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Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der «Mitteilung der Kommission «Kohäsion und Verkehr»»

Amtsblatt Nr. C 258 vom 10/09/1999 S. 0035 - 0039


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission 'Kohäsion und Verkehr'"

(1999/C 258/09)

Die Kommission beschloß am 14. Januar 1999, den Wirtschafts- und Sozialausschuß gemäß Artikel 198 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu der vorgenannten Mitteilung zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 2. Juni 1999 an. Berichterstatter war Herr Tosh.

Der Ausschuß verabschiedete auf seiner 365. Plenartagung (Sitzung vom 7. Juli 1999) mit 104 gegen 2 Stimmen folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Die vorliegende Stellungnahme gliedert sich in fünf Abschnitte, wobei der sich an die Einleitung anschließende zweite Abschnitt eine Zusammenfassung des Inhalts der Kommissionsmitteilung gibt.

1.2. Im dritten und vierten Abschnitt nimmt der Ausschuß eine kritische Analyse der Kommissionsmitteilung und der ihr beigefügten Tabellen vor, auf deren Basis er eine Reihe allgemeiner Bemerkungen und Empfehlungen vorträgt. Der fünfte Abschnitt enthält allgemeine Schlußfolgerungen.

1.3. Angesichts der doch etwas verschwommen geratenen Botschaften des Kommissionsdokuments und der Größenordnung des EU-Verkehrshaushalts und seiner für die kommenden fünf Jahre vorgesehenen Aufstockung geht es dem Ausschuß in seiner Stellungnahme darum, auf bestimmte Kenngrößen für Revision und Überwachung in diesem Bereich hinzuweisen und Bestimmungen aufzuzeigen, die nach seiner Einschätzung unverzichtbar sind, um die Entwicklung des Beziehungsfeldes Kohäsion und Verkehr überzeugender zu gestalten.

1.4. Außerdem werden die verflochtenen Beziehungen zwischen den verschiedenen Finanzierungsmechanismen - Strukturfonds, Kohäsionsfonds und Europäische Investitionsbank (EIB) - im Lichte der Entwicklung der Gemeinsamen Verkehrspolitik und der Raumordnungspolitik betrachtet, wobei der Stellenwert eines entsprechenden Schemas für den Erweiterungsprozeß klar gesehen werden muß. In der vorliegenden Stellungnahme gibt der Ausschuß Anregungen, wie die Kommission die grundverschiedenen Finanzinstrumente zur Unterstützung verkehrspolitischer Maßahmen wirksamer im Sinne der allgemeinen Ziele der EU aufeinander abstimmen könnte. Die Strukturfondsausgaben für Verkehrszwecke sind etwa zehnmal so hoch wie die Bereitstellung von Kohäsionsfondsmitteln.

2. Zusammenfassung der Kommissionsmitteilung

2.1. Die Mitteilung beschreibt die Zielsetzung der Europäischen Union, a) die Dynamik der wirtschaftlichen Konvergenz zu kanalisieren und b) die soziale Integration zu fördern, und hebt die Bedeutung der Verkehrsinfrastruktur für die Erreichung der von der EU in allen Bereichen angestrebten nachhaltigen Entwicklung hervor. Die Schwerpunkte des Handlungsbedarfs sieht sie in (i) der Verbesserung der Situation peripherer Gebiete, (ii) der Förderung benachteiligter Regionen und (iii) der Einbeziehung benachteiligter Bevölkerungsgruppen.

2.2. Die Mitteilung unterstreicht die Notwendigkeit, die Ziele von (i) Strukturfondsprogrammen und -initiativen (EFRE, INTERREG), (ii) Kohäsionsfondsprogrammen und (iii) Finanzierungsmaßnahmen der EIB miteinander zu verbinden.

2.3. Die Gemeinsame Verkehrspolitik (GVP) zielt darauf ab, den Anforderungen der Menschen und der Wirtschaft im Hinblick auf die Verbesserung ihrer Möglichkeiten und ihrer Wettbewerbsfähigkeit gerecht zu werden und sie umzusetzen.

2.4. Der Mitteilung zufolge sind koordinierte, durchdachte Regionalpolitiken das geeignete Mittel, um

- die wirtschaftliche Entwicklung (Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung) zu begünstigen;

- eine ausgewogene Entwicklung in der gesamten EU zu erreichen;

- günstige Bedingungen für die künftige Erweiterung zu schaffen und

- für eine bessere Mobilität aller benachteiligten Bevölkerungsgruppen (einkommensschwache Menschen, Behinderte) zu sorgen,

ohne daß dabei die Umweltziele aufs Spiel gesetzt werden.

2.5. Sie legt Ungleichheiten dar, die durch verkehrspolitische Maßnahmen insofern abgebaut werden können, als

- Bevölkerungsverlagerungen in die Zentren, die zu Verkehrsstauungen und Umweltproblemen führen, vermindert werden;

- die Anbindung von Randgebieten und der Zugang zu Dienstleistungen verbessert werden, um durch eine höhere Wettbewerbsfähigkeit mehr Wohlstand zu erzeugen;

- Frachtkosten als Investitionsvariable bewertet werden.

2.6. In der Mitteilung wird ins Feld geführt, daß durch verbesserte Verkehrsmöglichkeiten

- Input-Faktoren einen besseren Zugang erhalten und der Output leichter auf die Märkte gelangt und

- bei sinnvollem Zuschnitt der Maßnahmen ein dauerhaftes, nachhaltiges Wirtschaftswachstum und mehr Beschäftigung möglich sind,

doch sollte darin auch folgendes mitbedacht und anerkannt werden:

- andere, konkurrierende Wachstumsbereiche, z.B. die Telekommunikation;

- ein Zuwachs an Beschäftigung ist ebenso wichtig wie die Anbindung benachteiligter Randregionen.

2.7. Investive Ausgaben werden mehr und mehr am Bedarf der Menschen und sozialen Erfordernissen ausgerichtet, indem die großen Lücken im Verkehrsnetz und in der Infrastruktur ausgefuellt werden; dabei wird anerkannt, daß es auch in wohlhabenden Mitgliedstaaten Gegenden gibt, in denen die Gegebenheiten im Verkehrbereich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen oder die Ungleichheiten noch vergrößert werden. So wird denn auch die künftige Rolle des öffentlichen Verkehrs bei der Verwirklichung dieser Ziele ausdrücklich betont.

2.8. Zum Füllen der Infrastrukturlücken dienen als Grobwerkzeuge EU-Finanzierungsprogramme, die aufeinander abgestimmt die Entwicklung fördern; eine wichtige Ergänzung dazu ist der Kohäsionsfonds.

2.9. Die Ausgaben der EU konzentrieren sich in starkem Maße auf den Straßenverkehr:

- zwei Drittel der EFRE-Verkehrsinvestitionen im Zeitraum 1994-1999,

- zwei Drittel der Verkehrsausgaben des Kohäsionsfonds zwischen 1993 und 1999,

- die für regionale Ziele aufgewendeten Kredite der EIB (darunter auch Mittel für den Verkehr).

Dabei ist anzumerken, daß ein Viertel der EIB-Kredite für regionale Entwicklungsprojekte in Kofinanzierung mit den Strukturfonds vergeben wird.

2.10. In der Mitteilung wird anerkannt, daß nationale Entwicklungspläne viele Inkonsequenzen und Hindernisse entstehen ließen, die eine unausgewogene Nutzung des Gemeinschaftsraumes bewirkt haben, und daß es eines Europäischen Raumentwicklungskonzeptes auf der Basis eines umfassenden Verkehrsmanagements bedarf. Die Zusammenarbeit des öffentlichen und des privaten Sektors bei der Finanzierung und die Sozialpartnerschaft müssen ein einheitliches, geschlossenes Vorgehen zur Entwicklung des Gemeinschaftsraumes sicherstellen.

2.11. In der Mitteilung wird die Überzeugung zum Ausdruck gebracht, daß die Liberalisierung letztlich dem regionalen Zusammenhalt dienen wird, indem

- für alle Bürger zugängliche und bezahlbare Verkehrsleistungen bereitgestellt werden;

- ein ordnungsrechtlicher Rahmen zur Kontrolle des Angebots und zur Gewährleistung einer nachhaltigen Auswahl unter den verschiedenen Verkehrsträgern geschaffen wird;

- durch die Bewertung des gesellschaftlichen und allgemeinen wirtschaftlichen Nutzens eine allein vom Markt gesteuerte Verkehrspolitik vermieden wird;

- Verfahren für die Vergabe von Verkehrskonzessionen eingerichtet werden, die eine hohe Dienstequalität sicherstellen, u.a. durch den gezielten Einsatz von Kabotage für die Verbindungen mit den weiter abgelegenen Gebieten.

2.12. Die Preisgestaltung für die Nutzung der Infrastruktur soll durch die Erhebung von Gebühren nur die Grenzkosten widerspiegeln bzw. erwirtschaften; dies soll im Ergebnis dazu führen, daß

- die Effizienz durch die optimale Wahl des Verkehrsträgers bei niedrigeren Beförderungskosten gesteigert wird;

- die peripheren Kosten sich möglicherweise negativ entwickeln;

- die Produktion in der Peripherie sich dahin gehend wandelt, daß Produkte mit geringem Mehrwert verdrängt werden.

2.13. Die Integration der Verkehrsträger einschließlich aller Häfen und Terminals wird als Teil der grundlegenden Diversifizierung der Netzverbindungen angesehen.

3. Allgemeine Bemerkungen

3.1. Der Ausschuß unterschreibt die mit den Kohäsionsgrundsätzen verbundenen hehren Vorsätze, findet indes bisher wenig Anzeichen, die den Stellenwert der Struktur- und Kohäsionsfondsaufwendungen für die Verwirklichung der in der vorstehenden Ziffer 2.1 genannten Ziele der Kommission belegen.

3.1.1. Nach Ansicht des Ausschusses tragen die der Kommissionsmitteilung als Anhang beigefügten Tabellen nicht zum besseren Verständnis der Prinzipien für kohäsionswirksame Verkehrsausgaben bei und taugen auch nicht als Beleg für die in der Kommissionsmitteilung beschriebene Schlagkraft des diesbezüglichen Tätigwerdens der EU. Sie sind zum einen veraltet, und außerdem nimmt die Kommission auf die Tabellen auch keinen Bezug, um die Argumentationslinie ihrer Mitteilung zu untermauern. Ferner gibt es auch keine Hinweise, die ein Zusammenspiel von Kohäsionfondsaufwendungen und Strukturfonds- und EIB-Mittelbereitstellung zur Erreichung der erklärten Ziele belegen.

3.2. Die Feststellung von Ursache und Wirkung ist zugegebenermaßen ein schwieriges Unterfangen, das Fehlen von Fallstudien und Funktionsprüfungen vereitelt indes die Beurteilung der politischen Konzeption und der Ausgabenpolitik. Die Delegierung der Mittelverwaltung aus Gründen der Subsidiarität birgt die Gefahr in sich, daß nicht die optimalen Prioritäten gesetzt werden, dergestalt, daß etwa die Mittel möglicherweise bevorzugt und in verstärktem Maße Ballungsgebieten zugutekommen, wenn für den Verkehrsbereich nur marktorientierte Ziele verfolgt werden. Wenn der Schwerpunkt auf marktorientierte Ziele gelegt wird, kann nicht ohne weiteres ein öffentlicher Verkehr entsprechender Qualität garantiert werden, dergestalt, daß auf lokaler Ebene den EU-Zielen der sozialen Einbindung und der Gleichheit Genüge getan oder die nachhaltige Mobilität gefördert und die Abhängigkeit vom Privatfahrzeug abgebaut wird.

3.3. Die Koordinierung kohäsionswirksamer Verkehrsausgaben, soweit maßgebliche interregionale Aspekte ins Spiel kommen, bleibt in der Kommissionsmitteilung völlig außen vor. Das gleiche gilt für die Verkehrsverbindungen mit Drittländern. Transitstrecken durch Nicht-Kohäsionsländer werden in der Kommissionsmitteilung ebenfalls nicht berücksichtigt, obwohl ihr strategischer Stellenwert nicht zu verkennen ist.

3.4. Der Erzählstil der Kommissionsmitteilung mit ihrer wiederholten Bekräftigung des durch die Kohäsionswirkung gegebenen Mehrwerts ist allenfalls störend und unterstreicht das Fehlen einer kritischen Bewertung und schmälert denn auch die Überzeugungskraft dieses Dokuments.

3.5. Der hohe Anteil der Kohäsionsausgaben für die Straßenverkehrsinfrastruktur erscheint im Lichte der Politik des sozialen Zusammenhalts und der Nachhaltigkeit besorgniserregend. Die Zielsetzung sollte vielmehr sozial vertretbare Kohäsionsinvestitionen zur Herbeiführung einer nachhaltigen Entwicklung und Mobilität für den Einzelnen bei möglichst geringer Umweltbelastung sein. Was die Finanzierung künftiger Maßnahmen zur Bedienung des ÖV-Bedarfs angeht, ist weitaus größere Umsicht geboten, vor allem weil viele der Initiativen im Bereich des öffentlichen Verkehrs sich finanziell nicht selbst tragen.

3.6. Nach Ansicht des Ausschusses muß die EU noch mehr für den Bereich der öffentlichen Verkehrsdienstleistungen tun, weil

- der öffentliche Verkehr eine unterstützende Rolle beim Abbau der sozialen Ausgrenzung spielt und

- gute öffentliche Verkehrsdienste zur Entlastung der Umwelt beitragen.

4. Allgemeine Empfehlungen

4.1. Die Mitgliedstaaten haben natürlich ihre eigenen Investitionsprioritäten, aber die Struktur- und Kohäsionsfondsprinzipien haben Vorrang vor der Subsidiarität, und die Programmzuständigkeit muß bei der Europäischen Union verbleiben, wenn es um die Verwirklichung von Kohäsionszielen geht. Es sollten spezifische Programme aufgelegt und einfallsreiche Finanzierungsinstrumente geschaffen werden, um Privatkapital zu mobilisieren und Partnerschaften zwischen der EU, den Mitgliedstaaten und Betreibern attraktiv zu machen. Es sollte ausgelotet werden, inwieweit die Verkehrsfinanzierung im Wege der an den sozialen Grenzkosten orientierten Anlastung erfolgen kann, und diese politische Vorgehensweise sollte zum Grundsatz erhoben werden(1). Allerdings werden für Randregionen der EU und andere benachteiligte Gebiete möglicherweise spezielle Freistellungen von solchen Bestimmungen vorgesehen werden müssen, wenn dort nachhaltige Verkehrsalternativen entweder nicht zur Verfügung stehen oder sich finanziell nicht selbst tragen. In diesem Umfeld sollten Anreize für breiter angelegte interregionale Programme geschaffen werden.

4.2. Verkehrsinvestitionen sollten nach einer konkreten Strategie erfolgen. Es sollten gemeinsame Koordinaten für die Reichweite der Subsidiarität entwickelt werden. Die Koppelung an Effizienzziele für die Förderungswürdigkeit von Vorhaben würde die Prioritätensetzung erleichtern. Spezifische Empfehlungen betreffend die Interoperabilität auf lokaler und transeuropäischer Ebene würde für die Effizienzentwicklung auf einem gemeinsamen Betätigungsfeld wertvolle Dienste leisten.

4.3. Im Zusammenhang mit intermodalen Verkehrsverbindungen sollten vorzugsweise auch Investitionen in Schienenverkehr, Seeverkehr, Binnenschiffahrt und Küstenschiffahrt ausgedehnt werden, sie werden aber üblicher- und notwendigerweise parallel zu erforderlichen Straßenverkehrsinfrastrukturinvestitionen vorgenommen.

4.4. Nach Meinung des Ausschusses sollten intermodale Infrastrukturen in den Kohäsionsprogrammen einen höheren Stellenwert einnehmen und verstärkt vorangetrieben werden.

4.5. Nach Ansicht des Ausschusses kann eine effiziente Identifizierung kohäsionswirksamer Verkehrsausgaben nur dann erreicht werden, wenn die Mitgestaltungsmöglichkeit der Sozialpartner fester Bestandteil des Entscheidungsprozesses ist.

4.6. Das Spektrum kohäsionswirksamer Verkehrsausgaben nach der Erweiterung sollte bereits jetzt eingehend ausgelotet werden. In immer stärkerem Maße werden die Effizienz der Mittelvergabe und die Ausgabenpolitik sich vorauseilend an den regionalen Volkswirtschaften orientieren müssen, bei denen eindeutig ein Globalisierungseffekt zu beobachten ist.

4.7. Es sollte eine sorgfältige Abschätzung der Folgen der Preisgestaltung für die Nutzung der Infrastruktur auf die Randregionen ins Werk gesetzt werden, um die Auswirkungen auf die Produktion zu ermitteln, wo Netto-Einbußen durchaus denkbar sind und kohäsionswirksamen Maßnahmen den Erfolg versagen.

4.8. Regionen in Randlage, die entweder durch das Meer - wie etwa in Griechenland und Irland - oder durch die räumliche Distanz - wie im Falle der iberischen Halbinsel - oder durch schlechte Verkehrsverbindungen zu den angrenzenden Drittländern verkehrsmäßig vom Zentrum abgeschnitten sind, sollten für Unterstützung in Betracht kommen, weil sie bereits jetzt, aber auch in Zukunft bei ihrem Auftreten auf den Märkten mit Transportkostennachteilen zu kämpfen haben werden. Das BIP sollte nicht alleiniges Bewertungskriterium sein. Als weiterer Parameter könnte z.B. der Anbindungsgrad in Betracht kommen. Die Mittelbereitstellung darf sich nicht auf die sog. "Kohäsionsländer" beschränken.

4.9. Durch eine entsprechende Abstimmung mit den Sozialpartnern in den Kohäsionsgebieten könnte ein konstruktiver Beitrag zur Gestaltung der Programme geleistet und funktionsübergreifende Aspekte der Mittelvergabe stärker in den Vordergrund gerückt werden, um die in Ziffer 2.1 angesprochenen Grundsätze optimal zu gestalten.

4.10. Die Kommission sollte die langfristige Verkehrsfinanzierung als Kohäsionsaspekt prüfen; außerdem sollte(n) die Verbindung(en) zu einer ausgewogenen Wirtschaftsentwicklung, einer Verbesserung der Situation benachteiligter Personengruppen, einem entsprechenden Dienstleistungsangebot und einer Unterstützung des Erweiterungsprozesses ausgemacht werden. Die diesbezüglich drohenden Schwierigkeiten werden von der Kommission zwar durchaus gesehen, dürften sich in einer erweiterten Gemeinschaft aber wohl kaum verringern, und deswegen rät der Ausschuß dazu, sich hier des Qualitäts-Benchmarking als Hilfsmittel zu bedienen. Dies bedingt definitionsgemäß, daß bei den politischen Weichenstellungen und bei der Mittelzuweisung der Schwerpunkt viel stärker auf den öffentlichen Verkehr gelegt wird.

4.11. Der Ausschuß sieht zwischen der vorliegenden Stellungnahme und seiner im September 1998 verabschiedeten Stellungnahme zum Europäischen Raumentwicklungskonzept(2) zielsetzungsmäßige Gemeinsamkeiten, da beide Stellungnahmen eindeutig die "politische Kursänderung aller raumwirksamen Maßnahmen" in den Vordergrund stellen. In seiner Stellungnahme vom September vergangenen Jahres hebt der Ausschuß hervor, daß die Lebensqualität grundlegendes Ziel des gesamten raumbezogenen Vorgehens sein sollte. Ferner machte er seinerzeit darauf aufmerksam, daß Berggebiete Merkmale von Randregionen aufweisen. Er teilt die Auffassung, daß transnationale und grenzüberschreitende Konzepte aufeinander abgestimmt werden sollten und Bindeglieder zwischen sämtlichen politischen Maßnahmen betreffend sozioökonomische Regeneration geschaffen werden sollten. Der Ausschuß macht auf die Gefahren aufmerksam, die eine zu stark auf das Zentrum ausgerichtete Vorgehensweise auf Kosten der Peripherie in sich birgt, und vertritt den Standpunkt, daß Verbindungen zwischen peripheren Gebieten den zentripetalen Tendenzen etwas entgegenwirken könnten.

4.12. Der Ausschuß möchte seine Standpunkte bekräftigen, die er in seiner Stellungnahme vom September 1998 zu dem Kommissionsvorschlag über die Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen für transeuropäische Netze(3) vorgetragen hat, dem zufolge die Kommission Studien gesamtstrategischer Natur zu 100 % finanzieren kann. Diese Studien sollten einen Beitrag zur Unterstützung und Verbesserung der Validierung von Kohäsionsausgaben leisten. Der Ausschuß stellt fest, daß für die TEN-Verkehrsausgaben für den Zeitraum 2000 bis 2006 eine Mittelhöhe von 4,992 Mrd. Euro vorgeschlagen wird, was einer Aufstockung um 277 % gegenüber der Mittelausstattung für die Jahre 1995-1999 entspricht. Angesichts dieser Dynamisierung und Größenordnung der Mittelbereitstellung ist es fraglich, ob der Kohäsionseffekt bei der Verkehrsentwicklung meßbar sein wird.

4.13. Die Kommission sollte trotz der hohen anfänglichen Investitionskosten der Forderung nach einem Ausbau der Luftverkehrsverbindungen und des Schienenverkehrs in Randregionen und insbesondere für die verkehrsmäßige Anbindung der Beitrittsstaaten Rechnung tragen.

4.14. Angesichts der näherrückenden Erweiterung der Gemeinschaft dürfen sich die Mängel einiger der in der Vergangenheit durchgeführten Vorhaben betreffend Verkehr und Kohäsion nicht wiederholen; außerdem muß die strategische Vision, die etwa Raumplanung, Umweltschutz, Schaffung von Arbeitsplätzen und ländliche Entwicklung in koordinierter Weise unter einen Hut bringt und ggf. auch grenzüberschreitend angelegt ist, auf zentraler Ebene entwickelt und dann den Regionen zur Übernahme und praktischen Umsetzung vermittelt werden. In diesem Zusammenhang kommt dem Beitrittsvorbereitungs-Programm ISPA nach Ansicht des Ausschusses große Bedeutung zu.

4.15. Für eine künftige Mitteilung der Kommission zu diesem Thema geböte sich nach Ansicht des Ausschusses eine gewisse Umgestaltung in dem Sinne, daß folgende Aspekte erfaßt würden:

- eine Definition von Kohäsion auf der Basis von Raumordnungszielen und regelrechten Kohäsionszielen;

- die Festlegung spezifischer Zielsetzungen und Leistungsparameter;

- eine Überprüfung der gegenwärtigen Strategien für transeuropäische Verkehrsnetze, den Kohäsionsfonds und die verkehrspolitischen Komponenten des EFRE;

- eine Typisierung der Auswirkungen der transeuropäischen Verkehrsnetze, des Kohäsions- und der Strukturfonds und der EIB- und EIF-Mittelbereitstellung auf regionaler Ebene;

- die Festlegung von Prioritäten auf der Basis dieser Auswirkungen auf die Zugänglichkeit, Wettbewerbsfähigkeit, derzeitigen und potentiellen BIP- und Infrastrukturdefizite.

5. Schlußfolgerungen

5.1. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß ist der Ansicht, daß der Zweck der Kommissionsmitteilung verdeutlicht werden müßte und die Ziele der Kommissionsvorlage klar und deutlich zum Ausdruck gebracht werden sollten. Die zentrale Aussage der Kommissionsmitteilung sollte die grundlegende Vereinbarkeit folgender Zielsetzungen der EU sein:

- Verbesserung der wirtschaftlichen Entwicklungsaussichten, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungslage der Regionen in Randlage;

- Beitrag zu einer ausgewogenen Entwicklung in den 15 Mitgliedstaaten und Schaffung günstiger Voraussetzungen für die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten;

- Förderung einer nachhaltigen Mobilität durch eine deutliche Schwerpunktsetzung und Vorzugsbehandlung des öffentlichen Verkehrs;

- Gewährleistung der Verfügbarkeit von Verkehrsdienstleistungen zu tragbaren Bedingungen für die auf öffentliche Verkehrsmittel Angewiesenen und Personen mit eingeschränkter Mobilität und

- Einsatz bewährter Praktiken zur Bewältigung der Umweltfolgen, die sich aus der Schaffung neuer Verkehrsinfrastruktur und neuer Verkehrsdienste unter Bereitstellung von Fördermitteln im Rahmen von Kohäsionsfondsprogrammen ergeben. Es ist allgemein anerkannt, daß der Straßenverkehr eine der wichtigsten Quellen der Umweltverschmutzung ist.

5.2. Es ist von vitaler Bedeutung, daß für die Planungs-, Bewertungs-, Beurteilungs- und Begleitkonzepte und für die Festlegung von Indikatoren und Meßverfahren auf die FTE- und andere Forschungsprogramme zurückgegriffen wird.

5.3. Ebenso unverzichtbar ist, daß Grundsätze für Regionen in Randlage entwickelt werden, um zu gewährleisten, daß eine faire und effiziente Tarifbildung gilt und fehlende Alternativen oder eine Nachfrage, die für eine sich finanziell selbst tragende Diensteversorgung zu gering ist, nicht zu Ungleichbehandlung führt.

5.4. Die Erweiterung wird zusätzliche Probleme mit sich bringen, und zwar sowohl für die neuen und die bisherigen Mitgliedstaaten als auch an den Grenzen. Sie wird den Schwerpunkt der EU nach Osten verschieben, wodurch sich die ohnehin bereits bestehenden Probleme der entlegenen Regionen verschlimmern werden, und wird auch für die dadurch entstehenden neuen Regionen in Randlage nicht ohne Folgen bleiben. Dies sollte in vollem Umfange gesehen werden.

Brüssel, den 7. Juli 1999.

Die Präsidentin

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Beatrice RANGONI MACHIAVELLI

(1) ABl. C 56 vom 24.2.1997, S. 31; ABl. C 138 vom 18.5.1999, S. 7.

(2) ABl. C 407 vom 28.12.1998, S. 85.

(3) ABl. C 407 vom 28.12.1998, S. 120.