51995IP1204

Entschließung zur Transparenz der Ratsbeschlüsse und der gemeinschaftlichen Rechtssetzungsverfahren

Amtsblatt Nr. C 287 vom 30/10/1995 S. 0179


B4-1204/95

Entschließung zur Transparenz der Ratsbeschlüsse und der gemeinschaftlichen Rechtssetzungsverfahren

Das Europäische Parlament,

- unter Hinweis auf die Entschließung des Rates vom 8. Juni 1993 über die redaktionelle Qualität der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften,

- unter Hinweis auf die interinstitutionelle Erklärung zur Demokratie, Transparenz und Subsidiarität vom 25. Oktober 1993,

- in Kenntnis der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, insbesondere der Urteile vom 18. Februar 1970 in der Rechtssache 38/69, vom 15. April 1986 in der Rechtssache 237/84 und vom 26. Februar 1991 in der Rechtssache 292/89,

((Slg. 1970/47, Slg. 1986/125 und Slg. 1991/774.))A. in der Erwägung, daß die Organe nach dem EG-Vertrag zu loyaler Zusammenarbeit verpflichtet sind,

B. in der Erwägung, daß sich der Europäische Rat auf seinen Tagungen 1992 für eine offenere Gemeinschaft ausgesprochen hat, und unter Hinweis auf die Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von Edinburgh vom 12. Dezember 1992,

C. in der Erwägung, daß es die von J. Carvel und Guardian Newspapers (T-194/94) sowie den Niederlanden (C-58/94) gegen den Rat eingereichten Klagen wegen mangelnder Transparenz in der Arbeit des Rates unterstützt hat,

1. nimmt den vom Rat am 2. Oktober 1995 angenommenen Verhaltenskodex betreffend die Öffentlichkeit der Protokolle und der Erklärungen in den Protokollen des Rates zur Kenntnis;

2. weist darauf hin, daß Erklärungen in den Protokollen des Rates ohne jeden rechtlichen Wert sind, aber zu Verwirrung, Unsicherheit und mangelnder Transparenz bezueglich der Rechtssetzung der Gemeinschaft führen können;

3. stellt fest, daß die Zahl derartiger Erklärungen in den Protokollen des Rates in jüngster Zeit unverhältnismässig hoch ist (so z.B. die 31 Erklärungen zu dem gemeinsamen Standpunkt von 1995 betreffend den Datenschutz);

4. verurteilt die Praxis des Rates, einseitige Erklärungen zu noch nicht erlassenen Rechtsakten in seinen Protokollen abzugeben, insbesondere im Falle des Mitentscheidungsverfahrens, bei dem das Europäische Parlament und der Rat gemeinsam die Rechtssetzungsbefugnis haben;

5. verurteilt die Praxis der Kommission, sich den Erklärungen des Rates zur Durchführung oder Auslegung von noch nicht erlassenen Rechtsakten anzuschließen, womit sie gegen ihre Pflicht als Hüterin der Verträge verstösst, und fordert die Kommission auf, sich derartigen Erklärungen nicht anzuschließen;

6. ist der Auffassung, daß die Praxis, Rechtsakte mit Erklärungen zu versehen, eher bei internationalen Übereinkommen als im Rahmen der eigentlichen Gesetzgebung üblich ist und daher bei den von Parlament und Rat gemeinsam verabschiedeten Rechtsakten (Verfahren der Mitentscheidung) vermieden werden sollte;

7. lehnt kategorisch jede Erklärung des Rates und/oder der Kommission ab, der es nicht zuvor zugestimmt hat, ganz gleich, ob sie veröffentlicht wird oder nicht;

8. weist jedoch darauf hin, daß in seltenen Ausnahmefällen, in denen das Europäische Parlament und der Rat im Rahmen des Vermittlungsverfahrens eine gemeinsame Empfehlung, z.B. für künftige Maßnahmen, vereinbaren, eine solche Erklärung akzeptabel ist, wenn sie im Amtsblatt veröffentlicht wird;

9. fordert, daß alle derart autorisierten Erklärungen im Interesse der Transparenz der gemeinschaftlichen Rechtssetzung veröffentlicht werden;

10. bedauert, daß der obengenannte Verhaltenskodex ein reiner Absichtskodex, viel zu allgemein gehalten, für Ausnahmeregelungen offen und ohne jede Rechtsverbindlichkeit ist;

11. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.