52000AC0235

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem «Vorentwurf einer Verordnung der Kommission zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Seeschiffahrtsunternehmen (Konsortien) aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 479/92 des Rates»

Amtsblatt Nr. C 117 vom 26/04/2000 S. 0019 - 0022


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorentwurf einer Verordnung der Kommission zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Seeschiffahrtsunternehmen (Konsortien) aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 479/92 des Rates"(1)

(2000/C 117/04)

Der Wirtschafts- und Sozialausschuß beschloß am 20. Dezember 1999 gemäß Artikel 23 Absatz 2 und Artikel 25 der Geschäftsordnung, eine ergänzende Stellungnahme zu dem vorgenannten Vorentwurf zu erarbeiten.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 3. Februar 2000 an. Berichterstatterin war Frau Dr. Bredima-Savopoulou.

Der Ausschuß verabschiedete auf seine 370. Plenartagung am 1. und 2. März 2000 (Sitzung vom 1. März) mit 121 gegen 1 Stimme bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Als im Jahre 1986 die vier Seeverkehrsverordnungen erlassen wurden, die die erste Stufe der gemeinsamen Seeverkehrspolitik der EG bildeten, forderte der Rat die Kommission auf, der Frage nachzugehen, ob neue wettbewerbsrechtliche Vorschläge für Konsortien im Linienschiffsverkehr angezeigt seien. Die Kommission sagte zu, dem Rat innerhalb eines Jahres darüber Bericht zu erstatten, ob eine Gruppenfreistellungsregelung für Linienverkehrskonsortien erforderlich sei. Seinerzeit stellte der Rat fest, "daß auf Joint ventures und Konsortien, soweit sie technische Verbesserungen oder Zusammenarbeit im Sinne von Artikel 2 der Verordnung bezwecken oder bewirken, und auf enge Konsortien, soweit diese nur einen geringen Marktanteil abdecken, das in Artikel 85 Absatz 1 des Vertrags verankerte Verbot nicht anzuwenden ist."

1.2. Die notwendige Klärung der Stellung von Schiffahrtskonsortien im Zusammenhang mit den Wettbewerbsregeln wurde von der Kommission in ihrem Bericht "Eine Zukunft für das Seeverkehrsgewerbe der Gemeinschaft: Maßnahmen zur Verbesserung der Betriebsbedingungen des Seeverkehrs der Gemeinschaft"(2) als eine der positiven Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der EG-Handelsflotte bezeichnet. In seiner Stellungnahme zu den vorgenannten Maßnahmen wies der Ausschuß darauf hin, "wie wichtig es ist, in dieser Frage (der Konsortienbildung) rasch zu einer akzeptablen Lösung zu gelangen, wie sie in der ersten Phase der Seeverkehrspolitik für die Linienkonferenzen gefunden wurde"(3).

1.3. Nach eingehenden Überlegungen anhand weiterer Informationen über Linienkonsortien verfaßte die Kommission im Juni 1990 einen "Bericht über die Möglichkeit einer Gruppenfreistellung für Konsortialverträge in der Linienschiffahrt", dem sie einen "Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Anwendung des Artikel 85 Absatz 3 des Vertrags auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Seeschiffahrtsunternehmen" beifügte(4).

1.4. Am 25. Februar 1992 verabschiedete der Rat die Ermächtigungsverordnung (EWG) Nr. 479/92(5), nach der die Kommission im Verordnungswege in Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages den gemeinsamen Betrieb von Linienverkehrskonsortien von dem in Artikel 85 Absatz 1 enthaltenen Verbot der Beeinträchtigung des Wettbewerbs (Wettbewerbsregeln) ausnehmen kann.

1.5. Der Ausschuß verabschiedete eine Stellungnahme(6) zu der Ermächtigungsverordnung, in der er das positive Werturteil der Kommission zu Konsortien unterschrieb und außerdem betonte, daß Bürokratismus in diesem Bereich unbedingt zu vermeiden sei. Laut dieser früheren Stellungnahme des Ausschusses können Konsortien ganz allgemein als "Formen einer Zusammenarbeit im Linienschiffahrtsbereich definiert werden, bei denen die beteiligten Schiffahrtslinien ein Spektrum von Tätigkeiten gemeinsam abwickeln, um in einem bestimmten Sektor die erforderlichen Vorteile der Kostendegression sowie der Rationalisierung der Dienstleistungserbringung zu erreichen, wobei in der Regel die Konzepte der Schiffskostenteilung und des Frachtpoolings kombiniert werden". In seiner damaligen Stellungnahme stellte der Ausschuß fest, daß den Konsortien als Rationalisierungsinstrument im Containerzeitalter inzwischen weithin ein hoher Stellenwert und Nutzwert zuerkannt wird, und unterschrieb den Befund der Kommission, daß "die gemeinschaftliche Schiffahrtsindustrie die sich für den Wettbewerb auf dem Weltlinienschiffahrtsmarkt nötigen Größenvorteile erzielen" muß und "die Konsortien dazu beitragen (können), die nötigen Mittel zur Verbesserung der Produktivität der Linienschiffahrtsdienste zu liefern und ... den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt zu fördern".

1.6. Vor dem Hintergrund, daß eine Gruppenfreistellung von den Wettbewerbsregeln durch die Ratsverordnung (EWG) Nr. 4056/86(7) für Linienkonferenzen bereits gewährt worden war, kam der Ausschuß zu dem Ergebnis, daß eine Regelung für Linienverkehrskonsortien erforderlich sei und eine spezifische Verordnung über Gruppenfreistellungen geboten erscheine, weil Konsortien eine andere Struktur und Funktion haben als Linienkoferenzen. Der Ausschuß vertrat jedoch den Standpunkt, daß die Kommission bei der Festlegung einer gesonderten Gruppenfreistellungsverordnung klarer zum Ausdruck bringen sollte, wie sie hinsichtlich der Rahmenbedingungen der Freistellung vorzugehen gedenke. Nach Auffassung des Ausschusses sollten solche Bedingungen den Wettbewerb auf drei Ebenen sichern, und zwar innerhalb des Konsortiums, innerhalb der Konferenz, innerhalb des Seeverkehrs als Ganzem, außerdem sollten sie transparent angelegt sein. Der Ausschuß plädierte für eine rechtliche Behandlung von Konsortien, die auf dem Grundsatz von "checks and balances" beruht und weder der Kommission noch den Konsortien einen Freibrief ausstellt. Der wesentliche Vorbehalt des Ausschusses war die Einbeziehung des multimodalen Verkehrs in den Anwendungsbereich der Konsortiumsverordnung. Nach seiner Auffassung sollte ein solch komplexer Bereich Gegenstand einer gesonderten Verordnung sein. Die Ermächtigungsverordnung (EWG) Nr. 479/92 trug den Schlußfolgerungen der vorgenannten Stellungnahme des Ausschusses Rechnung.

1.7. Am 20. April 1995 verabschiedete die Kommission die Verordnung (EG) Nr. 870/95(8) über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrags auf Linienschiffahrtskonsortien. Diese Verordnung nahm eine Freistellung für all diejenigen Vereinbarungen vor, deren Ziel die gemeinsame Wahrnehmung von Liniendiensten im Seeverkehr betreffen, sofern sie die in der Verordnung festgelegten Bedingungen und Auflagen erfuellen. Desweiteren sah diese Verordnung vor, daß Konsortien nur bis zu einem bestimmten Direktverkehrsanteil am Verkehrsaufkommen in den Genuß einer Freistellung kommen können. Im einzelnen sah diese Verordnung folgende drei Obergrenzen vor:

- ein Anteil am Verkehrsvolumen von maximal 30 bzw. 35 %, bei dem ein Konsortium automatisch eine Freistellung von dem besagten Artikel erhält;

- ein Anteil am Verkehrsaufkommen zwischen 30/35 % und 50 %, bei dem ein Konsortium eine Freistellung nach einem vereinfachten Widerspruchsverfahren beantragen kann;

- ein Anteil am Verkehrsaufkommen von mehr als 50 %, bei dem ein Konsortium eine Einzelfreistellung beantragen muß.

1.8. Die Verordnung enthielt weitere Bedingungen und Auflagen wie etwa die Nichtdiskriminierung zwischen Häfen in der EU und Konsultierungsgesprächen mit den Verkehrsnutzern. Und schließlich enthielt sie "Großvaterrechtsbestimmungen" betreffend Konsortialvereinbarungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung bereits bestanden.

1.9. Der Ausschuß verabschiedete eine Stellungnahme(9) zur der Verordnung (EG) Nr. 870/95, in der er zu dem Schluß gelangt, daß Ausgewogenheit in bezug auf die Interessen der Verlader und die Belange der Konsortien erreicht werden muß und die Wettbewerbsposition von Nichtkonsortialmitgliedern gewahrt bleiben muß. Außerdem müssen Konsortialvereinbarungen entsprechend flexibel konzipiert bleiben, damit sie sich auf die Bedürfnisse der Nutzer einstellen können. Im übrigen trug der WSA in seiner damaligen Stellungnahme vor, daß im Verordnungsentwurf einige Begriffe präziser definiert und bestimmte Einzelpunkte noch einmal überprüft werden sollten.

2. Die vorgeschlagene Kommissionsverordnung

2.1. In ihrem Bericht über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 870/95(10) kam die Kommission zu dem Ergebnis, daß sich die Verordnung bewährt hat, und prüfte mehrere politische Optionen für die gesetzliche Regelung nach dem Auslaufen der derzeitigen Verordnung zum 20. April 2000. Die Kommission gelangte zu dem Schluß, daß im Lichte der bisherigen Erfahrungen und im Interesse der Rechtssicherheit eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Verordnung (EG) Nr. 870/95 mit gewissen Änderungen bis zum 21. April 2005 die beste Lösung wäre.

2.2. In der vorgeschlagenen Verordnung werden im wesentlichen folgende grundlegende Veränderungen vorgesehen:

- Änderung des Eignungskriteriums "Anteil am Verkehrsaufkommen" im "Marktanteil" (d. h. Anteil eines Konsortiums auf jedem einzelnen der Märkte, auf denen es tätig ist);

- Exklusivitätsklausel für das vom Wettbewerb ausgenommene Schiffsraumchartern;

- zehn nach dem Widerspruchsverfahren freigestellte Konsortien bleiben auch weiterhin freigestellt;

- anhängige Anmeldungen aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 870/95 werden automatisch im Rahmen der neuen Verordnung weiterbehandelt;

- frühere Großvater-Rechtsklauseln werden offensichtlich aufgehoben;

- der Wortlaut wurde ggf. vereinfacht.

3. Allgemeine Bemerkungen

3.1. Acht Jahre nach Verabschiedung der ersten Konsortiumsverordnung(11) stellt der WSA fest, daß auf dem internationalen Linienschiffahrtsmarkt weitreichende und rasche Veränderungen stattfinden. Die Konsortiumsverordnungen gelten für Konsortien, "die internationale Liniendienste zur ausschließlichen Beförderung von Gütern überwiegend mit Containern" wahrnehmen. Die Containerisierung greift in der Linienschiffahrt immer weiter um sich. Im Zeitraum 1989-1998 verdoppelten sich die Transporte mit Containerschiffen von 249 Mio. t auf 509 Mio. t. Dies entspricht einer jährlichen Zuwachsrate von 11 %. Jüngsten Grobschätzungen zufolge ist sogar mit einer noch rascheren jährlichen Ausdehnung des Containerverkehrs zu rechnen. Dies hängt vor allem mit dem wachsenden Transportaufkommen an Fertig- und Halbfertigerzeugnissen zusammen. Ferner wird angenommen, daß bei einigen Schüttgutarten (wie beispielsweise Getreide, Düngemittel, Zucker) in den nächsten Jahren eine Verlagerung vom Bulkladungs- zum Containertransport stattfinden wird. Eine Umkehrung dieses Trends ist höchst unwahrscheinlich. Konkret ausgedrückt hat sich seit der Verabschiedung der ersten Konsortiumsverordnung im Zeitraum 1993-1997 der Containerverkehr auf dem Seewege spektakulär auf 44 %(12) der Tonnage ausgedehnt. Die geschilderten Veränderungen haben "dazu geführt, daß an die Stelle eines arbeitsintensiven ein kapitalintensiver Industriezweig getreten ist"(13). Dieser Wandel hat zum einen den Verladern Nutzen hinsichtlich der Dienstleistungsqualität gebracht; auf der anderen Seite hat er zu einer Reorganisation der Beschäftigung auf See und an Land geführt. Der Container ist ein regelrechter Schlüsselfaktor im Globalisierungsprozeß geworden, der den Entwicklungsländern und den Industrienationen gleichermaßen grundlegende wirtschaftliche und soziale Veränderungen beschert.

3.2. Die vorstehend beschriebene Marktentwicklung fiel zeitlich zusammen mit anderen Veränderungen in der Linienschiffahrt, die die Wettbewerbsbestimmungen berühren, und zwar: die schwindende Bedeutung von Linienkonferenzen, der wachsende Stellenwert von Konsortien sowie die Konzentration/Konsolidierung zu größeren Einheiten. In der letzten Zeit ist die Linienschiffahrt gekennzeichnet durch anhaltende Fusions- und Übernahmeprozesse, die zum Entstehen von Seeverkehrsriesen geführt haben, die jeweils mehrere hundert Schiffe betreiben und über weltweite Vertriebsnetze verfügen. Diese Entstehung der sog. "Mega carriers" steht im krassen Gegensatz zu der Situation, wie sie auf dem Massenfrachtguttransportmarkt herrscht, wo das kleine Unternehmen nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist. Wenngleich Konsortien ein begrüßenswertes Phänomen sind, das kleinen und mittelgroßen Unternehmen durch Bündelung ihrer Kräfte das Überleben erleichtert, liegt es auf der Hand, daß die Interessen der kleinen und mittelgroßen Mitglieder eines Konsortiums gegenüber den dem Konsortium angehörenden Seeverkehrsriesen geschützt werden müssen. Andernfalls besteht nämlich die Gefahr, daß die Konsortien zu einem Faktor geraten, der diese Konzentrationstendenz noch weiter verschärft(14).

3.3. Was die künftige politische Gestaltungsarbeit und Festlegung von Regeln angeht, werden die vorstehend beschriebenen Entwicklungen überwacht und entsprechend ihren Auswirkungen für die Reeder, Nutzer (Verlader/Empfänger) und Häfen bewertet werden müssen. Der Ausschuß fordert die Kommission auf, bei ihrer künftigen Politik betreffend Seeverkehrskonsortien, den "Wandel und die Dynamik, die Konsortien eigen sind"(15), zu berücksichtigen.

3.4. Aus den vorstehend beschriebenen Gründen und ohne den "Wert von Konsortien für den wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt der Schiffsindustrie" in Abrede stellen zu wollen(16), bekräftigt der Ausschuß die in seinen früheren Stellungnahmen(17) zum Ausdruck gebrachte Notwendigkeit, die Transparenz und den Wettbewerb in bezug auf andere Konsortialmitglieder sowie konsortiumsfremde Akteure - sprich gewissermaßen Outsider der betreffenden Linienschiffahrtsverkehre - zu wahren, wie dies in Artikel 5 und Artikel 8 des Verordnungsentwurfs geschehen ist. Außerdem sollte auch der Schutz der Interessen der Nutzer und Häfen Teil des künftigen Rechtsinstrumentariums für diesen Bereich sein. Diese kritischen Punkte sollten künftig in gesetzliche Parameter der EU-Wettbewerbsregeln für Konsortien umgesetzt werden.

3.5. Vor diesem Hintergrund erscheint dem WSA die Fortschreibung der Verordnung (EG) Nr. 870/95 mit den vorgeschlagenen Änderungen bis zum Jahr 2005 als die vorläufig beste Lösung. Deswegen befürwortet er voll und ganz den Vorschlag der Kommission.

4. Besondere Bemerkungen

4.1. Definitionen (Artikel 1)

4.1.1. Der Ausschuß ist insgesamt damit einverstanden, daß in der Begriffsbestimmung für Konsortien auch die auf mehreren Verkehrsgebieten tätigen Konsortialvereinbarungen erfaßt werden, um jüngsten Markttendenzen Rechnung zu tragen, die dahin gehen, daß Konsortien auf mehr als nur einem Verkehrsgebiet aktiv sind. Dies ist eine begrüßenswerte Klärung des Textes.

4.2. Freigestellte Vereinbarungen (Artikel 3)

4.2.1. In der Verordnung werden unter den freigestellten Tätigkeiten (in Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b) sonstige Tätigkeiten aufgeführt, die für den Betrieb von Konsortien erforderlich sind. Außerdem wird die Anwendbarkeit der Gruppenfreistellung auf Exklusivitätsklauseln (Verpflichtung, dem Konsortium zugeschlagene Schiffe einzusetzen und keinen Schiffsraum von Außenstehenden zu chartern) und Drittparteiklauseln (Verpflichtung der Konsortialmitglieder, ohne vorherige Zustimmung der anderen Konsortialmitglieder keinen Schiffsraum anderen Verkehrsunternehmen zu überlassen oder zur Charterung anzubieten) präzisiert. Dies ist eine sehr hilfreiche Klarstellung im Lichte der mit der Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 870/95 gesammelten Erfahrungen, die für mehr Rechtssicherheit sorgen dürfte.

4.3. Marktanteil (Artikel 6)

4.3.1. Der Ausschuß stellt fest, daß eine der Freistellungsvoraussetzungen eine spezifische Marktanteilsobergrenze ist, die je nach Konstellation des Konsortiums 30 bzw. 35 % oder 50 % der beförderten Gütermenge beträgt. Dies ist eine äußerst begrüßenswerte Neuerung und die wichtigste Änderung gegenüber der Verordnung (EG) Nr. 870/95, in der noch vom "Anteil eines Konsortiums am Direktverkehr zwischen den Häfen seines Verkehrsbereichs" die Rede war. Die Berechnung des Direktverkehrsanteils hat sich in der Praxis nämlich als äußerst schwierig erwiesen. Insgesamt ist ein Marktanteilkriterium angemessener, wenngleich bei seiner praktischen Anwendung noch immer gewisse Probleme auftreten können. Deswegen sollte durch die Beschreibung des betreffenden spezifischen Marktes für Klarstellung gesorgt werden.

4.3.2. Die seit 1995 mit der Verordnung gesammelten Erfahrungen haben gezeigt, daß das Konzept des Direktverkehrs zwischen Hafenpaaren als Bewertungskriterium ungeeignet ist. Statistiken über die einzelnen Hafenpaare lagen oftmals nicht vor oder aber waren ungenau bzw. veraltet. Außerdem beziehen sich die meisten Statistiken auf Ein- und Ausfuhrverkehrsströme eines Hafens/Landes mit einem anderen Land und nicht mit einem bestimmten Hafen. Aus den vorgenannten Gründen und aufgrund der Tatsache, daß die Hafenwahl oftmals aus rein operationellen Erwägungen getroffen wird, haben die Informationen auf der Basis des Direktverkehrs zwischen Hafenpaaren zu einem irreführenden bzw. verzerrten Bild geführt. Das Wettbewerbsgeschehen auf den meisten Schiffahrtsrouten findet zwischen einer ganzen Vielfalt von Hafenkonstellationen statt. In der wettbewerbspolitischen Praxis ist das Marktanteilskonzept mehr oder weniger die allgemeine Regel. Das Direktverkehrskonzept war die Ausnahme. Deswegen würde die vorgeschlagene Änderung die Konsortialverordnung auf die gleiche konzeptionelle Linie bringen wie die anderen Gruppenfreistellungsverordnungen.

4.3.3. Der Ausschuß hat bereits in der Vergangenheit die Unschärfe der Begriffe "Häfen seines Verkehrsgebietes" und "Direktverkehr" kritisiert. Mit der Verwendung des Begriffs "Marktanteil" wird in der vorgeschlagenen neuen Verordnung eine Quelle der Mehrdeutigkeit der betreffenden Berechnungsmodi beseitigt. Nach wie vor ist er Ausschuß jedoch der Meinung, daß die Kommission klarstellen sollte, ob sie "bei ihrer Berechnungsformel Durchfuhrverkehr berücksichtigen" möchte oder nicht.

4.4. Widerspruchsverfahren (Artikel 7)

4.4.1. Die unter vorstehender Ziffer 4.3.1 vorgetragenen Bemerkungen betreffend die Ersetzung des "Direktverkehrsanteils" durch den "Marktanteil" gelten analog auch für das Widerspruchsverfahren. An dieser Stelle sei angemerkt, daß zehn nach dem Widerspruchsverfahren der Verordnung (EG) Nr. 870/95 freigestellte Konsortien auch weiterhin in den Genuß der Freistellung kommen. Außerdem werden die laufenden Anmeldungen nach Verordnung (EG) Nr. 870/95 in der vorgeschlagenen neuen Verordnung automatisch übernommen. Allerdings sollte die kontinuierliche Einhaltung der Obergrenzen durch die Konsortien in regelmäßigen Abständen überprüft werden.

4.5. Weitere Voraussetzungen - Kündigungsfristen (Artikel 8)

4.5.1. Nach Artikel 8 können Konsortialmitglieder nach einer Anlaufzeit von maximal 18 Monaten nach Inkrafttreten der Vereinbarung ihre Zugehörigkeit zum Konsortium aufkündigen; für hochintegrierte Konsortien gilt eine Anlaufzeit von 30 Monaten (während der die teilnehmenden Seeverkehrsunternehmen an das Konsortium gebunden sind).

4.5.2. Die Kommission sollte einerseits unter dem Blickwinkel der für die Einrichtung eines Konsortiums erforderlichen Investitionen, die zurückgewonnen werden müssen, und andererseits im Lichte der Notwendigkeit einer entsprechenden Flexibilität für das Verlassen des Konsortiums die vorgesehene Kündigungsfrist noch einmal überdenken.

4.6. Schlußbestimmungen (Artikel 13)

4.6.1. Die in der Verordnung (EG) Nr. 870/95 enthaltene "Großvater-Rechtsklausel" für Konsortien, die 1995 bereits bestanden haben, wird offensichtlich aufgehoben.

5. Schlußfolgerungen

5.1. Der Ausschuß ist der Ansicht, daß sich die Verordnung (EG) Nr. 870/95 in der Praxis bewährt hat und für das richtige Gleichgewicht zwischen den Interessen der Reeder und den Interessen ihrer Kunden gesorgt hat. Deswegen befürwortet er die vorgeschlagene Fortschreibung der Verordnung (EG) Nr. 870/95 mit den vorgeschlagenen Änderungen bis zum 20. April 2005.

5.2. Angesichts der raschen Veränderungen im Linienschiffahrtssektor muß der Fragenkomplex Konsortium in einer breiteren Gesamtperspektive betrachtet und beobachtet werden. Bei der künftigen Bewertung der rechtlichen Einbettung der Wettbewerbsregeln für Seeverkehrskonsortien sollte den weiteren Entwicklungen und Erfahrungswerten Rechnung getragen werden.

Brüssel, den 1. März 2000.

Die Präsidentin

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Beatrice Rangoni Machiavelli

(1) ABl C 379 vom 31.12.1999, S. 13.

(2) KOM(89) 266 endg. vom 3.8.1989.

(3) WSA Stellungnahme - ABl. C 56 vom 7.3.1990, S. 70.

(4) KOM(90) 260 endg.

(5) ABl. L 55 vom 29.2.1992, S. 3.

(6) ABl. C 69 vom 18.3.1991, S. 16.

(7) ABl. L 378 vom 31.12.1986, S. 4.

(8) ABl. L 89 vom 21.4.1995, S. 7.

(9) ABl. C 195 vom 18.7.1994, S. 20.

(10) 20. Januar 1999.

(11) H. Kreis: "European Community Competition Policy and International Shipping" Fordham International Law Journal (1989-1990), 411; J. Temple Lang: European Transport Law Review (1993), 405; P. Ruttley: European Competition Law Review (1991), 9; EMLO Report 1993.

(12) Zahlenangabe dem Howe Robinson Research Paper Nr. 9, "Containerization and Dry Bulk Trades", vom Januar 1999 entnommen.

(13) KOM(90) 260 endg.

(14) "Container Market Outlook", Drewry, Oktober 1999.

(15) ABl. C 195 vom 18.7.1994.

(16) ABl. C 195 vom 18.7.1994.

(17) ABl. C 69 vom 18.3.1991, S. 16.