Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Die wirtschaftliche und soziale Lage in Chile und die Beziehungen Chiles zum Mercosur und zur EU"
Amtsblatt Nr. C 407 vom 28/12/1998 S. 0247
Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Die wirtschaftliche und soziale Lage in Chile und die Beziehungen Chiles zum Mercosur und zur EU" (98/C 407/44) Der Wirtschafts- und Sozialausschuß beschloß am 29. Januar 1998, gemäß Artikel 23 Absatz 3 der Geschäftsordnung eine Stellungnahme zu dem vorgenannten Thema zu ersuchen. Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen, Außenhandels- und Entwicklungspolitik nahm ihre Stellungnahme am 23. Juli 1998 an. Berichterstatter war Herr Regaldo. Der Ausschuß verabschiedete auf seiner 357. Plenartagung am 9. und 10. September 1998 (Sitzung vom 9. September) einstimmig folgende Stellungnahme. 1. Begründung 1.1. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß hat zur Kenntnis genommen, daß die Europäische Kommission dem Rat im Juli 1998 die Leitlinien zu einem Mandat für Verhandlungen mit Chile und dem Mercosur über künftige politische und wirtschaftliche Assoziationsabkommen, die zu Beginn des nächsten Jahrtausends unterzeichnet werden könnten, unterbreitet hat. 1.2. Der Ausschuß erinnert daran, daß die Beziehungen mit dem Mercosur und Chile mit Aufnahme dieser Verhandlungen in eine zweite Phase einträten, nachdem am 15. Dezember 1995 mit dem Mercosur und am 21. Juni 1996 mit Chile Rahmenabkommen für die Zusammenarbeit unterzeichnet worden waren, um eine Assoziation zwischen den Vertragspartnern vorzubereiten. Die neuen Abkommen werden insbesondere eine Intensivierung des politisch-institutionellen Dialogs und die schrittweise und wechselseitige Liberalisierung des Außenhandels nach den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) umfassen. 1.3. Der Ausschuß erkennt die im wechselseitigen Handelsdialog erzielten Fortschritte an. Auf der dreiseitigen Ministerkonferenz, die am 12. Februar 1998 in Panama stattfand, billigten die Vertreter der EU, des Mercosur und Chiles die mit dem Ziel einer Inventarisierung der Handelsbeziehungen durchgeführten Arbeiten. Aufgrund dieser Ergebnisse bekräftigten die Minister ihre Entschlossenheit, Abkommen über eine politische und wirtschaftliche Assoziation zu schließen. Zugleich nahmen sie den Beschluß zur Kenntnis, nach dem Chile der institutionellen Struktur des Mercosur beitritt. In der darauffolgenden Sitzung der beiden Außenhandelsunterausschüsse EU-Chile und EU-Mercosur am 14. Mai 1998 in Brüssel schlossen die Partner die Bestandsaufnahme der Handelsbeziehungen ab und gaben grünes Licht für das Mandat zu Verhandlungen über die künftigen Abkommen. 1.4. Der Ausschuß hat seinerseits diesen gegenseitigen Annäherungsprozeß kontinuierlich verfolgt und seine eigenen Beziehungen mit Chile und dem Mercosur ausgebaut. Am 3. Oktober 1995 verabschiedete der Ausschuß im Zusammenhang mit der bevorstehenden Unterzeichnung des Rahmenabkommens für die interregionale Zusammenarbeit zwischen EU und Mercosur eine Stellungnahme zu der Mitteilung der Europäischen Kommission "Die Europäische Gemeinschaft und der Mercosur: eine intensivierte Politik". 1.5. Zwei Jahre später unternahm eine Delegation des Ausschusses vom 15. bis 19. Dezember 1997 eine offizielle Reise nach Uruguay und Chile. Bei dieser Gelegenheit unterzeichneten der Ausschuß und das Beratende Wirtschafts- und Sozialforum (FCES) des Mercosur ein "Memorandum of Understanding zur institutionellen Zusammenarbeit" mit dem Ziel, einen regelmäßigen Austausch von Informationen und Beratungen einzurichten und einen Dialog über die Beziehungen zwischen der EU und dem Mercosur einzuleiten. Diese institutionellen Kontakte vertieften sich anläßlich eines zweiten Besuchs der Ausschußdelegation beim Mercosur und in Chile vom 4. bis 7. Mai 1998, die bei dieser Gelegenheit an einer Sitzung des FCES teilnahm und Gespräche mit Vertretern verschiedener chilenischer Organisationen führte. Angesichts der Tatsache, daß Chile an den Sitzungen der institutionellen Struktur des Mercosur teilnimmt, könnten in Zukunft auch sozioökonomische Vertreter dieses Landes in die Zusammenarbeit zwischen dem Ausschuß und dem FCES einbezogen werden. 2. Zielsetzung 2.1. In diesem Stellungnahmeentwurf werden die dreiseitigen Beziehungen zwischen der EU, Chile und dem Mercosur erörtert. Insbesondere werden die gegenwärtige Lage in Chile sowie die Beziehungen Chiles mit dem Mercosur und der EU analysiert. Dabei dürfen die anstehenden Verhandlungen über die Abkommen zur politischen und wirtschaftlichen Assoziation zwischen der EU und den jeweiligen Partnern nicht aus den Augen verloren werden. 2.2. Zur Bewertung dieser neuen Initiative der Europäischen Kommission gegenüber Chile und dem Mercosur und zur Festlegung des diesbezüglichen Standpunkts des Wirtschafts- und Sozialausschusses, werden in dem Dokument vier Gesichtspunkte behandelt: - die gegenwärtige Lage in Chile, - der Annäherungsprozeß zwischen Chile und dem Mercosur, - die Beziehungen zwischen Chile und der EU und - die künftigen Assoziationsabkommen der EU mit Chile und dem Mercosur. 3. Die gegenwärtige Lage in Chile 3.1. Chile stellt für Lateinamerika sowohl hinsichtlich seines politischen Werdegangs als auch wegen seines Wirtschaftsmodells eine Ausnahme dar. Zwar hat Chile bereits vor zehn Jahren den Weg zur Demokratisierung des Landes eingeschlagen, es gelten jedoch immer noch einige Gesetze, die in der unter dem Militärregime verabschiedeten Verfassung von 1980 niedergelegt sind und die die volle Ausübung der Demokratie einschränken (siehe Anhang 1). Im Zuge des Übergangs zur Demokratie hat sich die Regierung von Eduardo Frei allerdings die Vollendung des Demokratisierungsprozesses zum Ziel gesetzt. 3.2. Was die wirtschaftliche Seite anbelangt, so führte Chile unter dem autoritären Regime von General Augusto Pinochet (1973-1990) drastische strukturelle Reformen durch, darunter die Privatisierung öffentlicher Unternehmen, die einseitige Öffnung für den Außenhandel, die Verschlankung des Staatsapparats und Einsparungen bei den Sozialausgaben. Die Tatsache, daß Chile die Umstrukturierung der Wirtschaft zu einem relativ frühen Zeitpunkt und unter einer autoritären Regierung einleitete, steht im Gegensatz zu den Erfahrungen in anderen lateinamerikanischen Ländern, in denen die wirtschaftliche Öffnung erst nach Wiederherstellung der Demokratie einsetzte. Chile erfreut sich heute einer günstigen Wirtschaftslage, die den demokratischen Regierungen einen größeren Spielraum für soziale Reformen und zur Bekämpfung der Armut gibt. 3.3. Gegenwärtig gehört die Wirtschaft des Landes zu den bestgeführten und meistliberalisierten Lateinamerikas und wird innerhalb wie außerhalb der Region als ein erfolgreiches Entwicklungsmodell angesehen. Seit vierzehn Jahren erzielt die chilenische Volkswirtschaft ein stetiges jährliches Wachstum, das von 1990 bis 1997 durchschnittlich über 7 %, fast das Doppelte des regionalen Durchschnitts, betrug. Darüber hinaus hat Chile eine der höchsten Spar- und Investitionsquoten Lateinamerikas (21,4 bzw. 27 % des BIP in 1997) und verzeichnet einen leichten Überschuß im öffentlichen Sektor sowie niedrige Inflationsraten. 3.4. In den letzten Jahren traten allerdings gewisse Schwierigkeiten auf, durch die Zweifel an der langfristigen Tragfähigkeit des chilenischen Modells genährt wurden. Chile ist eines der von der jüngsten Finanzkrise in Asien am schwersten betroffenen Länder Lateinamerikas, weil es in der Region, die 1997 32,7 % aller chilenischen Ausfuhren aufnahm, seinen wichtigsten Markt hat. Nach vorläufigen Schätzungen gingen in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres 1998 die chilenischen Ausfuhren nach Asien um 25 % im Vergleich mit dem entsprechenden Vorjahreszeitraum zurück. Von Oktober 1997 bis April 1998 verlor der chilenische Peso 9,5 % seines Wertes, was sich auf die Ausfuhren positiv auswirkt, aber dafür die Inflation anheizen könnte (bei 6 % in 1997). In gleicher Weise verlangsamte sich in den beiden letzten Jahren das Wachstum: von 1995 bis 1997 ging der Anstieg des chilenischen BIP von 8,5 auf 7,1 % zurück, und laut Vorhersagen der Zentralbank wird es für 1998 höchstens 5,5 % betragen. 3.5. Die Verlangsamung des Wachstums geht in erster Linie auf ein Defizit im Außenhandel zurück. Seit Beginn der Strukturreformen 1975 hat sich die chilenische Volkswirtschaft auf den Ausfuhrsektor ausgerichtet, der ca. 30 % ihres BIP erzielt (verglichen mit 24 % in Mexiko und 15 % in Argentinien) und als der "Motor" des Wachstums gilt. Chile ist der weltgrößte Exporteur von Kupfer, das 1997 mit 42,3 % aller Ausfuhren zu Buche schlug; danach folgen Holz, Obst, Fischereierzeugnisse und Industrieprodukte. Der Verfall des Weltmarktpreises für Kupfer und eine zunehmende Einfuhrnachfrage verursachten 1997 ein Außenhandelsdefizit von 1,3 Milliarden Dollar, das vorläufigen Schätzungen zufolge 1998 auf 2,3 Milliarden anwachsen könnte. Dies erklärt sich in erster Linie aus dem Rückgang der Ausfuhren nach Asien. 3.6. Diese Negativbilanz hat ein zunehmendes Defizit bei den laufenden Posten bewirkt, das nach Angaben der Zentralbank 1997 6 % des Bruttoinlandsprodukts entsprach. Obgleich Chile über reichliche Devisenreserven verfügt (um die 18 Milliarden Dollar) und das Defizit durch die hohe Sparquote und die Auslandsinvestitionen finanzieren kann, wird es langfristig seine immer noch erhebliche Abhängigkeit von traditionellen Ausfuhren und die sich daraus ergebende Anfälligkeit gegenüber Wechselfällen der Weltwirtschaft abbauen müssen. In diesem Zusammenhang kündigte Präsident FREI an, seine Regierung werde zum Eintritt in eine "zweite Ausfuhrphase" die Exportdiversifizierung und die Lieferung von hochwertigen Erzeugnissen der Veredelungswirtschaft fördern. 3.7. In diesem Sinne müßte die künftige Wirtschaftspolitik der chilenischen Regierung auch die außerordentliche Bedeutung der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) für die chilenische Wirtschaft berücksichtigen, die 98,5 % des einheimischen Privatsektors ausmachen und dabei sind, einen wachsenden Anteil des Exportsektors zu übernehmen. Dazu paßt, daß die KMU laut Schätzungen des Verbandes der Mittel- und Kleinindustrie und des Handwerks (CONUPIA) ca. 79,8 % der Erwerbstätigen des Landes beschäftigen. Trotz der eminenten Bedeutung dieses Sektors wurde bislang noch keine spezifisch auf die Förderung und Unterstützung der KMU ausgerichtete Strategie ins Werk gesetzt; das tatsächliche Gewicht der KMU in der Volkswirtschaft spiegelt sich in ihrer Teilhabe am Entscheidungsprozeß offensichtlich nicht wider. 3.8. Im Rahmen einer Strategie des offenen Regionalismus hat Chile seine Handelsbeziehungen zwischen verschiedenen Ländern und Wirtschaftsblöcken diversifiziert. Auf dem amerikanischen Kontinent hat das Land Freihandelsabkommen mit Kanada, Kolumbien, Ecuador, dem Mercosur, Mexiko, Peru und Venezuela abgeschlossen. 1997 waren seine Ausfuhren hauptsächlich für vier Märkte bestimmt. Die asiatisch-pazifische Region war mit 32,7 % wichtigster Empfänger, gefolgt von der Europäischen Union mit 25,9 %, Lateinamerika mit 19,3 % und den Vereinigten Staaten mit 16,1 %. Die wichtigsten Lieferanten waren Lateinamerika (26 %), die Vereinigten Staaten (23 %) und die EU (20,8 %). Chile ist das einzige lateinamerikanische Land mit präferentiellem Zugang zur asiatisch-pazifischen Region: deren Länder - Japan, Südkorea, Hongkong, Indonesien und Taiwan - stellen seit 1993 Chiles wichtigsten Absatzmarkt dar; Chile beteiligt sich an einigen der regionalen politischen und Handelsforen, wie z. B. der APEC (Asiatisch-pazifische Wirtschaftszusammenarbeit). 3.9. Andererseits ist Chile eine der wichtigsten Empfängeradressen für ausländische Direktinvestitionen in Lateinamerika. Zahlenangaben der Zentralbank zufolge nahm das Land 1996 und 1997 Investitionsströme im Werte von 3,561 bzw. 3,467 Milliarden Dollar auf. Die wichtigsten Investoren in Chile sind die Vereinigten Staaten, die Mitgliedstaaten der EU und Kanada (dessen Direktinvestitionen in Lateinamerika hauptsächlich nach Chile gehen). Dem Ausschuß für Auslandsinvestitionen zufolge stieg der gesamte Nettoinvestitionszufluß nach Chile 1997 um 26,6 % gegenüber dem Vorjahr, da die Investitionen seitens des Vereinigten Königreichs, Spaniens und Japans zunahmen. Die soziale Dimension 3.10. Die makroökonomische Stabilität Chiles steht im Gegensatz zu einer ausgeprägten sozialen Ungleichheit. Zwei Jahrzehnte struktureller Reformen einschließlich einer einseitigen Öffnung der Wirtschaft und eines ehrgeizigen Privatisierungsprogramms haben bei der sozialen Wohlfahrt einen hohen Preis gefordert. Zwar gelang es den demokratischen Regierungen von Patricio Aylwin und Eduardo Frei, den Anteil der Armen von 38,6 % im Jahre 1990 auf 23,2 % in 1996 zu senken, die Anzahl der Armen ist jedoch immer noch höher als 1970. Das niedrige Lohnniveau - das den Stand während des Militärregimes, als es drastisch gesenkt worden war, noch heute kaum übersteigt - und die Konzentration des Reichtums sind die wichtigsten Ursachen dieses sozialen Defizits. Chile hat mit Brasilien und Guatemala gemeinsam die größte Ungleichheit bei der Einkommensverteilung in Lateinamerika. Angaben der Weltbank zufolge verfügen die reichsten 20 % der chilenischen Bevölkerung über 61 % des Volkseinkommens während die ärmsten 20 % sich ganze 3,5 % teilen müssen. 3.11. Allerdings weist Chile günstigere Sozialindikatoren als der lateinamerikanische Durchschnitt auf. Dem Index zur menschlichen Entwicklung der Vereinten Nationen für das Jahr 1997 zufolge nimmt Chile in Lateinamerika den ersten Rang ein und steht unter 175 Ländern an dreißigster Stelle. Laut Angaben der Zentralbank weist es eine Alphabetisierungsrate von 95,4 %, eine Einschulungsquote von 96 % und eine Lebenserwartung von 75 Jahren auf. Im Vergleich zu Durchschnittswerten des Mercosur stellt sich die soziale Lage in Chile günstiger dar: die Alphabetisierungs- und Einschulungsziffern liegen höher, die Arbeitslosenquote niedriger (6,1 % in 1997) und der Erfassungsgrad der Sozialversicherung höher (bei 79 %). 3.12. Diese günstige Bilanz ist das Ergebnis einer aktiven Sozialpolitik während der Amtszeiten der demokratischen Regierungen unter Patricio Aylwin und Eduardo Frei. Seit 1990 sind die Sozialausgaben um 24,4 % gestiegen und entsprachen 1996 einem Anteil von 67 % am gesamten Staatshaushalt. Der größte Teil der Sozialausgaben wird für die Sozialversicherung aufgewendet (44 %), danach folgen Bildung (27,4 %) und Gesundheit (10 %). Um diese Entwicklungen weiter zu vertiefen, legte Präsident Frei im März 1998 einen "Sozialplan" vor, mit dem den drei Bereichen Investition in das Humankapital, Gesundheit und Wohnungsbau Vorrang eingeräumt werden soll. 3.13. Im nachhinein ist ein erster Fortschritt für den Beschäftigungsbereich erzielt worden, der auch die Eröffnung eines dreiseitigen Dialogs erleichtern könnte. Am 6. Mai 1998 erzielten die Regierung und die "Einheitszentrale der Arbeitnehmer" (CUT) eine auf drei Jahre befristete Übereinkunft zur Erhöhung des Mindestlohnes, den 9 % der Erwerbsbevölkerung beziehen. Ab 1. Juni 1998 wird der Mindestlohn (um 12,75 %) von 71 400 auf 80 500 Pesos im Monat angehoben. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß nimmt diese Übereinkunft, die in seinen Augen nicht nur einen ersten Schritt in Richtung größerer sozialer Ausgewogenheit, sondern auch einen wichtigen Fortschritt im Rahmen des sozialen Dialogs darstellt, mit großer Befriedigung zur Kenntnis. Die politischen Rahmenbedingungen 3.14. Die soziale Dimension und die Reform der Verfassung von 1980 sind die Schlüsselthemen der aktuellen politischen Auseinandersetzung in Chile im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen am 11. Dezember 1999. In diesem Zusammenhang wurden die Stimmenverluste der christdemokratischen Partei (PDC) bei den Parlamentswahlen am 11. Dezember 1997 der Abnutzung nach acht Jahren christdemokratischer Regierung und den andauernden sozialen Ungerechtigkeiten zugeschrieben. Als Reaktion auf diese Herausforderung setzte Präsident Frei in seiner Rede vom 21. Mai drei Prioritäten bis zum Ende seiner Amtszeit im Jahre 2000: dauerhaftes Wirtschaftswachstum, Modernisierung der Institutionen und die Bildungsreform. 3.15. Die Umsetzung einer Sozialpolitik größerer Tragweite im Hinblick auf die Einkommen oder zur Modernisierung der Arbeitsgesetzgebung von 1979 - mit der die vorher einflußreiche Gewerkschaftsbewegung zerschlagen wurde - hängt auch von Veränderungen im politischen System ab. Obwohl die Regierung bei verschiedenen Gelegenheiten vorschlug, die grundlegenden Bestimmungen der Verfassung - unter anderem diejenigen über die Ernennung von Senatoren - zu reformieren, und einen Entwurf zur Arbeitsgesetzgebung vorlegte, wurden diese Vorstöße vom Senat, in dem die Oppositionsparteien zusammen mit einigen auf Lebenszeit ernannten Senatoren die Mehrheit haben, nicht gebilligt. Sowohl diese anstehenden Reformen als auch die Einnahme eines Sitzes als Senator auf Lebenszeit durch den früheren Oberkommandierenden des Heeres, Augusto Pinochet, am 11. März 1998 haben die Auseinandersetzung über den noch nicht abgeschlossenen Übergang zur Demokratie in der chilenischen Gesellschaft wieder aufbrechen lassen. In seiner jüngsten Rede an die Nation hob Präsident Eduardo Frei die Notwendigkeit hervor, zu einer Demokratisierung der Institutionen zu gelangen und schlug vor, die Verfassungsmechanismen zu erweitern und eine Volksabstimmung über diese Fragen durchzuführen. 3.16. Angesichts der gegenwärtigen Lage in Chile schätzt der Ausschuß diesen letzteren Vorschlag der Regierung positiv ein und drückt seine Unterstützung für den Konsolidierungsprozeß der Demokratie im Lande aus. Gleichzeitig hält er es für wünschenswert, alle Hindernisse, die der institutionellen Vertiefung des demokratischen Systems entgegenstehen, zu beseitigen. Seiner Ansicht nach ist die vollständige demokratische Normalisierung in Chile auch eine Vorbedingung für größere soziale Gerechtigkeit. In diesem Sinne unterstreicht der Ausschuß die Bedeutung von Reformen größerer Tragweite im sozialen Bereich, mit besonderer Betonung des Beschäftigungssektors, der Bildung und der Gesundheit. 3.17. Darüber hinaus betrachtet der Ausschuß die Politiken im Hinblick auf Umverteilung und größere soziale Gerechtigkeit als Schlüsselbereiche für die langfristige Erhaltung des "chilenischen Modells" und fordert Regierung, Gewerkschaften und Arbeitnehmer dringend auf, einen ständigen und autonomen sozialen Dialog einzurichten. Dementsprechend vertritt er die Auffassung, daß die Gründung des Forums für produktive Entwicklung von seiten der Regierung wie auch das jüngste Abkommen über die Mindestlöhne erste Schritte in diese Richtung darstellen. Andererseits erinnert er daran, daß Chile der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) angehört und ihre grundlegenden Konventionen unterzeichnet - wenn auch noch nicht ratifiziert - hat, zu denen u.a. volle Gewerkschaftsfreiheit, das Verbot der Kinderarbeit und die Achtung der Menschenrechte zählen. 4. Der Annäherungsprozeß zwischen Chile und dem Mercosur 4.1. Chile hat seine Beziehungen mit dem Mercosur intensiviert. Zusammen mit Bolivien ist es assoziiertes Mitglied der Gruppe, und beim XIII. Präsidentschaftsgipfel des Mercosur am 14. und 15. Dezember 1997 in Montevideo wurde grünes Licht für die Beteiligung Chiles an der institutionellen Struktur des Blocks gegeben, wobei die Themen, die mit der Zollunion zusammenhängen, ausgeklammert blieben. Damit wurde das politische Bündnis zwischen dem Mercosur und Chile verstärkt. Dieser Prozeß wurde in Übereinstimmung zwischen dem Mercosur und den beiden ihm assoziierten Ländern eingeleitet, um einen gemeinsamen Standpunkt bei den Verhandlungen über die künftige Freihandelszone beider Amerika (ALCA), die anläßlich des II. Gipfels beider Amerika am 18. und 19. April 1998 in Santiago de Chile geführt wurden, einzunehmen. 4.2. Andererseits hat die politische Annäherung zwischen den Partnern auch bereits die Möglichkeit eröffnet, daß sich Chile langfristig an der "Sozialpolitik" des Mercosur beteiligt. Seine Präsenz in der institutionellen Struktur des Mercosur ermöglicht es Chile, sich künftig als Beobachter oder Vollmitglied in das FCES einzugliedern. Desgleichen könnte es dem "Multilateralen Abkommen des Mercosur über soziale Sicherheit" beitreten, das auf dessen XIII. Gipfel verabschiedet wurde und Ansprüche an die Sozialversicherung für die Arbeitnehmer gewährleistet, die in den Mitgliedstaaten oder anderen Ländern, die das Abkommen unterzeichnen, Leistungen erbringen. 4.3. Chile und der Mercosur unterzeichneten am 21. Juni 1996 ein Abkommen zur wirtschaftlichen Ergänzung, in dem die Gründung einer Freihandelszone im Verlauf von zehn Jahren - davon sind einige "empfindliche Erzeugnisse" ausgenommen - und ein Mechanismus für regelmäßige Beratungen vorgesehen sind. Desgleichen wird sich Chile an den konkreten Integrationsprojekten des Mercosur beteiligen. Bislang gehört Chile noch nicht zur Zollunion, da die Zollsysteme miteinander nicht zu vereinbaren sind. Während der Mercosur für Einfuhren von außerhalb Abgaben zwischen 0 und 23 % festgesetzt hat (nach der jüngsten Erhöhung um 3 %), erhebt Chile einen viel niedrigeren Einheitszollsatz von 11 %, der ab 1999 wahrscheinlich noch gesenkt wird. Das ist zwar das größte Hindernis für seinen Beitritt, es bestehen jedoch auch einige Schwierigkeiten im Agrarsektor. Chile verfügt zwar über einen modernen und effizienten Agrarsektor, die Produktionskosten für Milch, Fleisch, Weizen, Mais und Reis liegen indessen höher als im Mercosur, weshalb für diese Erzeugnisse längere Übergangszeiträume festgelegt wurden. 4.4. Wenn auch die wechselseitige Abhängigkeit im Handel relativ gering ist, so stellt der Mercosur doch den wichtigsten Wirtschaftspartner Chiles in Lateinamerika dar. 1997 gingen 10,9 % der chilenischen Lieferungen an den Mercosur. Seit 1992 nahmen diese jährlich um mehr als 15,6 % zu. In gleicher Weise ist der Mercosur ein wichtiger Lieferant für Chile, der 1997 ca. 17 % der Gesamteinfuhren des Landes bestritt. Andererseits nimmt mit 80 % der Mercosur - und von dessen Mitgliedern wiederum Argentinien - den größten Teil der chilenischen Direktinvestitionen auf. Zahlenangaben der CEPAL zufolge war Chile mit 3 Milliarden Dollar 1997 der größte Investor in Lateinamerika, wobei Argentinien mit 40,4 % den größten Anteil des Investitionsstroms in die Region absorbierte. 4.5. Die Assoziierung zwischen Chile und dem Mercosur weist für beide Teile komparative Kostenvorteile auf. Für die Mitglieder des Mercosur ist Chile ein stabiler Partner mit einer gefestigten und offenen Wirtschaft, der neue Möglichkeiten für Zusammenarbeit, Handel und Investitionen bietet. Desgleichen stellt das Land eine Brücke zum asiatisch-pazifischen Markt dar und trägt zum Prestigegewinn des Blocks in regionalen und internationalen Foren bei. Aus der Sicht Chiles ist der Mercosur sein wichtigster Markt und Investitionsnehmer in Lateinamerika, an den ein hoher Anteil seiner Industrieprodukte geht - ca. 34 % gegenüber einem Durchschnitt von 12 % -, weswegen die Gruppe ein wichtiges Sprungbrett für den Eintritt in die "zweite Exportphase" darstellt. Zudem erleichtert die Assoziierung mit dem Mercosur den Abschluß von Abkommen mit Drittländern und Handelsblöcken und erhöht das Gewicht in den Verhandlungen zur künftigen ALCA und im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO). 4.6. Der Ausschuß begrüßt den allmählichen Annäherungsprozeß zwischen Chile und dem Mercosur und erinnert daran, daß er seine Bindungen an beide Partner durch die Eröffnung eines regelmäßigen Dialogs mit Unternehmern, Gewerkschaftsvertretern und Kreisen der Bürgergesellschaft verstärkt hat. In diesem Sinne drückt er seinen Wunsch aus, die Vertiefung der Beziehungen mit Chile und dem Mercosur fortzusetzen und bewertet die Intensivierung des politischen Dialogs wie auch die zunehmende gegenseitige Abhängigkeit zwischen beiden Teilen als positiv. Angesichts der bereits engen Beziehungen, die einige Vertreter des chilenischen Wirtschafts- und Sozialbereichs mit dem FCES pflegen, beurteilt der Ausschuß eine künftige Anbindung Chiles an seinen jüngsten Dialog mit dem besagten Forum positiv. 5. Die Beziehungen zwischen Chile und der Europäischen Union 5.1. Die EU und Chile unterhalten traditionell enge politische und wirtschaftliche Beziehungen, die ihren Ursprung in kulturellen Gemeinsamkeiten, ähnlichen politischen Parteiensystemen und auch in der Unterstützung haben, die Europa chilenischen Exilkreisen und während des späteren demokratischen Übergangs bot. In diesem Zusammenhang unterschrieben Chile und die EU am 21. Juni 1996 in Florenz ein Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit, mit dem das vorhergehende Abkommen der "dritten Generation" (unterzeichnet am 20. Dezember 1990) erweitert wird und das drei grundlegende Elemente vorsieht: - Intensivierung der Wirtschafts- und Unternehmenszusammenarbeit, - Schaffung eines regelmäßigen politisch-institutionellen Dialogs, - Vorbereitung auf die schrittweise und wechselseitige Liberalisierung des Handels. 5.2. Das neue Abkommen ähnelt dem Rahmenabkommen zur interregionalen Zusammenarbeit (AMIC) zwischen der EU und dem Mercosur, wenngleich im Falle Chiles noch die Zusammenarbeit im Bereich der sozialen Entwicklung (Bildung, Gesundheit und Beschäftigung) dazukommt. Auch die institutionelle Struktur des Abkommens ähnelt der des AMIC: einmal jährlich werden Ministertagungen und Sitzungen des Gemischten Ausschusses abgehalten, und es werden zweimal jährlich Treffen des Handelsunterausschusses veranstaltet. Darüber hinaus sind Gipfeltreffen zwischen den Staatschefs und Gelegenheiten zum Austausch zwischen anderen Gremien beider Seiten vorgesehen. Der Handelsunterausschuß EU/Chile trat seit Unterzeichnung des Abkommens dreimal zusammen und gründete nach dem Vorbild des AMIC Arbeitsgruppen zu den Themen Handelsgüter, Dienstleistungen, Normen und Regeln. 5.3. Wie in den anderen Ländern Lateinamerikas stellen die EU und ihre Mitgliedstaaten für Chile die wichtigste Quelle offizieller Entwicklungshilfe dar. Sie steuerten von 1990 bis 1997 85 % der gesamten Entwicklungshilfe im Werte von 1,046 Milliarden Dollar bei. Auf bilateraler Ebene sind Deutschland und Frankreich die wichtigsten Geber. Die Europäische Kommission verwendete ihrerseits zwischen 1990 und 1997 insgesamt 164 Millionen ECU auf die Zusammenarbeit mit Chile, was einem Durchschnitt zwischen 19 und 23 Millionen ECU entspricht. Im Rahmen dieser Beiträge sind besonders die klassische "Entwicklungszusammenarbeit" und die an Nichtregierungsorganisationen (NRO) gerichteten Mittel, die 1997 im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht wurden, hervorzuheben. 5.4. Darüber hinaus bezieht Chile im Durchschnitt vier Millionen ECU jährlich im Rahmen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit durch die Programme AL-INVEST und ECIP sowie die Unternehmensstiftung EUROCHILE, die eine wichtige Rolle bei der Unternehmenszusammenarbeit zwischen den beiden Seiten wahrnimmt. Das Land beteiligt sich ebenfalls an anderen horizontalen Programmen der Europäischen Kommission für die Region wie z. B. Lateinamerika - Akademische Bildung (ALFA), das Programm für lokale Zusammenarbeit AL-URB oder das für Zusammenarbeit im Energiebereich ALURE. Desgleichen unterzeichnete Chile ein Rahmenabkommen mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) über Darlehen in Höhe von 150 Millionen Dollar. 5.5. Die Ausschuß nimmt die Unterstützung der Europäischen Kommission für die Entwicklungszusammenarbeit in Chile mit Befriedigung zur Kenntnis und fordert die Beibehaltung der genannten Leistungen sowie ihre Diversifizierung mit besonderem Schwergewicht im wirtschaftlichen und sozialen Bereich. Er erinnert an seinen Vorschlag in der Stellungnahme vom 31. Januar 1990 zum Thema "Die wirtschaftliche und soziale Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Lateinamerika", die lateinamerikanischen Länder als Kreditnehmer der EIB zu akzeptieren und neue Instrumente der Wirtschaftszusammenarbeit zu schaffen. In diesem Sinne und angesichts der Intensivierung der Bindungen zwischen Chile und der EU im Rahmen des neuen Kooperationsabkommens erachtet es der Ausschuß als notwendig, das gegenwärtige Niveau der Wirtschafts- und Unternehmenszusammenarbeit zwischen beiden Seiten zu erhöhen. Dementsprechend schlägt er vor, spezifische Projekte zur Unterstützung der KMU auszuarbeiten, zu denen auch technische Hilfe gehören würde, um die Beteiligung von chilenischen Unternehmen dieses Sektors an den Programmen AL-INVEST und ECIP wie auch ihren Zugang zu Darlehen der EIB zu erleichtern. 5.6. Sowohl die EU als auch Chile erhoffen sich von dem neuen Abkommen einen Ansporn für Zusammenarbeit sowie Handels- und Investitionsströme. Hier ist zu unterstreichen, daß die EU an wirtschaftlicher Präsenz in Chile eingebüßt hat: während sie 1990 noch der wichtigste Handelspartner des Landes war, nahm sie 1997 hinter Asien den zweiten Rang sowohl bei den Ein- als auch bei den Ausfuhren ein. In diesem Zeitraum verringerte die EU ihren Anteil an den chilenischen Importen erheblich, während Chile seine Lieferungen von Europa - 38,4 % in 1990 - in die asiatisch-pazifische Region umlenkte. 5.7. Diese Entwicklung steht im Gegensatz zu derjenigen bei den für den Mercosur bestimmten Ausfuhren der EU, die von 1992 bis 1997 eine durchschnittliche jährliche Steigerung von 26,1 % erfuhren, während die Zunahme ihrer Lieferungen an Chile 14,3 % betrug. Aus diesem Grunde verzeichnet Chile weiterhin einen leichten Überschuß im Handel mit Europa, der 1997 auf 189,6 Millionen Dollar gegenüber 145 Millionen im Vorjahr anstieg. Diese Tendenz verstärkte sich in den ersten Monaten des Jahres 1998, da die EU in der Folge der Krise in Asien von neuem zum wichtigsten Abnehmer der chilenischen Ausfuhren avancierte. Deutschland, das Vereinigte Königreich und Italien sind die wichtigsten Handelspartners Chiles in der EU. 5.8. Andererseits ist die EU zweitwichtigster ausländischer Investor in Chile: von 1990 bis 1996 steuerte sie gegenüber 73,5 % aus den Vereinigten Staaten 25,5 % der ausländischen Direktinvestitionen bei. Seit 1990 haben sich die Nettozufluesse europäischer Direktinvestitionen nach Chile kontinuierlich gesteigert, so daß die EU 1995 einen Anteil von 34 % aufwies. Dessenungeachtet wurde 1996 im Vergleich zum Vorjahr wiederum eine Verringerung der Direktinvestitionen aus der EU festgestellt, die auf Kürzungen von seiten des Vereinigten Königreichs, des von 1990 bis 1996 wichtigsten Investors der EU in Chile, gefolgt von den Niederlanden, Spanien und Deutschland, zurückzuführen war. 5.9. In diesem Zusammenhang könnte die Aufnahme von Verhandlungen über die wechselseitige Liberalisierung des Handels ein erster Schritt zur Wiederherstellung der traditionell privilegierten Stellung des EU-Handels in Chile sein und somit die Investitionen wiederum ansteigen lassen. Im Augenblick sind die Aussichten für eine erhöhte Wirtschaftspräsenz der EU in Chile günstig, zumal der Beitritt Chiles zum ALCAN - wie auf dem Gipfel beider Amerika 1994 zugestanden - als Zukunftsaussicht in immer weitere Ferne rückt, denn der Präsident der Vereinigten Staaten hat Schwierigkeiten, das fast-track (Eil)-Verfahren durchzusetzen, das den Entscheidungsprozeß im Kongreß beschleunigen würde und seitens der chilenische Regierung zur Bedingung gemacht wurde. Diese Tendenz bestätigte sich auch während des zweiten Gipfels beider Amerika in Santiago de Chile, auf dem die Frage nicht angesprochen wurde, obwohl sich die Vereinigten Staaten und Chile verpflichteten, eine Gemeinsame Handels- und Investitionskommission einzusetzen, und am 19. Mai 1998 ein diesbezügliches Abkommen unterzeichneten. 6. Die künftigen Assoziationsabkommen der EU mit Chile und dem Mercosur 6.1. Mit zunehmenden Fortschritten bei der Anbindung Chiles an den Mercosur wird sich auch der dreiseitige Dialog mit der EU intensivieren. Die allmähliche Annäherung zwischen den drei Partnern spiegelt sich in einem gleichzeitigen Vorbereitungsprozeß EU-Mercosur und EU-Chile auf die Verhandlungen über die schrittweise und wechselseitige Liberalisierung des Handels wider. Die Ergebnisse dieses Dialogs sind ähnlich: in der Sitzung der jeweiligen Handelsunterausschüsse am 14. Mai in Brüssel wurde die "Bestandsaufnahme" des aktuellen Standes der Handelsbeziehungen auf technischer Ebene abgeschlossen. Ausgehend von der Bilanz der jeweiligen Gemischten Ausschüsse wird die Europäische Kommission demnächst die Leitlinien für ein Verhandlungsmandat zu einer Politischen und wirtschaftlichen Assoziation mit Chile und dem Mercosur vorlegen. Der Ausschuß hofft, daß die Aufnahme des neuen Verhandlungsprozesses nicht durch die Empfindlichkeit einiger Produkte vereitelt wird. 6.2. Wenngleich Chile und der Mercosur aus Rücksicht auf die Identität des jeweiligen Partners getrennte Abkommen mit der EU schließen, werden die Verhandlungsprozesse wahrscheinlich parallel geführt, obschon nicht unbedingt gleichzeitig abgeschlossen werden. Unabhängig vom künftigen Verlauf der Verhandlungen über die Assoziationsabkommen lassen die immer enger werdenden Beziehungen zwischen Chile und dem Mercosur zusammen mit vier Ereignissen jüngeren Datums eine Intensivierung des dreiseitigen Dialogs erwarten: - in zwei parallelen Sitzungen am 14. Mai 1998 in Brüssel schlossen die Handelsunterausschüsse EU-Chile und EU-Mercosur ihre Bestandsaufnahme der Handelsbeziehungen zwischen beiden Partnern ab; - am 12. Februar 1998 fand in Panama die erste gemeinsame Ministertagung zwischen der EU, dem Mercosur und Chile statt, in der die Fortschritte bei der Vorbereitung der Abkommen analysiert wurden; - chilenische Unternehmen beteiligen sich an der ersten "Partnerschaft EU-Mercosur", die vom 5. bis 7. Dezember 1997 in Montevideo 700 Unternehmen von beiden Seiten an einen Tisch brachte; - die Beteiligung Chiles an der Entscheidungsstruktur des Mercosur vermehrt seinen Einfluß innerhalb des Blocks und gegenüber außenstehenden Partnern, unter denen die EU eine Schlüsselrolle wahrnimmt. 6.3. Der Ausschuß begrüßt die jüngsten Fortschritte in der Zusammenarbeit der EU mit Chile und dem Mercosur. Er erinnert zudem daran, daß er selbst durch einen parallelen Dialog mit Vertretern der Bürgergesellschaft des Mercosur und Chiles aktiv an diesem Prozeß der gegenseitigen Annäherung mitgewirkt hat. Als Ergebnis seiner Beratungen mit dem FCES und im Sinne einer Institutionalisierung der Beziehungen mit dem Mercosur fordert der Ausschuß die Gründung eines Gemischten beratenden Ausschusses WSA-FCES im Rahmen des demnächst auszuhandelnden künftigen interregionalen Abkommens zur politischen und wirtschaftlichen Assoziation. 6.4. Gleichzeitig wünscht der Ausschuß, seinen Dialog mit Gewerkschafts- und Unternehmensvertretern aus Chile zu verstärken, um die einschlägigen Themen weiterzubehandeln und die Beziehungen zwischen beiden Seiten zu vertiefen. Diese Zusammenarbeit sollte sich in dem neuen politischen und wirtschaftlichen Assoziationsabkommen zwischen der EU und Chile widerspiegeln. Zudem wünscht der Ausschuß, daß der künftige Gemischte beratende Ausschuß WSA-FCES im Sinne der verstärkten Beziehungen zwischen Chile und dem Mercosur auch den Vertretern der chilenischen Bürgergesellschaft zur Beteiligung offenstehen möge. 6.5. Auf dieser Grundlage empfiehlt der Ausschuß, bei dem Verhandlungsprozeß über die künftigen Assoziationsabkommen, der 1998 beginnt, die Beteiligung der Bürgergesellschaft im Wege von Beratungen bzw. eines regelmäßigen Dialoges mit Vertretern von Unternehmen, Gewerkschaften und aus anderen Bereichen vorzusehen. Insbesondere fordert er die Beteiligung des Ausschusses und des FCES an der Formulierung des anstehenden interregionalen Assoziationsabkommens. Andererseits appelliert er an die Europäische Kommission, ihn zum passenden Zeitpunkt über die Ziele der künftigen Abkommen zu informieren, da diese zur Modernisierung der Wirtschafts- und Sozialstrukturen der beteiligten Länder sowie zur Vertiefung ihrer demokratischen und institutionellen Strukturen beitragen sollten. 6.6. Der Ausschuß fordert die Kommission dringend auf, in dem künftigen Assoziationsabkommen eine tragende Rolle für die wirtschaftlichen und sozialen Gruppen bei der Durchführung der mit Gemeinschaftsmitteln finanzierten Kooperationsprojekte wie z. B. auf dem Gebiet des sozialen Dialogs und der Berufsbildung vorzusehen. 6.7. Der Ausschuß fordert die Europäische Kommission dringend auf, im Rahmen ihrer Beziehungen mit Chile den Umfang der Zusammenarbeit mit diesem Land beizubehalten, um so zur Verringerung der nach wie vor großen Armut und sozialen Ungerechtigkeit beizutragen. Desgleichen empfiehlt er im Hinblick auf die einzuleitende neue Phase der Beziehungen eine Erhöhung der für die Wirtschafts- und Unternehmenszusammenarbeit zwischen der EU und Chile bestimmten Mittel unter Berücksichtigung der sozialen Dimension. Schließlich schlägt er vor, in das künftige Abkommen zur politischen und wirtschaftlichen Assoziation einen Verweis auf die Zusammenarbeit in sozialen Fragen und insbesondere den Bereichen Bildung und Ausbildung, Gesundheit und Beschäftigung aufzunehmen. Brüssel, den 9. September 1998. Der Präsident des Wirtschafts- und Sozialausschusses Tom JENKINS ANHANG I zur Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses Politische Grunddaten Offizieller Name: Republik Chile Bevölkerung: 14 622 000 (1997), 85 % Städter, 15 % Landbewohner Ethnische Gruppen: ca. 10 % Eingeborene (Mapuches, Aymaras und Rapanui) Unabhängigkeit: 18. September 1810 Verfassung: 1980 (abgeändert 1989, 1991 und 1993) Staatsoberhaupt: Eduardo Frei Ruiz-Tagle, Präsident der Republik Wahlsystem: Der Präsident wird mit absoluter Mehrheit der Stimmen gewählt. Erzielt kein Kandidat mehr als die Hälfte der Stimmen, wird ein zweiter Wahlgang zwischen den Kandidaten abgehalten, die jeweils die meisten Stimmen auf sich vereinigen. Die Amtszeit des Präsidenten beträgt sechs Jahre. Es besteht keine Möglichkeit der sofortigen Wiederwahl. [Als erster ziviler, demokratisch gewählter Präsident regierte Patricio Aylwin nur vier Jahre(1990-1994)]. Legislative: Der Kongreß besteht aus zwei Kammern. Das Abgeordnetenhaus hat 120 Mitglieder, die für vier Jahre aus 60 Wahlkreisen nach dem binominellen System gewählt werden. Der Senat besteht aus 48 Mitgliedern, von denen 38 gewählt und höchstens neun ernannt werden: hinzu kommen die Senatoren auf Lebenszeit. Das sind ehemalige Präsidenten, die das Amt sechs Jahre lang ausgeübt haben: im Augenblick ist Augusto Pinochet der einzige, der die Amtszeit von sechs Jahren beendet hat. Die Amtszeit der ernannten Senatoren und der 38 gewählten Senatsmitglieder beträgt acht Jahre. Der Senat wird alle vier Jahre zur Hälfte erneuert. Wahlen: Präsident: 11. Dezember 1993 (nächste: 11. Dezember 1999); Parlament: 11. Dezember 1997. Wichtigste politische Parteien: Parteienallianz für die Demokratie (CPPD) (): Die Christdemokratische Partei (PDC): Gegründet 1957 unter der Führung von Enrique Krauss die wichtigste der Parteienallianz, aus deren Reihen die beiden letzten demokratischen Präsidenten hervorgegangen sind. Die PDC repräsentiert ein breites Spektrum politischer Standpunkte. Der Erste Vizepräsident der PDC und Senatspräsident Andrés Zaldívar meldete am 8. Mai 1998 seine Kandidatur für die PDC bei den nächsten Präsidentschaftswahlen an. Die Partei für die Demokratie (PPD): Die zweitgrößte der Parteienallianz ging 1987 aus der Sozialistischen Partei (PS) hervor und vertritt liberale und gemäßigte Standpunkte der Sozialdemokratie; sie diente der PS bis zu deren Legalisierung als politisches Forum. Unter der Führung von Jorge Bitar könnte die PPD die Präsidentschaftskandidatur des PS-Kandidaten Ricardo LAGOS unterstützen. Sozialistische Partei (PS): 1933 gegründet vereinigt diese Partei unter der Führung von Camilo Escalona verschiedene ideologische Strömungen, die von der Sozialdemokratie bis zu dem Marxismus-Leninismus nahen Standpunkten reichen. In der Partei zeichnet sich eine Mehrheit für den Minister für Öffentliche Arbeiten, Ricardo Lagos, als Präsidentschaftskandidaten der PS-PPD ab. Union für Chile (UPC): Nationale Erneuerung (RN): größte Partei der Opposition. Konservative Partei mit gemäßigten Positionen, geführt von Alberto ESPINA. Gegründet 1987 im Zusammenhang mit der Volksabstimmung über das Pinochet-Regime am 5. Oktober 1988. Sie hat sich noch nicht für einen Präsidentschaftskandidaten entschieden. Unabhängige Demokratische Union (UDI): Rechtspartei unter der Führung von Jovino Novoa. Wird als die dem früheren Militärregime am nächsten stehende Partei angesehen, ging 1989 aus der RN hervor. Ihr Präsidentschaftskandidat wird Joaquín Lavín sein. >PLATZ FÜR EINE TABELLE> () Durch das binominale Wahlsystem ist es sehr wahrscheinlich, daß jede Parteienkoalition nur einen Präsidentschaftskandidaten für die Wahlkampagne 1999 aufstellt. ANHANG II zur Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses Statistisches Profil 1. Grunddaten >PLATZ FÜR EINE TABELLE> 2. Sozialdaten (jüngste Schätzungen) >PLATZ FÜR EINE TABELLE> 3. Bruttoinlandsprodukt (BIP), 1990-1997 (zu konstanten Preisen von 1986) >PLATZ FÜR EINE TABELLE> >PLATZ FÜR EINE TABELLE> 4. Makroökonomische Indikatoren, 1990-1997 >PLATZ FÜR EINE TABELLE> 5. Außenhandel: Wichtigste Handelspartner 5.1. Warenausfuhren, 1992-1997 (in Millionen Dollar sowie in Prozent) >PLATZ FÜR EINE TABELLE> 5.2. Wareneinfuhren, 1992-1997 (in Millionen Dollar und in Prozent) >PLATZ FÜR EINE TABELLE> 5.3. Handelsbilanz, 1992-1997 (in Millionen Dollar) >PLATZ FÜR EINE TABELLE> 6. Handelsverkehr mit der Europäischen Union 6.1. Warenausfuhren, 1992-1997 (in Millionen Dollar und in Prozent) >PLATZ FÜR EINE TABELLE> 6.2. Wareneinfuhren, 1992-1997 (in Millionen Dollar und in Prozent) >PLATZ FÜR EINE TABELLE> 6.3. Handelsbilanz, 1992-97 (in Millionen Dollar) >PLATZ FÜR EINE TABELLE> 7. Klassifizierung der Ausfuhren, 1992-1997 (in Millionen Dollar) >PLATZ FÜR EINE TABELLE> 8. Klassifizierung der Einfuhren, 1992-1997 (in Millionen Dollar) >PLATZ FÜR EINE TABELLE> 9. Ursprung der wichtigsten ausländischen Direktinvestitionen, 1990-1996 (Nettozufluesse in Millionen Dollar und in Prozent des Gesamtwerts) >PLATZ FÜR EINE TABELLE> 10. Zahlungsbilanz, 1990-1997 (in Millionen Dollar) >PLATZ FÜR EINE TABELLE> 11. Verteilung der Entwicklungszusammenarbeit der Europäische Kommission mit Chile, 1990-1996 (Verpflichtungen, in Millionen ECU und in Prozent des Gesamtbetrags) >PLATZ FÜR EINE TABELLE> 12. Offizielle Entwicklungshilfe, 1990-1996 (Nettozahlungen, in Millionen Dollar und in Prozent des Gesamtbetrags) >PLATZ FÜR EINE TABELLE>