52000DC0802

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über ein zweites paket von massnahmen der gemeinschaft für die sicherheit der seeschifffahrt im anschluss an den untergang des öltankschiffs ERIKA /* KOM/2000/0802 endg. */


MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT ÜBER EIN ZWEITES PAKET VON MASSNAHMEN DER GEMEINSCHAFT FÜR DIE SICHERHEIT DER SEESCHIFFFAHRT IM ANSCHLUSS AN DEN UNTERGANG DES ÖLTANKSCHIFFS ERIKA

Der Untergang des Öltankschiffs ERIKA im Dezember 1999 vor der französischen Küste hat den Anstoß gegeben für neue Entwicklungen bei der Durchführung der europäischen Politik für die Sicherheit der Seeschifffahrt. Nur etwa drei Monate nach diesem Unfall hat die Kommission am 21. März 2000 eine "Mitteilung über die Sicherheit des Erdöltransports zur See" herausgegeben; ihr waren einige Vorschläge für konkrete Maßnahmen beigefügt, die verhindern sollen, dass sich derartige Unfälle wiederholen.

Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung in Biarritz darauf gedrängt, dass das erste "Erika-Maßnahmenpaket" rasch angenommen wird, und die Kommission aufgefordert, unverzüglich ein weiteres Maßnahmenpaket vorzulegen, das die drei am 21. März 2000 vorgelegten Vorschläge für Rechtsakte ergänzt.

I- Zusammenfassung der vorgeschlagenen Maßnahmen, die derzeit vom Rat und vom Europäischen Parlament geprüft werden

* Die bestehende Richtlinie über die Kontrolle von Schiffen durch den Hafenstaat soll dahingehend geändert werden, dass die derzeit noch unzureichenden Kontrollen in den Häfen verschärft werden. Bei diesem Vorschlag geht es hauptsächlich darum, über unternormige Schiffe eine Sperre zu verhängen (durch Aufstellen einer ,schwarzen Liste" aller Schiffe, die nicht mehr in EU-Gewässer einlaufen dürfen) und die ,Risiko schiffe" - so auch Öltankschiffe - schärfer zu überprüfen. Infolge all dieser Änderungen wird in den Häfen der einzelnen Mitglied staaten mehr Kontrollpersonal eingesetzt werden müssen.

* Die bestehende Richtlinie über die Klassifikationsgesellschaften, denen die Mitgliedstaaten einen Großteil ihrer Kontrollbefugnisse übertragen haben, soll geändert werden, um die Tätigkeiten dieser Gesellschaften generell schärfer zu überwachen.

* Ein Verordnungsvorschlag sieht vor, dass Einhüllen-Öltankschiffe nach einem Zeitplan, wie er bereits in den Vereinigten Staaten besteht, generell verboten werden sollen. Dies würde eine beschleunigte Einführung der Doppelhüllen-Öltankschiffe, die bei einer Havarie einen besseren Schutz gegen Ölverschmutzung bieten, ermöglichen. Dem Zeitplan zufolge sollen Doppelhüllen bei den meisten Öltank schiffs kategorien ab dem Jahr 2010 obligatorisch werden.

Auf der letzen Tagung des Rates (Verkehr) vom 2. Oktober hat die Kommission darauf hingewiesen, dass es nicht dazu kommen darf, dass durch eine Verwässerung ihres Vorschlags zur Hafenstaatkontrolle die Zahl der "Risikoschiffe", die der verstärkten obligatorischen Kontrolle in den Häfen der Europäischen Union unterliegen, halbiert wird, wie es bei einer Annahme des Kompromissvorschlags des Vorsitzes der Fall wäre.

Was den Vorschlag für eine Verordnung über Doppelhüllen-Öltankschiffe anbelangt, so hat sich das gemeinsame Vorgehen im Rahmen der internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) im Oktober 2000 zugunsten einer Überprüfung der geltenden internationalen Vorschriften ausgewirkt. Die IMO plant, diese Maßnahmen, die den von der Europäischen Union geforderten Maßnahmen entsprechen, bis April 2001 zu erlassen. Der Rat müsste seinen gemeinsamen Standpunkt daher auf seiner Tagung am 21. Dezember festlegen, damit im Vorgriff auf die Vorschriften der IMO, bis zu deren Wirksamwerden mehrere Jahre verstreichen können, in jedem Fall gemeinschaftliche Rechtsvorschriften in Kraft treten.

Die Gemeinschaftsorgane müssen ihre Beratungen beschleunigen, damit der Europäische Rat auf seiner Tagung in Nizza Ende des Jahres Einvernehmen über die drei Texte feststellen kann. Der Präsident des Rates und die Präsidentin des Europäischen Parlaments haben nach dem Untergang des Chemikalientankschiffs Ievoli Sun am 31. Oktober 2000 erneut dazu aufgerufen, diese Maßnahmen beschleunigt zu erlassen.

II - Zweites Maßnahmenpaket zur dauerhaften Verbesserung des Schutzes der europäischen Gewässer vor Unfällen und Meeresverschmutzung.

1) Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit des Seeverkehrs und der Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe

Bei der Sicherheit des Seeverkehrs in den europäischen Gewässern steht viel auf dem Spiel: 90 % des Handels zwischen der Europäischen Union und Drittländern werden auf dem Seeweg abgewickelt. Das Unfallrisiko infolge des hohen Verkehrsaufkommens auf den wichtigsten europäischen Schifffahrtstraßen ist in bestimmten Verkehrsverdichtungszonen wie der Straße von Dover oder der Straße von Gibraltar besonders hoch. Darüber hinaus kann ein Unfall, zu dem es selbst außerhalb der stark frequentierten Schifffahrtsstraßen kommen kann (wie dies beim Untergang der ERIKA der Fall war), katastrophale Folgen für die Wirtschaft und die Umwelt der betroffenen Mitgliedstaaten haben.

Auch nach Annahme des ersten Maßnahmenpakets können unternormige Schiffe den Kontrollen in der Europäischen Union entgehen. Außerdem reichen die Vorschriften der geltenden Richtlinie 93/75/EWG über Meldepflichten für Schiffe, die gefährliche oder umweltschädliche Güter befördern, nicht aus, um eine genaue Erkennung und Verfolgung der Schiffe zu ermöglichen, insbesondere derjenigen, die vor den europäischen Küsten im Transit verkehren. Es ist daher wichtig, dass sich die Europäische Union mit Instrumenten ausstattet, die es ihr ermöglichen, den Transitverkehr vor ihren Küsten besser zu überwachen und zu kontrollieren und bei Seenotfällen wirksamer einzugreifen.

In dem Vorschlag ist insbesondere Folgendes vorgesehen:

- Verbesserung der Identifizierung der Schiffe mit europäischem Bestimmungshafen und der Verfolgung aller Schiffe, die Verkehrsverdichtungszonen oder Gefahrenzonen für die Seeschifffahrt passieren, sowie obligatorische Ausrüstung dieser Schiffe mit Transpondersystemen, die ihre automatische Identifizierung und eine ununterbrochene Verfolgung durch die Küstenbehörden ermöglichen.

- Ausweitung der bereits in der Richtlinie 93/75/EWG vorgesehenen Meldepflichten auf andere gefährliche oder umweltschädliche Güter, insbesondere auf an Bord befindliche Bunkertreibstoffe, da diese Erzeugnisse besonders umweltgefährdend sind.

- Vereinfachung und Harmonisierung der Verfahren für die Übertragung und Nutzung von Daten über die von den Schiffen beförderten gefährlichen oder umweltschädlichen Güter, insbesondere durch den systematischen Einsatz des elektronischen Datenaustauschs.

- Einführung der Verpflichtung, dass Schiffe, die europäische Häfen anlaufen, mit einer "Black Box" (Schiffsdatenschreiber) ausgerüstet sein müssen, um die Untersuchungen nach einem Unfall zu erleichtern und somit zu einer Verbesserung der Maßnahmen zur Vorbeugung von Unfällen auf See beizutragen. Die obligatorische Ausrüstung mit diesen Schiffsdatenschreibern wird früher und auf breiterer Basis (Frachtschiffe und Schiffe im Inlandsverkehr) als nach den IMO-Bestimmungen vorgeschrieben.

- Forcierung des Aufbaus gemeinsamer Datenbanken und der Vernetzung der Zentralstellen, die mit der Verarbeitung der aufgrund der Richtlinie gesammelten Informationen betraut sind.

- Gewährleistung einer genaueren Verfolgung der Schiffe, die ein besonders hohes Risiko für die Sicherheit des Seeverkehrs und die Umwelt darstellen, und Verpflichtung zur Weitergabe der Informationen über diese Schiffe unter den Mitgliedstaaten, damit diese im gegebenen Fall in der Lage sind, Gefahrensituationen schneller zu erkennen und Präventivmaßnahmen gegenüber diesen Schiffen zu ergreifen.

- Erweiterung der Eingriffsbefugnisse der Mitgliedstaaten als Küstenstaaten bei Unfallgefahr oder drohender Verschmutzung vor ihren Küsten (Hoheitsgewässer und offene See). Die Mitgliedstaaten haben dann folgende Möglichkeiten: Für ein Schiff, das eine Bedrohung für ihre Küsten darstellt, wird eine Routenänderung angeordnet, der Kapitän des Schiffes wird in Verzug gesetzt, das Risiko für Umwelt oder Seeverkehrssicherheit abzustellen, an Bord wird ein Bewertungsteam abgesetzt oder der Einsatz eines Lotsen oder das Abschleppen des Schiffes wird angeordnet.

- Die Mitgliedstaaten müssen Maßnahmen ergreifen, damit in Seenot geratene Schiffe in Schutzhäfen aufgenommen werden können und damit Schiffen das Auslaufen untersagt werden kann, wenn außergewöhnliche Witterungsbedingungen herrschen, bei denen die Sicherheit oder die Umwelt erheblich gefährdet wären.

2) Verbesserung der bestehenden Regelungen für die Haftung und Entschädigung bei verschmutzungsbedingten Schäden

Seit den siebziger Jahren hat die Staatengemeinschaft im Rahmen der IMO internationale Übereinkünfte erarbeitet, mit denen detaillierte Vorschriften für Haftung und Entschädigung bei Meeresverschmutzung durch Tankschiffe erlassen wurden.

Der Kommissionsvorschlag ergänzt die vorhandene internationale zweistufige Regelung für Haftung und Entschädigung bei Ölverschmutzungsschäden durch Tankschiffe, indem ein zusätzlicher europäischer Fonds, der COPE-Fonds, eingerichtet wird, aus dem Entschädigungen bei Ölunfällen in europäischen Gewässern gezahlt werden. Eine Entschädigung aus dem COPE-Fonds erhalten nur Geschädigte, deren Ansprüche als berechtigt anerkannt wurden, die aber nach der internationalen Regelung nicht in vollem Umfang entschädigt werden konnten, weil der Entschädigungshöchstbetrag nicht ausreichte. Dieser Hoechstbetrag beläuft sich gegenwärtig auf 200 Mio. Euro.

Eine Entschädigung aus dem COPE-Fonds erfolgt daher nach den gleichen Grundsätzen und Regeln wie bei dem derzeitigen internationalen Fondssystem, jedoch mit einem Hoechstbetrag von einer Milliarde Euro, der für jedwede vorhersehbare Katastrophe als ausreichend erachtet wird. Der COPE-Fonds könnte auch genutzt werden, um die vollständige Entschädigung der durch die Verschmutzung Geschädigten zu beschleunigen.

Der COPE-Fonds wird von allen europäischen Ölempfängern finanziert. Alle Personen in einem Mitgliedstaat, die jährlich mehr als 150 000 t Erdöl und/oder Schweröl erhalten, müssen einen Beitrag zum COPE-Fonds leisten, der sich anteilig aus der erhaltenen Ölmenge ergibt.

Der COPE-Fonds wird nur in Anspruch genommen, wenn sich in EU-Gewässern ein Unfall ereignet, der die Entschädigungshöchstgrenze des IOPC-Fonds übersteigt oder zu übersteigen droht. Ereignet sich kein solcher Unfall, werden auch keine Beiträge zum COPE-Fonds fällig.

Zusätzlich zu den vorstehend beschriebenen vorgeschlagenen Haftungsbestimmungen enthält der Verordnungsvorschlag einen Artikel, mit dem eine Geldstrafe für jede Person eingeführt wird, die sich im Zusammenhang mit der Ölbeförderung zur See grob fahrlässig verhält. Diese Geldstrafe wird von den Mitgliedstaaten außerhalb des Geltungsbereichs von Haftung und Entschädigung verhängt und unterliegt somit nicht einer Haftungsbegrenzung.

3) Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs

In einem Zeitraum von nur wenigen Jahren wurde ein umfangreiches Rechtswerk im Bereich der Sicherheit des Seeverkehrs geschaffen, das die Mitgliedstaaten wirksam und einheitlich anzuwenden haben, insbesondere durch Angleichung der Verfahren und Praktiken für die Überprüfungen in den Häfen und die technische Überwachung des Zustands der Schiffe sowie durch Einstellung einer ausreichenden Zahl von Besichtigern, da die Anzahl der tatsächlich besichtigten potenziell gefährlichen Schiffe von etwa 700 im Jahr 1999 nach Inkrafttreten der Kommissionsvorschläge auf 6 000 ansteigen dürfte.

Die Schaffung einer Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs soll die Kommission und die Mitgliedstaaten bei Anwendung und Kontrolle der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften sowie bei der Bewertung der Wirksamkeit der geltenden Maßnahmen unterstützen. Die Agentur wird einen Personalbestand von etwa 50 Mitarbeitern haben, die sich im Wesentlichen aus den einzelstaatlichen Seeverkehrsverwaltungen und der Industrie rekrutieren.

Nach dem Kommissionsvorschlag soll die Agentur, die sich im Hinblick auf Organisation und Auftrag weitgehend an der Agentur für Flugsicherheit orientiert, insbesondere folgende Aufgaben übernehmen:

- fachliche Unterstützung bei der Ausarbeitung der Vorschläge zur Änderung gemeinschaftlicher Rechtstexte, insbesondere angesichts der Weiterentwicklung internationaler Vorschriften;

- Kontrollbesuche, um vor Ort die Bedingungen zu überprüfen, unter denen die Mitgliedstaaten die Hafenstaatkontrolle durchführen;

- Veranstaltung geeigneter Fortbildungsmaßnahmen;

- Beschaffung von Informationen und Unterhaltung von Datenbanken über die Sicherheit des Seeverkehrs, insbesondere damit die Kommission eine "schwarze Liste" unternormiger Schiffe erstellen kann. Alle Daten stehen den Besichtigern der Mitgliedstaaten zur Verfügung, die auf diese Weise unmittelbar auf alle Daten zu einem Schiff zugreifen und dieses gegebenenfalls festhalten können.

- Aufgaben im Zusammenhang mit der Überwachung der Schifffahrt und der Verwaltung von Informationen über den Schiffsverkehr;

- Aufgaben bei der Bewertung und Überwachung der Klassifikationsgesellschaften;

- Teilnahme an den Untersuchungen nach einem Schiffsunfall oder deren Koordinierung;

- Entsendung von Beratern in die Beitrittsländer, um zu prüfen, wieweit die Seebehörden dieser Länder ihren Verpflichtungen als Flaggenstaaten und Hafenstaaten nachkommen.

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SCHLUSSBEMERKUNG

Alle diese Maßnahmen, die das erste Paket ergänzen, bilden ein zusammenhängendes Ganzes, das zu einer erheblichen Verbesserung der Sicherheit des Seeverkehrs in den Gewässern und Häfen der Europäischen Union führen sollte. Damit aus diesen Vorschlägen rasch konkrete Maßnahmen werden, schlägt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat vor, die in dieser Mitteilung enthaltenen drei Vorschläge für Rechtsakte so zügig wie möglich anzunehmen.