51998IP0409(01)

Entschließung zu der Mitteilung der Kommission an den Rat unddas Europäische Parlament "Die Menschenrechte in den Außenbeziehungen der Europäischen Union: Von Rom zu Maastricht und danach" (KOM(95)0567 C4-0568/95)

Amtsblatt Nr. C 098 vom 09/04/1999 S. 0267


A4-0409/98

Entschließung zu der Mitteilung der Kommission an den Rat unddas Europäische Parlament "Die Menschenrechte in den Aussenbeziehungen der Europäischen Union: Von Rom zu Maastricht und danach" (KOM(95)0567 - C4-0568/95)

Das Europäische Parlament,

* unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission KOM(95)0567 - C4-0568/95,

* unter Hinweis auf die Artikel 3, 6, 7 und 11 des geänderten Vertrags über die Europäische Union und die Artikel 177 und 300 des geänderten Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

* unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen und insbesondere die vom 12. Dezember 1996 zu den Menschenrechten in der Welt im Zeitraum 1995/1996 und der Menschenrechtspolitik der Europäischen Union ((ABl. C 20 vom 20.1.1997, S. 161.)),

* unter Hinweis auf seine Entschließung vom 3. Dezember 1998 zur Verwaltung und Finanzierung von Programmen im Bereich der Menschenrechte und der Demokratie ((Teil II Punkt 8 des Protokolls dieses Datums.)),

 in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Sicherheit und Verteidigungspolitik sowie der Stellungnahmen des Ausschusses für Aussenwirtschaftsbeziehungen, des Ausschusses für Entwicklung und Zusammenarbeit, des Ausschusses für Grundfreiheiten und innere Angelegenheiten, des Institutionellen Ausschusses und des Ausschusses für die Rechte der Frau (A4-0409/98),

A. in der Erwägung, daß die Grundsätze der Demokratie, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten universale Werte darstellen;

B. in der Erwägung, daß die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aufgeführten Rechte universalen Charakter haben und nicht das Produkt einer einzigen Kultur sind, die bestrebt ist, sich in der ganzen Welt durchzusetzen,

C. in der Erwägung, daß die grossen UN-Weltkonferenzen der vergangenen Jahre - über Menschenrechte (Wien 1993), Bevölkerung (Kairo 1994), soziale Entwicklung (Kopenhagen 1995) und Frauen (Peking 1995) - gemeinsame Ziele festgelegt haben,

1. ist der Auffassung, daß die schrittweise Entwicklung einer Menschenrechtspolitik vom Vertrag von Rom bis zum Vertrag von Maastricht im grossen und ganzen positiv war und den Erwartungen der Öffentlichkeit entsprach und daß sie nun als Teil des gemeinschaftlichen Besitzstandes betrachtet werden muß;

2. begrüsst die Artikel 6 und 7 des Vertrags von Amsterdam, durch die die bisherigen Bestimmungen über Menschenrechte verstärkt werden, betont jedoch erneut, daß die Beschlußfassung im Rat über Aktionen im Bereich der Menschenrechte mit qualifizierter Mehrheit erfolgen muß, um früher und wirkungsvoller vorgehen zu können;

3. ist der Meinung, daß einer der wichtigsten Anlässe für die Ausrichtung der Menschenrechtspolitik der EU mit der Weltkonferenz über Menschenrechte 1993 in Wien zusammenfiel;

4. begrüsst den Nachdruck, den die Europäische Union nun auf "positive Maßnahmen¨, den Dialog und die Unterstützung von Programmen zur Förderung der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratisierung legt, besteht jedoch darauf, daß dies die Politik der "Konditionalität" nur ergänzen kann;

5. stellt fest, daß das Konzept der "Konditionalität" nach wie vor im Rahmen des Konzepts der "Partnerschaft mit gegenseitigen Verpflichtungen", wie dies in dem neuen Lomé-Verhandlungsmandat vorgeschlagen wird, eine Rolle spielen muß;

6. begrüsst den in dem vorgenannten Lomé-Verhandlungsmandat enthaltenen Vorschlag, eine "aktive und organisierte Bürgergesellschaft" und "Gerechtigkeit und soziale Entwicklung" als Bestandteile eines "sicheren und demokratischen politischen Umfelds" und damit der "essential element"-Klausel zu prüfen;

7. stellt in diesem Zusammenhang fest, daß die Haushaltsfinanzierung der Programme für Menschenrechte und Demokratie seit 1993 erheblich aufgestockt wurde, daß jedoch eine weitere substantielle Aufstockung sehr wichtig ist;

8. erkennt an, daß sich die EU an einer Reihe von anspruchsvollen Aktionen zur Förderung der Menschenrechte auf breiter Front beteiligt;

9. stellt fest, daß die derzeitigen politischen und administrativen Strukturen innerhalb der Kommission, die für die Ausführung dieser Tätigkeiten vorgesehen sind, eine konsequente Umsetzung all dieser anspruchsvollen Zielsetzungen erschweren;

10. ist der Auffassung, daß es nun an der Zeit ist, die Entwicklungen des vergangenen Jahrzehnts im Hinblick darauf zu überprüfen, daß an der Schwelle des neuen Jahrtausends ein stärker konsolidiertes System zur Förderung der Jahresprogramme im Bereich der Menschenrechte eingerichtet wird;

11. ist der Auffassung, daß das derzeitige System der Verwaltung der Menschenrechtsaktivitäten, das eine Mischung aus zentraler Verwaltung und dem Einsatz bestimmter "Agenturen" vorsieht, unbefriedigend ist und neu bewertet werden muß;

12. ist der Auffassung, daß die vom Europäischen Parlament geforderte Reform der Verwaltungsstrukturen bisher unzureichend durchgeführt wurde und es zur Gewährleistung einer kohärenten und beständigen Menschenrechtspolitik notwendig ist, die Entscheidungs- und Verwaltungsstrukturen der Kommission als Einheit zu organisieren;

13. fordert die Einrichtung eines Menschenrechtsforums mit der Befugnis, Empfehlungen zur Menschenrechtsdimension der EU-Politiken auszusprechen und die Tätigkeiten der Europäischen Union im Zusammenhang mit Menschenrechten zu bewerten; dem Forum sollten Sachverständige internationaler Organisationen, NRO und Akademiker sowie Vertreter des Europäischen Parlaments, der Kommission und des Rats angehören; wiederholt seine Vorschläge bezueglich einer zusammenhängenden Einheit auf hochrangiger Ebene innerhalb der Kommission;

14. wiederholt seine Forderung, bei der Einsetzung der neuen Kommission einem Vizepräsidenten die Koordinierung der Aussenbeziehungen sowie einem Kommissar die Zuständigkeit für Menschenrechtsfragen zu übertragen;

15. wiederholt seine Forderung nach verbesserter Transparenz, Effizienz und Wirksamkeit bei der Auswahl, Ausführung und Überwachung von Vorhaben zur Förderung der Menschenrechte und empfiehlt eine Überprüfung der Anzahl der für diesen Zweck bei der Kommission abgestellten Personalkräfte;

16. stellt fest, daß die umfassende Verwirklichung der Menschenrechte über die politischen und bürgerlichen Rechte hinaus von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Faktoren abhängt;

17. besteht darauf, daß sich die Union in erster Linie auf die politischen und bürgerlichen Rechte konzentrieren sollte, befürwortet jedoch auch, daß die Kommission den auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ausgerichteten Programmen stärkere Aufmerksamkeit schenkt, um den Zusammenhang aller Menschenrechte deutlich zu machen;

18. beschließt, der Errichtung der im Vertrag von Amsterdam vorgesehenen Strategieplanungs- und Frühwarneinheit, deren Arbeit sich an der Verpflichtung der Union zur Förderung der Menschenrechte und der Demokratie orientieren sollte, besondere Aufmerksamkeit zu widmen;

19. ist der Auffassung, daß diese Einheit eng mit dem Zentrum für Konfliktvorbeugung zusammenarbeiten sollte;

20. ist der Auffassung, daß es im Rahmen der Konfliktvorbeugung unerläßlich ist, einen geeigneten Überwachungsmechanismus der Europäischen Union zu schaffen und diesem insbesondere die Beobachtung der Menschenrechte in der Welt als Aufgabe zu übertragen;

21. ist der Auffassung, daß das Mandat dieser Einheit die Bekanntmachung von gegebenenfalls auftretenden grösseren Menschenrechtsproblemen einschließt;

22. fordert die Einrichtung der im EU-Haushaltsplan 1998 vorgesehenen Arbeitsgruppe "Menschenrechte" des Europäischen Parlaments und der Kommission, um die interinstitutionelle Zusammenarbeit bei den Tätigkeiten zur Förderung der Menschenrechte und der Demokratie zu verbessern;

23. bedauert, daß die Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik (GASP) weiterhin einen getrennten Pfeiler der Union bildet, weil dadurch die Formulierung einer kohärenten und konsequenten Menschenrechtspolitik der Europäischen Union behindert wird;

24. empfiehlt, daß der Hohe Vertreter der GASP regelmässig an den Sitzungen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Sicherheit und Verteidigungspolitik teilnimmt und dem Parlament einen detaillierten Jahresbericht über seine Tätigkeit vorlegt;

25. empfiehlt, daß der Hohe Vertreter unter den gleichen Bedingungen wie der amtierende Ratsvorsitzende und die Mitglieder der Kommission an der Fragestunde des Europäischen Parlaments teilnehmen sollte;

26. fordert, daß im Rahmen der Artikel 300 und 310 EGV (konsolidierte Fassung), die der Gemeinschaft den Abschluß von Abkommen mit Drittstaaten ermöglichen, systematisch Standardklauseln bezueglich der Menschenrechte eingefügt werden, nicht nur in den Präambeln, sondern auch in den Artikeln aller Abkommen, um eine solide und zwingende Rechtsgrundlage zu schaffen;

27. besteht darauf, daß eindeutige und operationelle Kriterien für Entscheidungen über eine Aussetzung der betreffenden Abkommen entwickelt werden, und zwar nicht nur für das Abkommen von Lomé gemäß Artikel 366a, sondern für alle internationalen Übereinkommen;

28. bekräftigt seine Auffassung, daß die Europäische Union unverzueglich die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnen sollte;

29. fordert ferner, daß zur Behebung des Demokratiedefizits interinstitutionelle Vereinbarungen geschlossen werden, um eine bessere Information und Beteiligung des Europäischen Parlaments an jeglicher Art von Abkommen mit dritten Ländern, einschließlich der Abkommen auf der Grundlage von Artikel 133 EGV (konsolidierte Fassung), zu gewährleisten;

30. fordert die Einrichtung eines umfassenden Systems zur Bewertung und Überwachung der Menschenrechtssituation, wobei die Bewertung durchgeführt werden sollte, bevor eine Initiative ergriffen wird; ferner sollte sie als Grundlage für die anschließende Überwachung der Menschenrechtssituation dienen und sich durch Konsequenz, Verhältnismässigkeit und Kohärenz auszeichnen; dazu sollte das in der Entschließung des Parlaments vom 19. Dezember 1997 ((ABl. C 14 vom 19.1.1998, S. 402.)) geforderte Europäische Netzwerk für Menschenrechte und Demokratisierung eingerichtet werden, das einen aktuellen und umfassenden Informationszugang ermöglichen soll;

31. fordert, daß diese Bewertung folgendes umfasst:

* eine allgemeine Analyse der Menschenrechtssituation in dem jeweiligen Land,

* eine Bewertung der Einhaltung - durch jedes Drittland - der international anerkannten Rechtsinstrumente und der damit verbundenen Durchführungsmechanismen, insbesondere derjenigen der UN, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und des Europarates,

* eine Prüfung der aus zuverlässigen Quellen, darunter den wichtigsten Nichtregierungs-Organisationen, stammenden Berichte über Menschenrechtsverletzungen,

* eine Bewertung der Wirksamkeit der Politiken der Union im Hinblick auf einen verbesserten Schutz der Menschenrechte, einschließlich einer Analyse der Konsequenzen der Transferleistungen der Union in den Bereichen Militär, Sicherheit und Polizei,

* eine detaillierte Analyse der die Menschenrechte betreffenden Konsequenzen der zur Prüfung vorliegenden aussenpolitischen Optionen;

32. erwartet, daß sich die Bewertungen der Menschenrechtssituation an den Grundprinzipien orientieren, die von der Union in Verträgen, Entschließungen oder Erklärungen und durch ihre Rolle in der internationalen Staatengemeinschaft akzeptiert worden sind und die nicht von wirtschaftlichen, strategischen oder politischen Interessen der Union oder eines ihrer Mitgliedstaaten abhängig sein dürfen;

33. spricht sich dafür aus, daß diese Bewertungen veröffentlicht werden, um eine Stellungnahme und eine Prüfung durch internationale und nationale Organisationen sowie Nichtregierungs-Organisationen zu ermöglichen;

34. bedauert zutiefst die Unterbrechung der Programme zur Förderung von Menschenrechten und Demokratie, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs vom 12. Mai 1998 (C-106/96) ergibt;

35. stellt fest, daß die Reaktion der Kommission auf dieses Urteil zeigt, daß Projekte in den Bereichen Menschenrechte und Demokratie nach wie vor für administrative und juristische Komplikationen anfällig sind;

36. begrüsst die interinstitutionelle Vereinbarung über die Haushaltsmittel, die im Trilog vom 17. Juli 1998 zustande kam, und fordert alle EU- Organe nachdrücklich auf, vor dem Ende der laufenden Legislaturperiode eine langfristige Lösung zu vereinbaren;

37. dringt darauf, daß die interinstitutionelle Vereinbarung vom 17. Juli 1998 zu einer gültigen gesetzlichen Grundlage für die zukünftige Menschenrechtspolitik der Europäischen Union und die entsprechenden Programme führt;

38. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Europarat und den Vereinten Nationen zu übermitteln.