52000DC0755

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament für ein gemeinsames Asylverfahren und einen unionsweit geltenden einheitlichen Status für die Personen, denen Asyl gewährt wird /* KOM/2000/0755 endg. */


MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT für ein gemeinsames Asylverfahren und einen unionsweit geltenden einheitlichen Status für die Personen, denen Asyl gewährt wird

VORWORT

Gemäß Randnummer 15 der Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates von Tampere am 15. und 16. Oktober 1999 sollten die Regeln der Gemeinschaft für ein gemeinsames europäisches Asylsystem auf längere Sicht zu einem gemeinsamen Asylverfahren und einem unionsweit geltenden einheitlichen Status für diejenigen führen, denen Asyl gewährt wird. Die Kommission wurde ersucht, dazu eine Mitteilung auszuarbeiten.

Der portugiesische Vorsitz hat im Juni 2000 eine europäische Konferenz zur Problematik des gemeinsamen europäischen Asylsystems veranstaltet. Die Debatten über ein gemeinsames Asylverfahren und einen einheitlichen Status für die Flüchtlinge haben mehreren verantwortlichen Politikern, darunter auch Ministern, dem Amt des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) und anderen internationalen Organisationen, Vertretern der akademischen Kreise sowie der Nichtregierungsorganisationen die Möglichkeit geboten, informell mehrere Denkansätze zu entwickeln.

Diese Mitteilung legt die Überlegungen der Kommission zu diesem Verfahren und zu diesem Status dar. Ziel der Mitteilung ist nicht, ein oder mehrere schlüsselfertige Systeme vorzuschlagen, sondern vielmehr, die Gemeinschaftsdebatte über diese langfristige Perspektive einzuleiten. Das Spektrum der Lösungen und der Mittel ist relativ offen. Die Kommission beabsichtigt, auf alle möglichen Fragen und einige vorstellbare Szenarien einzugehen, damit der Rat, das Europäische Parlament und die verschiedenen an der Asylpolitik beteiligten Organisationen eine umfassende Diskussion mit dem Ziel führen können, präzise Leitlinien herauszukristallisieren.

Zunächst werden Kontext und Ziele des gemeinsamen Verfahrens und des einheitlichen Status behandelt; vor der Festlegung der gemeinsamen Ziele und dem Vorschlag eines für die Europäische Union sinnvollen Anwendungsbereichs ist es in der Tat wichtig, die Flüchtlingsbewegungen zu berücksichtigen, die die Mitgliedstaaten zu bewältigen haben, sowie die Merkmale des rechtlichen Umfelds. Anschließend werden die Möglichkeiten für ein gemeinsames Verfahren, sei es über einen beschränkten prozeduralen Ansatz oder über einen integrierteren Ansatz, und für einen einheitlichen Status geprüft. Die Mitteilung hebt die Notwendigkeit hervor, gemeinsame Analysen als Grundlage für das Verfahren und den Status zu erreichen. Schließlich schlägt die Kommission eine allgemeine Struktur und eine Methode für die Prüfung der Mitteilung vor.

Im Bereich Asyl weist die Kommission darauf hin, dass sie seit Mai 1999 folgende Initiativen beim Rat und beim Parlament eingebracht hat: EURODAC-Verordnung über die Fingerabdrücke von Asylbewerbern (wird in den nächsten Wochen vom Rat erlassen), Richtlinie über die Familienzusammenführung, Entscheidung über die Errichtung eines europäischen Flüchtlingsfonds (vom Rat im September 2000 erlassen), Richtlinie über die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Fall eines Massenzustroms von Vertriebenen, Richtlinie über die Asylverfahren (Zu- und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft). Vor Ende 2001 gedenkt sie dieses legislative Paket in den nachstehenden Bereichen zu vervollständigen: Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern, Kriterien und Mechanismen für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Staats (Gemeinschaftsinstrument als Nachfolgeinstrument des Dubliner Übereinkommens), Regeln für die Anerkennung und den Inhalt des Flüchtlingsstatus und subsidiäre Schutzformen, die einen geeigneten Status bieten.

Inhaltsverzeichnis

Teil I: Kontext und Ziele eines gemeinsamen Verfahrens und eines unionsweit S. 4 geltenden einheitlichen Status

1.1 Asyl in der Europäischen Union - ein Überblick S. 4

1.2 Herausforderungen und Ziele eines gemeinsamen Asylverfahrens und S. 6 eines einheitlichen Status

1.3 Anwendungsbereich S. 7

Teil II. Von einem begrenzten gemeinsamen Verfahren zu einem S. 8 integrierten gemeinsamen Verfahren

2.1 Verfahrensnormen der zweiten Phase S. 8

2.2 Das einheitliche Verfahren S. 10

2.3 Zugang zum Unionsgebiet S. 10

2.4 Konsequenzen für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber S. 11

2.5 Kriterien und Mechanismen für die Zuständigkeit der Prüfung des Asylantrages S. 12

2.6 Die Rückkehr S. 12

Teil III. Ein oder mehrere einheitliche Statusse in der Union S. 13

3.1 Gemeinsame Auslegung der Flüchtlingseigenschaft und des Bedarfs an S. 13 internationalem Schutz

3.2 Die Umrisse des oder der einheitlichen Statusse S. 13

3.3 Dokumente, Rechte, Freizügigkeit und Aufenthaltsrecht in einem anderen S. 14 Mitgliedstaat

3.4 Integration und Zugang zur Staatsbürgerschaft S. 15

Teil IV. Gemeinsame Analysen S. 16

4.1 Informationen, gemeinsamer Austausch und Evaluierungen S. 16

4.2 Ein prioritäres Dossier: Die Erfassung der statistischen Daten S. 17

4.3 Außenpolitische Aspekte S. 18

Teil V. Eine mögliche Architektur und eine Prüfmethode S. 19

5.1 Der Begriff "auf längere Sicht" S. 19

5.2 Die Mittel S. 19

5.3 Die Partnerschaft mit dem Amt des Hochkommissars der Vereinten Nationen S. 21 für Flüchtlinge und der Zivilgesellschaft

5.4 Die Mitteilung konsequent umsetzen S. 21

TEIL I: KONTEXT UND ZIELE EINES GEMEINSAMEN VERFAHRENS UND EINES UNIONSWEIT GELTENDEN EINHEITLICHEN STATUS

1.1 Asyl in der Europäischen Union - ein Überblick

Der internationale Schutz in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union stützt sich natürlich auf die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1967; aber auch einzelstaatliche gesetzliche oder verfassungsmäßige Bestimmungen sowie andere internationale Übereinkommen liegen dem internationalen Schutz zugrunde wie auch die Konsequenzen, die für den Asylbereich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK-Artikel 3) gezogen wurden, oder das Übereinkommen gegen Folter (ebenfalls Artikel 3) oder auch für einige das Übereinkommen über die Rechte des Kindes. In einigen Mitgliedstaaten ist die Verwaltungspraxis von besonderer Bedeutung für das Schutzangebot insgesamt. Die nationale Rechtsprechung und die Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs spielen bei der Entwicklung des Asylrechts in den Mitgliedstaaten eine wesentliche Rolle. Ganz allgemein ist die Verfolgung des Einzelnen (grundliegendes Element der Genfer Konvention) somit nicht der einzige Grund für die Asylgewährung in Europa, auch wenn die Genfer Konvention deren zentraler Stützpfeiler ist.

Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union sieht in Artikel 18 vor, dass das Recht auf Asyl nach Maßgabe des Genfer Abkommens und gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft gewährleistet wird, und in Artikel 19 Absatz 2, dass niemand in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden darf, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht.

Eine genaue Erfassung der Realität des Phänomens Asyl in Europa muss notwendigerweise im Rahmen einer mittel- und langfristigen Analyse erfolgen. So ist zwar die Zahl der Asylanträge in der Europäischen Union nach dem Spitzenwert von 1992/93 stark zurückgegangen, seit Mitte 1996 ist aber ein ständiger Anstieg zu verzeichnen. Zum einen sind die Mitgliedstaaten auf der Ebene der eingereisten Ströme unterschiedlich betroffen, zum anderen haben sich die Anträge in einigen Mitgliedstaaten stabilisiert bzw. sind relativ zurückgegangen (der Anteil Deutschlands ging bis auf 25 % der Gesamtanzahl in der Europäischen Union im Jahre 1999 zurück), andere Mitgliedstaaten haben seit zwei Jahren einen sehr starken Anstieg zu verzeichnen (beispielsweise VK, B).

Graphiken von Eurostat - Quellen: Mitgliedstaaten und Eurostat

TGRAPH

Tabelle 1 - Asylanträge in der EU-15, 1985 - 2000 (in Tausend)

TGRAPH

Tabelle 2 - prozentualer Anteil der Mitgliedstaaten an den Asylanträgen Durchschnitt 1997 - 1999 (insgesamt = 892 381) // Tabelle 3 - prozentualer Anteil der Mitgliedstaaten bei Anerkennungen nach der Genfer Konvention, Durchschnitt 1997 - 1999 (insgesamt = 89 576)

TGRAPH

Tabelle 4 - Anerkennungen nach der Genfer Konvention in EU-15, 1996 bis 1999

TGRAPH

Während Beginn der 90er Jahre die Anerkennungen des Flüchtlingsstatus nach der Genfer Konvention trotz der Schwankungen bei den Anträgen recht stabil waren, lässt sich in den letzten Jahren ein relativer Rückgang feststellen. Er könnte sich folgendermaßen erklären:

. Von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erlassene Maßnahmen mit der Wirkung, bestimmte Flüchtlingsströme in andere Bestimmungen umzulenken oder bestimmte Flüchtlinge davon abzubringen, einen Asylantrag zu stellen.

. Hypothese immer stärker gemischter Ströme, wobei sich hinter den Asylanträgen eine ökonomische Migration verberge, was natürlich zur Ablehnung der Anträge führt.

. Zunehmende Unausgewogenheit zwischen der Art des Antrags und den Kriterien der Genfer Konvention. Dies erklärt sich zum großen Teil aus dem Wiederaufleben bewaffneter Konflikte, die eine Situation von allgemeiner Unsicherheit und Verletzungen der Menschenrechte nach sich ziehen, die mit dem Begriff der Verfolgung gemäß der langjährigen Auslegungspraxis der Genfer Konvention in Europa schwer in Übereinstimmung zu bringen ist. Es wäre gewagt, den globalen Rückgang der Zuerkennungen des Flüchtlingsstatus in der Union insgesamt mit einer "immer restriktiveren" Auslegung der Genfer Konvention für derartige Situationen erklären zu wollen. Zum einen entsprechen die Anträge aus Ländern, in denen die individuelle Verfolgung leicht identifizierbare Formen aufweist, weiterhin hohen Raten der Anerkennung des Flüchtlingsstatus. Zum anderen hat die Entwicklung der Rechtsprechung der Berufungsinstanzen dazu geführt, allmählich neue Situationen in den Anwendungsbereich der Genfer Flüchtlingskonvention einzubeziehen. Nichtsdestotrotz rufen diese Trends Probleme der Divergenz der Rechtsprechung hervor, die den gemeinsamen europäischen Raum nicht garantieren.

In jedem Fall sind auch die übrigen Mittel zu berücksichtigen, mit denen die Mitgliedstaaten auf den erwiesenen Schutzbedarf eingehen. Die Mitgliedstaaten haben zusätzliche oder subsidiäre Schutzformen entwickelt, um Asylbewerbern angemessenen Schutz zu gewähren, wenn sie nicht unter die Genfer Konvention fallen, aber dennoch internationalen Schutz benötigen. Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention spielt in diesem Zusammenhang eine herausragende Rolle. Diese Schutzformen wurden unkoordiniert erarbeitet und entwickeln sich ständig in jedem der Mitgliedstaaten. In mehreren Mitgliedstaaten übersteigt der subsidiäre Schutz [1] zahlenmäßig die Zuerkennungen der Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Konvention.

[1] Für die Jahre 1998 und 1999 ist beispielsweise der Anteil der subsidiären Rechtsstellungen im Vergleich zu dem Status nach der Genfer Konvention in den nachstehenden Mitgliedstaaten mindestens doppelt so hoch: Niederlande, Griechenland, Finnland, Schweden, Dänemark, Portugal. In anderen Mitgliedstaaten, die kürzlich Formen des subsidiären Schutzes eingeführt haben, ist ein ständiger Anstieg zu beobachten (Österreich, Frankreich, Spanien). In Deutschland und im Vereinigten Königreich stellt der subsidiäre Schutz einen ständigen substantiellen Anteil der positiven Entscheidungen im Bereich des Schutzes dar.

1.2 Herausforderungen und Ziele eines gemeinsamen Asylverfahrens und eines einheitlichen Status

Die Definition von Leitlinien für ein gemeinsames Verfahren und einen einheitlichen Status erfordert einen Konsens über die Herausforderungen und Ziele. Dazu schlägt die Kommission folgendes vor:

. Gemäß den Schlussfolgerungen von Tampere Annahme klarer Grundsätze, die den Personen Garantien bieten, die rechtmäßig Schutz in der Europäischen Union suchen und den Zugang zum Unionsgebiet beantragen. Diese Grundsätze müssen sich auch weiterhin auf die uneingeschränkte Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention und anderer einschlägiger Instrumente im Bereich der Menschenrechte stützen und die Voraussetzungen dafür schaffen, dem humanitären Bedarf auf der Grundlage der Solidarität nachzukommen.

. Unbedingte Achtung des Rechtes auf Asyl; uneingeschränkte und allumfassende Anwendung der Genfer Konvention; Gewährleistung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er erneut Gefahr läuft, verfolgt zu werden, d. h., Wahrung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung.

. Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, die Personen zu identifizieren, die tatsächlich Schutz benötigen, und in geeigneter Form auf kritische Situationen zu reagieren. Die angenommenen Regeln müssen deshalb ausgewogen und effizient sein und zu raschen, fundierten Entscheidungen führen.

. Entwicklung eines solchen Verfahrens und eines solchen Status durch die Eingliederung in eine gemeinsame Migrationspolitik in allen ihren Dimensionen (Partnerschaft mit den Herkunftsländern, gerechte Behandlung von Drittstaatsangehörigen, Steuerung der Migrationsströme). Insbesondere:

- Wahrung der Besonderheit der humanitären Anerkennung und des Asylrechts in der Europäischen Union, im Vergleich zu der Einreise aus anderen Gründen;

- Herstellung des Gleichgewichts zwischen der unbedingten Achtung der Besonderheit dieser humanitären Anerkennung und den legitimen Zielen der Prävention und Bekämpfung illegaler Einwanderung.

In diesem Zusammenhang ist die Kommission der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten für die Bekämpfung dessen, was sich als tatsächlicher Missbrauch des Asylsystems darstellt, besser gerüstet wären, wenn sie sich mit einem breiten Spektrum offener, transparenter politischer Maßnahmen zur Steuerung der Migration ausstatten, die die wirtschaftliche und demographische Lage in den Mitgliedstaaten der Union besser berücksichtigen. Die komplexen Beziehungen zwischen diesen verschiedenen Dimensionen werden in einer gesonderten Mitteilung genauer behandelt.

. Begrenzung der ausschließlich durch die unterschiedlichen geltenden Bestimmungen beeinflussten Sekundärbewegungen. Die Divergenzen der Asylpolitik zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten müssen aufgehoben werden und eine Vereinheitlichung der Voraussetzungen ist anzustreben, um die negativen Auswirkungen auf die Mitgliedstaaten zu vermeiden. Ferner müssen die Flüchtlinge und die um Schutz ersuchenden Personen unabhängig von dem jeweiligen Mitgliedstaat im Großen und Ganzen die selben Voraussetzungen für die Prüfung ihres Antrags sowie die selben Bedingungen für Schutz und Aufenthalt erhalten können. Auch die Personen, die keinen Schutz benötigen oder den Schutz nicht mehr benötigen, müssen eine gleichwertige Behandlung erhalten.

. Betrachtung der in den Absätzen 14, 16 und 17 der Schlussfolgerungen von Tampere und in der im Frühjahr 2000 vorgelegten Anzeigetafel vorgesehenen ersten Phase als Stützpfeiler, auf dessen Grundlage ein gemeinsames Verfahren und ein einheitlicher Status ausgearbeitet werden können.

. Zugrundelegung des Vertrags bei den definierten Regeln, dabei Wahrung der Grundsätze der Subsidiarität und der Proportionalität. Diese Regeln sind Teil des allgemeinen Rahmens für die Entwicklung der Europäischen Union als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und sie müssen dazu beitragen, die Freizügigkeit der Personen soweit wie möglich zu gewährleisten.

. Konsultation der beteiligten internationalen Organisationen, insbesondere des HCR, auf der Grundlage der Erklärung Nr. 17 des Vertrags von Amsterdam.

1.3 Anwendungsbereich

Wegen der Daten über die Migrationsströme, der unter 1.1 aufgeführten Elemente, der verschiedenen Arten des Bedarfs an internationalem Schutz, der Bestimmungen des Vertrags und der Schlussfolgerungen von Tampere zum gemeinsamen europäischen Asylsystem, den oben genannten Zielen und insbesondere dem Ziel der Effizienz und Ausgewogenheit müssen sich das gemeinsame Verfahren und der einheitliche Status auf den Bedarf an internationalem Schutz insgesamt ausrichten und nicht nur auf die Schutzansprüche nach der Genfer Flüchtlingskonvention.

Die Kommission erachtet es für wichtig, zuallererst Folgendes klarzustellen: Für sie zielen das gemeinsame Verfahren und der einheitliche Status nicht darauf ab, die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Konvention bzw. des subsidiären Schutzes durch auf der Ebene eines Gemeinschaftsorgans getroffene positive oder negative Einzelentscheidungen zu organisieren. Diese Option wäre mit den Grundsätzen der Proportionalität und der Subsidiarität völlig unvereinbar. Sie würde außerdem die Schaffung eines spezifischen Berufungsgerichts für Einzelentscheidungen implizieren.

Im Rahmen eines gemeinsamen Verfahrens und eines einheitlichen Status könnte in einer zweiten Phase geplant werden, die Mechanismen und den Inhalt des vorübergehenden Schutzes bei massivem Zustrom Vertriebener zu verbessern. Die im Mai 2000 vorgeschlagene Richtlinie zielt mit gerechten und ausgewogenen Mindestnormen und -mechanismen darauf ab, den Mitgliedstaaten die Bewältigung eines solchen massiven Zustroms zu ermöglichen. Die Kommission setzt sich in dieser Mitteilung allerdings nicht mit dieser Problematik auseinander.

TEIL II: VON EINEM BEGRENZTEN GEMEINSAMEN VERFAHREN ZU EINEM INTEGRIERTEN GEMEINSAMEN VERFAHREN

2.1 Verfahrensnormen der zweiten Phase

Der Richtlinienvorschlag betreffend Mindestnormen für das Verfahren der Zu- oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft zielt darauf ab, kurzfristig ein Mindestniveau der Harmonisierung der einschlägigen Bestimmungen in der Gemeinschaft einzuführen. Er verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, einheitliche Verfahren anzuwenden. Sie behalten somit ihre nationalen Systeme, vorbehaltlich der Einhaltung bestimmter Normen und Bedingungen im Hinblick auf die zuständigen Behörden und die geltenden Verfahren. Dies ist insofern eine erste Maßnahme, als sie den Mitgliedstaaten auch die Wahl lässt, ob sie bei den Verfahren des subsidiären Schutzes für Personen, bei denen feststeht, dass sie keine Flüchtlinge sind, Normen anwenden wollen oder nicht.

In einer zweiten Phase impliziert die Definition eines gemeinsamen Verfahrens eine Beschränkung der Wahlmöglichkeit in den Bereichen, in denen die erste Phase eine gewisse Flexibilität ermöglicht hat, oder auch eine Beschränkung der Möglichkeit, von einigen Bestimmungen abzuweichen. Die den Mitgliedstaaten eingeräumte Flexibilität wäre im Hinblick auf Charakter und Zuständigkeiten der ersten Instanz und der Berufungsinstanzen (gemeinsamer Begriff der Unabhängigkeit von den politischen Behörden beispielsweise), die Zulassungsverfahren, die beschleunigten Verfahren sowie die Verfahren an den Grenzen einzuschränken . Dann wäre es auch möglich, die einzelstaatlichen Auslegungen der flexiblen Normen - beispielsweise hinsichtlich der Fristen - in Übereinstimmung zu bringen.

Anschließend wäre noch über die Zukunft bestimmter Konzepte zu entscheiden, insbesondere das Konzept der sicheren Herkunftsländer und das der sicheren Drittländer. Mehrere Optionen sind möglich: entweder die Annahme gemeinsamer Listen oder die Streichung dieser Konzepte. Die Erweiterung der Europäischen Union ist ein in diesem Zusammenhang zu berücksichtigender Faktor.

Schließlich muss die Notwendigkeit gesetzgeberischen Handelns in Bezug auf andere in der ersten Phase nicht geregelte Aspekte geprüft werden (beispielsweise: Regeln für die Qualität der Prüfung der Anträge und der Entscheidungen, Bearbeitung der vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, Übersetzung der Unterlagen, Art und Dauer des Gesprächs, Anhörungssitzung bei Einspruch).

2.2 Das einheitliche Verfahren

Eine Reihe von Mitgliedstaaten hat bereits den Verfahrensweg der "zentralen Anlaufstelle" gewählt, und viele von denen, die Änderungen ihrer Rechtsvorschriften im Asylbereich vorbereiten, entscheiden sich für diesen Weg. Die zentrale Anlaufstelle soll die Prüfung des gesamten Schutzbedarfs an ein und derselben Stelle zusammenfassen, um dem Asylbewerber die Gewähr zu bieten, dass keine Form der Verfolgung oder der Risiken unberücksichtigt bleibt, aber auch um die Gesamtdauer der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zu verringern. So untersucht diese Instanz neben der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Konvention und im Fall der Ablehnung auf dieser Grundlage das Ersuchen im Hinblick auf komplementären Schutz. Dies unterscheidet sich von einer Praxis, in der der Antrag von einer Instanz aufgrund der Genfer Konvention geprüft wird und im Fall der Ablehnung in der letzten Instanz erneut - in einigen Fällen von einer anderen Behörde - ein Antrag auf subsidiären Schutz geprüft werden muss. Dies könnte ein bedeutender Beitrag zum gemeinsamen Verfahren sein.

Vor Einführung eines solchen Verfahrens stellen sich aber mehrere Fragen:

- Besteht die Gefahr eines Wertverlustes der Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention und wenn ja, wie lässt sich dies vermeiden, beispielsweise durch die Verpflichtung zu einer hierarchisierten Prüfung (Verpflichtung, einen Antrag zunächst anhand der Kriterien der Genfer Flüchtlingskonvention zu prüfen und den Fall abzuschließen, wenn die Kriterien erfuellt sind; sind die Kriterien nicht erfuellt, anschließend den sonstigen Schutzbedarf zu prüfen) sowie die Verpflichtung zur Begründung-

- Wie sollen das Berufungsverfahren und der Einspruch eines Asylbewerbers gegen eine Ablehnung aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention behandelt werden, wenn diesem ein subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist-

- Sind aus diesem Verfahren bestimmte Hindernisse für die Abschiebung auszunehmen-

Zur Unterstützung der Arbeiten wird die Kommission dazu eine Studie lancieren.

2.3 Zugang zum Unionsgebiet

2.3.1 Visa und Kontrollmaßnahmen an den Außengrenzen

Im Bereich der Visapolitik und der Kontrolle an den Außengrenzen könnten bestimmte gemeinsame Konzepte angenommen werden, um der Besonderheit des Asyls Rechnung zu tragen. Grundlegender zu behandeln sind die nachstehenden Bereiche: die Wiedereinführung der Visapflicht für normalerweise von dieser Verpflichtung befreite Drittstaatsangehörige, um plötzlichen, massiven Zustrom zu bekämpfen, die Erleichterung der Visaverfahren in konkreten Situationen, die zu bestimmen wären, und die Berücksichtigung des Bedarfs an internationalem Schutz bei den legitimen Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung und des Menschenhandels, analog zu dem, was im Rahmen der Protokolle zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität geschieht.

2.3.2 Außerhalb der Europäischen Union gestellter Asylantrag und Wiedereingliederung

Die Behandlung des Antrags auf Schutz in den Herkunftsregionen und die Erleichterung der Ankunft von Flüchtlingen im Gebiet der Mitgliedstaaten durch einen Wiedereingliederungsmechanismus sind Mittel, die einen raschen Zugang zum Schutz bieten, ohne dass die Flüchtlinge Opfer von illegalen Einwanderungsnetzen und Menschenhandel sein oder bisweilen mehrere Jahre warten müssen, bis ihnen der Flüchtlingsstatus zuerkannt wird.

Nur vier Mitgliedstaaten der Europäischen Union kennen Wiedereingliederungsprogramme, die in Zusammenarbeit mit dem UNHCR durchgeführt werden. In den USA gibt es ein typisches 2-Wege-Asylverfahren: ein Verfahren für spontan eintreffende Personen, das andere, mit ganz unterschiedlichen Verfahrensmerkmalen, auf der Grundlage eines Wiedereingliederungsprogramms. Es stützt sich auf eine starke interne Koordination der verschiedenen beteiligten Behörden und die Zusammenarbeit mit den NGO und dem UNHCR. Diese Option muss nach Ansicht der Kommission komplementär sein und darf sich nicht nachteilig auf eine angemessene Behandlung der einzelnen Anträge auswirken, die im Rahmen spontanen Eintreffens gestellt werden.

Die Prüfung dieser Optionen im Rahmen eines gemeinsamen Asylverfahrens macht die Untersuchung mehrerer Fragen erforderlich: Rolle der Instanzen in den Mitgliedstaaten, der diplomatischen Vertretungen in der Herkunftsregionen, der Gemeinschaftsinstitutionen und des UNHCR, Kosten und Investitionen, Voraussetzungen für die Prüfung der Anträge, Wahl der Herkunftsregionen oder -länder, Anwendungsbereich im Falle des Schutzes (nur Flüchtlinge im Sinne des Genfer Abkommens oder auch Personen, mit einem anderen internationalen Schutzbedarf), Quoten und Aufteilung auf Mitgliedstaaten, Verhältnis zwischen den im Rahmen des Wiedereingliederungsprogramms gestellten Anträgen und "spontanen" Anträgen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union usw. Die Kommission wird Durchführbarkeitsstudien vornehmen.

2.4 Konsequenzen für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber

Ein gemeinsames Verfahren impliziert per se nicht ein einheitliches System der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber. Nach Ansicht der Kommission ist der Harmonisierungsbedarf im Bereich der Aufnahmebedingungen im Wesentlichen mit zwei Zielen verbunden: den Asylbewerbern gemeinschaftsweit (unabhängig von dem Mitgliedstaat, in dem sie sich befinden) ein einheitliches Niveau der Lebensbedingungen zu bieten und Sekundärbewegungen zu vermeiden, die sich aus unterschiedlichen Bedingungen in den einzelnen Mitgliedstaaten ergeben würden. Die Kommission wird Anfang 2001 einen Legislativvorschlag für eine erste Phase vorlegen.

In einer zweiten Phase wird zu prüfen sein, ob es, sofern die o. g. Ziele durch den Erlass gemeinsamer Mindestnormen für die Aufnahmebedingungen erreicht worden sind, noch erforderlich ist, zusätzliche Etappen der Vereinheitlichung der einzelstaatlichen Aufnahmesysteme auf der Grundlage derselben, unter 2.1 beschriebenen Methode auszuarbeiten (Beschränkung der Optionen, Konvergenz der einzelstaatlichen Auslegung der flexiblen Normen, Einführung neuer Elemente). Ein gemeinsames Verfahren wird mehr Personen in den Anwendungsbereich der Aufnahmesysteme vor einer endgültigen Entscheidung über den Schutzbedarf einbeziehen, insbesondere wenn der Weg des einheitlichen Verfahrens gewählt wird. Alle Personen, die um internationalen Schutz ersuchen (und nicht nur die Asylbewerber im Sinne der Genfer Konvention), würden dann dasselbe Verfahren durchlaufen und müssten somit im Hinblick auf die Aufnahme dieselbe Behandlung erfahren.

2.5 Kriterien und Mechanismen für die Zuständigkeit der Prüfung des Asylantrages

Die Annahme eines gemeinsamen Verfahrens und eines einheitlichen Status dürfte dazu beitragen, dass sich die Frage der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten ganz anders stellt. Ein solcher gemeinsamer Rahmen dürfte die Auswirkungen eines heute von zahlreichen Beobachtern kritisierten "Asyl-Shopping" mildern und die damit verbundenen Sekundärbewegungen verringern. Der Kommission ist allerdings bewusst, dass sich das Erfordernis der Solidarität heute bereits stellt. Eine erste Antwort darauf hat die Einrichtung des Europäischen Flüchtlingsfonds erteilt und die Debatte dürfte sich im Rahmen der Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag über den vorübergehenden Schutz im Fall massiven Zustroms Vertriebener fortsetzen.

Die Einführung gemeinsamer Normen für die Aufnahmebedingungen, die Asylverfahren und die Modalitäten für die Gewährung internationalen Schutzes sind somit geeignet, die Sekundärbewegungen einzuschränken. Dies ändert aber nichts an der Notwendigkeit, sich mit klaren und wirksamen Mechanismen für die Zuständigkeit der Prüfung des Asylantrags zu versehen. Es wird weiterhin Faktoren geben, die geeignet sind, die Ströme der Asylbewerber ungleich auf die Mitgliedstaaten auszurichten: Sprache, Anwesenheit Verwandter oder einer Gemeinschaft derselben Herkunft usw. Die Kommission evaluiert zur Zeit die Umsetzung des Dubliner Übereinkommens und wird im Frühjahr 2001 ein Gemeinschaftsinstrument vorschlagen, das die Nachfolge dieses Übereinkommens antreten soll. Mehrere Lösungen sind denkbar; sie wurden in der Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen SEC (2000)522 beschrieben.

Wahrscheinlich wird sich das für die Nachfolge des Dubliner Übereinkommens bestimmte Instrument weiterhin auf die Grundsätze stützen, die diesem zugrunde lagen, und die durch die Erfahrung inspirierten Verbesserungen einbringen. Bei der Einführung eines gemeinsamen Verfahrens und eines einheitlichen Status könnte allerdings ein System, in dem das einzige Kriterium der Ort der Antragstellung ist, begleitet durch einen einfachen, durch Eurodac effizient gewordenen Rücknahmemechanismus, in Zukunft mehr Bedeutung erhalten als heute.

2.6 Die Rückkehr

Eine Politik der Rückkehr oder der wirksamen Abschiebung ist für die Glaubwürdigkeit des gemeinsamen Asylsystems und des gemeinsamen Verfahrens absolut unerlässlich. Hat ein Schutzsuchender ein vollständiges, faires Verfahren erhalten, in dem alle Aspekte des Bedarfs internationalen Schutzes und die Hindernisse für die Rückkehr geprüft worden sind, wurde sein Antrag abgewiesen und verfügt er über kein anderes Aufenthaltsrecht, so hat er das Unionsgebiet zu verlassen und in sein Herkunftsland oder in ein Drittland zurückzukehren. Andernfalls wird das gesamte Verfahren für die Gewährung von Asyl und die Prüfung des Asylantrags erneut in Frage gestellt, insbesondere wenn viele Personen missbräuchlich Anträge stellen. Die tatsächliche Umsetzung dieses Rückkehrgrundsatzes trägt zur Effizienz und zum Schutz der Integrität des Asylsystems bei. Gemeinsame Grundsätze könnten gegebenenfalls auf der Ebene der Europäischen Union ausgearbeitet werden.

Priorität ist der freiwilligen Rückkehr zu verleihen. Dazu äußert die Kommission den Wunsch, dass die Verwendung des Europäischen Flüchtlingsfonds einen Anreiz für die Entwicklung einschlägiger Programme darstellen sollte. Allerdings muss es neben der freiwilligen Rückkehr in den notwendigen Fällen eine Zwangsrückkehr geben, um dem Asylsystem und der Politik der tatsächlichen Abschiebung Glaubwürdigkeit zu verleihen.

Handelt es sich um anerkannte Flüchtlinge oder um Personen, die Formen internationalen Schutzes erhalten, so ist es möglich, dass diese Personen freiwillig zurückkehren wollen, obwohl sie noch das Aufenthaltsrecht im Aufnahmeland besitzen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich diese Rückkehr auf den persönlichen Wunsch stützt, das Aufnahmeland zu verlassen, können diese Bemühungen von der Gemeinschaft in geeigneter Weise unterstützt werden. Gemeinsame Leitlinien könnten gegebenenfalls auch auf der Ebene der Europäischen Union erlassen werden, um diese Art der Rückkehr in koordinierter Art und Weise zu begleiten.

TEIL III : EIN ODER MEHRERE EINHEITLICHE STATUSSE IN DER UNION

3.1 Gemeinsame Auslegung der Flüchtlingseigenschaft und des Bedarfs an internationalem Schutz

Die Kommission wird im Jahre 2001 Legislativvorschläge für die Annäherung der Bestimmungen über die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft und den Inhalt des Flüchtlingsstatus sowie über die Formen des subsidiären Schutzes vorlegen, die einen geeigneten Status bieten, ohne dem Ergebnis vorzugreifen. Nach dieser ersten Phase wird zu prüfen sein, ob Mechanismen ausgearbeitet werden können, um bestimmte, möglicherweise fortbestehende Unterschiede zu korrigieren oder einem Phänomen unterschiedlicher Auslegung der Gemeinschaftsnormen vorzubeugen.

Wer um Schutz ersucht, muss einigermaßen sicher sein können, unabhängig von dem Mitgliedstaat, an der er sich richtet, gleichwertige Chancen auf einen geeigneten Schutz erhalten zu können. Teil IV enthält Elemente, die zu einer Begrenzung der Unterschiede bei der Auslegung beitragen können. Auf der Ebene des Status wäre aber eine Option, dass den Mitgliedstaaten zumindest eine Form subsidiären Schutzes zur Verfügung stuende, die ermöglicht, dass eine Person diesen Status erhält, die möglicherweise in einem anderen Mitgliedstaat einen Flüchtlingsstatus erhalten hätte, und dass sie somit nicht schwerwiegend benachteiligt würde. Das Niveau der mit diesem subsidiären Schutz verbundenen Rechte ist somit sehr wichtig.

Für die Wirksamkeit des gemeinsamen Systems ist von wesentlicher Bedeutung, dass sich die Identifizierung des Schutzbedarfs und die Voraussetzungen für die Beendigung des Schutzbedarfs in den Mitgliedstaaten weitgehend entsprechen, vor allem, wenn eine gegenseitige Anerkennung der Negativentscheidungen sowie Formen der gemeinsamen Zusammenarbeit für die Durchführung dieser Entscheidungen angestrebt werden. Eine gemeinsame Auslegung der Gründe, die die Aufhebung eines Schutzes rechtfertigen, ist deshalb entscheidend. Würde beispielsweise im Fall einer großen Personengruppe aus einem Drittland, der subsidiärer Schutz gewährt wurde, der Schutz von einem Mitgliedstaat aufgehoben und nicht von einem anderen, so würde dies zu der negativen Folge von Sekundärbewegungen und zu einem Wertverlust des Grundgedankens des in der gesamten Union geltenden einheitlichen Status führen.

Der kürzlich vom HCR eingeleitete Prozess globaler Konsultationen wird selbstverständlich den auf der Ebene der Europäischen Union eingeleiteten Prozess beeinflussen.

3.2 Die Umrisse des oder der einheitlichen Statusse

3.2.1 Soll der Genfer Flüchtlingsstatus vom Gemeinschaftsrecht übernommen werden-

Die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist für alle Vertragsstaaten der Genfer Konvention verbindlich. Die Rechte und Leistungen der Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention stehen in diesem Abkommen und sind in den Mitgliedstaaten verbindlich. Somit geht es nicht darum, diese Rechte durch eine "regionale" Regelung zu ersetzen, sondern sie gegebenenfalls in das Gemeinschaftsrecht zu überschreiben, insbesondere im Hinblick auf die Harmonisierung der Rechte der Drittstaatsangehörigen, das Ziel der einheitlichen Anwendung dieser Rechte, die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht in einem anderen Mitgliedstaat sowie die Fortschritte des Aufbaus Europas im Bereich der Grundrechte.

3.2.2 Ein oder mehrere subsidiäre Statusse

Zwar ist die Flüchtlingseigenschaft in der Genfer Konvention nicht unbedingt endgültig, der Schutzbedarf, dem die Formen subsidiären Schutzes entsprechen, findet aber eher zeitlich begrenzt Anwendung. Er entspricht sehr oft individuellem Schutzbedarf, der außerordentlich spezifisch sein und parallel zu kollektiven Situationen auftreten kann (beispielsweise Situation allgemeiner Gewalt). Mehrere einheitliche Schutzformen mit Modulationen für das Ende des Schutzes könnten deshalb in Erwägung gezogen werden. Es wird zu prüfen sein, ob subsidiäre Schutzformen je nach Zuerkennungsgründen oder je nach der Dauer, für die sie eingeführt werden, variable Rechte umfassen müssen oder ob diese Variationen das Asylsystem nicht unnötig komplizieren würden.

3.2.3 Ein einheitlicher Status

Ein einheitlicher Status, der den nach der Genfer Konvention anerkannten Flüchtlingen und den Personen, die subsidiären Schutz genießen, die selben Arten von Rechten gewährt, könnte eine Option sein, um die Praxis und das System zu vereinfachen, aber auch, um die Option der zentralen Anlaufstelle zu ergänzen und damit insbesondere die systematische Verwendung der Berufung gegen eine Anerkennungsablehnung auf der Grundlage der Genfer Konvention zu vermeiden. Es wird zu prüfen sein, wie sich vermeiden lässt, dass ein solcher Status die mit dem konventionellen Flüchtlingsstatus verbundenen Rechte beeinträchtigt; am klarsten ist dabei die Option, die selbe Art von Rechten zu gewähren, die insbesondere in der Genfer Konvention vorgesehen sind. Auch die Frage von Modulationen im Hinblick auf die Aufenthaltsdauer kann geprüft werden.

3.3 Dokumente, Rechte, Freizügigkeit und Aufenthaltsrecht in einem anderen Mitgliedstaat

Bezugsgröße für die Rechte, die Personen gewährt werden, die einen Schutz genießen, müssen die Rechte sein, die Drittstaatsangehörigen gewährt werden, die sich rechtmäßig in der Europäischen Union aufhalten. Diese wiederum müssen den Rechten der Unionsbürger vergleichbar sein. Allerdings wird geprüft werden müssen, in welchem Maße die den schutzbegünstigten Personen gewährten Rechte aufgrund der Schutzsituation, der Verletzlichkeit dieser Personen und der Tatsache, dass sie sich nicht freiwillig entschieden haben, ihre Herkunftsgesellschaft zu verlassen, spezifische Elemente berücksichtigen müssen.

Der Zugang zur abhängigen und zur freiberuflichen Erwerbstätigkeit, die Bedingungen für den Erwerb oder die Freistellung von der Arbeitserlaubnis, der Zugang zu sozialen Rechten (Schutz und Sozialfürsorge), zu Bildung und zur Gesundheitsversorgung (die bisweilen ein besonderes Herangehen aufgrund der Verletzlichkeit bestimmter geschützter Personen nach der Erfahrung der politischen Verfolgung oder der Haft, Folter und den Umständen der Flucht erfordert), sind Elemente des zu harmonisierenden Status wie auch die Familienzusammenführung und die Art des den zusammengeführten Familienmitgliedern gewährten Status. Die Kommission hat in diesem Bereich bereits im Dezember 1999 Vorschläge vorgelegt.

Ein einheitlicher Status oder mehrere einheitliche Statusse implizieren auch Aufenthalts- und Reisetitel, deren Dauer, Format und Verlängerungsbedingungen harmonisiert sind.

Die Bedingungen für den Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat sind zu prüfen. Im Fall eines konventionellen Flüchtlings beispielsweise, der möglicherweise langfristig ansässig sein wird, könnte der in der gesamten Union geltende einheitliche Status die Möglichkeit nach sich ziehen, sich nach einigen Jahren in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen oder sich zu Studien- oder Ausbildungszwecken dorthin zu begeben. Die Bedingungen müssten den Bedingungen entsprechen, die für die Unionsbürger gelten (Erfordernis ausreichender Ressourcen oder eines Arbeitsplatzes). Die Fragen der Übertragung des Schutzes von einem Mitgliedstaat auf einen anderen oder der Einstellung des Schutzes müssten in diesem Zusammenhang ebenso untersucht werden wie die Mechanismen zur Information oder Übermittlung des bei der Prüfung des Antrags des Flüchtlings erstellten Dossiers, die diesen Wechsel des Aufenthaltsorts begleiten könnten. Man kann sich zulässigerweise die Frage stellen, ob im Rahmen eines unionsweit geltenden einheitlichen Status noch alle Mechanismen für die Übertragung der Zuständigkeit unerlässlich wären, die in der europäischen Vereinbarung über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge [2] festgelegt wurden oder möglicherweise Gegenstand bilateraler Vereinbarungen zwischen Mitgliedstaaten sein können. Die Kommission wird eine diesbezügliche Studie durchführen.

[2] Europarat, Straßburg, 1980; nicht alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind Vertragsparteien.

Diese Rechte schließen die Anwendung von Maßnahmen im Zusammenhang mit der Erhaltung der öffentlichen Ordnung und der nationalen Sicherheit der Mitgliedstaaten nicht aus, wobei auf jeden Fall der Non-refoulement-Grundsatz einzuhalten ist.

Im Rahmen des einheitlichen Status muss ferner die Problematik der Bekämpfung der Diskriminierung aufgrund von Artikel 13 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft geprüft werden. Die Kommission weist insbesondere darauf hin, dass die Gemeinschaft sich nach den Vereinbarungen des Rates über ein Maßnahmenpaket im Bereich der Nichtdiskriminierung verpflichtet hat, den Grundsatz der Gleichbehandlung ohne Unterschied im Hinblick auf Rasse, ethnische Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Ausrichtung umzusetzen. Die beiden Richtlinien, die diesen Grundsatz umsetzen, finden auch auf Drittstaatsangehörige und Staatenlose Anwendung, die sich rechtmäßig in der Union aufhalten, und bilden bereits eine gute Schutzgrundlage für Personen, die einen internationalen Schutz erhalten.

3.4 Integration und Zugang zur Staatsbürgerschaft

Die Flüchtlinge und die Personen, die Schutz genießen, sollten unter Bedingungen einer in allen Mitgliedstaaten gleichwertigen Chancengleichheit aus Integrationspolitiken Nutzen ziehen und zu ihnen beitragen, wobei die Unterschiede und die Besonderheiten der Initiativen insbesondere in den lokalen Gemeinschaften und der Zivilgesellschaft zu berücksichtigen sind. Natürlich ist das Recht auf Beschäftigung in diesem Bereich von großer Bedeutung, es muss aber bisweilen von zielgerichteten Maßnahmen begleitet sein, um die Personen, die Schutz genießen, bei ihrer Integration in den Arbeitsmarkt beispielsweise durch besondere Maßnahmen im Bereich Bildung und Ausbildung zu unterstützen. Gemeinschaftsinitiativen wie das Programm Equal oder der Europäische Flüchtlingsfonds können einzelstaatliche Maßnahmen begleiten. Die Europäische Union muss alle Talente der Flüchtlinge, auch die beruflichen Fähigkeiten, nutzen können.

Gleichzeitig muss auch ein Gleichgewicht zwischen den Integrationsmaßnahmen und dem Erfordernis einiger Schutz genießender Flüchtlinge und Personen gefunden werden, ihre Rückkehr in ihr Herkunftsland vorzubereiten. Gemeinsame Konzepte könnten auch angenommen werden, um eine dauerhafte Lösung anzubieten, wenn die Rückkehr in das Herkunftsland nach einer bestimmten Zeit unmöglich ist.

Der EG-Vertrag enthält keine Bestimmung für den Zugang zur Staatsbürgerschaft. Allerdings heben die Schlussfolgerungen von Tampere hervor, dass der Europäische Rat das Ziel billigt, Drittstaatsangehörigen, die seit langem rechtmäßig in der Union ansässig sind, die Möglichkeit zu bieten, die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats zu erwerben, in dem sie ansässig sind. Die Genfer Konvention sieht vor, dass die Vertragsstaaten die Eingliederung und Einbürgerung der Flüchtlinge erleichtern (Artikel 34). Die Kommission begrüßt die Entwicklung gemeinsamer Überlegungen zu dieser Frage. Sie könnten längerfristig auch das Angebot einer an die Grundrechtscharta angelehnten Form der zivilen Staatsbürgerschaft, basierend auf dem EG Vertrag, mit den Rechten und Pflichten, die Drittstaatsangehörigen geboten werden, einbeziehen.

Eine erfolgreiche Integration der Flüchtlinge und anderer Personen, die einen Schutz erhalten, in die Gesellschaft impliziert ein günstiges politisches Umfeld. In jüngster Zeit waren in einigen Mitgliedstaaten rassistische und fremdenfeindliche Reaktionen festzustellen, die sich oft gegen Flüchtlinge oder Asylbewerber richteten. Den Politikern und Medien kommt eine entscheidende Rolle bei der Bildung der öffentlichen Meinung zu, sie müssen Erklärungen vermeiden, die vom Rassismus beherrschte Gefühle hervorrufen.

TEIL IV: GEMEINSAME ANALYSEN

Für die in den Teilen II und III dargelegten Punkte ist eine verstärkte Mobilisierung im Hinblick auf Informationen, Evaluierungen, statistische Daten und Integration bestimmter Aspekte der Außenpolitik erforderlich, damit gemeinsame Analysen das gemeinsame Verfahren und den einheitlichen Status unterstützen.

4.1 Informationen, gemeinsamer Austausch und Evaluierungen

Die einzelstaatlichen Behörden und die Berufungsinstanzen müssen Zugang zu vielfältigen Informations- und Evaluierungsquellen haben, um die auf Gemeinschaftsebene angenommenen Normen und Grundsätze anzuwenden und die Risiken, den Schutzbedarf und die Situation in den Herkunftsländern in übereinstimmender Art und Weise zu erkennen, die Qualität ihrer Entscheidungen zu vertiefen, die Praktiken zu vergleichen und die besten Praktiken anzunehmen. Dies erfordert die Entwicklung gemeinsamer Regeln für den Informationsaustausch über die Herkunfts- und die Transitländer, eine harmonisierte Politik im Hinblick auf den Gegenstand dieser Informationen in den Einzelentscheidungen und dem Asylverfahren im Allgemeinen sowie hinsichtlich der Konsequenzen, die aus diesen Informationen für die Prüfung der Anträge gezogen werden.

Gemeinsame Regeln für den Informationsaustausch würden den Instanzen der Mitgliedstaaten die Möglichkeit bieten, auf einer Vertrauensbasis die in den Herkunfts- und Transitländern gesammelten Informationen über die allgemeine Situation in diesen Ländern und die dort vorkommenden Menschenrechtsverletzungen zu teilen. Dazu sollten Netze für ständige Kontakte und, soweit erforderlich, tägliche Beziehungen zwischen den mit der Prüfung der Anträge beauftragten Erstinstanzen in der Europäischen Union und den Botschaften der Mitgliedstaaten im Ausland geschaffen werden. Weitere Initiativen zur Erstellung gemeinsamer Berichte auf der Grundlage eines breiten Spektrums von Informationsquellen, einschließlich der internationalen und der Nichtregierungsorganisationen, könnten das Terrain für ein gemeinsames Konzept weiter vorbereiten.

Damit dieser Informationsaustausch von Nutzen sein kann, müsste das Ergebnis den "caseworkers" der Erstinstanzen für Entscheidungen in den Einzelfällen zur Verfügung stehen. Gemeinsame Regeln könnten für die Vertraulichkeit und die Bezugnahme auf Quellen in den Entscheidungen festgelegt werden.

Über die Erfassung, Verbreitung und Verwendung dieser Informationen in den Entscheidungen hinaus wäre es denkbar, aus den Informationen für die Bearbeitung der verschiedenen Fälle Mechanismen für eine gemeinsame Evaluierung der Konsequenzen zu entwickeln. Eine gemeinsame Bewertung der Risiken für bestimmte Kategorien von Asylbewerbern könnte zu Leitlinien auf europäischer Ebene führen. Dazu wäre eine sehr enge Zusammenarbeit der einzelstaatlichen Behörden erforderlich. So könnten diese Mechanismen gegebenenfalls auf Beschlüsse des Rates zur Präzisierung der Gruppen oder Situationen hinauslaufen, die besonders risikoreich oder im Gegenteil risikolos wären. Sie hätten nicht die Wirkung, automatische Schutzrechte zu verleihen oder zu einer automatischen Zurückweisung zu führen, sondern würden zur Erhellung der täglichen Praxis der mit der Bearbeitung der Anträge befassten Behörden beitragen.

Neue Mechanismen für die Zusammenarbeit der einzelstaatlichen Behörden, der Instanzen für die Prüfung der Anträge und der Rechtsmittel werden unerlässlich. Diese Mechanismen können zum Gegenstand haben: den Austausch und die Sammlung von Informationen (auch unter Verwendung automatisierter Mittel für den Austausch), die Analyse der statistischen Daten, Warnsysteme, die rasche Kenntnis der Entscheidungen und der einzelstaatlichen und gemeinschaftlichen Rechtsprechung, den Austausch der guten Praktiken, die Fallstudien bis zum "Sentencing [3]", die Fortbildung des die Anträge bearbeitenden Personals, die gemeinsame Evaluierung der Situation in den Herkunfts- oder Transitländern und der spezifischen Verfolgungssituationen oder der Situationen, die den Bedarf internationalen Schutzes nach sich ziehen. Ein langfristiges Ziel könnte eine Datenbank für die Informationsquellen in Verbindung mit einem Übersetzungsdienst sein. Diese Ziele werden von der Kommission bei der Ausarbeitung des Instruments für die Verwaltungszusammenarbeit berücksichtigt werden, das 2002 die Nachfolge des Programms Odysseus (das Ende 2001 ausläuft) antreten soll.

[3] Technik, die die Korrektur von Abweichungen in der Rechtsprechung ermöglicht.

1992 hatte der Rat die Gruppe CIREA [4], eine informelle Gruppe ohne Beschlusskraft für den Austausch von Informationen und Konsultationen mit dem Ziel geschaffen, die Koordinierung und Harmonisierung von Asylpolitik und -praxis zu erleichtern. Die Kommission ist an den Arbeiten beteiligt. Nun stellt sich die Frage, ob CIREA den Bedürfnissen eines gemeinsamen europäischen Asylsystems noch entspricht und darüber hinaus den Bedürfnissen eines gemeinsamen Asylverfahrens und eines einheitlichen Status. Es scheint immer weniger möglich zu sein, zu gemeinsamen Evaluierungen zu kommen, und die Arbeitsergebnisse scheinen nur selten die Personen zu erreichen, die die Anträge direkt bearbeiten.

[4] Informations-, Reflexions- und Austauschzentrum für Asylfragen.

4.2 Ein prioritäres Dossier: Die Erfassung der statistischen Daten

Für die Ausarbeitung und Umsetzung des gemeinsamen europäischen Asylsystems ist eine grundlegende Analyse des Ausmaßes der Ströme, ihrer Herkunft und der Merkmale der Schutzanträge sowie der darauf erteilten Antworten erforderlich. Diese Analysen müssen im Dienste der Asylpolitik stehen, um adäquate Instrumente vorzubereiten oder rasch und im Voraus auf Ströme zu reagieren bzw. an den Stellen, an denen dies erforderlich ist, Änderungen vorzunehmen. Auf der Ebene der Europäischen Union hat die Erfassung der statistischen Daten im Bereich Asyl allmählich im Rahmen des CIREA begonnen. Mitte 1998 hat der Rat die Kommission mit der Erfassung beauftragt; dabei sollte sie die Arbeiten über eine größere Übereinstimmung der der Erfassung zugrunde liegenden Konzepte vertiefen. Diese Erfassung ist vertraulich, aber Eurostat veröffentlicht alle öffentlichen Daten unter anderem in der allgemein zugänglichen Datenbank New Cronos.

Die Datenerfassung weist zwar Verbesserungen auf, sie ist aber immer noch unvollkommen. Zum einen spiegelt sie natürlich das Fehlen des gemeinsamen Verfahrens und vergleichbarer Statusse wider. Aber diese Erklärung reicht nicht aus. Das statistische Dossier wird in zahlreichen Mitgliedstaaten noch nicht als vorrangig anerkannt. In einigen Mitgliedstaaten haben die nationalen Behörden auch in einem rein innerstaatlichen Rahmen nur oberflächlichen Einblick in die Asyldaten, weil es an den entsprechenden Werkzeugen oder der Erfassung bestimmter Daten mangelt. Der Kommission wurden Daten verspätet und lückenhaft bzw. überhaupt nicht geliefert. Die ersten Phasen der Umsetzung des Europäischen Flüchtlingsfonds im Bereich der Verteilung der Mittel auf die Mitgliedstaaten haben zahlreiche Probleme zunächst im Zusammenhang mit der Bereitstellung der Daten, und anschließend beim Anstellen sinnvoller Vergleiche zu Tage gefördert.

Neben den Verbesserungen des Prozesses der Datenerfassung auf der Grundlage der von der Kommission bereits vorgenommenen Evaluierung scheint jetzt der Zeitpunkt gekommen, eine strategische Überlegung über den Statistikbedarf zur Unterstützung für die Entscheidung sowie für die Entwicklung der Analysekapazitäten vorzunehmen. In diesem Zusammenhang wäre auch für die Europäische Union eine gute Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie dem HCR oder den Regierungskonsultationen (IGC in Genf), die ebenfalls statistisch tätig sind, nützlich.

4.3 Außenpolitische Aspekte

Ein gemeinsames Verfahren und ein einheitlicher Status implizieren eine noch stärkere Mobilisierung der außenpolitischen Mittel der Union, beispielsweise bei der Erfassung und dem Austausch von Informationen über die Herkunftsländer, die Verfolgung der Ströme, die Menschenrechtssituation, das Follow-up des Wiederaufbaus und die humanitäre Hilfe in den Herkunftsländern oder -regionen. Die diplomatischen Vertretungen der Union könnten in die Arbeit einbezogen werden.

Die Prüfung der konkreten Situation eines Herkunftslandes oder eines Herkunftsgebiets nach einer integrierten Methode kann den Behörden, die die Anträge prüfen, neue Erkenntnisse vermitteln.

Schließlich könnte eine Konsequenz des gemeinsamen Verfahrens und des einheitlichen Status in einer stärkeren Entwicklung der außenpolitischen Zuständigkeiten der Gemeinschaft in diesem Bereich liegen.

Teil V: EINE MÖGLICHE ARCHITEKTUR UND EINE PRÜFMETHODE

5.1 Der Begriff "auf längere Sicht"

Im Rahmen der Vorbereitung des Europäischen Rates von Tampere hatte sich die Kommission für die Einführung eines einheitlichen europäischen Asylsystems ausgesprochen. Der Europäische Rat hat sich dafür entschieden, zu präzisieren, dass das europäische Asylsystem zunächst mit einer ersten (kurzfristigen) Phase beginnen sollte, auf die eine zweite (längerfristige) Phase folgen sollte. Die Gesetzgebungsagenda der Europäischen Union müsste dem Rat ab dem Jahre 2001 auf der Grundlage der Vorschläge der Kommission Gelegenheit bieten, seine Fähigkeit unter Beweis zu stellen, seine kurzfristigen Verpflichtungen aus dem Vertrag, dem Wiener Aktionsplan und den Schlussfolgerungen von Tampere umzusetzen. Die Instrumente müssen vor dem 1. Mai 2004 erlassen, aber auch in einzelstaatliches Recht umgesetzt werden.

Die zurzeit vorgeschlagenen oder in Ausarbeitung befindlichen Normen müssen eine ausreichende Lebensdauer haben, um eine erste Konvergenzwelle zu ermöglichen und eine Reihe von Erfahrungen zu sammeln, u. a. auch gegebenenfalls anhand der ersten Elemente einer gemeinschaftlichen Rechtssprechung in diesem Bereich. Das heißt nicht, dass die Instrumente der ersten Phase das längerfristige Ziel ignorieren. Die ersten vorgeschlagenen Mindestnormen werden hohen Anforderungen gerecht. In jedem ihrer Vorschläge berücksichtigt die Kommission die möglichen Verbindungen zu späteren Phasen.

Der Arbeitsrhythmus wird die Dauer der ersten Phase bestimmen. Allerdings wird der Rat, wenn er dies für wünschenswert erachtet, jederzeit den Übergang zu der zweiten Phase vorziehen können.

Können ein gemeinsames Verfahren und ein einheitlicher Status auf der Grundlage des derzeitigen Wortlauts des Vertrags ausgearbeitet werden- Nach Ansicht der Kommission impliziert der Begriff der Mindestnormen nicht notwendigerweise niedrigere Ansprüche hinsichtlich der Tragweite der auf der Grundlage des Vertrags getroffenen Maßnahmen. Allerdings ist zu bedenken, dass eine adäquate Antwort auf das vom Europäischen Rat in Tampere erteilte Mandat eine weite Auslegung des Begriffs der Mindestnormen erfordert.

5.2 Die Mittel

Die Kommission vertritt die Auffassung, dass ein gemeinsames Verfahren und ein einheitlicher Status nicht nur durch gesetzgeberische Instrumente und Techniken unterstützt werden. Sie hat ein Instrumenten- und Maßnahmenbündel identifiziert, deren Entwicklung die fortschreitende Präzisierung des Inhalts des gemeinsamen Verfahrens und des einheitlichen Status erlauben wird. Zu diesen Instrumenten und Maßnahmen gehören:

- Initiativen der ersten Phase. Ab der ersten Phase wird die gewünschte Harmonisierung typische Merkmale des Gemeinschaftsrechts aufweisen. Berichte über ihre Umsetzung (in den Bestimmungen der Basisrechtakte vorgesehen) müssen regelmäßig erstellt werden. Die Kommission kann auch Ad-hoc-Sitzungen von Sachverständigen organisieren.

- Funktionieren der für das Follow-up der Anwendung der gesetzgeberischen Instrumente gegründeten Kontaktausschüsse oder Koordinationsgruppen (vergl. die jüngsten Vorschläge für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Fall eines Massenzustroms von Vertriebenen und über die Asylverfahren). Diese Ausschüsse können die Umsetzung und die harmonisierte Einführung der Normen durch regelmäßige Konsultationen zu den möglichen praktischen Problemen erleichtern. Sie können die Konsultationen zwischen Mitgliedstaaten über möglicherweise auf einzelstaatlicher Ebene getroffene striktere oder zusätzliche Maßnahmen erleichtern.

- Entwicklung einer Rechtssprechung auf der Ebene der einzelstaatlichen und der europäischen Gerichte. Die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (Notifizierung der einzelstaatlichen Maßnahmen durch die Mitgliedstaaten, Verfolgung der Beschwerden, Verstöße und der Rechtssprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften) wird einen Prozess der Konvergenz und Harmonisierung zugunsten des gemeinsamen Verfahrens und des einheitlichen Status bewirken.

- Studien zu einer Reihe von Optionen.

- Entwicklung analytischer Werkzeuge.

- Entwicklung der Zusammenarbeit auf Verwaltungsebene.

Die Kommission könnte sich verpflichten, jährlich eine Bestandsaufnahme der bei der Durchführung dieser verschiedenen Maßnahmen zurückgelegten Etappen zu erstellen und daraus Empfehlungen für die Ausrichtung der künftigen Maßnahmen abzuleiten.

Das Ziel der Wahrung der Besonderheit der humanitären Aufnahme in der Europäischen Union muss gesichert werden, dies verhindert aber nicht die Verwendung gemeinsamer Instrumente für die Problematik der Aufnahme und des Aufenthalts von Drittstaatsangehörigen auf der Ebene der von der Gemeinschaft erlassenen Bestimmungen oder Maßnahmen, wenn es keinen triftigen Grund dafür gibt, Unterschiede zu machen. Diese Grundhaltung hat die Gemeinschaft im Übrigen immer geleitet, beispielsweise bei der Einbeziehung der Flüchtlinge in den Anwendungsbereich der Verordnung von 1971 über die soziale Sicherheit [5] oder auch vor kurzem die Kommission bei der Vorlage ihres Richtlinienvorschlags über die Familienzusammenführung. Die Einbeziehung in den Anwendungsbereichs eines Instruments oder eine Anknüpfung sind hier geeignete Mittel.

[5] Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ABl. L 28 vom 30.1.97 (konsolidierte Fassung).

TGRAPH

5.3 Die Partnerschaft mit dem Amt des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge und der Zivilgesellschaft

Das UNHCR muss zu den Initiativen der Europäischen Union für ein gemeinsames Verfahren und einen einheitlichen Status konsultiert werden. Die Kommission merkt an, dass das UNHCR gleichzeitig einen Prozess globaler Konsultationen über die Verstärkung des internationalen Schutzsystems eingeleitet hat und sich die europäischen Überlegungen über das gemeinsame Verfahren und den einheitlichen Status in diesen Prozess einfügen. Im Übrigen wird über die konkrete Rolle des UNHCR bei der Umsetzung der verschiedenen Elemente (Normen oder Mechanismen) des gemeinsamen Verfahrens und des einheitlichen Status nachzudenken sein.

Ein gemeinsames Verfahren und ein einheitlicher Status müssen zu einer Überlegung über die Beziehung zwischen der Gemeinschaft, der Genfer Konvention und den internationalen Strukturen führen, die einschlägige Texte im Bereich des Schutzes ausarbeiten (beispielsweise Exekutivausschuss des HCR; internationales Komitee vom Roten Kreuz). Auf jeden Fall werden gemeinsame Standpunkte erarbeitet werden müssen. Das gemeinsame Verfahren und der einheitliche Status könnten eine stärkere Entwicklung der Außenkompetenz der Gemeinschaft in diesem Bereich nach sich ziehen.

Schließlich müssen auch die Vertreter der Zivilgesellschaft, die Vereinigungen, die Nichtregierungsorganisationen sowie die Gebietskörperschaften und die lokalen Gemeinschaften als Beteiligte und Vektoren der Asylwerte in Europa in diesem neuen System Partner sein.

5.4 Die Mitteilung konsequent umsetzen

Die Annahme eines in der gesamten Union geltenden gemeinsamen Asylverfahrens und eines einheitlichen Status für Personen, denen Asyl gewährt wird, ist eines der ehrgeizigsten Ziele, das sich die Staats- und Regierungschefs gesteckt haben, und gleichzeitig ein Schlüsselelement für einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Es geht darum, den Grundwerten konkreten Ausdruck zu verleihen, deren Bestätigung die Personen anzieht, denen diese Werte an anderer Stelle in der Welt abgesprochen werden. Auf der Grundlage der im Bereich der Menschenrechte geltenden internationalen Instrumente und insbesondere auf der Grundlage der Genfer Konvention werden diese Vorlagen die Einführung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems abrunden, das die Erfordernisse der Vereinfachung, der Billigkeit, der Transparenz, der Effizienz und der Schnelligkeit miteinander verbindet, die oft nur auf den ersten Blick im Widerspruch zueinander stehen. Sie werden unweigerlich Konsequenzen für andere Aspekte der Asylpolitik nach sich ziehen, insbesondere im Hinblick auf die Art und Weise, in der sich die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten konkretisieren wird, oder auch im Hinblick auf die Aufnahme- und Integrationsbedingungen. Unter der Voraussetzung der Entwicklung neuer analytischer Werkzeuge und der Verstärkung der administrativen Zusammenarbeit wird diese neue Architektur sinnvollen Nutzen aus den ersten Annäherungsbemühungen ziehen, die nach Annahme der Schlussfolgerungen von Tampere eingeleitet wurden. Die Grundlagen müssen zwar noch sorgfältig vorbereitet werden, der Fortschritt auf dem Weg zu diesem Ziel müsste aber rasch zu erreichen sein, vor allem, weil es heute so deutlich wird, dass das Asylrecht in der sich zu Beginn dieses Jahrtausends wandelnden Welt konsolidiert werden muss.

Mit dieser Mitteilung will die Kommission das Mandat erfuellen, das ihr der Rat in Randnummer 15 der Schlussfolgerungen von Tampere erteilt hat. Ihres Erachtens muss die Debatte ab jetzt in den zuständigen Instanzen energisch und regelmäßig geführt werden, damit klare Leitlinien definiert werden können. Der Europäische Rat, der ihr das Mandat für diese Problematik übertragen hat, muss sich auf jeden Fall bei der Halbzeit-Prüfung im Dezember 2001 in Brüssel und gegebenenfalls vor dem Ende der in Artikel 67 EG-Vertrag vorgesehenen Übergangsphase mit der Frage befassen. Ein strategisches Follow-up wie in Punkt 5.2 beschrieben, müsste auch auf der Ebene des Rates einmal jährlich auf der Grundlage eines Berichts der Kommission erfolgen.

Parallel zu diesem Follow-up wird die Kommission verschiedene konkrete Etappen einleiten:

( Ab Anfang 2001 unter dem schwedischen Vorsitz eine Mobilisierung mit den Mitgliedstaaten, sowohl auf technischer als auch auf politischer Ebene, in Zusammenarbeit mit anderen zuständigen Organisationen, um die Qualität der statistischen Erfassung im Bereich Asyl substanziell zu verbessern.

( Im Jahre 2001 eine Initiative zu einem neuen Gemeinschaftsprogramm als Nachfolge des Programms ODYSSEUS im Jahre 2002, das hauptsächlich auf die Zusammenarbeit der einzelstaatlichen Behörden u. a. im Bereich Asyl ausgerichtet ist.

( Einführung von Studien über die Option der zentralen Anlaufstelle, die Asylanträge außerhalb der Europäischen Union und ein Wiedereingliederungsprogramm auf der Ebene der Europäischen Union sowie die Frage der Übertragungen der Zuständigkeit für den Schutz zwischen Mitgliedstaaten.

Die Kommission schlägt somit für die Entwicklung eines gemeinsamen Verfahrens und eines einheitlichen Status eine Methode vor, die die Festlegung strategischer Leitlinien, die Festsetzung von Fixpunkten, die Bestimmung von Zielen und die Einführung eines Follow-up voraussetzt, um die Fortschritte unbeschadet der Ausübung der Gesetzgebungskompetenz der Gemeinschaft und möglichst nah an den definierten politischen Zielen zu evaluieren. In diesem Zusammenhang könnte die Kommission Jahresberichte erstellen, die Empfehlungen enthielten. Diese Methode setzt nicht nur die Mobilisierung der Gemeinschaftsorgane und der Mitgliedstaaten, sondern auch die Entwicklung einer engen Partnerschaft mit allen auf internationaler oder nationaler Ebene beteiligten Kräften in den oder außerhalb der Regierungen voraus, die an der gemeinsamen Asylpolitik beteiligt sind.

Zusammenfassend hebt die Kommission hervor, dass sich im Bereich Asyl jede konjunkturelle Maßnahme in den Rahmen einer stabilen vorhersehbaren Politik einreihen muss, die durch langfristige Ziele geleitet wird. Der in Tampere definierte Rahmen ermöglicht dies sowohl in seiner ersten als auch in seiner zweiten Phase. Dieser Prozess muss auch von dem Bemühen um Transparenz geleitet werden, die eine breite öffentliche Debatte unter Einbeziehung des Europäischen Parlamentes und der Zivilgesellschaft ermöglichen wird, um somit die größtmögliche Unterstützung für die erlassenen Maßnahmen zu gewährleisten.

ANHANG

Auf dem Weg zu einer gemeinsamen europäischen Asylregelung

- EURODAC-Verordnung über die Fingerabdrücke von Asylbewerbern, die in den nächsten Wochen erlassen werden dürfte (Vorschlag der Kommission: Frühjahr 1999)

- Richtlinie über die Familienzusammenführung, die auch für Flüchtlinge gelten soll (Vorschlag der Kommission: Dezember 1999)

- Entscheidung über die Errichtung eines europäischen Flüchtlingsfonds (von der Kommission im Dezember 1999 vorgeschlagen und vom Rat im September 2000 erlassen)

- Richtlinie über die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Fall eines Massenzustroms von Vertriebenen (Vorschlag der Kommission: Mai 2000)

- Richtlinie über die Asylverfahren (Zu- und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft) (Vorschlag der Kommission: September 2000)

- Richtlinie über die Aufnahmebedingungen von Asylbewerbern (Vorschlag der Kommission: vor März 2001)

- Verordnung betreffend die Kriterien und Mechanismen für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Staats (Gemeinschaftsinstrument als Nachfolgeinstrument des Dubliner Übereinkommens) (Vorschlag der Kommission: Frühjahr 2001)

- Richtlinie über die Anerkennung und den Inhalt des Flüchtlingsstatus (Vorschlag der Kommission: zweites Halbjahr 2001)

- Richtlinie über subsidiäre Schutzformen, die einen geeigneten Status bieten (Vorschlag der Kommission: zweites Halbjahr 2001)

- Herkunftsdrittstaat und Transitdrittstaat: Follow-up des Berichts des Europäischen Rates von Nizza

-.Mobilisierung im Hinblick auf die Erhebung statistischer Daten im Bereich Asyl auf der Grundlage der Ende 1998 begonnenen statistischen Erfassung (erstes Halbjahr 2001)

- Initiative für ein neues Gemeinschaftsprogramm als Nachfolge des Programms ODYSSEUS im Jahre 2002 (Ende des derzeitigen Programms: 2001), das hauptsächlich auf die Zusammenarbeit der einzelstaatlichen Behörden u. a. im Bereich Asyl ausgerichtet ist (Vorschlag der Kommission: 2001)

- Erstellung von Studien zu folgenden Themen: Option der zentralen Anlaufstelle, Asylanträge außerhalb der Europäischen Union und ein Wiedereingliederungsprogramm auf der Ebene der Europäischen Union, Übertragung der Zuständigkeit für den Schutz zwischen Mitgliedstaaten.