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Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Einbeziehung von Umweltbelangen und nachhaltiger Entwicklung in die Entwicklungspolitik"

Amtsblatt Nr. C 014 vom 16/01/2001 S. 0087 - 0091


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Einbeziehung von Umweltbelangen und nachhaltiger Entwicklung in die Entwicklungspolitik"

(2001/C 14/18)

Die Europäische Kommission beschloss am 18. Mai 2000, den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags Stellungnahme zu dem vorgenannten Thema zu befassen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 10. Oktober 2000 an. Berichterstatter war Herr Ribbe, Mitberichterstatter war Herr Gafo Fernández.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 376.Plenartagung (Sitzung vom 19. Oktober 2000) mit 83 Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. In Artikel 177 des Amsterdamer Vertrag wird die Förderung der nachhaltigen Entwicklung zu einem zentralen Anliegen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit der Gemeinschaft erklärt.

1.2. Der Europäische Rat hat auf seinem Gipfel in Cardiff im Juni 1998 die Bedeutung der Integration des Umweltschutzes und der nachhaltigen Entwicklung in alle Politikbereiche der Gemeinschaft unterstrichen und der Kommission sowie den Fachräten den Auftrag erteilt, entsprechende Strategien zu erarbeiten.

1.3. Die von der Kommission vorgelegte Mitteilung "Einbeziehung von Umweltbelangen und nachhaltiger Entwicklung in die Politik der wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Zusammenarbeit - Elemente einer umfassenden Strategie"(1) ist im Rahmen dieser Integrationsstrategie zu sehen.

1.4. Der Ausschuss hat Kenntnis von den Beratungen des Rates (Entwicklung) am 11. November 1999 sowie vom 18. Mai 2000, ebenso von der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament "Die Entwicklungspolitik der Europäischen Gemeinschaft"(2).

2. Allgemeine Bemerkungen

2.1. Der Ausschuss begrüßt die Vorlage des Papiers durch die Kommission, die damit nicht nur zu erkennen gibt, dass sie sich um die Umsetzung der Vorgaben des Amsterdamer Vertrages sowie des Cardiff-Gipfels bemüht, sondern gleichzeitig beschreibt, dass es sich bei dieser Fragestellung um ein extrem wichtiges Themenfeld handelt, bei dem es noch erhebliche Defizite aufzuarbeiten gilt.

2.2. Die Kommission stellt sowohl in dieser Mitteilung als auch in ihrem generellen Papier zur Entwicklungspolitik(3) mehrfach zu Recht fest, dass der Zivilgesellschaft bei der Bewältigung der anstehenden Aufgaben eine fundamental wichtige Rolle zukommt. Von dieser Warte her bedauert der Ausschuss die Tatsache, dass er als ein Vertreter der organisierten Zivilgesellschaft bisher nur partiell in die Überlegungen der Kommission einbezogen wurde. Er gibt der Kommission, dem Rat und dem Parlament zu bedenken, dass die Beiträge des Ausschusses zur Fortentwicklung dieses wichtigen Politikbereiches nur dann sinnvoll sein können, wenn sie nicht nur zu Einzelstücken und einzelnen Dokumenten erfragt werden, sondern wenn er den Gesamtprozess der Fortentwicklung der Entwicklungspolitik mit begleiten kann. Die Kommission wird gebeten, dem Ausschuss mitzuteilen, wie seine Integration bei der Fortentwicklung der wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Zusammenarbeit zukünftig aussehen soll.

2.3. Der Ausschuss betrachtet mit Sorge die derzeitige globale Entwicklung. Er stellt fest, dass das Versprechen der Industrienationen, das diese bereits auf der UN Vollversammlung am 24. Oktober 1970 abgegeben und später wiederholt bestätigt haben, nämlich mindestens 0,7 % des jeweiligen Bruttosozialproduktes in die Entwicklungshilfe zu investieren, von den meisten Ländern nicht eingehalten wird und derzeit durchschnittlich nur 0,23 % aufgewendet werden.

2.4. Die Schere zwischen arm und reich klafft immer weiter auseinander. Der Teufelskreis, in dem sich viele Entwicklungsländer befinden und der mit den Stichworten wirtschaftliche Unterentwicklung, Armut, geringes Bildungsniveau, Bevölkerungswachstum und mangelnder Umweltschutz nur unzureichend beschrieben wird, ist seit langem bekannt und auch im Bewusstsein der entwickelten Welt. Er konnte bislang nicht aufgebrochen werden, teilweise auch deshalb, weil der politische Wille hierzu fehlt.

2.5. Die Umweltsituation in den einzelnen Entwicklungsländern bzw. -regionen stellt sich selbstverständlich sehr unterschiedlich dar und lässt sich deshalb nicht verallgemeinern. Jedoch muss vielfach von einer dramatischen Lage gesprochen werden: vielen Menschen mangelt es an sauberem Trinkwasser, die Abwasseraufbereitung (und folglich vielfach die hygienischen Verhältnisse) ist katastrophal, ein geordnetes Abfallmanagement weitgehend unbekannt, und nicht nur in Ballungszentren ist die Luftsituation häufig dramatisch. Die natürlichen Ressourcen werden vielfach übernutzt, z. T. zur Befriedigung der eigenen Bedürfnisse, z. T. zur Befriedigung einer externen Nachfrage.

2.5.1. Ein weiteres Beispiel für die problematische Umweltsituation sind Überweidungen und die landwirtschaftliche Übernutzung marginaler Böden mit der Folge abnehmender Fruchtbarkeit und Ertragsfähigkeit. Ein anderes Beispiel sind großflächige Abholzungen. Die ökologischen Konsequenzen können ebenfalls sehr unterschiedlich sein. Sie reichen von Klimaveränderungen über einer verstärkten Wüstenbildung bis hin zu großflächigen Überschwemmungen. Sie können somit globale wie regionale/lokale Auswirkungen haben. Mit anderen Worten: Die meisten Entwicklungsländer sind von einer gesunden Umweltsituation und einer "nachhaltigen Entwicklung" weit entfernt. Diese Situation betrifft aber nicht nur die Entwicklungsländer, sondern hat auch Auswirkungen auf die entwickelten Länder, sodass der Initiative der Kommission auch aus einem wohlverstandenem Eigeninteresse besondere Bedeutung zukommt.

2.6. Es muss gesehen werden, dass es nicht die Entwicklungsländer, sondern die Industrienationen sind, die für viele der globalen Umweltprobleme hauptverantwortlich sind. Fakt ist, dass rund 20 % der Erdbevölkerung rund 80 % der Ressourcen verbraucht, und dass dieser Ressourcenverbrauch teilweise auch durch Raubbau bzw. Übernutzung an regenerativen und nicht regenerativen Ressourcen in den Entwicklungsländern gedeckt wird.

2.6.1. Die 20 % der Menschen, die 80 % der Rohstoffe verbrauchen, leben vornehmlich in den Industrieländern. Es sind somit vor allem die Produktions-, Verbrauchs- und Verhaltensmuster der Industrienationen, die für die drohende Ressourcenverknappung, für den Klimawandel oder den dramatischen Schwund der Biodiversität und somit genetischen Vielfalt verantwortlich sind. Diese auf die Entwicklungsstaaten zu übertragen würde somit die ökologisch bereits hoch sensible Situation global weiter massiv verschärfen.

2.6.2. Gleichwohl können die Industriestaaten mit einem Know-how Transfer bei der Entwicklung von angepasster Umwelttechnologie wichtige Beiträge zur Lösung der Probleme in der Entwicklungsländern leisten.

2.7. Der Ausschuss weist darauf hin, dass es bei der Integration des Umweltschutzes und der nachhaltigen Entwicklung in die Entwicklungspolitik der EU nicht darum gehen kann, den europäischen Lebensstil auf die Entwicklungsländer zu übertragen. Die Kommission selbst hat in der Bewertung ihres eigenen 5. Umweltaktionsprogramms(4) festgestellt, dass man weit davon entfernt sei, eine nachhaltige Entwicklung in Europa zu gewährleisten.

3. Besondere Anmerkungen

3.1. Kein ausreichend strategischer Ansatz im Papier

3.1.1. Es ist auffällig, dass die Kommission in ihrer Mitteilung in den von ihr angesprochenen Themenfeldern relativ unverbindliche Vorschläge macht. Diese Mitteilung liefert nach Auffassung des Ausschusses kaum klare Hinweise,

- wo nun aus Sicht der Kommission die Probleme genau begründet liegen,

- wo bisher die Defizite in der Zusammenarbeit zwischen der EU und den Entwicklungsstaaten am größten sind

- und wie ihnen wirklich wirkungsvoll begegnet werden können.

3.1.2. Im Kommissionsdokument konzentrieren sich die Aussagen auf den Bereich Umwelt. Aussagen darüber, wie man sich die Integration der nachhaltigen Entwicklung im Rahmen der Entwicklungspolitik vorstellt, fehlen gänzlich. Somit kann der Ausschuss nicht erkennen, dass mit dieser Mitteilung alle "Elemente einer umfassenden Strategie" abgehandelt werden, wie der Untertitel der Mitteilung der Kommission vorgibt.

3.1.3. Ein Themenfeld, das in Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung in den Entwicklungsstaaten von erheblicher und entscheidender Bedeutung ist, ist beispielsweise das Thema "Bevölkerungsentwicklung". Es bleibt im Kommissionsdokument vollständig ausgeklammert. Der Ausschuss empfiehlt, das Dokument noch einmal auf entsprechende Schwachstellen abzuklopfen und die strategischen Überlegungen entsprechend zu ergänzen.

3.1.4. Dazu gehört auch, Antworten auf folgende Fragestellungen zu suchen:

- Sind die vielfach zu beobachtende Landflucht und die Entwicklung immer größerer Megastädte, in denen 10, 20 oder gar 30 Millionen Menschen leben, langfristig gesehen nachhaltig?

- Stellt es nicht partiell einen Widerspruch dar, wenn auf der einen Seite sinnvollerweise die Bildung und Ausbildung der Menschen in den wirtschaftlich unterentwickelten Ländern gefördert wird, wenn aber gleichzeitig mit besonderen staatlichen Initiativen wie z. B. Einwanderungsregelungen bewusst Fachkräfte aus diesen Ländern abgeworben werden, was den Aufbau bzw. die Konkurrenzfähigkeit von dortigen Unternehmen massiv beeinträchtigt (Stichwort: brain-drain)?

- Warum wird im Kommissionsdokument nicht die Förderung von Mechanismen für einen verstärkten Technologietransfer erwogen, die über die bereits im Protokoll von Kyoto enthaltenen hinausgehen?

3.1.5. Die Kommission stellt fest, dass es "keine systematische Untersuchung der Kohärenz von EU- und Gemeinschaftspolitik sowie deren Auswirkungen auf Entwicklungsländer" gibt. Diese kritische Selbsterkenntnis wird begrüßt. Der WSA vermisst in dem Papier einen konkreten Hinweis darauf, bis wann eine solche sicherlich extrem notwendige Untersuchung vorgenommen und vorgelegt werden soll.

3.1.6. Für die Fortführung und Qualifizierung der Diskussion zwischen Kommission, Rat und Parlament, an der sich der Wirtschafts- und Sozialausschuss gern beteiligen wird (s. Textziffer 2.2), wäre es deshalb von Vorteil, wenn eine klare Fehleranalyse der bisherigen globalen Entwicklung und Politik vorgenommen werden würde. Der Ausschuss weist darauf hin, dass hier ganz besonders das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) bereits wichtige Arbeiten geleistet hat, die systematisch ausgewertet und in die Strategie integriert werden sollten.

3.1.7. Die Diskussion könnte klarer und auch für die Öffentlichkeit, die für diese Fragen zwingend sensibilisiert werden muss, verständlicher ablaufen, wenn bestimmte Entwicklungen, die als nicht umweltverträglich bzw. nicht "nachhaltig" identifiziert wurden, genauer beschrieben würden. Dabei sollte besonders dargestellt werden, welchen Anteil staatliche Stellen bzw. Unternehmen aus den entwickelten Ländern daran tragen.

3.2. Grundlagen für mehr Umweltschutz

3.2.1. Mehrfach wird im Kommissionsdokument betont, wie wichtig es ist, die Grundvoraussetzungen für den Auf- und Ausbau der für das Umweltmanagement erforderlichen Kapazitäten im öffentlichen und privaten Sektor zu fördern. Dies sieht der Ausschuss genauso. Aber nur an einer Stelle werden die Förderung des Umweltbewusstseins und die Umwelterziehung angesprochen.

Der Ausschuss weist mit Nachdruck darauf hin, dass Umweltschutz nicht funktioniert, wenn er nur von oben verordnet wird. Er wird nur dann erfolgreich sein, wenn die Gesellschaft dahinter steht, wenn die Menschen die eingeleiteten Schritte verstehen und akzeptieren und vielleicht sogar noch mehr einfordern.

Der uneingeschränkten Einbeziehung der Öffentlichkeit und der organisierten Zivilgesellschaft in die Konzipierung, Umsetzung und Bewertung von Entwicklungsstrategien, insbesondere im Bereich der Umweltpolitik und der nachhaltigen Entwicklung, sollte künftig noch mehr Beachtung geschenkt werden. Voraussetzung für eine tatsächliche Beteiligung der Zivilgesellschaft ist der vorherige Zugang zu angemessenen Informationen, etwa über die geplanten Projekte und die Umweltverträglichkeitsprüfungen, ganz im Sinne der von der Europäischen Gemeinschaft unterzeichneten Aarhus Konvention. Zum anderen ist eine verstärkte Unterstützung von Klein- und Kleinstprojekten zum Schutze der Umwelt ein wichtiger Ansatz zur direkten Einbeziehung der lokalen Bevölkerung. Zu beiden Punkten gibt die Mitteilung der Kommission leider nur ungenügend Auskunft.

3.2.2. Häufig weisen die Entwicklungsländer noch erhebliche Defizite bei der Ausbildung im Bereich des Umweltmanagements sowie des Umweltrechts und seiner Durchsetzung auf. Dem Ausschuss scheint es deshalb erforderlich, dass den Entwicklungsländern verstärkt Hilfen in diesen Bereichen gewährt werden, besonders bei der Entwicklung entsprechender Lehrangebote und Curricula an den Hochschulen.

3.2.3. Der Kommission steht für ihre Beziehungen zu den AKP-Staaten ein fester Rahmen für den Dialog über die Entwicklungsstrategien zur Verfügung, der ein ideales Integrationsinstrument darstellt, zumal auch die wirtschaftlichen und sozialen Akteure in den Dialog einbezogen werden müssen, wie es der Wirtschafts- und Sozialausschuss gefordert hat.

3.2.4. Solange in Entwicklungsländern den Forderungen einer modernen Umweltpolitik noch nicht ausreichend Rechnung getragen wird, liegt es im europäischen, sowie auch im globalen öffentlichen Interesse ("global governance"), dass die Europäische Kommission sowie die Regierungen der einzelnen Mitgliedstaaten den ökologischen Aspekten in den bilateralen Gesprächen und Verhandlungen den entsprechenden Stellenwert einräumen. Sich auf die Position zurückzuziehen, der Umweltschutz müsse "nachfrageorientiert" sein, kann nicht akzeptiert werden.

3.2.5. Es ist deshalb auch wichtig, alle Kommissionsbeamten, die mit der Entwicklungspolitik betraut sind, von der Bedeutung des Umweltschutzes und der nachhaltigen Entwicklung zu überzeugen. Die Integration des Umweltschutzes beginnt hier.

3.2.6. In diesem Zusammenhang möchte der Ausschuss noch eine Anmerkung zur Personalausstattung innerhalb der mit Entwicklungsfragen beauftragten Kommissionsdienststellen machen. Die in der Fußnote 22 der Mitteilung genannten Zahlen, nach denen beispielsweise ein Mitarbeiter der Kommissionsdienststelle eine Investitionshöhe von 1300 Mio. Euro in der AKP-Staaten auf ihre Umweltverträglichkeit zu überwachen hat, müssen sehr nachdenklich machen. Das notwendige Controlling kann so unmöglich angemessen geleistet werden. Die Kommission sollte darstellen, wie auch angesichts der geplanten Umstrukturierung zwischen den beiden Generaldirektionen RELEX und DEV sowie dem Gemeinsamen Dienst für Außenbeziehungen die sicherlich wachsenden Aufgaben hinreichend bewältigt werden können.

3.2.7. Eine Möglichkeit, mit der für mehr Effizienz gesorgt werden könnte, wäre eine bessere Koordinierung und Nutzung der vorhandenen Ressourcen, und zwar sowohl auf Seiten der Kommission als auch auf Seiten der Mitgliedstaaten und der maßgeblichen privaten und öffentlichen Organisationen.

3.3. Auswirkungen des Handels

3.3.1. In der Kommissionsmitteilung wird das Problem des Handels angesprochen, jedoch nicht so tiefgründig, wie es nach Auffassung des Ausschusses nötig wäre.

3.3.2. In den Handelsbeziehungen zwischen EU Mitgliedstaaten und den Entwicklungsländern sind einige Probleme begründet, die eine nachhaltige Entwicklung sowohl in den Entwicklungsländern wie auch in den entwickelten Ländern bislang massiv erschweren bzw. unmöglich machen. Ein Beispiel: Futtermittelimporte. Die europäische Landwirtschaft importiert in erheblichem Umfang Futtermittel (bzw. andere agrarische Rohstoffe), auch aus Entwicklungsländern. Innerhalb der EU bewirkt dies partiell eine Konzentration der intensiven Viehhaltung in Küstenregionen, was aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe nachvollziehbar ist, was aber gleichzeitig ein Umweltproblem darstellt und für die Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft in der EU ein Problem darstellt. Der Anbau der Futtermittelausgangsstoffe in den Entwicklungsländern verursacht dort wiederum diverse soziale und umweltpolitische Probleme. Die Vertreibung von Kleinbauern von Flächen, Abholzung von Flächen und der Raubbau auf sensiblen Böden, die Missachtung von Umweltbedingungen bei der Verarbeitung der Rohware (z. B. in Fischmehlfabriken) seien als Beispiele genannt. Völlig ungeklärt ist dabei die Frage, welche ökologische Konsequenz sich zukünftig aus dem Einsatz und dem globalen Handel gentechnisch veränderter Sorten ergeben können. Die Kommission sollte im Rahmen eines Papiers, das "Elemente einer umfassenden Strategie" beinhalten soll, inhaltlich stärker auf solch bekannte Umstände eingehen und Ideen zur Lösung vorstellen.

3.3.3. Im Kommissionsdokument wird häufig auf die Bedeutung hingewiesen, die gerade international tätige Unternehmen in den Ländern beim Aufbau des Umweltschutzes und der nachhaltigen Entwicklung haben. Dies ist zweifellos richtig, denn die Unternehmen können einen massiven Know-how-Transfer bewirken und mit ihren Managementerfahrungen sowie dem Einsatz moderner Umwelttechnologien "saubere" Wirtschaftsprozesse auslösen. Dies ist die positive Seite einer Entwicklung, die unbedingt unterstützt werden muss.

3.3.4. Auf der anderen Seite erscheint es dem Ausschuss erforderlich, darauf hinzuweisen, dass es leider immer auch noch gegenteilige Entwicklungen gibt: weltweit agierende Unternehmen, die an ihren Standorten in den entwickelten Ländern durchaus hohe Umweltstandards einhalten, die aber zum Teil die geringen Sozial-, Arbeits- und Umweltstandards der Entwicklungsländer konsequent ausnutzen und so eine nachhaltige Entwicklung verhindern. Da dies ein nicht zu unterschätzender Faktor ist, wäre es wünschenswert, wenn die Kommission mit den europäischen und in den internationalen Institutionen Überlegungen anstellen würde, wie diesem Umstand ein Ende bereitet werden kann, z. B. durch die Entwicklung eines Verhaltenskodex. Darüber hinaus ist es unverzichtbar, dass die EU und die Mitgliedstaaten die internationale Kampagne zur Ratifizierung der grundlegenden IAO-Übereinkommen aktiv unterstützen und öffentliche Investitionen und Darlehen sowie bestimmte Programme an die Einhaltung ihrer Bestimmungen knüpfen.

3.3.5. Es ist inakzeptabel, dass in den Entwicklungsländern vielfach noch umwelt- und gesundheitsgefährdende Stoffe verwendet werden, die in den EU-Staaten aus umwelt- oder gesundheitspolitischen Gründen längst verboten sind, hier aber hergestellt werden. Darüber hinaus werden in vielen Entwicklungsländern persistente toxische Chemikalien, wie z. B. DDT(5) zur Malariabekämpfung, eingesetzt, die wegen ihrer Flüchtigkeit und Langlebigkeit zu einer wachsenden globalen Umweltgefährdung beitragen.

3.3.6. Ausgehend von entsprechend bekannten, aus dem Handel resultierenden Defiziten muss deshalb der Satz der Kommission "Handel und Umwelt sollen sich gegenseitig befluegeln" (s. Textziffer 4.2. erster Absatz des Kommissionsdokuments) derzeit zu einem gewissen Teil mehr als ein Wunsch denn als derzeitige Realität verstanden werden. Die Kommission und die Mitgliedstaaten müssen insbesondere für die Aufnahme des Umweltschutzes in die WTO-Satzung sorgen.

3.4. Umweltschutzinvestitionen

3.4.1. Es ist angesichts erkennbarer Unterinvestitionen in den Umweltschutz in den Entwicklungsländern durchaus angebracht, über die Erhöhung des Anteils von Umweltschutzinvestitionen an der gesamten gemeinschaftlichen Entwicklungshilfe nachzudenken (er liegt derzeit nach Aussagen der Kommission nur bei 8,5 % ). Der Ausschuss weist gleichzeitig darauf hin, dass es für die nachhaltige Entwicklung genauso bedeutsam ist, dafür Sorge zu tragen, dass die restlichen, weitaus höheren Mittel, die im Rahmen der im April 2000 vorgestellten Prioritäten der europäischen Entwicklungspolitik beispielsweise zur Armutsbekämpfung, zur Handelsförderung, für Strukturanpassungsprogramme, Gesundheit, Bildung, die Förderung des privaten Sektors und der produktiven Sektoren eingesetzt werden, ebenfalls die ökologischen Aspekte berücksichtigen.

3.4.2. Einige Umweltprobleme in den Entwicklungsländern liegen oftmals in aus Sicht der Industriestaaten vergleichsweise banalen Problemen begründet. Die Wüstenbildung breitet sich u. a. aus, weil Holzrodungen vorgenommen werden, um z. B. Essen zu kochen. Mit moderner, angepasster Umwelttechnologie (z. B. Solarkochern) könnten entscheidende Verbesserungen erzielt werden. Gleichzeitig könnten entsprechende Qualifizierungsprogramme gestartet werden, die die Menschen in diesen Ländern in die Lage versetzen, entsprechende Technologien selbst herzustellen. Die Entwicklungsländer nur als Abnehmer entsprechender in den Industriestaaten hergestellter Geräte anzusehen wäre der falsche Weg. Der WSA würde sich über Hinweise seitens der Kommission freuen, ob der Aufbau der Herstellung und Anwendung entsprechender Technologie in den Ländern im Rahmen von Bottom-up-Projekten nicht ein Ansatz wäre, der viel stärker als bisher genutzt werden sollte, um viele Vor-Ort-Probleme zu lösen.

3.4.3. Mit solchen angepassten Projekten kann auch sehr gut bewiesen werden, dass Umweltschutz kein Luxusgut ist, das sich nur reiche Gesellschaften leisten können, sondern eine Grundvoraussetzung zur Sicherung der globalen ökologischen und ökonomischen Stabilität.

3.4.4. Unklar ist abschließend, wie die Kommission zu der Auffassung kommt, dass "die Privatisierung von Umweltdienstleistungen (z. B. Abfallentsorgung, Hygienedienste, Abwasserbehandlung) ... zu einer besseren ökonomischen Effizienz und Umweltwirksamkeit führen" wird.

Brüssel, den 19. Oktober 2000.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Göke Frerichs

(1) KOM(2000) 264 endg.

(2) KOM(2000) 212 endg. vom 26.4.2000.

(3) KOM(2000) 212 endg. vom 26.4.2000.

(4) KOM(1999) 543 endg. vom 24.11.1999.

(5) Ca. 30 % des in den Entwicklungsländern eingesetzten DDT kommt über die Atmosphäre wieder in die entwickelten Länder zurück!