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Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung"

Amtsblatt Nr. C 193 vom 10/07/2001 S. 0001 - 0006


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung"

(2001/C 193/01)

Der Rat beschloss am 8. September 2000, den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 47, Absatz 2, 55 und 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem vorgenannten Vorschlag zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 7. Februar 2001 an. Berichterstatter war Herr Green.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 381. Plenartagung am 25. und 26. April 2001 (Sitzung vom 26. April) mit 88 gegen 17 Stimmen bei 10 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Im November 1996 legte die Europäische Kommission ein Grünbuch mit dem Titel "Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union: Überlegungen für die Zukunft"(1) vor, zu dem der Wirtschafts- und Sozialausschuss am 28. Mai 1997 einstimmig eine Stellungnahme(2) verabschiedete.

Die von der Kommission vorgeschlagenen Änderungen der sog. Sektorenrichtlinie 93/38/EWG über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor(3) machen es angesichts der fortschreitenden Liberalisierung in bestimmten Sektoren erforderlich, sämtliche europäischen Rechtsvorschriften betreffend das öffentliche Auftragswesen zu überprüfen. Die Kommission schlägt ferner eine Revision der Richtlinien über öffentliche Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge vor, wobei der Telekommunikationssektor vom Anwendungsbereich dieser Richtlinien ausgenommen werden soll. Die geltenden Bestimmungen sollen angesichts der Liberalisierung auf dem Telekommunikationsmarkt geändert werden. Die vorgeschlagenen Änderungen haben zweierlei zum Ziel: zum einen die Vereinfachung der Richtlinie und zum anderen die Änderung des Rechtsrahmens.

1.2. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss zollt der Kommission Anerkennung für die von ihr geleistete Arbeit zur Öffnung der Beschaffungsmärkte, die Europa von Anfang an angestrebt hatte, möchte jedoch einige Änderungsvorschläge zu der Kommissionsvorlage unterbreiten.

1.3. Der Ausschuss wird zunächst einige allgemeine Bemerkungen zu den vorgeschlagenen Vereinfachungen und Änderungen des Rechtsrahmens vortragen und anschließend seine eigenen Vorschläge unterbreiten.

2. Allgemeine Bemerkungen zur Vereinfachung der Richtlinie 93/38/EWG

2.1. Die vorgeschlagenen Änderungen betreffen den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/38/EWG über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie des Telekommunikationssektors, der mit Blick auf die schrittweise Liberalisierung dieser Sektoren überprüft werden soll; die Einführung elektronischer Vergabeverfahren, eine klarere Formulierung der Bestimmungen über technische Spezifikationen, um insbesondere innovative Unternehmen zu fördern, strengere Bestimmungen über die Vergabekriterien; eine Vereinfachung bei den Schwellenwerten; und die Einführung eines gemeinsamen Vokabulars für öffentliche Aufträge.

Der Ausschuss heißt diese Änderungen zwar gut, bedauert jedoch, dass die Kenntnis und das Verständnis der europäischen Rechtsvorschriften durch viel zu häufige Änderungen beeinträchtigt werden. Die Kommission sollte die Aufstellung von flexibleren und dauerhafteren allgemeinen Rechtsrahmen in Erwägung ziehen, um die notwendige Entwicklung der Kenntnis der europäischen Rechtsvorschriften nicht zu behindern.

2.2. Der Ausschuss begrüßt die Durchstrukturierung der neu abgefassten Richtlinie in vier Titel, - die Definitionen, die Regelungen für die Aufträge, die besonderen Bestimmungen für Wettbewerbe im Dienstleistungsbereich sowie die statistischen Pflichten, Durchführungsbefugnisse und Schlussbestimmungen. Dennoch ist der Text nicht als leserfreundlich zu bezeichnen, da bestimmte Punkte zu ausführlich behandelt werden (ehemaliger Artikel 26), während andere Punkte, wie Artikel 9, überhaupt nicht erläutert werden.

2.3. Die Annahme dieses Richtlinienvorschlags wird eine Anpassung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften erforderlich machen, da - wie auch in der neugefassten Richtlinie - im Interesse der Vereinfachung einige neue Voraussetzungen geschaffen werden, beispielsweise im Zusammenhang mit den Informationen zum Ausgang eines Vergabeverfahrens, die den Teilnehmern des Verfahrens mitgeteilt werden müssen, oder die Informationen, die diejenigen erhalten müssen, die eine Prüfung nach einem Prüfungssystem gemäß der Richtlinie beantragen. Eine wesentliche Änderung besteht auch darin, dass die Informationspflicht über den Ausgang eines Vergabeverfahrens auf alle Auftraggeber erweitert wird, was sinnvoll ist. Die Einführung des allgemeinen Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung und der Gleichbehandlung bei den Verfahren zur Auswahl der Teilnehmer eines nicht offenen oder Verhandlungsverfahrens ist als Fortschritt einzustufen.

2.3.1. Bei der Bewertung der Qualität des Angebots können die öffentlichen Auftraggeber legitimerweise soziale und ökologische Faktoren berücksichtigen, sofern der Grundsatz der Gleichbehandlung gewahrt und die geltenden einzelstaatlichen und europäischen Rechtsvorschriften in den Bereichen Soziales und Umwelt sowie die (von den Mitgliedstaaten ratifizierten) IAO-Übereinkommen eingehalten werden. Dies muss jedoch in der Richtlinie selbst festgeschrieben werden.

2.4. Zu begrüßen ist ferner die Einführung der Anerkennung von Qualitätssicherungssystemen bei Dienstleistungs-, Bau- und Lieferaufträgen sowie die Auflage des Verweises auf europäische Qualitätssicherungs- oder Zertifizierungsnormen (Normen der Reihe EN 29000 und EN 45000) und der Anerkennung anderer Nachweise. Der Hinweis auf den Versuch der Mitgliedstaaten, eigene Normen anzuwenden, sollte in dem Richtlinienvorschlag präzisiert werden, da dieser Versuch Verwirrung stiften oder zu weitgehende Anforderungen nach sich ziehen könnte, die in verschleierter Form den Marktzugang beschränken. Die häufigen Änderungen der Rechtsvorschriften sind auf jeden Fall für die wirtschaftlichen Akteure irritierend.

2.5. Der Ausschuss wirft ferner die Frage auf, warum in dem Vorschlag keine Umweltfragen angesprochen werden, die doch für die Zukunft Europas eine entscheidende Rolle spielen. Die Berücksichtigung von Umweltkriterien, die in vernünftiger Weise mit dem Auftrag vereinbar sind und ihn nicht verwässern, könnte in Artikel 53 genauer dargelegt werden. Ihre Berücksichtigung wäre nur dann erforderlich, wenn sie für die ökologischen Auswirkungen je nach den von den Wettbewerbern vorgeschlagenen Durchführungsmodalitäten entscheidend sind.

Ebenfalls erstaunlich ist das Fehlen jedweder sozialer Kriterien für die Auftragsvergabe. Auch dies könnte in Artikel 53 ausdrücklich geregelt werden. Der Ausschuss erkennt an, dass es schwierig ist, diese Fragen im Einzelnen zu klären, und empfiehlt daher, die künftigen Mitteilungen der Kommission zu Auslegungsfragen im Umwelt- und Sozialbereich in Leitlinien für die Mitgliedstaaten umzuwandeln, in denen die Einzelheiten der Umsetzung dargelegt werden. Ferner erarbeitet die Kommission derzeit ein Handbuch für das "grüne" Beschaffungswesen, in dem den Behörden Anhaltspunkte für die Berücksichtigung von Umweltaspekten bei der Auftragsvergabe gegeben werden. Der Ausschuss empfiehlt, ein entsprechendes Handbuch auch für den Sozialbereich auszuarbeiten.

2.6. Der allmähliche Rückzug des Staates und eine angespannte Haushaltslage haben die Kommission veranlasst, Maßnahmen zur Vereinfachung, Flexibilisierung und Modernisierung vorzuschlagen, um den neuen Technologien Rechnung zu tragen und zuweilen zu detaillierte und komplexe Vorschriften verständlicher zu machen. Um aber wirklich alle Konsequenzen aus diesem Rückzug zu ziehen, wäre es nach Ansicht des Ausschusses notwendig, die öffentlichen Aufträge in ihrer Gesamtheit klarer zu definieren und sich dabei von den überholten Definitionen in den vorhergehenden Richtlinien zu lösen, die Grauzonen insbesondere in Bezug auf Konzessionen aufweisen. Bedauerlicherweise hat die Kommission die Neufassung der Richtlinien nicht als Gelegenheit genutzt, um die Vergabeverfahren eindeutig zu definieren und den allgemeinen Rahmen für alle Verträge über öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) und für Konzessionen auf der Grundlage einer neuen Definition für Konzessions- bzw. ÖPP-Verträge abzustecken, wie es der Ausschuss bereits mehrfach und jüngst in seiner Stellungnahme zum Thema "Die Stärkung des Konzessions- und Vertragsrechts für öffentlich-private Partnerschaften"(4) vorgeschlagen hat: "Eine Baukonzession ist ein Akt (ein Vertrag oder ein unilateraler Akt), durch den eine öffentliche Stelle einer privaten Organisation die Zuständigkeit für die Konzipierung, den Bau, die Finanzierung, die Wartung und die Nutzung einer Infrastruktur und/oder Dienstleistung für einen bestimmten, längeren Zeitraum überträgt." Es ist unbedingt erforderlich, die Konzessionserteilung für Dienstleistungen besser zu definieren, insbesondere hinsichtlich der Vergabeverfahren und mit Blick auf alle öffentlichen und privaten Stellen.

2.7. Der Ausschuss bedauert, dass die Kommission nicht bereits im Vorfeld bei der Gewährung der ausschließlichen Rechte ansetzt, denn seines Erachtens ist die Problematik insbesondere im Zusammenhang mit der Konzessionserteilung für Dienstleistungen auf eben dieser Ebene angesiedelt. Dies deckt sich mit den Bemerkungen des Ausschusses zur Definition von Konzessionen und von ÖPP, und der Ausschuss hebt erneut hervor, dass die Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen in diesem Zusammenhang von größter Bedeutung ist, da darin klar zum Ausdruck gebracht wird, dass die Gewährung von ausschließlichen Rechten im Einklang mit dem Vertrag und den Leitprinzipien der europäischen Rechtsprechung stehen muss. Es handelt sich hierbei um ein komplexes Problem(5), das nicht mehr als nebensächlich abgetan werden kann, da die Behörden ohne objektive Berechtigung ganze Tätigkeitsbereiche vom Wettbewerb ausnehmen und damit die Vereinheitlichung des Binnenmarktes untergraben.

2.8. Der Ausschuss hat mehrfach und jüngst wieder in seiner vorgenannten Initiativstellungnahme(6) darauf hingewiesen, dass das öffentliche Vergabewesen (öffentliche Aufträge und öffentliche Konzessionen) in den europäischen Rechtsvorschriften immer noch nicht umfassend definiert ist, und, wie die "Mitteilung zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht" vom 29. April 2000(7) veranschaulicht, in Bezug auf die Konzessionen und die ÖPP immer noch Rechtsunsicherheit herrscht, wodurch es nicht möglich ist, private Investitionen in öffentliche Infrastrukturen unter eindeutigen und stabilen rechtlichen Rahmenbedingungen zu tätigen. Zwar schließt diese Mitteilung der Kommission zufolge nicht aus, dass später noch ein spezifischer Rechtsetzungsvorschlag betreffend Konzessionen vorgelegt wird, doch wäre es geschickt und angezeigt gewesen, in den Richtlinienvorschlag eine Definition der Konzessionen und ÖPP-Verträge aufzunehmen, um nicht immer wieder die europäischen Rechtsvorschriften ändern zu müssen. Artikel 2 Absatz 3 des Richtlinienvorschlags hätte sich bestens dafür geeignet, die Vorschläge des WSA und den Inhalt der Auslegungsrichtlinie bezüglich der Modalitäten für die Konzessionserteilung und für ÖPP zu verankern. Der Ausschuss würde es begrüßen, wenn mit Blick auf die Festlegung klarer Grundsätze für die Vertragsvergabe innerhalb der Europäischen Union eine Richtlinie oder eine Verordnung erarbeitet würde, die den Inhalt der Mitteilung zu Auslegungsfragen vom April 2000 wiedergibt.

2.9. Der Ausschuss schlägt im Übrigen vor, in Artikel 1 auf Artikel 1 der "fusionierten" Richtlinie zu verweisen, der ähnlich, aber ausführlicher formuliert ist.

2.10. Öffentliche Einrichtungen, die sich als wirtschaftliche Akteure betätigen, dürfen nicht durch die Vorteile ihrer Stellung Wettbewerbsverzerrungen hervorrufen. Es ist bemerkenswert, dass Regiebetriebe oder halbstaatliche Unternehmen mit Vorzugsstellung in einigen Mitgliedstaaten über Wettbewerbsvorteile gegenüber privaten Unternehmen verfügen. Es ist unerlässlich, mit dem Richtlinienvorschlag in dieser Hinsicht unmissverständlich Klarheit zu schaffen, was die europäische Rechtsprechung bisher mangels bewährter europäischer Grundsätze nicht bieten kann. Die gerichtlichen Entscheidungen zum Universaldienst können keine Antwort auf eine Frage geben, die im europäischen Recht nicht eindeutig behandelt wurde.

2.11. Die öffentlichen Auftraggeber müssen daher unbedingt durch ergänzende Vorschriften dazu verpflichtet werden zu überprüfen, dass die öffentlichen Einrichtungen die gleichen steuerlichen, sozialen und finanziellen Belastungen zu tragen haben wie die privaten Akteure. Die Verpflichtung zum Wettbewerb bei der Vergabe von Aufträgen oder vertraglichen Tätigkeiten im Privatsektor muss auch den öffentlichen Auftraggebern in Bezug auf ihre Beziehungen zu den ihnen oder anderen öffentlichen Auftraggebern unterstellten staatlichen, halbstaatlichen oder privaten Einrichtungen auferlegt werden. Dieser Aspekt wird übrigens in der Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen über Konzessionsverträge und öffentlich-private Partnerschaften vom April 2000 deutlich dargelegt. Nach Ansicht des Ausschusses sollten die dort genannten Grundsätze in die Richtlinie aufgenommen werden.

2.12. Genauso wenig sollten auf bestimmten Märkten monopolähnliche Zustände zum Vorteil von Privatunternehmen herrschen. Es ist sicherzustellen, dass weder öffentliche noch private Akteure bei der Vergabe öffentlicher Aufträge diskriminiert werden, dass für alle Teilnehmer genau dieselben Wettbewerbsbedingungen gelten und diese Bedingungen mit den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft in Einklang stehen.

3. Spezifische Bemerkungen zu den vorgeschlagenen Änderungen

3.1. Die Kommission stützt sich auf zwei Grundsätze, die der Ausschuss befürwortet:

3.1.1. Die Kommission hat angekündigt, dass sie Vorschläge unterbreiten wolle, um die Sektoren oder Leistungen vom Anwendungsbereich der Richtlinie 93/38/EWG (Wasser, Energie, Verkehr und Telekommunikation) auszunehmen, bei denen im jeweiligen Mitgliedstaat ein tatsächlicher Wettbewerb herrscht. Angesichts der vollständigen Liberalisierung des Telekommunikationssektors zum einen und der Entwicklung in den anderen Sektoren im Anwendungsbereich der Richtlinie 93/38/EWG enthält der Kommissionsvorschlag unterschiedliche Lösungen für diese Bereiche. Dies kann nur gutgeheißen werden.

3.2. Der Rechtsrahmen für die Liberalisierung des Telekommunikationssektors stützt sich auf die Artikel 86 und 95 des EG-Vertrags. Nach der Richtlinie 90/388/EWG, geändert durch Richtlinie 96/19/EG, mussten die Mitgliedstaaten bis spätestens 1. Januar 1998 die erforderlichen Maßnahmen veranlassen, um für jedes Unternehmen das Recht sicherzustellen, Telekommunikationsleistungen zu erbringen oder die für die Erbringung solcher Leistungen erforderlichen Telekommunikationsnetze einzurichten oder bereitzustellen. Die Maßnahmen wurden tatsächlich in einzelstaatliche Rechtsvorschriften umgesetzt (nationale Regulierungsbehörden, Genehmigung, Zusammenschaltung, Universaldienst, Gebühren usw.), so dass die Kommission zu dem Schluss gelangt ist, dass die Aufträge im Zusammenhang mit der Mehrzahl der Telekommunikationsdienste in der Mehrzahl der Mitgliedstaaten nicht mehr als Teil des Anwendungsbereichs der Richtlinie betrachtet werden(8). Der Ausschuss nimmt dies zur Kenntnis, fragt sich jedoch, wie die Kommission die Liberalisierung in den anderen von der Richtlinie 93/38/EWG erfassten Sektoren vorantreiben will. Artikel 29 scheint einen ausreichenden Rahmen zu bieten, dürfte jedoch zu sehr unterschiedlichen Situationen in den einzelnen Mitgliedstaaten führen.

3.3. Der Ausschuss stellt die Notwendigkeit in Frage, im Zuge der Neufassung der "klassischen" Richtlinien - parallel zu dem hier behandelten Vorschlag - Bestimmungen vorzusehen, die Einrichtungen der öffentlichen Hand vom Anwendungsbereich dieser Richtlinien auszunehmen, was die Beschaffungen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit im Telekommunikationssektor angeht. Der Ausschuss fragt sich, nach welchem Grundsatz die Einrichtungen der öffentlichen Hand eigentlich vom Wettbewerb in diesem Bereich ausgenommen werden sollen (siehe Artikel 15 der neugefassten Richtlinie).

3.4. In Bezug auf die technischen Spezifikationen hält der Ausschuss die Neuformulierung in Bezug auf die Leistungs- oder Funktionsanforderungen für eine deutliche Verbesserung, die es ermöglicht, verschleierte Hemmnisse im Wettbewerbsprozess zu bekämpfen. Was die Spezifikationen angeht, die Gegenstand von Artikel 34 sind und laut Absatz 3 "unter Bezugnahme auf europäische Normen [...] zu formulieren" sind, so sollte darauf hingewiesen werden, dass diese Referenzen ausdrücklich zitiert und in den Verdingungsunterlagen genau aufgelistet werden müssen, denn ein Auftragnehmer kann einen Auftrag nur dann vollwertig erfuellen, wenn er sich auf klare Vorschriften und Bezugsgrößen stützen kann.

3.5. Die Anerkennung der Vertraulichkeit (Artikel 12) der von den Wirtschaftsteilnehmern zur Verfügung gestellten Informationen steht im Einklang mit der Förderung von innovativen Unternehmen durch den Schutz des geistigen Eigentums. Es wäre jedoch angebracht, in einem so wichtigen Text den Anwendungsbereich des Vertraulichkeitsprinzips etwas klarer abzustecken, insbesondere in Bezug auf seinen Gegenstand und seine Dauer. Nach Ansicht des Ausschusses muss sich das Vertraulichkeitsprinzip nicht nur auf die Angebote, sondern auf sämtliche den Auftraggebern übermittelten Vorschläge sowie alle gewerblichen oder die Unternehmen betreffenden Informationen erstrecken(9). Dies ließe sich unter Bezugnahme auf Artikel XIV des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen regeln. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft das geistige Eigentum der Bieter eindeutig schützen und jeden Versuch, "die Rosinen aus dem Kuchen zu picken" (cherry picking), der das Prinzip einer redlichen und fairen Konsultation aushöhlt, verurteilen müssen.

4. Bemerkungen zu den Konsultationsverfahren

4.1. Die Einführung elektronischer Vergabeverfahren ist aufgrund der technischen Entwicklung unerlässlich. Es herrscht Ungewissheit über die Sicherheit dieser Kommunikationsformen und der Ausschuss fordert, dass die Sicherung der elektronischen Kommunikation und der Datenspeicherung Vorbedingung für jede Neuerung bei den Konsultationsverfahren ist. Die Kommission hält es für möglich, durch die elektronische Übermittlung die bisher notwendige Frist von 12 Tagen für die Übermittlung an das Amt für Veröffentlichungen und die Veröffentlichung im Amtsblatt auf fünf Tage zu verkürzen. Der Ausschuss hält dies für übertrieben und bezweifelt, dass diese Fristverkürzung der Förderung des europäischen Wettbewerbs dient, zumal es um komplexe Leistungen geht, die auf Seiten der Unternehmen häufig Vorstudien und Bedenkzeiten erfordern, bevor sie sich um einen Auftrag bewerben. Unter diesen Bedingungen laufen die KMU Gefahr, auf ernsthafte Schwierigkeiten bei der Bearbeitung der Ausschreibungen zu stoßen.

4.2. Der Ausschuss ist außerordentlich erfreut über die Verschärfung der Bestimmungen für die Zuschlags- und Auswahlkriterien. Es ist sehr vernünftig, von vornherein allgemein vorzuschreiben, dass die Gewichtung der einzelnen Kriterien so früh wie möglich im Verfahren bekannt gegeben werden muss. In der neuen Richtlinie nun soll die Verpflichtung eingeführt werden, dass bereits bei der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen die Kriterien relativ gewichtet werden müssen(10). Der Ausschuss unterstützt nachdrücklich die Gewichtung der einzelnen Kriterien zur Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots, denn dadurch wird die Transparenz der Auftragsvergabe und die Gleichbehandlung der Bieter gewährleistet. Auch die Anwendung von beschränkten Verfahren und Verhandlungsverfahren, bei denen über von vornherein angegebene objektive Kriterien die Zahl der Bewerber eingeschränkt wird, ist gutzuheißen. In der Aufzählung im Rahmen von Artikel 54 könnten soziale und ökologische Kriterien unter der Bedingung berücksichtigt werden, dass sich dies weder direkt noch indirekt diskriminierend auswirkt. Diese Kriterien müssen unbedingt mit dem Hauptzweck des Auftrags vereinbar sein. Die Anwendung sozialer Kriterien darf bei der Auswahl der Bewerber oder der Vergabe der Aufträge nur im Einklang mit der derzeitigen Rechtsprechung des EuGH, d. h. nur im Falle gleichwertiger Angebote, eine Rolle spielen.

4.3. Im Falle ungewöhnlich niedriger Angebote (Artikel 55) sollten die Auftraggeber verpflichtet sein, diejenigen Angebote zu prüfen, die im Verhältnis zu den anderen, gemäß den Bestimmungen des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (Artikel XIII Absatz 4 Buchstabe a) eingereichten Angeboten ungewöhnlich niedrig sind. Ferner sollte ausdrücklich festgelegt werden, dass die betreffenden Angebote bei unzulänglichen Begründungen obligatorisch abzulehnen sind. Es muss eine effektive Bekämpfung des Sozialdumpings stattfinden, das den Markt für öffentliche Aufträge ernsthaft stört, denn die unterschiedlichen sozialen Rechte in den Mitgliedstaaten und den Nachbarstaaten der Europäischen Union ermöglichen Wettbewerbsverzerrungen. In dem Richtlinienvorschlag werden die Auswirkungen einer solchen Wettbewerbsverzerrung nicht angesprochen. Nach Ansicht des Ausschusses sollten die wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen des Sozialdumpings aber behandelt werden. Deshalb sollte Folgendes hinzugefügt werden: "Die Auftraggeber müssen bei der Prüfung der Angebote die tatsächliche Einhaltung der Verpflichtungen in Bezug auf den Arbeitnehmerschutz, das Arbeitsrecht und das entsprechende Sozialsystem des Gastlandes berücksichtigen".

4.4. Im Zusammenhang mit Artikel 52 weist der Ausschuss darauf hin, dass bestimmte Mitgliedstaaten die Zertifizierung von Dienstleistungen eingeführt haben und dass diese Art der Zertifizierung in die in diesem Artikel aufgeführten Kriterien aufgenommen werden sollte. Dies sollte jedoch nicht zu einer verschleierten Behinderung des Wettbewerbs Anlass geben, und es sollte deshalb möglich sein, entsprechende Regelungen zu verabschieden.

4.5. Die Zulassung von Änderungsvorschlägen im Rahmen von Artikel 36 bei Aufträgen, die nach dem Kriterium des wirtschaftlich günstigsten Angebots vergeben werden, sofern sie die vorgeschriebenen Leistungsanforderungen erfuellen, ist zu begrüßen.

4.6. Artikel 37 betreffend Unteraufträge entspricht nicht der üblichen Praxis in allen Mitgliedstaaten, insbesondere was die vorgesehenen Unterauftragnehmer anbelangt. Der Ausschuss plädiert dafür, den bislang geltenden Wortlaut wiederherzustellen.

4.7. Der Ausschuss wirft im Zusammenhang mit der Anwendung der elektronischen Verfahren insbesondere in Bezug auf Artikel 46 die Frage nach den Beweismitteln auf und ist der Ansicht, dass die Mechanismen für die elektronische Unterschrift und die Verschlüsselung ausgebaut werden sollten.

4.8. Es ist Sache der Auftraggeber, den spezifischen notwendigen Aufwand (Artikel 53) und die notwendige Erfahrung für die Durchführung eines bestimmten Auftrags festzulegen, wodurch eine wirksame Auswahl der Bewerber in Abhängigkeit von ihrer Eignung, den Auftrag optimal zu erfuellen, ermöglicht wird. Bei nichtoffenen Verfahren und im Verhandlungsverfahren mit der Veröffentlichung einer Bekanntmachung muss eine eventuelle Begrenzung der Bewerberzahl mit dem für die Durchführung notwendigen Aufwand und der erforderlichen Eignung begründet werden, wodurch die Transparenz dieser Verfahren verbessert wird. Der Ausschuss kritisiert jedoch, dass die Kommission soziale Aspekte nicht bei den Kriterien für die Auftragsvergabe aufführt, und empfiehlt eine entsprechende Ergänzung von Artikel 53 in diesem Sinne.

4.9. Die Aufstellung von Leistungsanforderungen an die Unternehmen ist ein wichtiger Fortschritt in den beiden neuen Richtlinien und wird vom Ausschuss unterstützt.

4.10. Die gegenwärtigen Schwellenwerte sind sehr kompliziert und sollen daher vereinfacht werden. Zum einen sollen die Schwellenwerte für Aufträge, die unter das Beschaffungsübereinkommen fallen, und solche, die nicht darunter fallen, gleich sein. Ferner sollen alle Schwellenwerte direkt in Euro ausgedrückt und auf volle hunderttausend unterhalb der im Beschaffungsübereinkommen vorgesehenen Schwellenwerte abgerundet werden. Durch diese Vereinbarung gelangt man zu zwei Schwellenwerten:

- 5300000 Euro für Bauaufträge, unabhängig davon, in welchem Sektor der Auftraggeber tätig ist, und

- 400000 Euro für Liefer- und Dienstleistungsaufträge sowie Wettbewerbe, unabhängig vom Sektor, in dem der Auftraggeber tätig ist und unabhängig von der vergebenen Leistung.

Der Ausschuss begrüßt diese Vereinfachungen.

4.11. Die Verwendung eines gemeinsamen Vokabulars für öffentliche Aufträge (Common Procurement Vocabulary - CPV) geht auf eine Empfehlung der Kommission aus dem Jahr 1996 zurück(11). Diese Systematik stellt eine Weiterentwicklung und eine Verbesserung der CPA und der NACE-Nomenklaturen dar, da sie besser an die Besonderheiten öffentlicher Aufträge angepasst ist. Da das CPV Gegenstand eines Vorschlags für eine Verordnung des Rates und des Europäischen Parlaments ist, durch die es als offizielle gemeinschaftliche Systematik für öffentliche Aufträge gelten wird und in der seine Aktualisierung geregelt wird, ist es nach Ansicht des Ausschusses nicht angebracht, es in diese Richtlinie aufzunehmen.

4.12. An die Stelle der Monopole ist in Europa schrittweise ein wettbewerbsfreundliches Umfeld getreten, insbesondere im Bereich der Informationstechnologien, doch kommt es nach wie vor zu verborgenen, erheblichen Wettbewerbsverzerrungen. So ist beispielsweise die digitale Verbreitung juristisch gesehen dem Wettbewerb geöffnet, doch werden die Akteure in einigen Mitgliedstaaten ungleich behandelt, indem den öffentlichen Betreibern besonders günstige Bedingungen eingeräumt werden, sodass sie so lange wie möglich ihre Monopolstellung dahingehend nutzen können, über Quersubventionen neue, angeblich wettbewerbsorientierte Tätigkeiten zu starten. Der Ausschuss kritisiert, dass dieser Aspekt in der neuen Richtlinie zu nachlässig behandelt wird.

Brüssel, den 26. April 2001.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Göke Frerichs

(1) KOM(96) 583 endg.

(2) ABl. C 287 vom 22.9.1997, S. 92; Berichterstatter: Herr Malosse.

(3) Richtlinie 93/38/EWG über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor ("Sektorenrichtlinie"), zuletzt geändert durch Richtlinie 98/4/EG; die Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG über die Anwendung der Nachprüfungsverfahren ("Nachprüfungsrichtlinie") (ABl. L 199 vom 9.8.1993), geändert durch die Richtlinie 94/22/EG vom 30.5.1994 (ABl. L 164 vom 30.6.1994) und die Richtlinie 98/4/EG vom 16.2.1998 (ABl. L 101 vom 1.4.1998).

(4) Stellungnahme vom 20.10.2000, ABl. C 14 vom 16.1.2001, S. 91 ff., Berichterstatter: Herr Levaux, Ziffer 4.1.3.

(5) In seinem Urteil vom 12.12.1996 erklärte der Gerichtshof, "dass die besonderen oder ausschließlichen Rechte allgemein als Rechte zu verstehen sind, die die Behörden eines Mitgliedstaats einem Unternehmen oder einer begrenzten Zahl von Unternehmen gewähren, ohne sich dabei an objektive, angemessene und nichtdiskriminierende Kriterien zu halten, und die die Fähigkeit anderer Unternehmen, im selben Gebiet zu im Wesentlichen gleichen Bedingungen Telekommunikationsnetze einzurichten oder zu betreiben oder Telekommunikationsdienste zu erbringen, wesentlich beeinträchtigen".

(6) Stellungnahme vom 20.10.2000, ABl. C 14 vom 16.1.2001, S. 91 ff., Berichterstatter: Herr Levaux, Ziffer 4.1.3.

(7) Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht, ABl. C 121 vom 9.4.2000, S. 2.

(8) Da in dem Sektor inzwischen ein echter Wettbewerb herrscht, können die Beschaffungen von Dienstleistungen in den Bereichen Sprachtelefondienst, Telex, Mobilfunk, Funkruf und Satellitenkommunikation den normalen Vorschriften für Dienstleistungsaufträge unterworfen werden, wie es bereits für andere Telekommunikationsdienste der Fall ist.

(9) Beispielsweise vorläufige Lösungskonzepte, zulässige Toleranzen, bei Verhandlungen unterbreitete Vorschläge und alles sonstige im Zusammenhang mit der Kommunikation zwischen dem Auftraggeber und den Unternehmen.

(10) Dies kann auf verschiedene Art und Weise erfolgen (prozentuale Gewichtung oder als relativer Anteil in Bezug auf ein anderes Kriterium) und kann, um einen gewissen Spielraum zu behalten, auch mittels einer Marge, innerhalb derer sich der Wert eines jeden Kriteriums befindet, angegeben werden.

(11) Empfehlung 96/527/EG der Kommission vom 30.7.1996 zur Verwendung des gemeinsamen Vokabulars für öffentliche Aufträge (CPV) für die Beschreibung des Auftragsgegenstands, ABl. L 222 vom 3.9.1996.

ANHANG

zur Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Folgender Änderungsantrag, auf den mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen entfielen, wurde vom Ausschuss im Verlauf der Beratungen abgelehnt:

Ziffer 4.3

Den letzten Satz streichen ab:

"Deshalb sollte ...."

Begründung

Hinsichtlich des Sozialdumping sollte sich der Ausschuss auf die Forderung beschränken, dass seine Auswirkungen auf den Wettbewerb beachtet werden sollten. Die hier vorgeschlagene Ergänzung von Artikel 54 würde den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen. Eine Verpflichtung der Auftraggeber, bei den Angeboten zu prüfen, ob alle derartigen nationalen Verpflichtungen auch tatsächlich eingehalten wurden, würde nicht nur einen unverhältnismäßigen Aufwand für die Verwaltungen bedeuten. Dies würde in der Wirkung auch zu gravierenden Diskriminierungen, insbesondere ausländischer Bieter, führen. Außerdem würde die Möglichkeit zahlloser Rechtsstreitigkeiten eröffnet, die Mitbewerber unter Hinweis auf nur geringfügige Rechtsverletzungen auslösen können.

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen: 46, Nein-Stimmen: 69, Stimmenthaltungen: 8.