52001AE0228

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Initiative der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung des Rates über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen"

Amtsblatt Nr. C 139 vom 11/05/2001 S. 0010 - 0014


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Initiative der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung des Rates über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen"

(2001/C 139/04)

Der Rat beschloss am 11. Oktober 2000, den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu der vorgenannten Initiative zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 7. Februar 2001 an. Berichterstatter war Herr Hernández Bataller.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 379. Plenartagung am 28. Februar 2001 und 1. März 2001 (Sitzung vom 28. Februar) mit 117 gegen 1 Stimme bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Durch die internationale gegenseitige Rechtshilfe sollen die Schwierigkeiten überwunden werden, die im Prozessverlauf auftreten, wenn bestimmte Prozesshandlungen vorgenommen werden sollen, die richterlichen Befugnisse jedoch nicht außerhalb des Hoheitsgebiets des eigenen Mitgliedstaats ausgeübt werden können.

1.2. Um ein Verfahren zu Ende zu führen, in dem ein Rechtsverkehr mit dem Ausland erforderlich ist, müssen eine Reihe von Prozesshandlungen wie Zustellungen, Vorladungen oder Beweiserhebungen in einem anderen Staat vorgenommen werden.

1.3. Das System der Beweismittel und deren Zulässigkeit unterliegt herkömmlicherweise Verfahrensregeln, die in der "lex fori" festgelegt sind:

- die allgemeine Beweismittelregelung: Ist die Anzahl der Beweismittel offen oder ist sie erschöpfend aufgezählt (numerus apertus o clausus), und welche sind in letztgenanntem Fall zulässig;

- unter welchen Voraussetzungen können von einer ausländischen Behörde ausgestellte Dokumente herangezogen werden.

1.4. Die Probleme bei der internationalen Beweiserhebung sind zu einem guten Teil auf die unterschiedlichen einzelstaatlichen Regelungen auf dem Gebiet der Beweiserhebung zurückzuführen. Die wichtigsten Unterschiede lassen sich unter drei Aspekten ausmachen:

a) eine mehr oder minder wichtige Rolle, die der Richter im Beweiserhebungsverfahren spielt: während in einigen Rechtsordnungen die Beweiserhebung zum guten Teil vom Richter angeordnet und durchgeführt wird, ist sie in anderen unmittelbare Aufgabe der Parteien selbst;

b) die Beweiserhebung als Vorverfahren oder eigentliche Prozesshandlung: während in einigen Rechtsordnungen die Beweiserhebung grundsätzlich im Rahmen eines bereits eröffneten Prozesses stattfindet, wobei die Klageanträge bereits klar formuliert sind, findet sie in anderen Rechtsordnungen zum großen Teil vor Eröffnung des eigentlichen Prozesses und vor der genauen Festlegung der Klageanträge statt;

c) der Grad, in der einzelne Rechtssubjekte der Beweiserhebung unterliegen; während in einigen Rechtsordnungen Dritte Verpflichtungen im Beweiserhebungsverfahren haben und die Parteien nicht, haben in anderen sowohl die Parteien als auch Dritte Mitwirkungspflichten.

2. Lösungen des internationalen Privatrechts

2.1. Wenn nach dem Recht des Staates A eine Beweiserhebungshandlung im Gebiet des Staates B erforderlich ist, gibt es zwei Möglichkeiten:

- Wenn es das Recht des Staates B erlaubt, kann die betreffende Partei bei den Behörden dieses Staates eine Beweiserhebung beantragen, die sie dann im Hauptprozess im Staat A verwenden kann.

- Die andere Möglichkeit ist, die Beweiserhebung bei den Behörden des Staates A zu beantragen. Die betreffende Partei kann sich an das erkennende Gericht im eigentlichen Verfahren wenden und bei diesem beantragen, dass es die Beweiserhebung im Staate B anordnet. In diesem Fall gibt es wiederum zwei Möglichkeiten:

a) Die Beweiserhebungshandlungen werden auf diplomatischem bzw. konsularischem Weg vorgenommen. In diesem Fall werden die Beweiserhebungshandlungen vom diplomatischen bzw. konsularischen Vertreter des Staates A im Staate B besorgt (passive Zusammenarbeit).

b) Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass die Beweiserhebungshandlungen von einer Behörde des Staates B vorgenommen werden. Diese Zusammenarbeit wird im Wege der Rechtshilfe beantragt, wonach sich der Richter des Staates A an die Behörde des Staates B wendet, wo sich die Beweise befinden, damit die ersuchte Behörde die Beweise erhebt (aktive Zusammenarbeit).

2.2. Die internationale gegenseitige Rechtshilfe ermöglicht es, bei der zuständigen Behörde eines anderen Staates die Vornahme einer Untersuchungshandlung zu beantragen, insbesondere was die Beweiserhebung betrifft; dieser Antrag führt zur Ausfertigung eines "Rechtshilfeersuchens"(1), in dessen Rahmen der Antrag erledigt wird.

2.3. Die Frage der Beweiserhebung in anderen Staaten im Wege von Rechtshilfeersuchen ist spezifisch im Haager Übereinkommen von 1954 über den Zivilprozess und insbesondere im Haager Übereinkommen vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen geregelt, das folgende Hauptmerkmale aufweist:

- Das Übereinkommen findet auf Zivil- und Handelssachen Anwendung.

- Das Kooperationsersuchen ergeht in Form von Rechtshilfeersuchen und erfolgt über ein System von Zentralstellen.

- Das Rechtshilfeersuchen muss ausreichende Angaben enthalten, damit die Beweiserhebung zweckdienlich und effizient vorgenommen werden kann, und im Prinzip muss es in der Sprache des ersuchten Staates abgefasst sein oder es muss eine Übersetzung beiliegen.

- Im Recht des ersuchten Staates sind festgelegt: die zuständigen Behörden, die die im Rechtshilfeersuchen beantragte Beweiserhebung vornehmen, die Form, in welcher dies geschieht, und die verfügbaren Zwangsmittel.

- Die Vornahme der Beweiserhebung wird den Parteien mitgeteilt, damit diese auf dem Laufenden sind, möglich ist auch die Anwesenheit eines Richters aus dem ersuchenden Staat, soweit dies der ersuchte Staat erlaubt.

- Die Gründe für eine Ablehnung der Zusammenarbeit sind beschränkt: Wenn der ersuchte Staat der Auffassung ist, dass seine Souveränität oder Sicherheit berührt sein kann, oder wenn die beantragte Handlung nicht unter den Zuständigkeitsbereich der Jurisdiktionsgewalt des ersuchten Staates fällt.

2.4. Das Haager Übereinkommen vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen ist gegenwärtig in elf Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Kraft, die Ratifizierung steht noch aus in Österreich, Belgien, Griechenland und Irland.

2.5. Es wäre indes aus Gründen der Rechtssicherheit angebracht, wenn die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten, die das Haager Übereinkommen vom 18. März 1970 ratifiziert haben und die Adressaten dieses Verordnungsvorschlags sind, und den übrigen Mitgliedstaaten mit Hilfe eines Rechtsinstruments geregelt würden, das den Geist und den Inhalt dieses Verordnungsvorschlags in größtmöglichem Umfang widerspiegelt.

3. Der Verordnungsvorschlag

3.1. Die Union hat sich zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem die Freizügigkeit gewährleistet ist, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Zum schrittweisen Aufbau dieses Raums erlässt die Gemeinschaft unter anderem im Bereich der justitiellen Zusammenarbeit in Zivilsachen die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Maßnahmen.

3.2. Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung vom 15. und 16. Oktober 1999 in Tampere daran erinnert, dass im Rahmen von Artikel 65 des Vertrags neue verfahrensrechtliche Vorschriften für grenzüberschreitende Fälle, insbesondere im Bereich der Beweisaufnahme, auszuarbeiten sind.

3.3. Für eine Entscheidung in einem bei einem Gericht eines Mitgliedstaats anhängigen zivil- oder handelsrechtlichen Verfahren ist es oft erforderlich, in einem anderen Mitgliedstaat Beweisaufnahmen oder andere gerichtliche Handlungen durchzuführen. Es wird daher vorgeschlagen, die in der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000(2) über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten niedergelegten Grundsätze anzuwenden.

3.4. Es wurde jedoch für zweckmäßig erachtet, aus dem Anwendungsbereich des Verordnungsvorschlags die Maßnahmen der Vollstreckungshilfe auszuklammern, die unter folgende Regelungen fallen:

- die Verordnung über Insolvenzverfahren;

- das Brüsseler Übereinkommen von 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.

3.5. Obwohl die Übermittlung der Ersuchen um Vornahme einer gerichtlichen Handlung und deren Erledigung direkt und auf schnellstmöglichem Wege zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten erfolgen müssen, ist ausdrücklich vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten erklären können, dass sie nur eine einzige Übermittlungs- oder Empfangsstelle bzw. eine Stelle, die beide Funktionen zugleich wahrnimmt, für einen Zeitraum von fünf Jahren bezeichnen wollen.

3.6. Damit ein Hoechstmaß an Klarheit und Rechtssicherheit gewährleistet ist, müssen die Ersuchen um Vornahme einer gerichtlichen Handlung anhand eines Formblatts übermittelt werden, das in der Sprache des Mitgliedstaats des ersuchten Gerichts oder in einer anderen von diesem Staat für administrative oder gerichtliche Zwecke anerkannten Sprache auszufuellen ist.

3.7. Ein Ersuchen um Vornahme einer gerichtlichen Handlung muss innerhalb von zwei Monaten erledigt werden, und falls dies nicht möglich ist, muss das ersuchte Gericht gehalten sein, das ersuchende Gericht hiervon unter Angabe der Gründe, die einer zügigen Erledigung des Ersuchens entgegenstehen, in Kenntnis zu setzen.

3.8. Die Möglichkeit, die Erledigung eines Ersuchens um Vornahme einer gerichtlichen Handlung abzulehnen, ist auf eng begrenzte Ausnahmefälle zu beschränken.

3.9. Es steht den Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien der Haager internationalen Übereinkommen sind, frei, Übereinkünfte zur Beschleunigung oder Vereinfachung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Beweisaufnahme zu treffen, sofern diese Übereinkünfte mit dem Verordnungsvorschlag vereinbar sind.

3.10. Gemäß den Artikeln 1 und 2 des Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands beteiligen sich diese Mitgliedstaaten nicht an der Annahme des Verordnungsvorschlags, sie können sich jedoch in Zukunft binden, wenn sie dies wollen. Dänemark beteiligt sich gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über seine Position nicht an der Annahme des Verordnungsvorschlags.

4. Allgemeine Bemerkungen

4.1. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss erklärt sich mit Folgendem einverstanden:

- der Wahl des wegen seines Mehrwerts zweckdienlichen Rechtsinstruments einer Verordnung, da diese in allen ihren Bestandteilen bindend und in jedem Mitgliedstaat unmittelbar anwendbar ist;

- vorbehaltlich nachstehender Bemerkungen dem Inhalt des vorliegenden Verordnungsvorschlags.

4.1.1. Der Ausschuss begrüßt die Weiterentwicklung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in der Europäischen Union, wozu u. a. auch die Verabschiedung von Maßnahmen im Bereich der erforderlichen justitiellen Zusammenarbeit in Zivilsachen gehört, damit der Einzelne und die Unternehmen angesichts der Unvereinbarkeit bzw. Komplexität der Rechts- und Verwaltungsordnungen der Mitgliedstaaten nicht behindert oder entmutigt werden, ihre Rechte wahrzunehmen.

4.2. Die Schaffung eines europäischen Raums des Rechts erfordert zwingend eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Gerichten und daher eine Vereinfachung und Straffung der Verfahren, damit Funktionsstörungen und Verzögerungen behoben werden können.

4.3. Der Ausschuss hat sich bereits für die Aufhebung des im Vertrag von Amsterdam vorgesehenen Übergangszeitraums für den schrittweisen Aufbau eines "Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" ausgesprochen(3), da die von den Vertretern der Mitgliedstaaten in diesem Bereich vor Abschluss dieses Vertrags angenommenen Rechtsakte nicht bzw. nicht einheitlich durchgeführt wurden.

4.4. Es wäre wünschenswert, dass im Wortlaut des Vorschlags hervorgehoben wird, dass der Akzent in der vorgeschlagenen Verordnung auf die Stärkung bzw. Verbesserung der Rechte der Rechtsuchenden, insbesondere der Bürger der Mitgliedstaaten, gelegt werden soll. Der Ausschuss hebt hervor, dass die Rechtstexte verständlich sein und den Zugang zum Recht erleichtern sollten.

4.4.1. Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass die Meinung der verschiedenen betroffenen Stellen zu dem Verordnungsvorschlag eingeholt werden sollte, der beispielsweise den einzelstaatlichen Parlamenten und den zuständigen Rechtspflegeorganen übermittelt werden sollte, damit er eine größtmögliche Verbreitung, Erörterung und Bekanntheit erfährt.

4.5. Dem Ausschuss bereitet es Sorge, dass in den einzelnen Mitgliedstaaten Normenkonflikte verursacht werden könnten, insbesondere was die Beweislast oder die Zulässigkeit bestimmter Beweismittel betrifft. Die Verabschiedung der Verordnung darf keine Verringerung des Schutzniveaus der Schutznormen für sämtliche Bürger, insbesondere der schwächsten Schichten, bewirken.

4.5.1. Man sollte eine mögliche Änderung der Beweislastregeln erwägen, wenn der Kläger diskriminierende Tatsachen vorbringt oder wenn die Beweismittel nur einer der Parteien zur Verfügung stehen und sich auf den Prozessgegenstand beziehen bzw. die Effizienz der Beweismittel berühren können.

4.5.2. Der Ausschuss befürwortet bei Normenkonflikten die Anwendung des Rechts des ersuchenden Mitgliedstaats. Es wäre daher angebracht, bei Rechtsstreitigkeiten zwischen Parteien unterschiedlicher Staatsangehörigkeit, die bei dem Gericht eines Staates anhängig sind, der Vertragspartei des Brüsseler Übereinkommens vom 27.7.1968(4) ist, die Rechtsprechung des Gerichtshofes auf diese Art von Normenkonflikten auszudehnen, der die Anwendung der Konfliktnormen des örtlich zuständigen Gerichts empfiehlt.

4.6. Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass die in Artikel 3 des Verordnungsvorschlags genannten Übermittlungs- und Empfangsstellen eine Ausnahmeregelung darstellen, die dem allgemeinen Grundsatz des unmittelbaren Geschäftsverkehrs zwischen den Gerichten zuwider- läuft; diese Regelung ist daher mit den Kriterien der gemeinschaftsweiten Vereinfachung und Harmonisierung nicht vereinbar.

5. Besondere Bemerkungen

5.1. Der örtliche Anwendungsbereich des Vorschlags kann bei der konkreten Anwendung Anlass zu Zweifeln geben. Es sollten die Besonderheiten bestimmter in Artikel 299 EGV genannter Gebiete und die Zuständigkeiten berücksichtigt werden, die einige Mitgliedstaaten im Hinblick auf diese Gebiete haben. Es muss daher festgelegt werden, dass unabhängig von der konkreten Vornahme der Beweiserhebung die Festlegung der diesbezüglichen zuständigen Stellen von der nationalen Behörde vorgenommen werden muss, die die auswärtige Zuständigkeit des Staates verkörpert und somit die Legitimität der Rechtsakte dieser Stellen gewährleistet. Die Mitgliedstaaten müssen die diesbezüglichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen.

5.2. Der Ausschuss äußert Bedenken, weil in dem Vorschlag der sekundäre Charakter der darin vorgesehenen Verfahrensvorschriften für die in der Verordnung über Insolvenzverfahren(5) geregelten Bereiche festgelegt ist, und nur spezifische Bereiche von der Anwendung ausgeklammert sind (beispielsweise Kreditinstitute und sonstige Finanzdienstleistungsunternehmen).

5.3. Artikel 11 Absatz 3 des Vorschlags kann mit der internen Regelung der Mitgliedstaaten zum Schutz der Grundrechte im Einklang mit dem Geist der Charta der Grundrechte der Bürger der EU kollidieren. Es sollte ausdrücklich ein Anwendungsvorbehalt festgelegt werden, der die Einhaltung dieser Rechte garantiert, unbeschadet des Systems der Garantien, die diesbezüglich durch die Gesetzgebung bzw. Rechtsprechung der Mitgliedstaaten festgelegt sind.

5.3.1. Der Ausschuss befürwortet hinsichtlich der Grundrechte im Einklang mit der Charta der Grundrechte ein hohes Schutzniveau, insbesondere was die in Artikel 6 des Europäischen Übereinkommens zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten genannten Rechte betrifft, die die Waffengleichheit zwischen den Prozessparteien garantieren.

5.3.2. In Artikel 11 sollte ein neuer Absatz 5 mit folgendem Wortlaut angefügt werden: "Die einzelstaatlichen Behörden haben den von den Behörden eines anderen Mitgliedstaats ausgestellten standesamtlichen Urkunden (oder sonstigen Dokumenten, die im Anwendungsbereich dieser Verordnung Beweiskraft haben) dieselbe Beweiskraft zuzuerkennen wie den von ihnen selbst ausgestellten Urkunden". Diese Formulierung stimmt mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften besser überein(6).

5.3.3. Der Ausschuss ist jedenfalls der Auffassung, dass für Bescheinigungen von Behörden eines Mitgliedstaats im Binnenmarkt unbeschadet der Normen der öffentlichen Ordnung ("ordre public") ähnliche Grundsätze gelten sollten wie für die "gegenseitige Anerkennung".

5.4. In den Ablehnungsgründen für die Erledigung sollte ausdrücklich festgelegt werden, dass ein Gericht die Erledigung eines Ersuchens aus Gründen höherer Gewalt in Fällen ablehnen kann, die nicht von Artikel 11 Absatz 2 erfasst sind, der sich nur auf "besondere Formen" zu beziehen scheint.

5.4.1. Was Artikel 13 Absatz 3 des Vorschlags betrifft, so sollte für Konfliktfälle eine Ad-hoc-Lösung festgelegt werden. Der derzeitige Wortlaut des Vorschlags würde implizit eine Unterwerfung des Gerichts des Mitgliedstaats, der seine Zuständigkeit für die Sache in Anspruch nimmt, gegenüber dem Mitgliedstaat bedeuten, der um die Vornahme der Beweiserhebung ersucht.

5.4.2. Aus diesem Grund hält der Ausschuss die der Zentralstelle jedes Mitgliedstaats zugewiesenen Befugnisse, um "nach Lösungswegen zu suchen, wenn bei einem Ersuchen Schwierigkeiten auftreten" (Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b) für unzureichend und ist besorgt über die Möglichkeit, dass der Rechtsweg verwehrt sein kann, was unter allen Umständen vermieden werden muss.

5.5. Es sollte deutlich gemacht werden, dass den Rechtssuchenden keine unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Kosten aus Gründen der Staatsangehörigkeit auferlegt werden dürfen. Der Ausschuss äußert seine Besorgnis, dass in Artikel 16 Absatz 2 nicht nur die "Erstattung der Auslagen" sondern auch eine "cautio iudicatum solvi"(7) (Sicherheitsleistung für Kosten) für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten vorgesehen ist, die nicht in dem Mitgliedstaat ansässig sind, der um die Vornahme der Beweiserhebung ersucht wurde. Dies wäre eine diskriminierende Maßnahme.

5.5.1. Für die Beweisführung von Rechtssuchenden muss aber auf jeden Fall eine Sicherheitsleistung in diskriminierender Form vermieden werden.

5.6. Nach Auffassung des Ausschusses müssen personenbezogene Daten, auf die im Rahmen der Beweiserhebung in Zivilsachen zurückgegriffen wird, vertraulich behandelt werden und dürfen nur zu den ursprünglich vorgesehenen Zwecken unter Einhaltung der Rechtsvorschriften für den Schutz der Privatsphäre verwendet werden.

5.6.1. Bei der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten sind die im Übereinkommen des Europarats vom 28. Januar 1981 und in der Empfehlung Nr. 8715 des Ministerkomitees des Europarats vom 17. September 1987 niedergelegten Grundsätze zu beachten.

5.7. Artikel 19 Absatz 1 des Verordnungsvorschlags könnte mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes(8) kollidieren, insofern als der Vorrang der Verordnung in ihrem Anwendungsbereich vor den Bestimmungen der von den Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkommen festgestellt wird. Nach Auffassung des Ausschusses könnte der Wortlaut dieser Bestimmung dergestalt abgeändert werden, dass der Vorrang der Verordnung vor den in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten geltenden Übereinkommen gewahrt wird und gleichzeitig die Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten eingehalten werden. Dies wäre auf jeden Fall im Hinblick auf die in Artikel 307 EGV festgelegte normative Rangordnung zwischen dem internationalen Recht und dem Gemeinschaftsrecht angemessener. Auf jeden Fall erscheint es angebracht, dass die von den Mitgliedstaaten in diesem Bereich mit Drittstaaten abgeschlossenen Übereinkommen die Vervollkommnung der im Verordnungsvorschlag vorgesehenen Regelung zum Ziel haben, ein Umstand, dem am besten durch den Abschluss sogenannter "gemischter Übereinkommen" Rechnung getragen werden könnte.

5.7.1. Artikel 19 Absatz 2 ist nach Ansicht des Ausschusses besonders positiv zu beurteilen, da diese Bestimmung zur Erreichung eines der Ziele der Union beiträgt, die Annahme von Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Beschleunigung der Beweiserhebung ermöglicht und eine rasche Durchführung grenzüberschreitender Beweiserhebungsersuchen gewährleistet. Diese Art von Übereinkünften muss jedoch den "Acquis Communautaire" respektieren und für sämtliche übrigen Mitgliedstaaten offen sein.

5.8. Der Ausschuss verweist erneut(9) auf die Notwendigkeit, dass einfache und rasche Rechtsmittelverfahren geschaffen werden müssen; daher fordert er die Kommission und den Rat auf, über die Ausarbeitung von Vorschlägen für Rechtsakte nachzudenken, durch die Verfahrensaspekte zwecks Beschleunigung der Verfahren vereinheitlicht werden (beispielsweise Schaffung eines europäischen Vollstreckungstitels).

Brüssel, den 28. Februar 2001.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Göke Frerichs

(1) Ein Rechtshilfeersuchen ist das Instrument, mit dem die Justizbehörde eines Staates bei der zuständigen Behörde eines anderen Staates die Vornahme einer bestimmten Untersuchungshandlung oder sonstiger gerichtlicher Handlungen in dessen Jurisdiktionsbereich beantragt. Im Wesentlichen betrifft dies die Vornahme einer Beweiserhebung.

(2) ABl. L 160 vom 30.6.2000, S. 37.

(3) Stellungnahme des WSA zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten"; ABl. C 368 vom 20.12.1999, S. 47.

(4) Urteil des EuGH vom 9.11.2000, CORECK MARITIME, Rechtssache C-387/98.

(5) Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren, ABl. L 160 vom 30.6.2000, S. 1-19.

(6) Urteil des EuGH vom 2.12.1997, Rechtssache Eftalia Dafeki, C-336/94, in der die deutschen Behörden den Urkunden griechischer Standesämter die Beweiskraft absprachen.

(7) Diese Praxis wurde vom Gerichtshof wiederholt verurteilt; Rechtssache C-43/95, Data Delecta, Urteil vom 26.9.1996, Urteil Hayes vom 20.3.1997; Urteil Austin vom 10.2.1997.

(8) Urteil vom 2.8.1993, Levy, Rechtssache C-158; Urteil vom 28.3.1995, Evans Medical, Rechtssache C-324/93.

(9) Stellungnahme CES 233/2000 zu dem "Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen", Berichterstatter Herr Malosse, ABl. C 117 vom 26.4.2000, S. 6.