52000DC0786

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT - Kriminalprävention in der Europäischen Union - Überlegungen zu gemeinsamen Ansätzen und Vorschläge für eine Finanzhilfe der Gemeinschaft /* KOM/2000/0786 endg. */


MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT Kriminalprävention in der Europäischen Union Überlegungen zu gemeinsamen Ansätzen und Vorschläge für eine Finanzhilfe der Gemeinschaft

(von der Kommission vorgelegt)

INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Sachverhalt und Definitionen

2.1. Rechtlicher und politischer Hintergrund

2.2. Definitionen

2.2.1. Der Begriff "Kriminalität"

2.2.2. Der Begriff "Prävention"

3. Elemente für eine europäische strategie

3.1. Begründung unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität

3.2. Ziele

3.3. Grundsätze

4. Instrumente

4.1. Weiterentwicklung der Kriminalprävention in den Politikfeldern der Europäischen Union

4.2. Kriminalpräventive Risikoabschätzung bei Rechtsvorschriften

4.3. Eine genauere Kenntnis der Kriminalitätsphänomene

4.4. Vernetzung der Akteure

4.5. Schaffung eines Förderinstruments

5. Schlussfolgerungen

1. Einleitung

Alle EU-Mitgliedsstaaten sind seit zwei Jahrzehnten mit einer Kriminalität konfrontiert, die mittlerweile zahlreiche Erscheinungsformen aufweist und nach wie vor von Besorgnis erregendem Ausmaß ist. Angriffsziele sind sowohl die Bürger und ihre Güter, die Wirtschaft und der öffentliche Sektor. Die Kosten der Kriminalität für die Gesellschaft sind hoch (Schaden für die Opfer, sozialer und politischer Schaden, volkswirtschaftlicher Schaden). Die Globalisierung und die Öffnung der Märkte für Güter, Dienstleistungen und Kapital haben Europa einen bislang unbekannten Wachstumsschub beschert, aber wohl auch zur Ausbreitung einer grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität beigetragen.

Das Gefühl der Unsicherheit bei den Bürgern ist eine Frage der individuellen oder kollektiven Wahrnehmung und entwickelt sich in der Regel unabhängig von dem Kriminalitätsphänomen. Es entbehrt zwar mitunter einer reellen Grundlage, prägt aber entscheidend die Art und Weise, wie die EU-Bürger ihre Lebensqualität einschätzen.

Die Behörden haben die Grenzen der herkömmlichen justiziellen Repression eingesehen und - in unterschiedlichem Umfang und in komplementärer Weise - Initiativen zur Kriminalitätsvorbeugung ergriffen.

Seit 1996 hat sich die Europäische Union mehrmals gezielt mit dem Thema Kriminalprävention befasst. So hat sich die Stockholmer Konferenz mit der Vorbeugung von Delikten befasst, die im Zusammenhang mit der europäischen Wirtschaftsintegration zum einen und der sozialen Ausgrenzung zum anderen stehen. Auf diese Konferenz folgten mehrere Seminare (Brüssel-1996, Nordwijk-1997, London-1998), in denen die Union schrittweise ein Vorbeugungskonzept entwickeln konnte. Eine der wichtigsten Empfehlungen dieser Seminare lautete, es müsse zwischen den Mitgliedstaaten zu einem Austausch von Know-how und Erfahrungen kommen. Dieses Thema des Austauschs von Vorgehensweisen, die Erfolge gezeitigt haben, ist seitdem immer wieder aufgegriffen worden und bildet das zentrale Element der Zusammenarbeit bei der Abwehr von Kriminalität.

Auf dem Feld der Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist die Europäische Union am gezieltesten vorgegangen. Der vom Europäischen Rat in Amsterdam 1997 angenommene Aktionsplan enthält u. a. Präventionsvorschläge, die die eher repressiv ausgerichteten Empfehlungen ergänzen. Die Strategie der Europäischen Union für den Beginn des neuen Jahrtausends vom 29. März 2000 [1], die die Fortsetzung des Aktionsplans von 1997 darstellt, verstärkt noch diese Dimension.

[1] ABl. C 124 vom 3.5.2000, S. 1-33.

Der Amsterdamer Vertrag erlaubt es der Union nunmehr, umfassender und entschiedener zu handeln. Ziel dieser Mitteilung ist es, einen Beitrag zu der Reflexion über eine europäische Präventionspolitik zu liefern, die der portugiesische Ratsvorsitz am 4. und 5. Mai 2000 im Rahmen der auf höchster Ebene veranstalteten Konferenz von Praia da Falésia eingeleitet hat. Die Kommission hat auf dieser Konferenz angekündigt, sie werde eine Mitteilung über die Kriminalitätsvorbeugung mit Vorschlägen für die Schaffung eines gemeinschaftlichen Finanzinstruments vorlegen. Sie wird die Mitteilung allen beteiligten Organen und Einrichtungen übermitteln und ihre Standpunkte einholen.

2. Sachverhalt und Definitionen

2.1. Rechtlicher und politischer Hintergrund

Der Amsterdamer Vertrag und der Europäische Rat von Tampere

Mit dem Vertrag von Amsterdam wurde insoweit ein wichtiger Schritt vollzogen, als in dessen Artikel 29 die allgemeine Kriminalität (d.h. nicht nur die organisierte Kriminalität) als eines der Felder genannt wird, in denen die Union Maßnahmen zur Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ergreifen soll. Kriminalprävention wird also nicht mehr nur aus dem Blickwinkel der organisierten Kriminalität betrachtet, sondern muss Gegenstand eines umfassenderen Konzepts sein.

Der Europäische Rat von Tampere hat die Bedeutsamkeit dieses Ziels in den Punkten 41 und 42 seiner Schlussfolgerungen herausgestellt:

"41. Der Europäische Rat ruft dazu auf, dass die Aspekte der Kriminalitätsverhütung in Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung einbezogen werden und dass nationale Programme zur Kriminalitätsverhütung weiter ausgebaut werden. Im Bereich der Kriminalitätsverhütung sollten gemeinsame Prioritäten im Rahmen der Außen- und Innenpolitik der Union entwickelt und bestimmt und bei der Ausarbeitung neuer Rechtsvorschriften berücksichtigt werden.

42. Es sollte der Austausch "bewährter Methoden" weiterentwickelt, das Netz der für die Kriminalitätsverhütung zuständigen einzelstaatlichen Behörden und die Zusammenarbeit zwischen einzelstaatlichen Einrichtungen zur Kriminalitätsverhütung ausgebaut und die Möglichkeit eines von der Gemeinschaft finanzierten Programms für diese Zwecke erkundet werden. Jugend- und Drogenkriminalität sowie Kriminalität in den Städten könnten die ersten Prioritäten für diese Zusammenarbeit darstellen."

Auch das Europäische Parlament hat mehrmals den Rat und die Mitgliedstaaten aufgefordert, Initiativen zur Verbrechensverhütung, insbesondere zur Vorbeugung städtischer Drogenkriminalität, zu ergreifen.

Die Konferenz von Praia da Falésia

Am 4. und 5. Mai 2000 hat unter portugiesischem Ratsvorsitz eine Konferenz auf Ministerebene stattgefunden, die erste Überlegungen über die mit dem EU-Vertrag gebotenen Möglichkeiten und die Umsetzung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Tampere anstellen sollte. Diese Konferenz hat den Teilnehmern die Gelegenheit geboten,

- sich über die aktuellen Initiativen, Projekte und Standpunkte der EU-Einrichtungen sowie anderer internationaler Organisationen zu informieren;

- auf der Grundlage einer ersten Bilanz der innerstaatlichen Erfahrungen die Situation in der Europäischen Union zu prüfen;

- einige Leitlinien für künftige Vorbeugungsmaßnahmen auf EU-Ebene zu skizzieren.

Angesichts der Verknüpfungspunkte zwischen Kriminalität im allgemeinen und organisierter Kriminalität im besonderen ist die Konferenz zu dem Schluss gelangt, dass eine europäische Strategie zur Kriminalitätsvorbeugung beide Aspekte erfassen müsse. Dies schließe nicht aus, dass spezifischere Maßnahmen zur Abwehr organisierter Kriminalität zu ergreifen seien.

Die Entschließung des Rates zur Vorbeugung der organisierten Kriminalität

Im Nachgang zu den ersten Empfehlungen zur Vorbeugung organisierter Kriminalität im Aktionsplan von 1997 hat der Rat beschlossen, die Europaïsche Union müsse den eingeschlagenen Weg weitergehen. In einer Entschließung von Dezember 1998 hat er die Kommission und Europol ersucht, gemeinsam bis Ende 2000 einen Bericht mit Vorschlägen für ein Vorgehen auf europäischer Ebene zur Vorbeugung organisierter Kriminalität auszuarbeiten. Diese konkreten Vorschläge sollen die in der Strategie für den Beginn des neuen Jahrtausends vorgesehenen Maßnahmen ergänzen.

Im November 1999 fand in Den Haag ein erstes Seminar statt, an dem Vertreter von Behörden, Hochschulen und Wirtschaft sowie der Zivilgesellschaft teilgenommen haben. Eine zweite Konferenz wurde im Mai 2000 in Costa da Caparica vom portugiesischen Vorsitz, der Kommission und Europol veranstaltet, um den in Den Haag eingeleiteten Dialog fortzuführen und die Elemente einer europäischen Strategie zu bestimmen. Der finnische Vorsitz hat im Juli 1999 eine Konferenz einberufen, die sich mit der Rolle der Strafverfolgungsbehörden bei der Prävention von Drogenkriminalität befasst hat.

Das Kommission/Europol-Arbeitspapier, das zu einem späteren Zeitpunkt vorgelegt wird, stützt sich auf die Schlussfolgerungen dieser Seminare, die Analyse der in den Mitgliedstaaten angewandten Methoden sowie auf die Ergebnisse gezielter Studien, die aus dem Programm Falcone finanziert werden. In dem Arbeitspapier wird eine Präventionsstrategie vorgeschlagen werden, die sich auf die Analyse und Beseitigung von kriminalitätsfördernden Umständen stützt; die Umsetzung dieser Strategie würde sich auf neue Untersuchungs- und Analysestrukturen stützen, die die EU und die Mitgliedstaaten brauchen, um ihre Handlungsfähigkeit bei der Abwehr organisierter Kriminalität zu stärken.

EU- und sonstige internationale Initiativen zur Kriminalitätsvorbeugung

Auf EU-Ebene wurde die Diskussion über die Vorbeugung von Kriminalität mehrmals in Angriff genommen. Dies geschah zunächst im Zusammenhang mit bestimmten Arten von Delikten, beispielsweise dem Menschenhandel und dem sexuellen Missbrauch von Kindern. Allerdings wurde das Problem auch auf "horizontale" Art und Weise behandelt, beispielsweise in folgenden Dokumenten:

- Mitteilung der Kommission vom 14. Juli 1999 "Opfer von Straftaten in der Europäischen Union";

- Mitteilung der Kommission über die gegenseitige Anerkennung von Endentscheidungen in Strafsachen und verfahrensbeendenden Entscheidungen zur Aberkennung von Rechten - zwei für die Kriminalprävention relevante Themen;

- Aktionsplan der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung (2000-2004), zu dessen Schwerpunkten die Vorbeugung von Drogensucht und Drogenhandel gehört;

- Mitteilung der Kommission vom 28 Juni 2000 über Betrug zum Nachteil des Gemeinschaftshaushalts, die eine umfassende Strategie für die Betrugsbekämpfung beinhaltet, so dass in der vorliegenden Mitteilung auf das Thema Betrugsbekämpfung nicht näher eingegangen wird. Die Umsetzung dieser Strategie sieht unter anderem eine Stärkung der Gemeinschaftsgesetzgebung vor, um diese gegen Betrug besser zu schützen, sowie die Entwicklung einer besseren Zusammenarbeit gegen Korruption.

Außerdem gilt es nach Ansicht der Kommission die Arbeiten und Erfahrungen anderer internationaler Behörden zu nutzen und auf ein abgestimmtes Vorgehen zwischen der EU und u.a. dem Europarat und der UNO zu achten. Diese multilaterale Dimension ist für die Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität von großer Bedeutung. Das einschlägige Übereinkommen der Vereinten Nationen mit seinen Zusatzprotokollen, an deren Aushandlung die Kommission voll mitgewirkt hat, wird einen adäquaten und umfassenden Rahmen für die Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit bieten.

______

Die bisherigen Diskussionen und Beratungen haben die Kommission veranlasst, ein globales Präventionskonzept zu erarbeiten, d.h. eine Strategie, die sämtliche Erscheinungsformen des Kriminalitätsphänomens erfasst.

2.2. Definitionen

2.2.1. Der Begriff "Kriminalität"

Kriminalität umfasst alle Delikte, die von einzelnen Personen oder nichtorganisierten Gruppen begangen werden. Allerdings verbergen sich hinter diesem Begriff sehr unterschiedliche Sachverhalte:

- Kriminalität im engeren Sinne, d.h. in den innerstaatlichen Gesetzen als Verbrechen eingestufte Straftaten (z.B. Tötung/Totschlag, Vergewaltigung, unerlaubter Handel);

- Kriminelle Verhalten, die als minder schwere Straftaten gelten, aber wesentlich häufiger begangen werden (z.B. Diebstahl, Hehlerei/Unterschlagung, unerlaubte Angriffe, Betrug) ;

- Gewalt, die sich in den unterschiedlichsten Bereichen zunehmend ausbreitet (Schulen, Fußballstadien, Straßen, Familie...) ;

- Rücksichtslose Verhaltensweisen, die keine Delikte, aber Abweichungen von der sozialen Norm darstellen und, wenn sie sich häufen, in der Bevölkerung ein allgemeines Anspannungs- und Unsicherheitsgefühl erzeugen können.

Dem besonderen Charakter der organisierten Kriminalität wurde durch die Definition [2] in Artikel 1 der Gemeinsamen Maßnahme des Rates betreffend die Strafbarkeit der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union [3] Rechnung getragen:

[2] Eine sehr ähnliche Definition wurde im Rahmen des künftigen UN-Übereinkommens über grenzüberschreitende organisierte Kriminalität erarbeitet:

[3] Gemeinsame Maßnahme des Rates vom 21.12.1998, ABl. L 351/1 vom 29.12.1998.

- Eine kriminelle Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, die in Verabredung handeln, um Straftaten zu begehen, die mit einer Freiheitsstrafe (...) im Hoechstmaß von mindestens vier Jahren oder einer schwereren Strafe bedroht sind.

- Die Straftaten können Hauptzweck oder ein Mittel sein, um geldwerte Vorteile zu erlangen und gegebenenfalls die Tätigkeit öffentlicher Stellen in unzulässiger Weise zu beeinflussen.

- Unter die Straftaten nach Artikel 1 der Gemeinsamen Maßnahme fallen auch die in Artikel 2 des Europol-Übereinkommens und in dessen Anhang genannten Straftaten (schwerwiegende Formen grenzüberschreitender Kriminalität wie Drogenhandel, Menschenhandel, Schleuserkriminalität, illegaler Handel mit radioaktiven und nuklearen Stoffen, Kraftfahrzeugkriminalität usw.), soweit sie mit einer Strafe bedroht sind, die den oben genannten mindestens gleichwertig sind.

2.2.2. Der Begriff "Prävention"

Definition

Kriminalprävention wird in unterschiedlichster Weise definiert. Für die Zwecke dieser Mitteilung schlägt die Kommission folgende Begriffsbestimmung vor:

Kriminalprävention umfasst alle Tätigkeiten, die dazu beitragen, die Kriminalität als soziales Phänomen quantitativ und qualitativ zu verringern oder zu stoppen, sei es durch eine ständige, strukturierte Kooperation, sei es durch Ad-hoc-Maßnahmen. Diese Tätigkeiten können von allen potentiellen Präventionsakteuren ausgehen: Kommunen, Strafverfolgungs- und Justizbehörden, Sozialämtern, Bildungseinrichtungen, gemeinnützigen Einrichtungen, gewerblichen sowie öffentlichen Unternehmen und Banken, Forschungseinrichtungen sowie - mit Hilfe der Medien - von der breiten Öffentlichkeit.

Die Experten unterscheiden zwischen verschiedenen Präventionskonzepten: Diese sind entweder auf die Opfer, die Täter, die gefährdeten Personen (bzw. Personengruppen) oder auch auf die Risikosituationen ausgerichtet.

Daher können je nach Zielstellung drei Arten von Maßnahmen unterschieden werden:

* Verringerung der fördernden Umstände/(Gelegenheiten), so dass die Tat gefährlicher und schwieriger wird und die Täter weniger Nutzen daraus ziehen.

* Einwirkung auf die sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die für die Verbreitung der Kriminalität förderlich sind.

* Unterrichtung und Schutz der Opfer sowie Vorbeugung der Viktimisierung.

Gemeinsamkeiten der innerstaatlichen Strategien

Prävention als Ergänzung zur Repression ist ein in den Mitgliedstaaten weitgehend akzeptierter Ansatz; die einschlägigen Modelle zeitigen ermutigende Ergebnisse. Die Kommission stellt fest, dass die in den Mitgliedstaaten angewandten Strategien einige Gemeinsamkeiten aufweisen:

* interdisziplinärer Ansatz;

* Verknüpfung von Präventions-, Sicherheits- und "Begleitmaßnahmen" (Polizei- und Justizwesen, Sozial-, Bildungs-, Forschungspolitik usw.);

* partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen allen Präventionsakteuren mit der Begründung, dass Prävention nur dann wirksam ist, wenn alle gesellschaftlichen Kräfte darin eingebunden werden.

Anhand dieser Grundsätze, auf die sich sämtliche Mitgliedstaaten einigen können, lässt sich bereits jetzt ein europäisches Modell der Kriminalprävention skizzieren.

3. Elemente für eine europäische strategie

3.1. Begründung unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität

Die Mitgliedstaaten haben eine eminente Rolle bei der Kriminalprävention zu spielen, und zwar in Bereichen wie dem Strafrecht sowie der Sozial-, Bildungs-, Städte- und Steuerpolitik. Was die allgemeine Kriminalität betrifft, so geht der Trend hin zu Präventivmaßnahmen, die möglichst nahe am Geschehen sind: Dies zeigt sich an den zahlreichen örtlichen und auf Vertragsbasis durchgeführten Maßnahmen, an der Praxis des "community policing" sowie an Maßnahmen, bei denen Partner unterschiedlicher Richtungen zusammenarbeiten.

Dennoch kann eine Strategie der Europäischen Union diese Maßnahmen sinnvoll ergänzen.

Zum einen gilt die Problematik der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität für die Mitgliedstaaten als Angelegenheit von allgemeinem Interesse, für die sowohl die Instrumente der Gemeinschaft als auch der Zusammenarbeit von Justiz- und Polizeibehörden einzusetzen sind. Zum anderen hat der Europäische Rat von Tampere bereits die gemeinsamen Merkmale der allgemeinen Kriminalität herausgestellt: Es handelt sich in der Regel um eine städtische Kriminalität im Zusammenhang mit dem Drogenhandel, und in der die Jugendkriminalität einen Besorgnis erregenden Raum einnimmt. Ein eingehender Vergleich der Situation in allen EU-Mitgliedstaaten würde es sicherlich ermöglichen, weitere Konstanten festzustellen.

Des weiteren ist festzustellen, dass sich die Präventionsmethoden zunehmend ähneln, jedoch über die örtliche, regionale oder nationale Ebene hinaus nicht hinreichend bekannt sind. Der Austausch von Erfahrungen oder bewährter Verfahren, der bereits in anderen Feldern der Justiz- und Innenpolitik zu guten Ergebnissen geführt hat, könnte auch hier dazu beitragen, dass die Probleme besser gehandhabt werden.

Die EU sollte also ihre Strategie auf zwei Ebenen ansiedeln:

Zunächst muss diese Strategie auf die nationalen Präventionsmaßnahmen ausgerichtet sein. Damit die obengenannten Ziele verwirklicht werden können, müssen sich die Mitgliedstaaten entschieden für die Intensivierung ihrer Politik zur Prävention von Kriminalität, einschließlich der organisierten Kriminalität, einsetzen. Zu diesem Zweck sollten sie eigene Vorbeugungsstrategien entwickeln, oder falls es solche bereits gibt, verstärken. Die auf der Konferenz von Praia da Falésia eingeleitete Arbeit zur Bestandsaufnahme der innerstaatlichen Maßnahmen und der Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten muss fortgesetzt werden, damit ein Urteil darüber möglich ist, welches Vorgehen letztendlich auf Ebene der EU zweckmäßig wäre.

Zweitens sind diese innerstaatlichen Maßnahmen durch Maßnahmen der Europäischen Union zu ergänzen. Diese sollen nicht an die Stelle der nationalen, regionalen oder lokalen Maßnahmen treten, sondern lediglich die Verantwortungspyramide ergänzen und die Durchführung der innerstaatlichen Maßnahmen insoweit erleichtern, als sie die Themen von allgemeinem Interesse aufzeigen.

3.2. Ziele

Die Antworten auf die Herausforderung der Kriminalität werden nur dann effizient sein, wenn sie umfassend sind und von der Komplementarität der repressiven und präventiven Instrumente ausgehen: Rasche, angemessene und verhältnismäßige Sanktionen sowie eine wirksame Überwachung der Vollstreckung der Strafen dienen der Abschreckung und somit der Prävention. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass die Mitgliedstaaten gegebenenfalls Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht ahnden.

Da Prävention - definitionsgemäß - auf Handlungen abstellt, die noch nicht begangen worden sind, mithin eine verstärkte Wachsamkeit erfordert, besteht die Gefahr, dass Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, die für den Bürger übermäßige Zwänge mit sich bringen. So wird besonders darauf zu achten sein, dass die Präventionsmaßnahmen der EU die elementaren Grundrechte und Freiheiten beachten.

Die Präventionsstrategie zielt auf den Schutz sowohl des Bürgers als auch der Gesellschaft ab; die EU sollte sich daher folgende Ziele setzen:

* Verringerung der kriminalitätsfördernden Umstände/(Gelegenheiten), Erhöhung des Risikos, dass die Tat aufgedeckt und geahndet wird, Verringerung der Möglichkeiten, aus der Tat Nutzen zu ziehen;

* Reduzierung der Faktoren, die den Einstieg in die Kriminalität und die Rückfälligkeit begünstigen;

* Verhinderung der Viktimisierung, d. h. der Umstände, die bewirken, dass eine Person in eine Gefährdungssituation gerät und somit potenzielles Opfer von Straftaten wird;

* Verringerung des Unsicherheitsgefühls;

* Förderung und Verbreitung einer Kultur der Rechtmäßigkeit und des präventiven Konfliktmanagements;

* Förderung eines verantwortungsbewussten staatlichen Handelns, insbesondere Vorbeugung von Korruption;

* Verhinderung der Unterwanderung von Wirtschaft und Gesellschaft durch kriminelle Vereinigungen.

Da es sich hier um eine neue EU-Politik handelt, sollte nach Ansicht der Kommission eine Prioritätenrangfolge aufgestellt werden, die die Leitlinien des Europäischen Rates von Tampere und die ersten Ansätze der Konferenz von Praia da Falésia berücksichtigt. Bei der allgemeinen Kriminalität gilt es, das Augenmerk zunächst auf die Städte-, Jugend- und Drogenkriminalität zu richten. Bei der organisierten Kriminalität müssen die Maßnahmen vorrangig auf folgende Kriminalitätsformen abstellen: Delikte, bei denen Spitzentechnologien zum Einsatz kommen, Drogenhandel, Menschenhandel, insbesondere die Ausbeutung von Frauen, sexueller Missbrauch von Kindern, Finanzkriminalität und Fälschung des Euro.

3.3. Grundsätze

Mit Blick auf diese Ziele und ausgehend von den bisherigen Überlegungen sollte die Strategie der Union drei Schwerpunkte aufweisen:

(1) Wissen: Verbesserung des Verständnisses krimineller Phänomene durch Herausstellung neuer Tendenzen; Analyse der Wirkungen von Präventivmaßnahmen; Evaluierung und Austausch von Erfahrungen und bewährten Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten.

(2) Partnerschaft: Ausbau der Zusammenarbeit und Vernetzung der Präventionsakteure auf allen europäischen, nationalen und lokalen Ebenen. Der Schwerpunkt sollte dabei auf die Sensibilisierung für die Prävention, den Informationsaustausch, die Initiierung von Projekten und ihre Weiterverfolgung (einschließlich der Verbreitung der Ergebnisse) gelegt werden.

(3) Multidisziplinarität: Förderung komplementärer Instrumente zwecks Entwicklung von Präventionstechniken und -methoden, insbesondere zur Reduzierung der kriminalitätsfördernden Umstände, sowie zwecks Projektinitiierung.

Angesichts der Besonderheiten der organisierten Kriminalität und der vom Rat in seiner Entschließung vom Dezember 1998 formulierten Wünsche wird zu einem späteren Zeitpunkt eine ergänzende Analyse der Kommission und Europol zu dieser Thematik vorgelegt.

4. Instrumente

Als Beitrag zur Umsetzung dieser Strategie schlägt die Kommission folgende horizontale Maßnahmen und Instrumente vor:

4.1. Weiterentwicklung der Kriminalprävention in den Politikfeldern der Europäischen Union

Die Union trägt in zahlreichen Politikfeldern, wenn auch nicht ausdrücklich, zur Vorbeugung von Kriminalität bei, indem sie den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung sowie transparente wirtschaftliche Rahmenbedingungen fördert.

In der Entschließung des Rates vom Dezember 1998 über die Vorbeugung von organisierter Kriminalität sowie in den Schlussfolgerungen der Konferenz auf Ministerebene von Mai 2000 zur Kriminalprävention ist die Kommission ersucht worden, die Maßnahmen und Instrumente der Gemeinschaft in den verschiedenen Politikbereichen unter dem Gesichtspunkt ihres Beitrags zur Verbrechensvorbeugung zu bewerten. Im Nachgang zu dieser Bewertung möchte die Kommission einen strukturierteren Ansatz entwickeln, der einen konsequenteren Einsatz der Maßnahmen und Instrumente der Gemeinschaft in den einzelnen Politikbereichen ermöglicht.

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Politikfelder:

-Regulierung der Wirtschafts- und Finanztätigkeit:

Die Maßnahmen der Gemeinschaft zur Kontrolle oder Regulierung von Wirtschaftstätigkeiten, insbesondere im Rahmen des Binnenmarkts, tragen zur Vorbeugung von Betrug, Korruption und sonstigen Formen von Kriminalität bei. Eine nennenswerte Rolle in diesem Zusammenhang spielen die Instrumente, die auf Folgendes abstellen: Transparenz des öffentlichen Auftragswesens, Verhinderung der Benutzung von Finanzströmen zur Geldwäsche, Lauterkeit des Handelsverkehrs, Regelung der Verantwortlichkeit juristischer Personen, sowie Kontrolle betrugsanfälliger Warenverkehre, von Transporten sowie der Mittel zur Informationsverbreitung und -behandlung.

Die Kommission hat bereits Vorschläge zur Verhinderung von Betrug bei Zahlungsmitteln [4], von Geldwäsche [5], von Betrug bei öffentlichen Aufträgen [6] sowie von Fälschung und Piraterie [7] unterbreitet. In anderen Bereichen, in denen ein Tätigwerden ebenfalls vordringlich ist, werden neue Vorschläge oder ergänzende Analysen vorzulegen sein.

[4] Die Kommission wird bis Ende des Jahres einen Aktionsplan hierzu annehmen.

[5] Der Vorschlag zur Änderung der Richtlinie vom 10. Juni 1991 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche durchläuft gegenwärtig das Annahmeverfahren.

[6] Die Kommission hat einen Vorschlag zur Änderung der gemeinschaftlichen Regelung für öffentliche Aufträge unterbreitet, die dem Rat derzeit vorliegt. Außerdem hat sie eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die prüfen soll, inwieweit weitere Maßnahmen zweckmäßig sein könnten, beispielsweise die Aufstellung schwarzer Listen sowie der Austausch von Informationen über Bieter.

[7] Im Nachgang zum Grünbuch über die Bekämpfung von Fälschung und Piraterie im Binnenmarkt (angenommen am 15.10.1998) soll ein Aktionsplan unterbreitet werden.

So hat der gemeinsame Rat "Wirtschaft und Finanzen/Justiz und Inneres" vom 17. Oktober die Kommission ersucht, zu prüfen wie die einzelstaatlichen Vorschriften zur Überwachung grenzüberschreitender Bargeldbewegungen kohärenter gestaltet und verschärft werden können. Außerdem hat er die Kommission aufgefordert, zu untersuchen, mit welchen Maßnahmen die international weitgehend anerkannten Schwierigkeiten gelöst werden können, die sich durch Briefkastenfirmen und andere undurchsichtige Rechtssubjekte bei der Bekämpfung der Geldwäsche ergeben [8].

[8] Der Rat hat die Kommission ersucht, ihm einen Bericht vorzulegen, in dem die Möglichkeit untersucht wird, Mindestkriterien für die Transparenz der verschiedenen Rechtssubjekte (insbesondere von Treuhandgesellschaften, Trusts und Stiftungen) aufzustellen, damit eine Handhabe gegeben ist, um die wirtschaftlichen Nutznießer, die hinter diesen Rechtssubjekten stehen, besser zu identifizieren.

-Sozialpolitik:

Die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung zählt zu den strategischen Zielen der Europäischen Union, die der Europäische Rat von Lissabon am 23. und 24. März 2000 beschlossen hat. Da sich die Kriminalprävention in das in Lissabon bestätigte europäische Sozialmodell einfügt, scheint es sinnvoll, das Programm zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung enger mit der Strategie zur Vorbeugung von Kriminalität zu verknüpfen. Die neue sozialpolitische Agenda, die die Kommission annehmen wird, und in der der Schwerpunkt auf einen höheren Lebensstandard und mehr Lebensqualität gelegt werden soll, kann unter diesem Gesichtspunkt Möglichkeiten zur Vorbeugung der Drogensucht bieten.

Die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die einen weiteren Schwerpunkt der Bekämpfung gegen Diskriminierungen darstellt, weist ebenfalls einen Zusammenhang mit dem Ziel der Kriminalprävention auf. Letztere stützt sich auf Instrumente wie die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Integration der Einwanderer, die Aus- und Fortbildung, insbesondere die Sensibilisierung für die Besonderheiten einer multikulturellen Gesellschaft, sowie auf die Bekämpfung aller Formen von Diskriminierung (in Bezug auf die Wohnung, die Arbeit, den Zugang zur Bildung usw.). Das Programm der Kommission enthält u.a. einen Aktionsplan zur Förderung des Austauschs von Informationen, Erfahrungen und bewährten Verfahren [9].

[9] Das Ziel dieses Aktionsprogramms, das den Zeitraum 2001-2006 abdeckt, ist unmittelbar mit dem Ziel der Kriminalprävention verknüpft. Das Programm wird derzeit in Rat und Parlament erörtert.

-Städtepolitik:

Die Kommission teilt die Auffassung des Parlaments und des Ausschusses der Regionen, dass eine Politik zur Vorbeugung von Kriminalität die urbane Dimension berücksichtigen muss. Gemäß Artikel 4 Absatz 1 und 7 der Verordnung Nr. 1260/1999 mit allgemeinen Durchführungsbestimmungen über die Strukturfonds kann die Kommission auf Vorschlag des betreffenden Mitgliedstaats Städte, die mit Problemen konfrontiert sind, insbesondere solche mit einer hohen Kriminalitätsrate, in die Liste der unter das Ziel 2 fallenden Gebiete aufnehmen. Darüber hinaus können solche Städte im Rahmen raumordnungspolitischer und sektorenübergreifender Maßnahmen in umfassendere Programme einbezogen werden, die in unter das Ziel 1 oder das Ziel 2 fallenden Gebieten durchgeführt werden [10]. Schließlich ist die aus dem EFRE finanzierte Initiative URBAN, die 1995 eingeleitet und 1999 verlängert wurde, Ausdruck des Willens, örtliche Initiativen und Projekte, insbesondere in Krisenvierteln großer Städte zu fördern [11]. Sie kann auch als Übergang zwischen kleinen innovativen Projekten und einem integrierten, auf Partizipation beruhenden Ansatz im Rahmen der wichtigsten Strukturfonds-Programme herangezogen werden.

[10] Siehe die Mitteilung der Kommission "Nachhaltige Stadtentwicklung in der Europäischen Union: ein Aktionsrahmen " (KOM(98) 605 vom 28.1.1998) sowie ihre Mitteilung "Die Strukturfonds und ihre Koordinierung mit dem Kohäsionsfonds - Orientierungen für die Programme des Zeitraums 2000-2006, Teil III.1.

[11] Die städtischen Gebiete (Städte oder Stadtviertel) müssen mindestens drei Bedingungen erfuellen, beispielsweise eine hohe Arbeitslosenquote, hohes Armutsniveau und hohes Maß an Ausgrenzungen, hoher Anteil an Einwanderern, Angehörigen ethnischer Minderheiten oder Flüchtlingen, niedriges Bildungsniveau, hohe Kriminalitätsrate sowie im besonderen Maße geschädigte Umwelt.

In Zukunft müsste sich das Augenmerk auf diejenige Kriminalität richten, die das Ergebnis einer unangemessenen Stadtplanung ist. Insbesondere sollte die Unsicherheits- und/oder Kriminalitätslage zu den Indikatoren gehören, die bei den regelmäßig in den Großstädten der Europäischen Union durchgeführten "Städteaudits" eingesetzt werden.

-Regionalpolitik:

Die Gemeinschaft unterstützt Initiativen zur Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts, die indirekt zur Verbrechensvorbeugung beitragen. So können aus dem EFRE im Rahmen nationaler Programme Initiativen zur Bekämpfung und Vorbeugung von Kriminalität gefördert werden. Ein signifikantes Beispiel dafür ist das Programm zur Erhöhung der Sicherheit im Mezzogiorno, das Italien im Rahmen von Ziel 1 für den Zeitraum 1994-1999 vorgelegt hat, und das bis 2006 verlängert wurde. Es handelt sich hier um einen besonderen Fall, an dem deutlich wird, wie die Strukturprobleme sich auf das soziale Netz auswirken und die Wirtschaftstätigkeit dieser Region bestimmen.

Die ebenfalls aus den EFRE finanzierte Initiative INTERREG ermöglicht gezieltere Maßnahmen an den internen und externen Grenzen der EU und in den entsprechenden Grenzgebieten, u.a. auf dem Gebiet der Stadtentwicklung, der sozialen Eingliederung oder der Kooperation zwischen Justiz- und Verwaltungsbehörden.

Auch wenn die Kriminalprävention derzeit nicht ausdrücklich als Ziel der Kohäsionspolitik betrachtet wird, kann davon ausgegangen werden, dass letztere Projekte in diesem Bereich, der zu gegebener Zeit in den Kernbereich der Regionalpolitik aufgenommen werden könnte, nicht ausschließt.

-Forschungspolitik:

Zur Sicherheit der EDV-Netze und zur Bekämpfung der Computerkriminalität laufen bereits gezielte Forschungsprogramme. Im Rahmen des europäischen Forschungsraums (2002-2006) wird die Kommission prüfen, welche - insbesondere neue - Techniken zur Vorbeugung der allgemeinen Kriminalität eingesetzt werden können.

Das fünfte Forschungsrahmenprogramm [12] ermöglicht es, auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften die Ursachen der sozialen Probleme zu erforschen, diese Probleme zu quantifizieren und bewährte Verfahren zu vergleichen. Es wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die den genauen Hintergrund der Gewalt in Schulen und Städten, der Drogensucht und generell des Gefühls der Unsicherheit sowie die Lösungen der Mitgliedstaaten analysieren soll. Im Rahmen neuer Forschungsprojekte könnte beispielsweise die Wirksamkeit von Präventionspolitiken untersucht werden.

[12] Beschluss des Rates und des Europäischen Parlaments 1999/182/EG, ABl. L 26 vom 1.2.1999, S. 27.

-Informationsgesellschaft:

Die Kommission wird in ihrer Mitteilung « Schaffung einer sichereren Informationsgesellschaft durch Bekämpfung der Computerkriminalität » ein umfassendes Konzept zur Erhöhung der Sicherheit der Computernetze, u.a. Internet, vorschlagen.

Die Kommission hofft, dass die rasche Umsetzung der in dieser Mitteilung enthaltenen Vorschläge und Empfehlungen auf Unionsebene als eine Priorität betrachtet wird. Sie wird daher alle beteiligten Kreise, die Unternehmen, die Benutzer und die Polizeibehörden konsultieren, um feststellen zu können, ob neue Rechtsinstrumente zweckmäßig wären.

-Außenpolitik:

Die Kooperations- und Unterstützungsmaßnahmen/-programme der Gemeinschaft enthalten bereits Bestimmungen über die Bekämpfung der Kriminalität. Nach Auffassung der Kommission sollte die EG/EU weiterhin in den beteiligten internationalen Gremien, insbesondere der UNO und dem Europarat aktiv sein. Außerdem hat die Gemeinschaft die Absicht, dem UN-Übereinkommen zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität und dessen Protokollen zu Menschenhandel und Schleuserkriminalität beizutreten. Die durch die OSZE gewonnene Sachkenntnis in bezug auf die ,neuen Sicherheitsrisiken" und die Stärkung des Rechtsstaates wird zu berücksichtigen sein.

Auch wäre es nach Ansicht der Kommission sinnvoll, die Zusammenarbeit mit bestimmten Drittländern auszubauen, indem auf internationale Netze und Foren zurückgegriffen wird, beispielsweise das internationale Zentrum für Verbrechensvorbeugung, dessen Sachkenntnis allgemein anerkannt ist [13]. Auch wird es erforderlich sein, die Bewerberländer schrittweise in die Beratungen der EU zur Kriminalprävention einzubinden. Im Rahmen der Phare-Programme zur Vorbereitung der Bewerberländer auf ihren Beitritt werden bereits Präventionsmaßnahmen finanziert [14]. Die Kommission wird die Möglichkeiten voll nutzen, die sich aus der Beteiligung dieser Länder an den verschiedenen bestehenden und künftigen Finanzinstrumenten und -programmen ergeben, insbesondere denjenigen, die in dieser Mitteilung vorgeschlagen werden (Finanzierungsprogramm, Forum für Kriminalprävention).

[13] Dieses Zentrum (CIPC) ist eine Dienstleistungsplattform für Städte und Länder und stellt auf die Verringerung von Kriminalität und Unsicherheit ab. Es setzt sich zusammen aus Städten, nationalen Präventionsgremien, sowie anderen Einrichtungen und wird von mehreren Mitgliedstaaten (Frankreich, Portugal, Vereinigtes Königreich, Niederlande) finanziert.

[14] Beispiele: Das mehreren Begünstigten zugute kommende Phare-Programm zur Drogenbekämpfung, das Phare-Programm für grenzüberschreitende Kooperation oder das Programm zur Modernisierung der Zollverwaltung.

- Umweltpolitik:

Die Ad-hoc-Maßnahmen, die aufgrund des internationalen oder gemeinschaftlichen Umweltrechts ergriffen worden sind, tragen bereits zur Bekämpfung der Umweltkriminalität bei (zu den Umweltdelikten gehören u.a. der illegale Handel mit gefährdeten Pflanzen- und Tierarten sowie mit aus diesen gewonnenen Produkten, die illegale Lagerung und Beförderung radioaktiver Abfälle und Stoffe, gegen Umweltregelungen verstoßende Verschmutzung sowie die vorschriftswidrige Lagerung und Beseitigung von Abfällen, einschließlich der Verbringung gefährlicher Abfälle aus der EU und in die EU sowie der illegale Handel mit ozonschädigenden Substanzen). Allerdings würde eine verstärkte Zusammenarbeit und ein intensiverer Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen allen Beteiligten die Umsetzung dieser Maßnahmen erleichtern. Außerdem ist Umweltkriminalität eine grenzüberschreitende Kriminalität, d.h. ein globales Phänomen. Die Vorbeugung von Umweltdelikten sollte also auch auf der Zusammenarbeit mit den beitrittswilligen Ländern und anderen Drittländern aufbauen.

Wie die oben genannten Beispiele zeigen, bieten die derzeitigen Maßnahmen und Instrumente der Gemeinschaft bereits zahlreiche Handlungsmöglichkeiten. Damit diese noch stärker für die Kriminalprävention genutzt werden können, wird die Kommission die einzelnen Elemente der Verbrechensvorbeugung, die sich bereits in diesen Maßnahmen und Instrumenten finden, aufeinander abstimmen.

4.2. Kriminalpräventive Risikoabschätzung bei Rechtsvorschriften

Dieses Thema wurde sowohl auf der Tagung von Tampere als auch auf der Konferenz von Praia da Falésia angesprochen. Obwohl der Begriff noch zu klären ist [15], insbesondere in Bezug auf den Begriff der "Betrugssicherheit" [16], kann er dennoch dahingehend definiert werden, dass es sich um die Bewertung bereits bestehender oder im Entwurf vorliegender Rechtsakte unter dem Gesichtspunkt ihrer "Sicherheit" vor kriminellen Handlungen handelt.

[15] Im Rahmen einer aus dem Programm FALCONE finanzierten Studie zu diesem Thema werden Ende 2000 erste Ergebnisse vorgelegt.

[16] In bezug auf die Vorbeugung von Betrug zum Nachteil des Gemeinschaftshaushalts hat die Kommission (OLAF) in ihrer Mitteilung vom 28 Juni 2000 angekündigt, dass sie beabsichtigt ein Instrument für eine ständige Qualitätsbewertung innerhalb der OLAF zu schaffen, das ,in der Phase der Vorbereitung und in den verschiedenen Stadien der Beschlußfassung von Rechtsetzungsinitiativen, die sich direkt oder indirekt auf den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft auswirken, konsultiert wird, damit ein besserer Schutz vor Betrug und Korruption dadurch gewährleistet werden kann" (COM 2000 (358) S. 8)

Diese kriminalpräventive Bewertung kann im Zuge der Ausarbeitung neuer Rechtsvorschriften oder Beschlüsse auf EU- und auf mitgliedstaatlicher Ebene erfolgen, um festzustellen, welche kriminelle Missbrauchsmöglichkeiten dadurch geschaffen werden.

Die Kommission wird dafür Sorge tragen, dass ihre Rechtsvorschläge, insbesondere in den sensiblen Bereichen, unter diesem Gesichtspunkt bewertet werden. Die Vorbereitung der Einführung des Euro bietet ein gutes Beispiel für eine Planung, bei der die Gefahren der Einführung einer einheitlichen Währung in Betracht gezogen wurden. Die Risikoabschätzung sollte im Rahmen der dienststellenübergreifenden Konsultation, aber auch bei der Vorbereitung eines Legislativvorschlags, gegebenenfalls sogar in der Phase der Ausarbeitung eines Konsultationszwecken dienenden Dokuments (Mitteilung, Grün- oder Weißbuch) stattfinden.

Eine ähnliche Risikoabschätzung sollte auch von den Mitgliedstaaten gemäß ihren für die Ausarbeitung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften geltenden Regelungen vorgenommen werden.

Doch die Gefahr eines kriminellen Missbrauchs besteht nicht nur bei neuen Gesetzen. Auch bereits geltendes Recht sollte auf Missbrauchsmöglichkeiten untersucht werden, unabhängig davon, ob es sich um Rechtsakte der Gemeinschaft oder um völkerrechtliche Instrumente handelt, denen die Gemeinschaft beigetreten ist. Es wäre zwar unrealistisch, das gesamte Recht einem vollständigen Screening unterziehen zu wollen, doch wäre es durchaus denkbar, die großen Politikfelder daraufhin zu prüfen, inwieweit sie für kriminellen Missbrauch besonders anfällig sind und Empfehlungen zur Behebung der Mängel zu formulieren. Die Kommission könnte diese Risikoabschätzung bei der Ausarbeitung ihrer Berichte über die Durchführung gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften berücksichtigen und erforderlichenfalls Vorschläge zur Verbesserung ihrer Sicherheit vor kriminellen Handlungen oder ergänzende Vorschläge, insbesondere im polizeilichen oder justiziellen Bereich, unterbreiten.

Diese Risikobewertung setzt, unabhängig davon, ob sie vor oder nach dem Gesetzgebungsprozess durchgeführt wird, eine Verstärkung nicht nur der internen Konsultationsmechanismen, sondern auch der Analysekapazität der Kommission voraus: Eine ernsthafte Prüfung muss unter Mitwirkung von Experten und Praktikern, insbesondere aus den Polizei- und Justizbehörden erfolgen. Auf diesem Gebiet sollte der Austausch von Informationen zwischen Experten und führenden Fachzentren ausgebaut werden.

4.3. Eine genauere Kenntnis der Kriminalitätsphänomene

Vergleichbarkeit der Daten

Im Aktionsplan zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, den der Europäische Rat im Juli 1997 in Amsterdam angenommen hat, ist die Zweckmäßigkeit einer europaweiten Erhebung und Analyse einschlägiger Daten anerkannt worden. Die Mitgliedstaaten und die Kommission werden darin aufgefordert, "einen Mechanismus für die Erhebung und Analyse von Daten [zu] schaffen oder fest[zu]legen, der einen Überblick über das Phänomen der organisierten Kriminalität in den Mitgliedstaaten ermöglicht und auf den die Strafverfolgungsbehörden bei deren Bekämpfung zurückgreifen können" (Empfehlung Nr. 2). Der Aktionsplan präzisiert auch, welche Bedingungen erfuellt sein müssen, damit dieses Ziel verwirklich werden kann. So werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, bei der Erhebung und Analyse von Daten "gemeinsame Normen" zu verwenden. Europol und die Mitgliedstaaten folgen diesem Ansatz bei der Ausarbeitung des Jahresberichts über die organisierte Kriminalität in der Europäischen Union.

Was die allgemeine Kriminalität betrifft, so behindert der Mangel an zuverlässigen und vergleichbaren Daten über die Kriminalitätsphänomene in den europäischen Ländern den Vergleich der innerstaatlichen Maßnahmen zur Verbrechensbekämpfung und -vorbeugung. Wie indessen in verschiedenen Seminaren festgestellt wurde, ist ein derartiger Vergleich ein zwar begrenztes, aber doch wichtiges Mittel zur Validierung von Maßnahmen und zur Evaluierung bewährter Verfahren.

Da zwischen bestimmten Kriminalitätsphänomenen in den Mitgliedstaaten trotz nach wie vor ausgeprägter rechtlicher Unterschiede Ähnlichkeiten bestehen und die innerstaatlichen Maßnahmen zunehmend aufeinander abgestimmt werden, muss auf Unionsebene versucht werden, die Vergleichbarkeit der quantitativen und qualitativen Daten zu verbessern. Neben dem Europarat haben auch die Vereinten Nationen mit einschlägigen Beratungen angefangen, insbesondere auf dem Gebiet der allgemeinen Kriminalität.

Weil die Gruppe der Benutzer und ihre Bedürfnisse (die im Zuge der Umsetzung des EU-Vertrags zwangsläufig immer größer werden) sehr vielfältig sind, müssen die einschlägigen Maßnahmen interdisziplinär ausgerichtet sein und verschiedene Akteure, wie die Kommission (insbesondere dass Statistische Amt), Europol und die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht einbezogen werden, damit Doppelarbeit vermieden und mehr Kohärenz bei den Maßnahmen und den Ergebnissen erreicht wird.

Einige Maßnahmen laufen bereits. So sieht der Aktionsplan der Europäischen Union auf dem Gebiet der Drogenbekämpfung (2000-2004) vor, dass Rat und Kommission auf der Grundlage der Vorarbeiten von Europol sowie der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht eine gemeinsame Definition des Begriffs "Drogenkriminalität" erarbeiten sollen, damit die über Drogendelikte vorliegenden Zahlen anhand objektiver Kriterien verglichen werden können. Auch die Europäische Beobachtungsstelle für Rassismus und Ausländerfeindlichkeit hat den Auftrag, Daten zu sammeln.

Indikatoren

Die Erarbeitung objektiver und relevanter Indikatoren ist unverzichtbar für eine Strategie, die auf einem besseren Verständnis der Kriminalitätsphänomene aufbaut. Da es sich um eine in partnerschaftlicher Zusammenarbeit umzusetzende Strategie handeln wird, müssen diese Indikatoren sowohl von den Behörden als auch von den Gruppen und Einrichtungen verwendet werden können, für die die Kriminalität eine Bedrohung darstellt.

Wie die bisherigen Untersuchungen und Seminare gezeigt haben, wäre es für das Verständnis der Kriminalitätsphänomene und die Aktualisierung der Kriminalitätstendenzen förderlich, wenn Daten aus unterschiedlichen Quellen abgeglichen werden könnten. Außerdem wäre es zweifellos nützlich, die herkömmlichen Informationsquellen durch private Quellen zu ergänzen.

Die Konzipierung einer bürgernahen Präventionsstrategie setzt außerdem voraus, dass das Gefühl der Unsicherheit und die in diesem Zusammenhang festzustellenden Tendenzen analysiert werden. Umfragen sind hier eine zweckmäßige Informationsquelle. 1996 wurde ein "Eurobarometer" über die Sicherheitswahrnehmung der EU-Bürger durchgeführt. Die Kommission wird derartige Umfragen regelmäßig durchzuführen.

Bewertung der Methoden und Verfahrensweisen

Der Austausch von Erfahrungen und bewährten Verfahren setzt voraus, dass diese zuvor nach gemeinsamen Kriterien bewertet werden, damit festgestellt werden kann, ob und unter welchen Voraussetzungen sie auf andere Situationen übertragbar bzw. allgemeingültig sind.

Derzeit wird eine Untersuchung über die wichtigsten Kriterien und Verfahren, die zur Erleichterung eines derartigen Austauschs auf dem Gebiet der Vorbeugung von organisierter Kriminalität eingesetzt werden könnten, durchgeführt. Ziel ist, eine Methode zur Evaluierung der einzelstaatlichen Verfahren vorzuschlagen, bei der die Bedingungen, unter denen ein Modell praktiziert worden ist, und die auf andere Situationen übertragbaren Elemente herausgestellt werden.

Die Schlussfolgerungen dieser Untersuchungen werden für die Analyse der bewährten Verfahren zur Vorbeugung der allgemeinen Kriminalität nützlich sein. Auch die unter deutschem Vorsitz durchgeführten Arbeiten zur Erstellung eines europäischen Verzeichnisses der bewährten Verfahren sind zu berücksichtigen.

4.4. Vernetzung der Akteure

Einrichtung eines europäischen Forums für die Vorbeugung organisierter Kriminalität

Wichtigstes Element des in dieser Mitteilung vorgeschlagenen Ansatzes ist die Mobilisierung und Vernetzung der Präventionsakteure, sei es auf dem Gebiet der Kleinkriminalität oder der grenzüberschreitenden Kriminalität.

Die Themenvielfalt ist groß und die Art der auszutauschenden Informationen sehr unterschiedlich. Auch Experten können nicht mit der gleichen Sachkenntnis derart unterschiedliche Themen wie Sozialberatung und Cyberkriminalität erörtern. Während die Behörden bei der Bekämpfung der allgemeinen Kriminalität vor allem die Sozialpartner einbinden müssen, gilt es bei der Prävention von Wirtschafts- und Finanzkriminalität, also auch von organisierter Kriminalität, die Wirtschaftskreise und Berufsverbände zu mobilisieren.

Die Kommission unterstützt den vom französischen Vorsitz und Schweden eingebrachten Vorschlag zur Schaffung eines europäischen Präventionsnetzes für Städte-, Jugend- und Drogenkriminalität. Diese Maßnahme, die zu den vom Europäischen Rat festgelegten Prioritäten gehört, wird zur Umsetzung der hier skizzierten Strategie beitragen und muss auf die anderen Vorschläge im Rahmen dieser Strategie abgestimmt werden.

Auf dem Gebiet der organisierten Kriminalität stellt die Kommission fest, das die Wirtschafts- und Finanzkreise sowie gewisse Berufe, die durch Korruption, Geldwäsche oder Betrug besonders gefährdet sind, bislang nur geringe Vorstellungen von den mit dieser Kriminalitätsform einhergehenden Gefahren und Kosten haben. Initiativen wie der "Runde Tisch" europäischer Unternehmen zum Thema Sicherheit und Verbrechensprävention sowie die Europäische Charta der gefährdeten Berufe vom 27. Juli 1999 sollten unterstützt und durch Maßnahmen auf Unionsebene fortgeführt werden.

Die Kommission schlägt daher die Einrichtung eines europäischen Forums zur Prävention von organisierter Kriminalität vor. Da die Vorbeugung von organisierter Kriminalität, insbesondere von Wirtschaftskriminalität recht unterschiedliche Themen - illegaler Warenhandel, Cyberkriminalität, Korruption, Finanzkriminalität, Umweltkriminalität - und unterschiedliche Berufe berührt, muss das Forum in unterschiedlichen, der jeweiligen Problematik angepassten Zusammensetzungen tagen und gegebenenfalls Ad-hoc-Arbeitsgruppen bilden können.

Teilnehmen an diesem Forum sollten in erster Linie Vertreter der Europäischen Organe und Einrichtungen, die sich mit Prävention befassen, der innerstaatlichen Koordinierungsgremien, der am stärksten beteiligten innerstaatlichen Behörden, insbesondere der Justiz- und Polizeibehörden, der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, der Wirtschafts- und Finanzkreise. Aber auch nichtstaatliche Einrichtungen sowie die von Kriminalität am häufigsten betroffenen Berufsgruppen, beispielsweise die freien Berufe, die Medien oder die Sicherheitsberufe, müssen je nach dem Thema, das zur Diskussion steht, einbezogen werden.

Das europäische Forum für die Prävention von organisierter Kriminalität soll die Vorbeugungsdebatte auf alle Partner ausweiten, Initiativen und Pilotprojekte mit europäischer Dimension anregen und es ermöglichen, Projekte zu fördern, die die im Finanzierungsprogramm genannten Voraussetzungen erfuellen. Zu diesen Projekten gehören die Mittel und Instrumente, die in der gemeinsam von Europol und Kommission durchgeführten Analyse genannt sind.

Rolle des Forums

Mit ihrem Vorschlag zur Schaffung eines europäischen Forums für die Prävention von organisierter Kriminalität zielt die Kommission in erster Linie auf eine systematischere Gestaltung der Präventionsarbeit auf europäischer Ebene ab. Mit dem Forum wird ein Rahmen für die Vernetzung der Experten und die Initiierung von Projekten aufgestellt. Allerdings müssen neben dem Forum, das die Präventionsdebatte auf europäischer Ebene weiterbringen und koordinieren wird, gegebenenfalls auch auf nationaler Ebene Koordinierungsstrukturen, und zwar sowohl in den Behörden als auch in den nichtstaatlichen Einrichtungen vorgesehen werden. Wirkung und Effektivität der Debatte auf europäischer Ebene werden sich größtenteils dadurch bestimmen, inwieweit diese Strukturen eine Vermittlerrolle übernehmen können.

Außerdem wird das europäische Forum für die Prävention von organisierter Kriminalität an die Tätigkeit anderer Foren oder Arbeitsgruppen anknüpfen, die auf EU [17]- oder internationaler Ebene bereits für verschiedene Bereiche geschaffen worden sind, und zu deren Arbeit beitragen.

[17] So z.B. im Bereich des Umweltschutzes die Arbeiten des Netzwerkes IMPEL oder im Bereich der Betrugsbekämpfung und des Schutzes finanzieller Interessen der Gemeinschaft die Arbeiten des beratenden Ausschusses für Betrugsbekämpfung (COCOLAF).

Aufgabe des Forums wird es sein,

- den europäischen Organen und den Mitgliedstaaten in Fragen der Prävention von organisierter Kriminalität und Wirtschaftskriminalität Beistand zu leisten;

- zur Bestimmung neuer Kriminalitätstendenzen beizutragen;

- den Austausch von Informationen über Präventivmaßnahmen zu erleichtern;

- zur Einrichtung und zum Betrieb von Kenntnisse und Fähigkeiten bündelnden Zentren (Netzwerke, Datenbanken usw.) in einzelnen Fachbereichen beizutragen;

- zur Bestimmung der Themen, zu denen Forschungen, Fortbildungen und Evaluierungen zweckmäßig wären, beizutragen.

Nach Auffassung der Kommission sollte das Forum so konzipiert werden, dass seine Betreuung nur eine leichte Organisationsstruktur innerhalb ihrer Dienststellen erfordert.

Verbreitung der Informationen

Die Kommission wird gemeinsam mit den Partnern prüfen, ob eine Web-Seite zum Thema Prävention eingerichtet werden soll, die den Zugang zu Informationen über europäische und innerstaatliche Maßnahmen und Ansätze sowie den Austausch von Informationen mit den Präventionsnetzwerken erleichtern würde.

4.5. Schaffung eines Förderinstruments

Die Staats- und Regierungschefs haben auf ihrer Tagung in Tampere darauf hingewiesen, das zu prüfen wäre, inwieweit die Europäische Union eine Strategie zur Kriminalprävention finanziell fördern soll. Wie die Kommission bereits auf der Konferenz von Praia da Falésia erläutert hat, ist sie zu dem Schluss gekommen, dass ein Finanzierungsinstrument gegenüber den Maßnahmen der Mitgliedstaaten einen Mehrwert erbringen würde.

Ziel des Finanzierungsinstruments wird es sein, die Umsetzung der in dieser Mitteilung dargelegten Strategie zu unterstützen. Wie aus den Punkten 41 und 42 der Schlussfolgerungen von Tampere hervorgeht, muss dieses Instrument alle Formen von Kriminalität abdecken und - entsprechend noch zu definierender Prioritäten - für die in dieser Mitteilung genannten Maßnahmen eingesetzt werden. Bei der Festlegung der Prioritäten werden ebenfalls die Vorschläge im gemeinsamen Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen und von Europol zum Thema Prävention organisierter Kriminalität zu berücksichtigen sein.

Für die finanzielle Unterstützung durch die Europäische Union wird ein Ad-hoc-Finanzierungsinstrument eingerichtet. Die Bewerberländer können unter den gleichen Bedingungen wie die Mitgliedstaaten eine Finanzhilfe beantragen.

Welche Form auch immer dieses Finanzierungsinstrument annehmen wird, zwei Schwerpunkte sind vorzusehen: zum einen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, zum andern die allgemeine Kriminalität.

Das Finanzierungsinstrument könnte für folgende Maßnahmen eingesetzt werden, für die die Arbeiten des europäischen Netzes zur Kriminalprävention und des Europäischen Forums für die Vorbeugung organisierter Kriminalität Anregungen liefern:

- Tagungen und Seminare

- Forschungen und Studien, die auf ein besseres Verständnis des Kriminalitätsphänomens abzielen (vgl. die Ansätze "problem-oriented policing" oder " knowledge-based crime prevention");

- Pilotprojekte: Finanzhilfen für Projekte mit europäischer Dimension (z.B. Fachzentren, Datenbanken);

- Austausch bewährter Verfahren

Das Finanzierungsinstrument soll, wie dies bereits für andere Maßnahmen des Titels VI der Fall ist, von der Kommission verwaltet werden, die von einem Verwaltungsausschuss aus Vertretern der Mitgliedstaaten unterstützt wird. Dieser Ausschuss wird jedes Jahr die Förderprioritäten festlegen und zu den Vorschlägen der Kommission für die Verwendung der verfügbaren Mittel Stellung nehmen. Die Projekte sollen in Höhe von maximal 70 Prozent finanziert werden, so dass auch Vorhaben, die von nichtstaatlichen Einrichtungen unterbreitet werden, unterstützt werden könnten.

Das Finanzierungsinstrument wäre ein "Pilotmaßnahme", die auf der Grundlage von Artikel 34 EU-Vertrag zunächst für einen Zeitraum von zwei Jahren (2001-2002) beschlossen würde. Was die finanzielle Ausstattung dieses Instruments betrifft, so ist davon ausgegangen werden, dass die Maßnahme nur langsam anlaufen sollte. Es erscheint sinnvoll, zunächst einen Etat von 1 Mio. EUR vorzusehen, solange die Kommission keine Globalvorschläge zu den von ihr verwalteten Programmen unterbreitet hat.

Die ersten Prioritäten könnten im Laufe des Jahres 2001 festgelegt werden. So bietet die unter schwedischem Vorsitz im Februar 2001 geplante Konferenz die Gelegenheit, erste konkrete Aufgaben festzulegen und so die Anlaufphase des Finanzierungsinstruments - sobald die einschlägige Entscheidung erlassen ist - zu erleichtern.

5. Schlussfolgerungen

Die Kommission ersucht das Europäische Parlament und den Rat, den Ausschuss der Regionen, sowie den Wirtschafts- und Sozialausschuss diese Mitteilung zu prüfen und ihr ihre Bemerkungen über die darin vorgeschlagene kriminalpräventive Strategie zu übermitteln.

Da der Ansatz der Kommission von der Mitwirkung sämtlicher Präventionsakteure an der Bestimmung neuer Maßnahmen ausgeht, bittet die Kommissionen die Verbände, insbesondere die Berufsverbände und die Vertretungsgremien von Industrie- und Dienstleistungsunternehmen sowie alle Einrichtungen, welche die Zivilgesellschaft repräsentieren und von dieser Problematik betroffen sind, diese Mitteilung zur Kenntnis zu nehmen und ihr ihre Bemerkungen mitzuteilen.