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Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem «Vorschlag für einen Beschluß des Europäischen Parlaments und des Rates über das Europäische Jahr der Sprachen 2001»

Amtsblatt Nr. C 051 vom 23/02/2000 S. 0053 - 0054


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für einen Beschluß des Europäischen Parlaments und des Rates über das Europäische Jahr der Sprachen 2001"

(2000/C 51/14)

Der Rat beschloß am 30. November 1999, den Wirtschafts- und Sozialausschuß gemäß Artikel 149 und 150 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem vorgenannten Vorschlag zu ersuchen.

Der Wirtschafts- und Sozialausschuß hat beschlossen, Herrn Rupp zum Hauptberichterstatter für die Vorbereitung seiner Stellungnahme zu bestellen.

Der Ausschuß verabschiedete auf seiner 368. Plenartagung (Sitzung vom 8. Dezember 1999) mit 67 Ja-Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Die Artikel 149 und 150 des EG-Vertrages bilden die rechtliche Grundlage für das vorgeschlagene Europäische Jahr der Sprachen 2001, wobei Artikel 149 die "Entwicklung der Europäischen Dimension im Bildungswesen, insbesondere durch Erlernen und Verbreitung der Sprachen der Mitgliedstaaten" aufführt.

1.2. Im Bereich der fremdsprachlichen Bildung und der Ausbildung bestehen angeschlossene und neu angelaufene Gemeinschaftsmaßnahmen:

1.2.1. Im Rahmen von SOKRATES wurden Unterstützungsmaßnahmen für die Aus- und Weiterbildung von Sprachlehrern sowie die Entwicklung neuartiger Unterrichtsmittel und gemeinsamer Bildungsprojekte angeboten.

1.2.2. LEONARDO DA VINCI förderte den Ausbau berufsbezogener Sprachkenntnisse durch transnationale Pilotprojekte und Austauschprogramme.

1.2.3. In der im Jahre 2000 anlaufenden zweiten Phase von LEONARDO II wird der Spracherwerb weiter verstärkt und der sprachlichen Vielfalt und der Verbesserung der Qualität des Sprachunterrichts besondere Aufmerksamkeit geschenkt(1). Die Zielsetzung lautet "Förderung einer quantitativen und qualitativen Verbesserung der Kenntnis der Sprachen der Europäischen Union, insbesondere der weniger verbreiteten und weniger häufig unterrichteten Sprachen".

1.2.4. LEONARDO DA VINCI II (2000 beginnend) soll die Sprachen in der Öffentlichkeit stärker herausstellen. Der Beschluß des Rates vom 26.4.1999 stellt insbesondere die "Förderung der Sprachenkompetenz, auch von weniger verbreiteten und seltener erlernten Sprachen und des Verständnisses für andere Kulturen in Zusammenhang mit der Berufsbildung - Sprachenkompetenz" heraus(2).

1.2.5. Weitere wesentliche Aussagen zur Sprachenfrage und zur Bildungsproblematik finden sich in dem Weißbuch von 1995 zur allgemeinen und beruflichen Bildung "Lehren und Lernen auf dem Weg zur kognitiven Gesellschaft"(3).

1.2.6. Besondere Beachtung verdient auch das Grundbuch über "Allgemeine und berufliche Bildung-Forschung: Hindernisse für die grenzüberschreitende Mobilität"(4).

2. Wesentlicher Inhalt des Kommissionsvorschlages

2.1. Das analog zu dem sehr erfolgreichen Jahr des lebensbegleitenden Lernens (1996) konzipierte Europäische Jahr der Sprachen 2001 verfolgt vier wesentliche Zielsetzungen:

- Vertiefung des Bewußtseins, welchen Reichtum die sprachliche Vielfalt in der Europäischen Union darstellt;

- möglichst vielen Menschen soll nahegebracht werden, welche Vorteile die Kenntnis mehrerer Sprachen mit sich bringt;

- es soll zur lebensbegleitenden Aneignung von Sprachkenntnissen und sprachbezogenen Fähigkeiten angeregt werden;

- es sollen Informationen gesammelt werden, die den Sprachunterricht und das Erlernen von Fremdsprachen betreffen.

2.2. Im europäischen Jahr finden Informations- und Förderungsmaßnahmen zum Thema Fremdsprachenerwerb statt. Man will die in Mitgliedstaaten lebenden Menschen zum Erlernen von Sprachen anhalten, wobei auf die Bedeutung der Sprachkenntnisse für Lebensqualität und Wettbewerbsfähigkeit besonders aufmerksam gemacht werden soll.

2.3. Die fünf folgenden Schritte stellen Maßnahmen zur Verdeutlichung der Zielsetzung dar:

- Verwendung eines gemeinsamen Logos und Slogans,

- gemeinschaftsweite Informationskampagne,

- Treffen und Veranstaltungen auf allen Ebenen (Gemeinschaft, transnational, national, regional und lokal),

- Wettbewerbe und Preisvergaben,

- finanzielle Unterstützung von Initiativen.

3. Folgerungen

3.1. Der WSA begrüßt grundsätzlich, daß die Europäische Kommission den Vorschlag für einen Beschluß des Europäischen Parlaments und des Rates zum Europäischen Jahr der Sprachen angenommen hat. Mit diesem Beschluß wird das Jahr 2001 zum Jahr der Sprachen erklärt. Die Tatsache, daß dieses Jahr am Anfang des neuen Milleniums liegt, ist für den WSA von großer symbolischer Bedeutung.

3.2. Für das Gelingen des Vorhabens "Jahr der Sprachen 2001" ist, wie zu Recht im Vorschlag für einen Beschluß des Europäischen Parlaments und des Rates betont wird, eine "angemessene Zusammenarbeit der Europäischen Gemeinschaft mit dem Europarat" erforderlich. Dies kommt auch in Abschnitt 9 der Begründung zum Ausdruck. Artikel 10 der Beschlußvorlage wird jedoch in seiner abstrakten Formulierung diesem Anspruch nicht gerecht.

Der WSA befürwortet eine konkretere Beschreibung der Kooperation mit dem Europarat, etwa durch Einsetzen gemeinsamer Arbeitsgruppen oder regelmäßiger Treffen der jeweils Verantwortlichen.

3.3. Sehr deutlich muß herausgestellt werden, daß der Begriff "Sprache" nicht auf Grammatik, Wortschatz und korrekte Aussprache reduziert wird und werden darf, sondern die kulturellen Werte das eigentliche Thema sind.

Ziel ist es, den Weg zu anderen Kulturen über die Sprache zu finden. Europa verfügt über gemeinsame Wurzeln seiner Geschichte und lebt von der Vielfalt seiner Kulturen und Sprachen. Insofern trägt Sprachenlernen zur Identitätsfindung der europäischen Bürger bei. Sprachenlernen ist nicht das Ziel, sondern Mittel und Weg, kulturelle Werte zu vermitteln. Es sollte auch betont werden, daß Sprache soziale Gemeinschaft schafft. Dies sollte in Artikel 2 und im Finanzbogen konkreter ausgeführt werden.

3.4. Eine große Chance der Anwendung europäischer Sprachen ergibt sich insbesondere in den grenzüberschreitenden Regionen Europas, in denen in besonderer Weise das gemeinsame Spracherleben gefördert und weiterentwickelt werden sollte. In Gebieten ohne Nähe zu Nachbarstaaten ist Sprachen mindestens die gleiche Aufmerksamkeit und Förderung zu widmen. Für bedauerlich hält der WSA, wenn Minderheitensprachen ausgenommen werden sollen. Dies widerspräche den Zielsetzungen ebenso wie den unter 6.4 genannten Zielgruppen.

3.5. Der WSA regt an, auch im Rahmen des Jahres der Sprachen die Frage der Nachhaltigkeit der Aktivitäten anzusprechen. Hier sind vielleicht Erfahrungen aus anderen Jahren wertvoll. Aus einer entsprechenden Analyse und Auswertung der bisher durchgeführten "Jahre" sollten Fehler bzw. Probleme bei dem Jahr der Sprachen 2001 weitgehend vermieden werden.

3.6. Wie bei ähnlichen Veranstaltungen (z. B. Europäisches Jahr für Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz) fordert der WSA seine unmittelbare Beteiligung an der Arbeit des beratenden Ausschusses.

3.7. Der WSA bekundet seine Bereitschaft zur aktiven Zusammenarbeit mit der Kommission und sein Interesse an der Mitarbeit bei einer geeigneten Initiative im Jahre 2001, die gemeinsam mit der Kommission und anderen Institutionen durchgeführt werden sollte.

3.8. Der WSA geht davon aus, daß das Jahr der Sprachen 2001 nach einer entsprechenden Vorbereitungsphase einen wesentlichen Beitrag zum Sprachenverständnis durch eine gute Zusammenarbeit auf allen Ebenen leisten kann. Damit könnte ein wesentlicher Beitrag zur europäischen Entwicklung und ihrer Bürgergesellschaft geleistet werden.

Brüssel, den 8. Dezember 1999.

Die Präsidentin

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Beatrice RANGONI MACHIAVELLI

(1) ABl. L 146 vom 11.6.1999 - Stellungnahme des WSA: ABl. C 410 vom 30.12.1998.

(2) ABl. L 146 vom 11.6.1999 - Stellungnahme des WSA: ABl. C 410 vom 30.12.1998.

(3) KOM(95) 590 endg.- Stellungnahme des WSA: ABl. C 295 vom 7.10.1996.

(4) Grundbuch über "Allgemeine und berufliche Bildung-Forschung: Hindernisse für die grenzüberschreitende Mobilität", KOM(96) 462 endg.- Stellungnahme des WSA: ABl. C 133 vom 28.4.1997.