten der Rechtsanwendung hingewiesen. Er hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass das Versäumnis der Mitgliedstaaten, die vorhandenen Kooperationsmechanismen zu nutzen, die MwSt-Übergangsregelung noch weiter schwächt und eine starke Zunahme des systematischen MwSt-Betrugs begünstigt.

3.2. In dem Bericht des Europäischen Rechnungshofs aus dem Jahre 1998(9) wurde darauf hingewiesen, dass die Betrugsbekämpfung dadurch gekennzeichnet sei, dass keine integrierte Strategie verfolgt werde. Es wurde betont, dass hinsichtlich der innergemeinschaftlichen Umsätze insofern ein Widerspruch bestehe, als es einen Binnenmarkt für den Betrug, nicht jedoch für den Rechtsvollzug gebe. Der Rechnungshof schätzte die Kluft zwischen den tatsächlichen und den theoretisch möglichen MwSt-Einnahmen unter Zugrundelegung der makroökonomischen Daten auf bis zu 70 Mrd. EUR pro Jahr, was 21 % der gesamten Einnahmen aller Mitgliedstaaten entspricht. Die Richtigkeit dieser Zahl wurde zwar angezweifelt, doch selbst dann, wenn die tatsächliche Kluft nur halb so groß ist, stellt sie einen erschütternden Einnahmeverlust für die Mitgliedstaaten dar und vermittelt zudem ein erschreckendes Bild davon, wie die einzelstaatlichen Verwaltungen die MwSt-Kontrollen durchführen oder - besser gesagt - es versäumen, dies zu tun.

3.3. Der Ausschuss ist wie die Kommission der Meinung, dass die nun unterbreiteten Vorschläge eine merkliche Verbesserung des Status quo ermöglichen und die MwSt-Behörden in den Mitgliedstaaten im Falle ihrer erfolgreichen Umsetzung bessere Voraussetzungen besitzen, um den kriminellen Elementen, die die Schlupflöcher des derzeitigen Systems ausnutzen, das Handwerk zu legen. Angesichts der bisherigen Erfahrungen erscheint es dem Ausschuss jedoch sehr zweifelhaft, ob die Mitgliedstaaten dann, wenn sie sich selbst überlassen sind, von ihren Befugnissen intensiver Gebrauch machen, als sie es bislang getan haben. Der Ausschuss weist darauf hin, dass die Vorschläge im Wesentlichen Ermächtigungsvorschriften darstellen, die die Mitgliedstaaten kaum bzw. gar nicht dazu verpflichten, die durch sie gebotenen Möglichkeiten auch wirklich zu nutzen.

3.3.1. Es herrscht allgemein Übereinstimmung darüber, dass die vorhandenen Kooperationsinstrumente nicht annähernd ausgeschöpft und in einigen Fällen weitgehend ignoriert wurden. Die unzureichende Nutzung wurde unter anderem auf langsame Verfahren und sogar auf die mangelnde Kenntnis der vorhandenen Instrumente - vor allem auf Seiten der lokalen Gebietskörperschaften - zurückgeführt. Fast alle Mitgliedstaaten befürworten eine Intensivierung des Informationsaustauschs, der in der Praxis aber kaum stattfindet. Die bloße Einführung neuer Legislativinstrumente reicht nicht aus, um dies zu ändern: Es bedarf gleichzeitig eines grundlegenden Wandels der Verhaltensweisen und Prioritäten auf Seiten der einzelstaatlichen Verwaltungen.

3.3.2. Die Kommission stellte fest(10), dass die Zahl der Amtshilfeersuchen, die nicht innerhalb der in der Verordnung (EWG) Nr. 218/92 festgelegten Dreimonatsfrist beantwortet werden, weiterhin ein Problem darstellt, das sich zudem noch zuspitzt. Hinzu kommt, dass die Mitgliedstaaten - von einigen Ausnahmen abgesehen - in der Regel nicht gewillt waren, die durch Artikel 12 dieser Verordnung gebotenen Möglichkeiten (Übertragung von Befugnissen auf die operative Ebene) zu nutzen. Natürlich muss zwischen den Bedürfnissen der örtlichen Stellen und der zentralen Verwaltungen weiterhin Ausgewogenheit herrschen, doch müssen die zentralen Verbindungsbehörden so genutzt werden, dass sie den Informationsfluss fördern und nicht etwa Engpässe bilden. Die zentralen Verbindungsbehörden müssen auch eine größere Rolle spielen, wenn es darum geht, die für die Kontrollen zuständigen Bediensteten über die Möglichkeit des Informationsaustauschs zu informieren, vor allem im Hinblick auf die Überwachung von Sonderregelungen, Erstattungen aufgrund der Achten Richtlinie und Dienstleistungen, die gemäß Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e) der Sechsten Richtlinie erbracht werden. Mehrere zentrale Verbindungsbehörden haben jedoch darauf hingewiesen, dass sie weder mit den Befugnissen noch mit den Mitteln ausgestattet sind, um diese Rolle wahrnehmen zu können.

3.3.3. Aus diesem Grunde begrüßt der Ausschuss den Vorschlag der Kommission, eine koordinierende und stimulierende Rolle zu übernehmen, und befürwortet ihre Absicht, auf der Grundlage von Artikel 280 EG-Vertrag eine Verordnung mit spezifischen Bestimmungen zur Betrugsbekämpfung vorzuschlagen, die der Kommission im Informationsaustausch eine koordinierende Rolle auf Gemeinschaftsebene überträgt.

4. Besondere Bemerkungen

4.1. Der Ausschuss begrüßt, dass die Mitgliedstaaten künftig eine einzige zentrale Verbindungsbehörde benennen sollen, die für die Zusammenarbeit zuständig ist. Er befürchtet allerdings, dass auch dies die Kommunikation hemmen könnte, wenn die Verbindungsbehörden weiterhin so arbeiten, wie sie es bisher getan haben. Obschon in Artikel 3 Absatz 4 festgelegt ist, dass "Ungeachtet der Bestimmungen der vorliegenden Verordnung (...) auch andere als die in Absatz 3 genannten Beamten [d. h. die Beamten der zentralen Verbindungsbehörden] (...) direkt miteinander in Verbindungen treten, Informationen austauschen und zusammenarbeiten (können)", hätte der Ausschuss es begrüßt, wenn hier ein positiverer Ansatz gewählt worden wäre, dem zufolge diese Kontakte stattfinden "müssen" (und nicht lediglich "können").

4.2. Nach Ansicht des Ausschusses bietet Artikel 36 den Mitgliedstaaten zu viele Vorwände für eine Nichterteilung der angeforderten Informationen und schränkt damit die Wirksamkeit von Artikel 5 Absatz 3 ein, wo festgelegt ist, dass die ersuchte Behörde bei der Beschaffung der verlangten Informationen so zu verfahren hat, als ob sie in Erfuellung eigener Aufgaben oder auf Ersuchen einer anderen Behörde ihres Landes handeln würde.

4.3. Der Ausschuss stellt fest, dass die Frist für die Informationsübermittlung gemäß Artikel 10 weiterhin drei Monate beträgt bzw. einen Monat, wenn die angeforderten Informationen der ersuchten Behörde bereits vorliegen. In Anbetracht der Notwendigkeit, schnell zu handeln, damit im Falle eines Betrugsverdachts Nachforschungen angestellt werden können, hat der Ausschuss den Eindruck, dass diese Fristen in vielen Fällen zu lang sein könnten, um ein wirksames Handeln zu ermöglichen. Er ist deshalb der Ansicht, dass ihre Verkürzung erwogen werden sollte.

4.4. Der Ausschuss nimmt zustimmend zur Kenntnis, dass die Anwesenheit ausländischer Beamter bei Prüfungen nicht länger an das vorherige Einverständnis des Steuerpflichtigen geknüpft sein soll. Unverständlich ist ihm jedoch, warum Artikel 14 diesen Beamten die Teilnahme an der Durchsuchung von Räumlichkeiten und der förmlichen Vernehmung von Personen im Rahmen von Strafverfahren untersagt. Seiner Ansicht nach sind dies unnötige Einschränkungen, mit denen lediglich die Ermittlungen in grenzüberschreitenden MwSt-Betrugsfällen behindert werden.

4.5. Gemäß Artikel 15 führen die Mitgliedstaaten auf unabhängige Weise, jeder innerhalb seines Gebiets, gleichzeitig Prüfungen der Situation eines oder mehrerer Steuerpflichtiger durch, "die von gemeinsamem oder zusätzlichem Interesse sein können". Der Ausschuss betrachtet diese Formulierung als zu vage und hält es deshalb für erforderlich, die Begriffe genauer zu definieren.

4.6. Artikel 22 enthält folgende Festlegung: "Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten können sich gegenseitig in jedem Fall ohne vorheriges Ersuchen und spontan die in Artikel 1 genannten Informationen übermitteln, die ihnen bekannt werden." Der Ausschuss hätte es begrüßt, wenn für diesen Artikel eine Muss-Bestimmung gewählt worden wäre ("Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten übermitteln sich gegenseitig ...").

4.7. Der Ausschuss begrüßt die in Artikel 37 getroffene Festlegung, dass die übermittelten Informationen ungeachtet ihres möglicherweise vertraulichen Charakters im Zusammenhang mit allen Gerichts- oder Verwaltungsverfahren verwendet werden können, die Sanktionen wegen Nichtbeachtung der Steuergesetze zur Folge haben können.

4.7.1. Ebenfalls positiv bewertet der Ausschuss, dass der ersuchende Mitgliedstaat gemäß Artikel 37 Absatz 3 nicht länger verpflichtet ist, die Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaats einzuholen, bevor er die von diesem erteilten Auskünfte anderen Mitgliedstaaten übermitteln darf.

4.7.2. Der Ausschuss begrüßt, dass es nicht länger erforderlich sein wird, die von Ermittlungen betroffenen Steuerpflichtigen über den Informationsaustausch zu unterrichten.

4.8. Der Ausschuss stellt fest, dass die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat gemäß Artikel 42 künftig nur noch alle drei Jahre (und nicht mehr alle zwei Jahre) Bericht erstatten will. Er hätte es begrüßt, wenn der Turnus von zwei Jahren aufrechterhalten worden wäre.

4.9. Der Ausschuss ist damit einverstanden, dass die Kommission Artikel 95 EG-Vertrag als Rechtsgrundlage für ihren Vorschlag gewählt hat.

4.10. Der Ausschuss stellt fest, dass die Kommission für diesen Vorschlag keine Folgenabschätzung durchgeführt hat. Obschon er es in der Regel als wünschenswert erachtet, dass derartige Abschätzungen erstellt und veröffentlicht werden, räumt er ein, dass sich im vorliegenden Fall die möglichen Auswirkungen der neuen Instrumente nur schwer absehen lassen, weil recht ungewiss ist, inwieweit die Mitgliedstaaten von ihnen Gebrauch machen werden.

5. Schlussfolgerungen

5.1. Der Ausschuss wiederholt seine bereits in der Vergangenheit geäußerte Besorgnis über das erschreckende Ausmaß der Einnahmeverluste infolge des MwSt-Betrugs und der mangelnden Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen der Mitgliedstaaten, wodurch einschlägige Straftaten nicht nur erleichtert, sondern geradezu gefördert werden. Der Wegfall der Grenzkontrollen, eine unabdingbare Begleiterscheinung des Binnenmarkts, erfordert umfassende Kontrollverfahren und deren wirksame Umsetzung durch die Steuerbehörden der Mitgliedstaaten, wie auch immer das in Kraft befindliche Besteuerungssystem geartet ist. Dies ist derzeit jedoch nicht der Fall, und man kann sich nur schwerlich der Schlussfolgerung verschließen, dass das jetzige System der Verwaltungszusammenarbeit die materiellen Kontrollen, an deren Stelle es getreten ist, nicht ausreichend ersetzt.

5.2 Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die Vorschläge der Kommission zwar einen Schritt in die richtige Richtung darstellen, jedoch nicht ausreichen, um die offensichtlichen Schwächen und Schlupflöcher, die derzeit bestehen, zu beseitigen. Er räumt allerdings ein, dass sie sich wahrscheinlich an der Grenze des politisch Durchsetzbaren bewegen. In Anbetracht dessen begrüßt er die Vorschläge, meldet jedoch gleichzeitig erhebliche Vorbehalte hinsichtlich der Frage an, ob sie einen wirksamen Beitrag zur Betrugsbekämpfung leisten können, wenn sich das Verhalten der einzelstaatlichen Verwaltungen und Steuerbehörden nicht grundlegend ändert. Er fordert die Mitgliedstaaten auf, ihrerseits zur Eindämmung der horrenden Einnahmeverluste beizutragen, indem sie die nun vorgelegten Vorschläge annehmen und die für deren wirksame Umsetzung erforderlichen Maßnahmen auf den Weg bringen.

Brüssel, den 16. Januar 2002.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Göke Frerichs

(1) ABl. L 336 vom 27.12.1977, S. 15.

(2) ABl. L 24 vom 1.2.1992, S. 1.

(3) ABl. L 331 vom 27.12.1979, S. 8.

(4) KOM(2000) 28 endg.

(5) KOM(2000) 28 endg., Ziffer 5.5.

(6) KOM(98) 364 endg. und KOM(1999) 183 endg.

(7) KOM(90) 183.

(8) Siehe z. B. ABl. C 116 vom 20.4.2001.

(9) ABl. C 349 vom 17.11.1998, S. 15-17.

(10) ABl. C 349 vom 17.11.1998.