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ERGÄNZENDE INITIATIVSTELLUNGNAHME DES WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSSES zu den Beziehungen der Europäischen Union zu den mittel- und osteuropäischen Staaten: Slowenien

Amtsblatt Nr. C 195 vom 18/07/1994 S. 0091


Stellungnahme zu den Beziehungen der Europäischen Union zu den mittel- und osteuropäischen Staaten: Slowenien (94/C 195/27)

Der Wirtschafts- und Sozialausschuß beschloß am 19. Oktober 1993, gemäß Artikel 20 Absatz 4 der Geschäftsordnung eine Stellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: "Die Beziehungen der Europäischen Union zu den mittel- und osteuropäischen Staaten: Slowenien".

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Aussenbeziehungen, Aussenhandels- und Entwicklungspolitik nahm ihre Stellungnahme am 18. April 1994 an. Berichterstatter war Herr Frerichs.

Der Ausschuß verabschiedete auf seiner 315. Plenartagung (Sitzung vom 28. April 1994) mehrheitlich mit 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Die Zusammenarbeit der Europäischen Union und Slowenien basiert derzeit auf folgenden im Laufe des Jahres 1993 abgeschlossenen Abkommen: einem Handels- und Kooperationsabkommen, einem Finanzprotokoll, einem Verkehrsabkommen sowie einer Gemeinsamen Erklärung zum politischen Dialog. Es handelt sich um eine Neufassung und Erweiterung des seit 1980 geltenden Handels- und Kooperationsabkommens mit dem ehemaligen Jugoslawien. Diese Abkommen wurden am 5. April 1993 unterzeichnet und traten zum 1. September 1993 in Kraft.

1.2. Das Handels- und Kooperationsabkommen enthält in Artikel 50 eine evolutorische Klausel. Demnach sollen die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Slowenien sobald als möglich durch Abschluß eines Assoziierungsabkommens (Europaabkommen) ausgebaut werden. Diese Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses ergeht mit dem Ziel eines baldigen Abschlusses eines solchen Europaabkommens.

1.3. Die Studiengruppe des Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Erarbeitung der vorliegenden Stellungnahme zu den "Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den mittel-und osteuropäischen Staaten - Slowenien" unternahm vom 9. bis 11. Februar 1994 eine Studienreise nach Slowenien, in deren Verlauf intensive Gespräche mit Vertretern der slowenischen Regierung sowie der wirtschaftlichen und sozialen Gruppen dort geführt wurden.

2. Geographisches und historisches Landesprofil

2.1. Slowenien ist ein relativ kleines Land mitten in Europa, an der Südseite der Alpen gelegen. Sloweniens Nachbarländer sind Italien im Westen, Österreich im Norden, Ungarn im Osten, und Kroatien im Süden. Damit liegt Slowenien an einem wichtigen Knotenpunkt der Verkehrswege zwischen Westeuropa einerseits und Zentral- und Osteuropa sowie Richtung des Nahen Ostens andererseits. Insbesondere der Transitverkehr aus Ländern der Europäischen Union und der EFTA nach den mittel- und osteuropäischen Staaten machen Slowenien für die Europäische Union zu einem sehr wichtigen Partner.

2.2. Klimatisch lässt sich Slowenien in drei Hauptzonen einteilen. Dies ist zum einen der rund 40 km lange Küstenstreifen entlang der Adria. Hier liegt auch der für Sloweniens Handel wichtige Mittelmeerhafen Koper. Entlang der Küste erstreckt sich eine sanfte Hügellandschaft aus Kalksandstein, in dem sich zahlreiche Tropfsteinhöhlen gebildet haben. Im Norden steigen die steilen Hänge der südlichen Alpen mit Sloweniens höchstem Berg, dem Triglav (2 864 m), auf. Hier gibt es auch alpine Skigebiete. Schließlich erstreckt sich eine fruchtbare Ebene entlang der Flüsse Sava, Savinja und Drava in Zentralslowenien und gegen das östlich angrenzende Ungarn hin.

2.3. Die Republik Slowenien hat ca. 2,0 Mio. Einwohner und eine Fläche von 20 251 km2 (davon die Hälfte waldbedeckt) und ist damit etwa halb so groß wie die Schweiz. Zu Slowenien gehören sowohl ein Stück Mittelmeerküste an der Adria als auch ein Teil der Alpen. Die grössten Städte sind Ljubljana (300 000 Einwohner) und Maribor.

2.4. Slowenien hat eine sehr homogene Bevölkerung. Mehr als 90 % der Bevölkerung gehören der slowenischen Volksgruppe an. Daneben gibt es eine kleine italienische sowie eine ungarische Minderheit, die zusammen weniger als 0,5 % der Bevölkerung ausmachen und einen Sonderstatus genießen, der die Benutzung der italienischen bzw. ungarischen Sprache als offizielle Sprache in diesen Grenzregionen einschließt. Etwa 10 % sind wirtschaftliche Auswanderer aus weniger entwickelten Teilen des ehemaligen Jugoslawien. Diese Zahlen berücksichtigen noch nicht die ca. 30 500 Kriegsfluechtlinge aus Kroatien und Bosnien-Herzegowina.

2.5. Das Gebiet des heutigen Slowenien war schon in keltischer Zeit besiedelt. Unter den Römern trug die heutige Hauptstadt Ljubljana den Namen Emona. Die Vorfahren der Slowenen kamen mit der Völkerwanderung der slawischen Volksstämme gegen Ende des sechsten Jahrhunderts. Zu Beginn des achten Jahrhunderts wurde bereits ein freies Königreich der Slowenen - Carinthia - gegründet. Im achten Jahrhundert nahmen die Slowenen auch den christlichen Glauben an. Bis heute sind über 90 Prozent der Bevölkerung römisch-katholisch. Gegen Ende des achten Jahrhunderts fiel das slowenische Königreich unter fränkische Herrschaft und wurde seit Karl dem Grossen zu einem Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Von 1335 bis 1918 wurde das heutige Slowenien dann durch die Habsburger Monarchie von Wien aus regiert. Dieser österreichische Einfluß lässt sich auch im heutigen Stadtbild von Ljubljana noch deutlich erkennen.

2.6. Nach der Auflösung des Habsburger Kaiserreiches entschieden die Slowenen sich für die Gründung eines unabhängigen Staates zusammen mit Serbien und Kroatien - das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen -, das 1929 in "Jugoslawien" umbenannt wurde. Nachdem Slowenien während des zweiten Weltkrieges Widerstand gegen die deutsche, italienische und ungarische Besetzung geleistet hatte, wurde es anschließend eine der sechs Republiken der Sozialistischen Volksrepublik Jugoslawien, die selbst ein nicht-paktgebundenes Land wurde.

3. Der Weg in die Unabhängigkeit

3.1. Slowenien war die wohlhabendste ehemalige Teilrepublik des vormaligen Jugoslawien. Das Pro-Kopf-Einkommen lag etwa doppelt so hoch wie der jugoslawische Durchschnitt. Die Autonomiebewegung für Slowenien begann dort schon im Jahre 1988.

3.2. Im Dezember 1990 führte Slowenien eine Volksabstimmung zum Thema Unabhängigkeit durch. Dabei entschieden sich 88 % der Bevölkerung für die Unabhängigkeit (die Wahlbeteiligung lag bei 93 %). Slowenien erklärte seine Unabhängigkeit am 25. Juni 1991. Zwei Tage darauf marschierte die jugoslawische Volksarmee ein. Nach zehn Tagen Krieg kam es zu einem von der EG vermittelten Waffenstillstand unter der Bedingung einer Aussetzung der Wirksamkeit der Unabhängigkeit für drei Monate. Die Armee zog sich während dieser Zeit vollständig aus Slowenien zurück.

3.3. Am 8. Oktober 1991 wurde die slowenische Unabhängigkeitserklärung wirksam. Slowenien führte eine eigene Währung, den slowenischen Tolar, ein. Die offizielle Staatsbezeichnung ist "Republik Slowenien". Amtssprache ist slowenisch (gehört zur Gruppe der südslawischen Sprachen und benutzt das lateinische Alphabet) (daneben italienisch bzw. ungarisch in den überwiegend von diesen Minderheiten besiedelten Grenzregionen, s.o.). Die Hauptstadt ist Ljubljana.

3.4. Slowenien ist das einzige Land des ehemaligen Jugoslawien, das vom Krieg kaum berührt worden ist und dessen Autonomiebestrebungen erfolgreich verlaufen sind. Da Slowenien seit Inkrafttreten seiner Unabhängigkeitserklärung nicht in den Krieg verwickelt worden ist, ist es auch vom Handelsembargo der EU ausgenommen (nicht jedoch vom Waffenembargo).

3.5. Die neue slowenische Verfassung wurde am 23. Dezember 1991 angenommen. Darin sind das Rechtsstaatlichkeitsprinzip, die Menschen- und Bürgerrechte sowie der Schutz der Minderheiten garantiert. Die Republik Slowenien ist demnach eine pluralistische Demokratie. Neben dem Parlament mit 90 Abgeordneten gibt es eine zweite Kammer, den Nationalrat. Die Regierungsgeschäfte werden von einem Ministerpräsidenten geleitet, während der Präsident der Republik ausschließlich repräsentative Aufgaben hat.

3.6. Das slowenische Gesetzgebungsverfahren sieht ein Intitiativrecht für Gesetzesvorlagen zum einen für die Regierung, für jeden einzelnen Parlamentsabgeordneten, für den Nationalrat, aber auch für eine Gruppe von Bürgern durch Sammlung einer bestimmten Anzahl von Unterschriften vor. Nach der Debatte im Parlament werden die Gesetzentwürfe zur Stellungnahme an den aus 40 Mitgliedern bestehenden Nationalrat verwiesen. Hier sind sowohl die kommunalen Interessen durch 22 Mitglieder vertreten als auch die Interessen der Wirtschaft (Arbeitgeber durch die Wirtschaftskammer, Landwirte, freie Berufe, Angestellte durch Gewerkschaftsvertreter) sowie die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten (staatliche Verwaltung und soziale Dienste).

3.7. Das Votum des Nationalrates kann allerdings vom Parlament in der danach folgenden Abstimmung zur Verabschiedung des Gesetzes überstimmt werden. Der Nationalrat kann zu besonders bedeutenden Fragen ein Referendum verlangen. Ein Gesetz tritt mit Veröffentlichung im slowenischen Amtsblatt in Kraft. Eine Prüfung der Verfassungsmässigkeit durch das slowenische Verfassungsgericht ist u.U. möglich.

3.8. Die ersten freien demokratischen Wahlen der Nachkriegszeit fanden im April 1990 statt, in denen eine Mitte-Rechts-Koalition unter dem Namen "DEMOS" die Mehrheit erhielt. Der erste Ministerpräsident hieß Peterle, der jedoch durch ein Misstrauensvotum im April 1992 gestürzt wurde, derzeit jedoch noch Aussenminister ist. Die neue Regierung (eine Mehr-Parteien-Koalition, der sowohl Parteien rechts als auch links der Mitte angehören) wird von Janez Drnovsek geleitet.

3.9. Die Republik Slowenien wurde von den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft am 15. Januar 1992 als souveräner Staat anerkannt und seither von mehr als 100 Ländern. Seit 3. Oktober 1993 ist die Europäische Kommission auch direkt durch eine diplomatische Delegation in Ljubljana vertreten.

3.10. Slowenien ist bereits Mitglied in mehreren internationalen Organisationen. Dazu gehören die Vereinten Nationen (seit 22. Mai 1992), der IWF (seit 19. Januar 1993), die Weltbank (seit 25. Februar 1993), der Europarat (seit 14. Mai 1992) und die Osteuropabank (EBRD, seit Dezember 1992). Anfang April 1994 unterzeichnete Slowenien die NATO-Initiative "Partnerschaft für den Frieden". Über den Beitritt zum GATT wird gegenwärtig noch verhandelt. Ausserdem ist Slowenien einigen internationalen Konventionen beigetreten. Slowenien erwägt ausserdem eine engere Kooperation mit den Ländern der Visegrad-Gruppe.

4. Wirtschaftliches Profil Sloweniens

4.1. Sloweniens Pro-Kopf-Einkommen lag mit US-$ 6 186 im Jahre 1993 (Zahlen der Weltbank) unterhalb dem von Irland und über dem Portugals und Griechenlands. Verglichen mit mittel- und osteuropäischen Staaten lag es erheblich über dem Ungarns sowie der Tschechischen Republik.

4.2. Als kleines Land ist für Slowenien der Aussenhandel sehr wichtig. Das Verhältnis von Exporten zum Bruttoinlandsprodukt betrug fast 60 % im Jahr 1992. Damit ist Slowenien die offenste Volkswirtschaft in Mittel- und Osteuropa.

4.3. Bei der Wichtigkeit der Sektoren für Sloweniens Wirtschaft nähert sich Slowenien allmählich westlichen Verhältnissen. Im Jahre 1992 betrug der Anteil der Land- und Forstwirtschaft am Bruttosozialprodukt 4,6 %, der der Industrie 39,4 % (verarbeitende Industrie allein 30,9 %) und der Anteil des Dienstleistungssektors 56,0 % (davon Finanzdienstleistungen 17,7 %, Handel und Gaststättengewerbe zusammen 13,1 %, Transport und Kommunikation 6,8 %). Die staatliche Verwaltung hält sich mit 20,2 % des Bruttosozialprodukts durchaus in einem vernünftigen Rahmen.

4.4. Geht man nach der Beschäftigung, so beträgt der Anteil der in der Land- und Forstwirtschaft Beschäftigten 5,7 % (niedriger als der EG-Durchschnitt), der Anteil der Industrie 45,6 % und der des Dienstleistungssektors 48,6 %, wobei letzterer tendenziell wächst.

4.5. Der Tourismus stellt ebenfalls eine sehr wichtige Einnahmequelle für Slowenien dar. Die Urlaubs- und Kurorte in Slowenien haben eine über 100jährige Tradition. Sloweniens Haupttourismusgebiete sind die Adriaküste, die Ski- und Wandergebiete in den Alpen sowie einige Kurorte mit Thermalquellen.

4.6. Der Umsatz in der Tourismusbranche wird für 1993 auf 850 Mio. US-$ geschätzt. Slowenien gehört zu den wenigen Ländern, die 1993 einen Zuwachs im Tourismus zu verzeichnen hatten, und zwar um +25 %. Touristen kommen vor allem aus Ungarn, Deutschland, Österreich, den Beneluxländern, der Schweiz, Frankreich, dem Vereinigten Königreich und aus den USA. Es gibt bereits sieben slowenische Tourismusbüros im Ausland, die der Förderung des Bekanntheitsgrads der slowenischen Tourismusgebiete dienen (u.a. in Rotterdam, bei Frankfurt/Main, in Budapest und in New York). Slowenien verfügt auch über eine schon 30 Jahre alte, nationale Fluggesellschaft, Adria Airways.

5. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung

5.1. Sloweniens Wirtschaft befindet sich in der Stabilisierungsphase des Übergangs von einer eher sozialistisch geprägten Teilplanwirtschaft zu einer vollen Marktwirtschaft westlichen Stils. Der kumulative Einbruch der Produktion betrug von 1987 an gerechnet 21,6 %. Der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts verlangsamte sich 1992 und 1993 wurde eine Stabilisierung erzielt. Dies deutet darauf hin, daß wesentliche Anpassungsprozesse bereits stattgefunden haben.

5.2. Das Bruttosozialprodukt für 1993 wuchs nach vorläufigen Schätzungen um knapp 1 % gegenüber auf dem Vorjahresniveau, während in den vorangegangenen beiden Jahren 1991 noch ein Rückgang um 9,3 % und für 1992 um 6,5 % zu verzeichnen war. Dieser Stabilisierung soll nach den Erwartungen der Regierung 1994 die Rückkehr zu einem leichten Wachstum der Volkswirtschaft von + 1-3 % folgen.

5.3. Für diesen Produktionseinbruch ist zum grössten Teil der abrupte Zusammenbruch der Wirtschaftsbeziehungen mit den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens verantwortlich, wie Vertreter der slowenischen Regierung immer wieder betonen. Sloweniens Wirtschaft leidet an den Folgen des durch die UNO verhängten Wirtschaftsembargos gegen Restjugoslawien und an den in anderen ehemals jugoslawischen Republiken noch vorherrschenden Bürgerkriegsverhältnissen. Der Wachstumseinbruch in Slowenien wurde nicht nur durch den plötzlichen Verlust der traditionellen Absatzmärkte bewirkt. Auch der Abbruch des sonstigen wirtschaftlichen Austausch, wie beispielsweise der Ausfall ehemaliger Zulieferer im Produktionsprozeß oder die Unterbrechung traditioneller Transportwege, können als Gründe dafür angeführt werden.

5.4. Dennoch liegt Sloweniens Produktionseinbruch wesentlich niedriger als der für die meisten anderen mittel- und osteuropäischen Staaten, welche sich im Anpassungsprozeß von einer (Teil-)Planwirtschaft zur vollen Marktwirtschaft befinden. Dies deutet darauf hin, daß Slowenien weniger scharfe Anpassungsprozesse an seiner Produktionsstruktur vornehmen muß als seine übrigen osteuropäischen Nachbarn, weil Slowenien traditionell bereits mehr auf westeuropäische Märkte hin orientiert war als diese Länder.

5.5. Die Investitionen fielen über die vergangenen Jahre und liegen nun bei 17 % des Bruttoinlandsprodukts. In den letzten sechs Monaten war jedoch ein Anstieg der Investitionen zu verzeichnen. Demgegenüber stieg der Anteil des Konsums etwas, was sich auch in der Zusammensetzung von Sloweniens Importen bemerkbar macht.

5.6. Sloweniens Staatsfinanzen sind relativ gesund. Für den Staatshaushalt der Regierung und die Haushalte der Gebietskörperschaften zusammengenommen wurde 1992 ein Haushaltsüberschuß in der Grössenordnung von 0,3 % des Bruttoinlandsprodukts erzielt, nach einem Überschuß von 2,6 % für 1991. Für 1993 wurde aufgrund der gestiegenen Ausgaben für die Arbeitslosigkeit ein Haushaltsdefizit von etwa 0,9 % des Bruttoinlandsprodukts erwartet. Dabei sollte es zu einer Nettokreditaufnahme in Höhe von etwa 2 % des BIP kommen (davon 1,3 % im Ausland).

5.7. Slowenien hat mit insgesamt 1,8 Mrd. US-$ keine hohe Staatsverschuldung. Selbst bei Berücksichtigung des auf Slowenien entfallenden Anteils an der Bundesschuld des ehemaligen Jugoslawien beträgt das Verhältnis von Staatsschuld zum Bruttoinlandsprodukt knapp 20 %, was ziemlich niedrig ist. Slowenien hat bisher seine aus der Staatsschuld resultierenden Zahlungsverpflichtungen stets pünktlich erfuellt.

5.8. Aus dem Staatshaushalt direkt an Unternehmen gezahlte Subventionen sind mit 3,8 % des BIP nicht übermässig hoch. Einige Produkte sind auch noch gegenüber den Verbrauchern subventioniert. Dies betrifft jedoch nur einen kleinen Anteil aller Waren sowie einige Dienstleistungen (öffentliche Verkehrsmittel, Bahn, Post).

5.9. Die Kosten des sozialen Systems in Slowenien machen insgesamt 28,2 % des BIP aus. Davon hat die Krankenversicherung einen Anteil von 7,9 % des BIP und der Rentenfonds einen Anteil von 13,7 %. Dieser Anteil soll bis 1997 auf 12 % gesenkt werden. Auch in Slowenien ist man sich bezueglich des Systems der Alterssicherung des allgemeinen Problems des Altersaufbaus der Bevölkerung bewusst, mit einer Bevölkerungszuwachsrate von nur 0,7 %. Derzeit beträgt das Rentenalter bei Männern 63 Jahre, bei Frauen 58 Jahre. Es werden allgemeine Überlegungen zu einer Systemreform angestellt, die jedoch wohl erst in einigen Jahren konkretere Konturen annehmen werden.

5.10. Die geldpolitische Stabilisierung war in Slowenien bisher erfolgreich. Die Inflationsrate von Sloweniens eigener Währung, dem Tolar, wurde durch eine sehr restriktive Geldpolitik bereits beträchtlich gesenkt. Nach 92,9 % für 1992 lag die Inflationsrate für 1993 bei 21,9 %, die niedrigste Rate in den letzten elf Jahren. Die Regierung will die Stabilisierungspolitik der slowenischen Währung fortsetzten. Für 1994 wird eine Inflationsrate von 15-18 % angestrebt. Für 1995 könnte es allerdings - durch die für dann geplante Einführung der Mehrwertsteuer - zu einem leichten Inflationsschub kommen.

5.11. Der slowenische Tolar ist gegenwärtig die stärkste osteuropäische Währung (gemessen durch das Verhältnis des offiziellen Wechselkurses zum Wechselkurs in Kaufkraftparitäten). Die Währungsreserven sind seit Einführung des slowenischen Tolar kontinuierlich gestiegen, derzeit 1,7 Mrd. US-$ und decken gut drei Monatsimporte. Sie sollen weiter aufgestockt werden.

5.12. Die Konvertibilität des Tolar bezueglich der Leistungsbilanztransaktionen wurde bereits im Oktober 1992 erreicht. Damit hat Slowenien eine wesentliche Voraussetzung für verstärkten Handel mit Hartwährungsländern geschaffen. Slowenische Bürger können Tolar für den Privatbedarf frei in Fremdwährung umtauschen. Lediglich für Kapitalbilanztransaktionen in Fremdwährung sind noch einige Beschränkungen in Kraft.

5.13. Der Wechselkurs des Tolar ist im Prinzip flexibel. Die slowenische Zentralbank interveniert jedoch zeitweise, um den Wechselkurs des Tolar gegenüber der DM (Deutschland ist Sloweniens wichtigstes Exportland) möglichst stabil zu halten. 75 Tolar entsprechen etwa 1 DM (Februar 1994).

5.14. Sloweniens Arbeitslosigkeit lag nach slowenischen Statistiken für 1991 bei 10,1 %, für 1992 bei 13,3 %, für 1993 im Jahresdurchschnitt bei 15,0 % und im März 1994 bei 14,1 %. Die Arbeitslosenquote läge jedoch bei Verwendung der von der ILO international anerkannten Standardmethoden erheblich niedriger, für Mai 1993 z.B. nur bei 9,1 % (offizielle Rate zu diesem Zeitpunkt: 14,0 %).

5.15. Die Jugendarbeitslosigkeit (Arbeitslose jünger als 26 Jahre) lag mit 36 % der Arbeitslosen relativ hoch. Davon suchte über die Hälfte den ersten Arbeitsplatz. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen betrug über 55 %, was vor allem auf den Umstrukturierungsprozeß der Wirtschaft zurückzuführen ist. 45 % der Arbeitslosen sind ungelernte Kräfte. Der Frauenanteil unter den Arbeitslosen betrug 44 %.

5.16. Die weibliche Partizipationsrate beträgt in Slowenien 52 %, für Männer 64 %. Da Frauen überwiegend im Dienstleistungssektor beschäftigt sind, der vom Umstrukturierungsprozeß der Wirtschaft nicht so sehr betroffen ist wie die Industrie, liegt die Arbeitslosenrate bei Frauen niedriger als bei Männern. In Slowenien ist das Prinzip des gleichen Entgelts für gleiche Arbeit zwischen Männer und Frauen im allgemeinen verwirklicht. Frauen sind grösstenteils im tertiären Sektor beschäftigt, in dem das durchschnittliche Lohnniveau niedriger liegt. Teilzeitbeschäftigung ist nicht sehr beliebt, sie umfasst weniger als 2 % aller Beschäftigten.

5.17. Die Kosten zur finanziellen Unterstützung Arbeitsloser sowie für Umschulungsmaßnahmen entsprachen 1993 rund 1,8 % des Bruttoinlandsprodukts. Von den Arbeitslosen erhielten 44,4 % Arbeitslosengeld sowie 21,7 % Arbeitslosenhilfe. Danach können sie u.U. Sozialhilfe beziehen. Slowenien hatte schon vor Beginn des wirtschaftlichen Umwandlungsprozesses zu einer Marktwirtschaft westlichen Stils ein System von Arbeitsämtern. Daher musste diese Einrichtung nicht erst geschaffen werden, was Slowenien einen Vorteil gegenüber anderen osteuropäischen Ländern verschafft.

5.18. An staatlichen Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen nahmen 10 % der Arbeitslosen teil. Zwei Drittel dieser Programme sind kurzfristig. Speziell für Schulabgänger gibt es staatliche Subventionen an Unternehmen, die jungen Leuten eine berufliche Ausbildung ermöglichen. Die Kosten der Ausbildung werden zu 100 % vom Staat übernommen. Davon konnten 1993 etwa 10 000 junge Leute profitieren.

5.19. Ausserdem gibt es ab 1994 ein staatliches Programm zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit. Aus einem dafür vorgesehenen Fonds erhalten Unternehmen Zuschüsse für die Anstellung von Langzeitarbeitslosen, die über zwei Jahre arbeitslos waren. Daneben gibt es eine Reihe von staatlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Diese beinhalten eine Beschäftigung Arbeitsloser im sozialen Bereich, beim Umweltschutz oder bei Instandsetzungsmaßnahmen von Infrastruktur und öffentlichen Gebäuden. An solchen Maßnahmen konnten 1993 etwa 6 000 Arbeitslose teilnehmen. Zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit wird ausserdem die Möglichkeit der Frühpensionierung eingesetzt. Hiervon konnten 1993 etwa 2 000 Arbeitslose Gebrauch machen.

6. Sloweniens Aussenhandelsbeziehungen

6.1. Der Aussenhandel spielt für Slowenien als relativ kleines Land mit einem begrenzten heimischen Markt eine ausserordentlich wichtige Rolle. Daher betreibt die slowenische Regierung eine aktive Aussenhandelspolitik. In diesem Sinne steht die Regierung gegenwärtig in Verhandlungen über die Aufnahme Sloweniens zum GATT.

6.2. Bilaterale Handelsabkommen zur Verbesserung des Marktzugangs wurden mit folgenden Handelspartnern geschlossen: ein Handels- und Kooperationsabkommen mit der Europäischen Union (siehe unten ausführlicher), jeweils ein Freihandelsabkommen mit der Tschechischen Republik und der Slowakei, das die Errichtung einer Freihandelszone in zwei Jahren vorsieht (ausser Agrarprodukte), ein Handelsabkommen mit der ehemals jugoslawischen Republik Mazedonien, eines mit Sloweniens Nachbarland Kroatien (bereits vom kroatischen Parlament ratifiziert).

6.3. Ein Freihandelsabkommen mit Ungarn wurde am 6. April 1994 unterzeichnet. Dabei soll über einen Zeitraum von fünf bis sechs Jahren eine Freihandelszone errichtet werden. Slowenien nimmt im Rahmen einer regionalen Zusammenarbeit ausserdem an der "Alpen-Adria"-Initiative (von Italien angeregt) zur Zusammenarbeit der Mittelmeeranrainerstaaten teil. Gespräche über die Aufnahme von Verhandlungen über Handelsabkommen werden derzeit u.a. mit Polen, Litauen und Rumänien geführt.

6.4. Sloweniens Verhandlungen mit der EFTA über ein Freihandelsabkommen wurden von der EFTA unterbrochen. Die Begründung ist, daß die EFTA sich an den Fristen zur Liberalisierung orientieren will, die die Europäische Union in einem noch auszuhandelnden neuen Europaabkommen mit Slowenien festlegt, um einen Parallelismus zu wahren (auch im Hinblick auf den bevorstehenden Beitritt einiger EFTA-Länder). Dies unterstreicht, wie wichtig für Slowenien der baldige Abschluß eines Europaabkommens mit der Europäischen Union ist.

6.5. Sloweniens Aussenhandel findet mit folgenden Handelspartnern statt (siehe auch Grafik im Anhang): Die Europäische Union ist bei weitem der wichtigste Handelspartner Sloweniens mit einem Anteil von 58 % der slowenischen Exporte in der ersten Jahreshälfte 1993, gefolgt von der EFTA mit einem Anteil von 7 %. Etwa 16 % der Exporte gingen in die Ländern des ehemaligen Jugoslawien.

6.6. Auf der Importseite machte die Europäische Union etwa 55 % der Importe aus, die EFTA-Länder 12 %, die Länder des ehemaligen Jugoslawien 11 %, alle übrigen 22 % (höher als Exporte wegen Öl-/Gasimporten). Vom Wert des Warenaustausches pro Land her aufgegliedert waren die ersten fünf Aussenhandelspartner Sloweniens Deutschland, Kroatien, Italien, Frankreich, Österreich.

6.7. Für die Europäische Union ist der Handel mit Slowenien im Vergleich zu anderen mittel- und osteuropäischen Ländern relativ wichtig. Der bilaterale Handel der EU mit Slowenien ist vom Umfang her zu vergleichen mit etwa 80 % des Handels zwischen der EU und Ungarn, 75 % dessen mit der Tschechischen Republik, grösser als der Handel der EU mit der Slowakei, und 9 mal so groß wie der Handel der EU mit Bulgarien. Diese Zahlen veranschaulichen, daß Slowenien - obgleich ein relativ kleines Land - dennoch auch für die Europäische Union ein bedeutender Handelspartner in Zentral- und Osteuropa ist.

6.8. Die wichtigsten Exportsektoren für Slowenien waren im Jahre 1993 Elektrogerätebau (16,1 %), Transportausrüstungen (12,0 %), chemische Industrie (9,4 %), Metallverarbeitung (8,6 %), Holzverarbeitung und Möbel (7,0 %), Maschinenbau (5,7 %) sowie Textilien und Bekleidung (3,3 %). Der Lohnveredlungsverkehr macht einen Anteil von 19,1 % an den slowenischen Exporten aus und spielt daher ebenfalls eine bedeutende Rolle.

6.9. Bei den Importen waren 1993 folgende vorrangig beteiligt: Fahrzeuge (15,0 %), Maschinen (9,2 %), Elektrogeräte (10,5 %), chemische Produkte incl. Öl/Gas (17,1 %), Lebensmittel (9,5 %) sowie Metallverarbeitung (8,7 %). Bei den Importen machen solche im Rahmen des passiven Lohnveredlungsverkehrs eingeführte Produkte einen Anteil von 13,4 % aus.

6.10. Sloweniens komparativer Vorteil liegt somit eher bei "medium-tech"-Produkten sowie bei Halbfertigwaren und der Lohnveredlung im verarbeitenden Gewerbe. Damit ergänzt sich Slowenien weitgehend mit der Europäischen Union, die vor allem "high-tech"-Produkte für Investitionsvorhaben zur Erweiterung und Umstrukturierung der slowenischen Industrie nach Slowenien liefert.

6.11. Die Zusammensetzung des Warenaustauschs hat sich über die letzten Jahre gewandelt. Sogenannte traditionelle Industrien wie Textilien, Schuhe und Holzindustrie haben an Wichtigkeit verloren. Dagegen haben andere, technisch anspruchsvollere Industrien (elektrische Industrie, Fahrzeugproduktion, Produktion von chemischen Basisprodukten) grösseres Gewicht gewonnen. Diese Entwicklung war nicht zuletzt durch die relativ gut ausgebildeten slowenischen Arbeitskräfte möglich. Wie sich aus dieser Aufstellung der Export- und Importsektoren ausserdem ersehen lässt, findet ein grosser Teil von Sloweniens Aussenhandel als intra-industrieller Handel statt, was den relativ westlichen Entwicklungsstand von Sloweniens Wirtschaftsstruktur erneut bestätigt.

6.12. Die zahlenmässige Entwicklung des Aussenhandels verlief 1993 nicht so günstig für Slowenien wie in den beiden vorhergehenden Jahren. Nach zwei Jahren eines leichten nominalen Wachstums der Exporte musste Slowenien für das Jahr 1993 einen Exporteinbruch von 8,9 % hinnehmen. Zum einen war dies eine Folge des Ansteigens der Lohnkosten in Slowenien, das damit an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber seinen mittel- und osteuropäischen Nachbarn verlor. Zum anderen litt Slowenien als stark auf die westlichen Märkte orientierte Volkswirtschaft auch unter der Rezession in der Europäischen Union und in den EFTA-Ländern, wohin insgesamt über 65 % von Sloweniens Exporten gehen. Sloweniens Exporte in die EU gingen jedoch mit 7 % weniger stark zurück als der allgemeine Exportrückgang.

6.13. Sloweniens Importe wuchsen 1993 gegenüber dem Vorjahr um 5,7 %. Dies lag vor allem an der durch die höheren Reallöhne genährten verstärkten Nachfrage nach Konsumgütern sowie nach Investitionsgütern. Die Importe aus der EU wuchsen sogar um 16 %. Damit wurde Sloweniens Handelsbilanzsaldo nach einem Überschuß für 1992 nun zu einem Defizit von 400 Mio. US-$. Gegenüber den Ländern des ehemaligen Jugoslawien hatte Slowenien einen Handelsüberschuß zu verzeichnen, mit allen anderen Handelspartnern, also auch mit der Europäischen Union, ein Handelsdefizit.

7. Die Reformpolitik der Regierung

7.1. Der Eckpfeiler von Sloweniens Politik zur makroökonomischen Stabilisierung ist eine sehr restriktive Geldpolitik. Die slowenische Zentralbank ist in ihrer Währungspolitik von der Regierung weisungsunabhängig. Sie verfügt über ein geldpolitisches Instrumentarium, das im wesentlichen dem der Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Europäischen Union entspricht.

7.2. Durch die Einführung des Tolar wurde der erste Schritt getan, um sich von der Hyperinflation des jugoslawischen Dinar loszulösen. Die daraufhin verfolgte restriktive Geldpolitik führte zu einer relativen Geldstabilisierung, wie die Zahlen über die Senkung der Inflationsrate auf derzeit ca. 21 % p.a. zeigen. Andererseits wurden dadurch die Arbeitslosenzahlen nach oben getrieben.

7.3. Die slowenische Regierung hat bereits die wichtigsten Schlüsselgesetze verabschiedet, um den institutionellen Rahmen für eine Marktwirtschaft zu schaffen. Slowenien schaffte sich damit einen von den IWF-Regeln autonomen Reformweg. Die Verfassung selbst garantiert das Privateigentum. Die Regierung versteht ihre Politik hauptsächlich als Politik zur Schaffung des ordnungspolitischen Rahmens. Dazu gehört z.B. das Gesetz über die Unternehmensformen vom Frühjahr 1993, das nach deutschem und österreichischem Vorbild gestaltet wurde; das Gesetz zum Schutz des industriellen und kommerziellen Eigentums vom März 1992; das Gesetz zur Rechnungslegung aus dem Jahre 1993 sowie ein Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.

7.4. Slowenien verabschiedete im Juni 1991 ein neues Bankengesetz. Darin wurde auch die Rekapitalisierung bzw. eine Liquidierung bei Konkurs von Banken geregelt. Es gibt etwa 33 Banken, davon 15 Neugründungen.

7.5. Das slowenische Finanzsystem leidet noch unter den Altschulden der ehemaligen Staatsbetriebe, die über die vergangenen Jahre zum grossen Teil Verluste machten. Etwa ein Drittel aller ausstehenden Verbindlichkeiten des Bankensystems müssten abgeschrieben werden. Zur Gesundung der Banken hat die slowenische Regierung ein Bankenrehabilitierungsprogramm begonnen. Zunächst wurden die zwei grössten Banken, die zusammen einen Marktanteil von etwa 50 % haben, einbezogen. Durch das Programm werden die abgeschriebenen Verbindlichkeiten in 30jährige Staatsanleihen umgewandelt. Die Kosten des Programms werden z.T. aus dem Staatshaushalt und z.T. durch ein Darlehen der Weltbank gedeckt.

7.6. Seit März 1990 gibt es auch eine Wertpapierbörse in Ljubljana. Das gehandelte Volumen betrug 1993 1,5 Mrd. DM. Dies ist zwar nach westlichen Verhältnissen gering, pro Kopf der Bevölkerung gerechnet erreicht Slowenien damit aber wohl das höchste Volumen in Mittel- und Osteuropa. Zu Beginn des Jahres 1994 waren 50 Wertpapiere notiert. Es wird eine Belebung des Wertpapiermarktes mit Fortschreiten der Privatisierung erwartet.

7.7. Ein Drittel der Wohnungen wurde in einer Verkaufsaktion im Frühjahr 1993 in Privatbesitz überführt. Dafür mobilisierten die Slowenen ihre Matratzenersparnisse in DM. Diese Aktion diente dadurch zugleich zur Aufstockung der Währungsreserve der slowenischen Zentralbank.

7.8. Die Umwandlung der slowenischen Wirtschaft in Privateigentum schreitet langsam voran. Das Gesetz zur Privatisierung wurde durch eine breite Diskussion über die Entschädigung für Enteignungen verzögert, so daß es erst im November 1992 verabschiedet werden konnte. Es wird "Gesetz zur Umwandlung der Eigentumsverhältnisse" genannt, was den besonderen Verhältnissen im Unternehmensbereich Rechnung trägt, die im ehemals jugoslawischen Wirtschaftssystem verbreitet waren. Insbesondere wird damit auch dem relativen Autonomiegrad Rechnung getragen, den Manager von Unternehmen genossen.

7.9. Von den insgesamt 29 500 Unternehmen Sloweniens sind 2 600 grosse in Gemeineigentum befindliche Unternehmen von diesem Gesetz betroffen. Dies entspricht etwas mehr als 10 % der aktiv operierenden Unternehmen, jedoch erwirtschaften diese 60 % des gesamten Umsatzes und haben einen Beschäftigungsanteil von 79 %. Diese Zahlen veranschaulichen die relative Bedeutung des in Gemeineigentum befindlichen Unternehmenssektors. Ausgenommen von der Privatisierung sind unter diesen Unternehmen einige Bereiche wie Banken und Versicherungen, die Land- und Forstwirtschaft, die Lotterie sowie solche Unternehmen, für die bereits ein Konkursverfahren eingeleitet wurde.

7.10. Die Staatliche Privatisierungsagentur führt das Privatisierungsprogramm der Regierung durch. Alle betroffenen Unternehmen müssen per 1. Januar 1993 eine Eröffnungsbilanz erstellen, in der ein Wert des "in Gemeineigentum befindlichen Kapitals" festzusetzen ist. Danach muß jedes Unternehmen bis spätestens 31. Dezember 1994 einen Privatisierungsplan vorlegen, dem die Staatliche Privatisierungsagentur zustimmen muß. Hierbei achtet sie u.a. auf Erhaltung von Arbeitsplätzen unter regionalpolitischen und sozialen Gesichtspunkten.

7.11. Falls ein Privatisierungsplan nicht bis Ende 1994 erstellt wird (was wohl für ca. ein Sechstel aller Unternehmen eintreffen wird), stellt die Privatisierungsagentur selbst einen Privatisierungsplan auf. Die Privatisierungsagentur überwacht sodann die Durchführung der Privatisierungspläne. Die Änderung der Unternehmensform in eine Aktiengesellschaft (Kapitalgesellschaft) wird meist schon zu Beginn des Prozesses vorgenommen. Bei nicht überlebensfähigen Unternehmen übernimmt die Privatisierungsagentur den Verkauf des Vermögens.

7.12. Obgleich im Prinzip die Privatisierung dieser in Gemeineigentum befindlichen Unternehmen bis Ende 1995 abgeschlossen sein soll, können eine Reihe von Problemen auftreten, die diesen Zeitplan verzögern könnten. Bevor die Eröffnungsbilanz eines Unternehmens erstellt werden kann, müssen teilweise Rekapitaltransfers durchgeführt werden, um die ursprünglichen Verhältnisse wieder herzustellen. Davon sind etwa ein Sechstel aller Unternehmen betroffen. Für ein weiteres Sechstel der Unternehmen bestehen unklare Eigentumsverhältnisse aufgrund von laufenden Entschädigungsansprüchen ehemaliger Eigentümer. Schließlich ist auch vorauszusehen, daß die Kredit- und Kapitalknappheit in Slowenien den Verkauf an slowenische Unternehmer erschweren wird.

7.13. Die slowenische Privatisierung der in Gemeineigentum befindlichen Unternehmen ist eine Mischform aus freier Verteilung an die slowenischen Bürger und Verkauf. Das Grundschema ist folgendes: 10 % der Unternehmensanteile (Aktien) gehen an den Slowenischen Rentenfonds, 10 % an den Entschädigungsfonds zur Kompensation für Enteignungen, 20 % an einen Unternehmensentwicklungsfonds, 20 % zur internen Verteilung innerhalb des Unternehmens zu besonderen Konditionen, und 40 % stehen zum freien Verkauf zur Verfügung.

7.14. Die slowenische Bevölkerung wird direkt beteiligt über Namenszertifikate, Anrechtsscheine am ehemaligen Gemeineigentum, die jeder slowenische Bürger erhalten kann. Der Wert der Namenszertifikate variiert nach dem Alter. Die Namenszertifikate sind nicht übertragbar, sondern allein vererbbar. Diese Anrechtsscheine können die Eigentümer entweder bei der internen Verteilung der Unternehmensanteile in Aktien umwandeln, beim öffentlichen Verkauf einlösen, oder dafür Anteile an Investmentfonds erwerben.

7.15. Ausländische Investoren können sich prinzipiell an der Privatisierung beteiligen. Allerdings bedarf die Beteiligung von ausländischem Kapital, das die 40 % zum freien Verkauf stehenden Aktien übersteigt, der Zustimmung der Staatlichen Privatisierungsagentur. Ebenso bedürfen Investitionen, deren Wert 10 Mio. ECU übersteigt, der Zustimmung durch die Regierung. Generell ist jedoch auch eine 100 %ige Beteiligung ausländischen Kapitals möglich. Natürlich stehen neben der Beteiligung an der Privatisierung auch die anderen üblichen Formen für Auslandskapitalinvestitionen zur Verfügung.

7.16. Die Anlage von ausländischem Kapital wird sowohl von der slowenischen Regierung als auch von der Wirtschaft gern gesehen, da sie die Wettbewerbsfähigkeit der slowenischen Wirtschaft im Ausland sowie die heimische Beschäftigungslage wesentlich verbessern kann. Der Anteil ausländischen Kapitals an der slowenischen Wirtschaft ist derzeit noch gering.

7.17. Eine liberale Gesetzgebung für Auslandsinvestitionen in Slowenien wurde Ende 1991 verabschiedet. Sie entspricht internationalen Standards. Garantiert sind u.a. das Recht auf "nationale Behandlung", Recht auf Transfer von Kapital und Gewinn sowie Recht auf Beteiligung am Management im Verhältnis zum investierten Kapitalanteil. Auslandsinvestitionen sind in allen Sektoren möglich ausser in den aus Gründen der staatlichen Sicherheit ausdrücklich vorbehaltenen (militärische Güter, Telekommunikation, etc.).

7.18. Bis September 1993 waren seit 1988 insgesamt 1 Mrd. ECU Auslandskapital in Slowenien investiert worden, davon im Jahre 1993 (Januar bis September) 110 Mio. ECU. Auslandsinvestitionen in Slowenien sind im Prinzip in vier Formen möglich: als Joint Venture mit einem einheimischen Partner, als Kapitaleinlage in ein bestehendes heimisches Unternehmen, als Akquisition eines Anteils (bis zu 100 %) an einem heimischen Unternehmen und schließlich als Unternehmensneugründung. Die am häufigsten gewählte Form für ausländische Investitionen unter diesen waren Joint Ventures. Die Gründung 100prozentiger Tochtergesellschaften war mit einem Anteil von knapp 2 % noch relativ gering. Von den gesamten Auslandsinvestitionen seit 1988 waren fast 500 Mio. ECU vertragliche Joint Ventures, 200 Mio. ECU Akquisitionen und 135 Mio. ECU Investitionen für neue Fabrikanlagen ("greenfield investment").

7.19. Die pro Projekt durchschnittlich investierte Summe ist eher klein, da zunächst vor allem in Dienstleistungen und den Handel investiert wurde. Dennoch gibt es durchaus einige grössere ausländische Projekte, die in der verarbeitenden Industrie angesiedelt sind. Die grössten unter den etwa 40 Herkunftsländern des ausländischen Kapitals sind Deutschland (44,9 %), Österreich (20,7 %), Italien (16 %), und Frankreich (7,1 %). Knapp 70 % des in Slowenien investierten Auslandskapitals stammen damit aus den Ländern der Europäischen Union. Trotz des rapiden Anstiegs der Auslandsinvestitionen in den letzten zwei Jahren, ist deren Bedeutung für die slowenische Wirtschaft vom Umfang und Anteil her gesehen bisher eher gering.

7.20. Nun soll auf die Eigentumsverhältnisse in der slowenischen Wirtschaft eingegangen werden. In der Jahresmitte 1993 gab es in Slowenien 23 298 aktiv operierende Firmen, davon 82 % in Privateigentum (es handelt sich um viele Firmenneugründungen). Im privaten Sektor sind schätzungsweise etwa 10 % der arbeitenden Bevölkerung tätig, während der Anteil der noch staatseigenen Groß- und mittleren Betriebe 72 % der Beschäftigten ausmacht, die 60 % des Umsatzes erwirtschaften. Der private und gemischte Sektor erwirtschaftet vom Gesamtumsatz etwa 25 %. Daneben gibt es einige statistisch nicht erfaßbare Grenzgänger - vornehmlich Pendler - nach Italien und Österreich, die dort zum Teil ohne offizielle Arbeitserlaubnis tätig werden.

7.21. Die Restrukturierung der Wirtschaft hat in Slowenien hohe Priorität. Zwei Programme, neben dem bereits vorgestellten Privatisierungsprogramm noch ein Programm zur Revitalisierung und Entwicklung von Unternehmen, sollen dazu beitragen. Das Revitalisierungsprogramm umfasst derzeit 100 Unternehmen. Ein Entwicklungsfonds soll überlebensfähigen Unternehmen die nötigen Überbrückungskredite zur Stabilisierung gewähren. Ausserdem soll er für Unternehmen ohne Zukunft die Liquidierung einleiten.

8. Wirtschaftliche und soziale Gruppen in Slowenien

8.1. Slowenien bringt gegenüber den übrigen vormals sozialistischen Planwirtschaften einen Vorsprung mit, was die Ausstattung mit Führungskräften in der Wirtschaft angeht. Dies liegt am nur im ehemaligen Jugoslawien in dem Umfang verbreiteten System der sozialistischen Selbstverwaltung der Unternehmen. Dabei waren die Manager in der Unternehmensleitung relativ autonom. Dies lässt die hohe Bereitschaft zur selbständigen Unternehmensgründung (siehe oben die grosse Zahl der Neugründungen) erklären. Diese Tatsache wird den Anpassungsprozeß der slowenischen Wirtschaft im Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit erheblich erleichtern.

8.2. Slowenien verfügt über relativ gut ausgebildete Arbeitskräfte. Im Anschluß an die Pflichtschulzeit gibt es ein System der Fachoberschulen, das auf einzelne Berufe vorbereitet. Ausserdem gibt es Gymnasien sowie Universitäten und spezielle Ausbildungseinrichtungen für die naturwissenschaftlich-technischen Berufe. Im Bereich des Handwerks gibt es in Slowenien ca. 37 000 Meister sowie 32 500 weitere im Handwerk Beschäftigte.

8.3. Die gesetzliche Wochenarbeitszeit beträgt zwischen 36 und 42 Stunden bei mindestens 18 Urlaubstagen pro Jahr (derzeit sind 40 Stunden Wochenarbeitszeit die Regel). Die Stundenlöhne liegen unterhalb derer Portugals, das derzeit das Land mit den niedrigsten Löhnen in der Europäischen Union ist. Dazu kommen noch Lohnnebenkosten, die im Verhältnis zu den Löhnen nicht übermässig hoch sind. Verglichen mit anderen Ländern Mittel- und Osteuropas hat Slowenien jedoch wegen seiner relativ starken Währung etwas an seiner Wettbewerbsfähigkeit bei diesem Aspekt eingebüsst.

8.4. Die etwa 39 500 selbständigen Unternehmen in Slowenien sind in der slowenischen Wirtschaftskammer organisiert. Davon können derzeit etwa 23 000 als aktive Unternehmen betrachtet werden. Die Wirtschaftskammer ist eine unabhängige, nichtpolitische Organisation. Es besteht laut Gesetz eine Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer, die auch Joint Ventures umschließt, sofern diese als Persönlichkeit nach slowenischem Recht gegründet werden.

8.5. Die Wirtschaftskammer ist in 13 regionale Wirtschaftskammern unterteilt. Daneben gibt es 23 branchenspezifische Vereinigungen, so z.B. für Industrie, Handel, das Bankgewerbe, Tourismus, für Textil, Elektronik etc. Die Handwerkskammer ist auch eine solche Unterorganisation der Wirtschaftskammer Sloweniens. Sie besteht seit etwa 140 Jahren. Ihr gehören heute 37 100 Handwerksmeister sowie deren 32 500 Beschäftigte an.

8.6. Zum Aufgabenbereich der Wirtschaftskammer Sloweniens gehört u.a. die Förderung von internationaler Kooperation, Verbreitung von Information über Fachmessen im Ausland, berufliche Ausbildung und Weiterbildung, Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen. Die Wirtschaftskammer verfügt über drei Schulungszentren, in denen Seminare zur Weiterbildung für das mittlere Management sowie auch für die Geschäftsleitung abgehalten werden. Von Ljubljana aus werden die Aufgaben der Wirtschaftskammer im internationalen Bereich wahrgenommen.

8.7. Die Wirtschaftskammer Sloweniens ist assoziiertes Mitglied von Eurochambres und kann dadurch an einigen Aktivitäten von Eurochambres teilnehmen. Ausserdem wird mit den Organisationen für Europäische Normung und Produktstandards kooperiert. Eine direkte Vertretung der slowenischen Wirtschaftskammer als solche im Ausland gibt es noch nicht. Daher ist auch ein Werben um ausländische Direktinvestitionen für Slowenien nur begrenzt möglich.

8.8. Im Februar 1994 liefen Bemühungen zur Gründung eines Arbeitgeberverbandes ausserhalb der slowenischen Wirtschaftskammer. Die Gründungsinitiative war bis Mitte Februar von den Arbeitgebern von etwa 1 500 Unternehmen, die etwa 58 % aller Arbeitnehmer beschäftigen, unterzeichnet worden. Dieser neue Arbeitgeberverband soll dann in Tarifverhandlungen die Arbeitgeberseite exklusif vertreten, die bisher durch Vertreter der Wirtschaftskammer repräsentiert wird. Ausserdem könnte dieser Arbeitgeberverband dann offizielle Beziehungen zur ILO (International Labour Organisation) aufnehmen.

8.9. Die Tarifverhandlungen in Slowenien finden zwischen der slowenischen Wirtschaftskammer als Vertretung der Arbeitgeberseite einerseits und vier Gewerkschaftsdachverbänden als Vertreter der Arbeitnehmer andererseits statt. Das Recht der Arbeitnehmer zu streiken ist in der slowenischen Verfassung festgeschrieben. Rechtliche Gegenmaßnahmen der Arbeitgeberseite wie Aussperrungen sind bisher jedoch nirgends rechtlich vorgesehen.

8.10. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad in Slowenien ist mit 70 % relativ hoch. Die vier aktiven Gewerkschaftsdachverbände sind: 1. der Verband freier Gewerkschaften, 2. die Gewerkschaft PERGAM (Druck und Papier), 3. das Bündnis von Gewerkschaften 90 und 4. das Unabhängigkeitsbündnis der Neuen Gewerkschaften Sloweniens.

8.11. Der weitaus grösste Gewerkschaftsverband ist mit 437 000 Mitgliedern der aus der ehemals sozialistischen Pflichtgewerkschaft hervorgegangene Verband freier Gewerkschaften. Dessen Organisationsstruktur orientiert sich am ehemaligen Gewerkschaftssystem. Die übrigen Gewerkschaftsdachverbände sind noch in einem Aufbauprozeß begriffen. Gegenwärtig findet ein Zersplitterungsprozeß statt, in dem sich branchenspezifische und betriebsspezifische Gewerkschaften von der alten Gewerkschaft abspalten. Es lassen sich jedoch erste Anzeichen eines beginnenden Trends erkennen, daß sich einzelne beriebsspezifische Gewerkschaften wieder branchenweit zusammenschließen, um so ihre Position in den Tarifverhandlungen zu verbessern.

8.12. Der Dialog zwischen den Sozialpartnern bezueglich eines Solidarpakts begann bereits vor Beginn des Privatisierungsprogramms für die slowenische Wirtschaft vor etwa eineinhalb Jahren. Die Verhandlungen sind jedoch äusserst schwierig wegen der Brisanz dieses Themas, (Aufstellung von Lohnleitlinien und Mindestgrenzen von Lohn- und Gehaltsanhebungen), so daß bisher noch keine konkreten Ergebnisse erreicht werden konnten.

8.13. Der Einfluß der Gewerkschaften auf die Gesetzgebung ist auf eine Anhörung durch das Parlament bei Gesetzesinitiativen sowie das Recht zur Teilnahme an Arbeitsgruppen begrenzt. Für die grösste Gewerkschaft besteht noch eine Möglichkeit der Einflußnahme über den Nationalrat, in der sie ein Zehntel der Stimmen hält. Ein Votum des Nationalrates kann jedoch durch das Parlament noch überstimmt werden.

8.14. Es gibt verschiedene Arten von Tarifverträgen: Manteltarifverträge, Tarifverträge für den wirtschaftlichen Sektor und Tarifverträge für öffentliche und soziale Dienste. Neben den globalen Manteltarifverträgen existieren auch branchenweite Tarifverträge (Beispiel: Textil) sowie Betriebsvereinbarungen in grossen Unternehmen.

8.15. Das Prinzip der Tarifautonomie der Sozialpartner ist von der Regierung noch nicht vollkommen anerkannt worden, da diese in den Jahren 1992 und 1993 mehrmals durch gesetzliche Maßnahmen die Tarifverhandlungen abgebrochen hat. Trotz des Einfrierens der Nominallöhne per Gesetz für einen Zeitraum von drei Monaten (März bis Juni 1993) kam es für 1993 insgesamt zu einer Reallohnsteigerung von über 10 %.

8.16. Dies führte zu einer Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit für slowenische Produkte. Slowenien verlor wegen der höheren Lohnkosten und auch wegen der starken Währung bereits einige Lohnveredlungsoperationen an seine mittel- und osteuropäischen Nachbarn mit niedrigeren Lohnniveaus.

8.17. Insbesondere firmeneigene Lohnvereinbarungen trugen zu einer derartigen Steigerung der Reallöhne bei, die häufig über den Produktionsfortschritt hinausging. Wegen oft noch unklarer Eigentumsverhältnisse vor der Privatisierung der Unternehmen in Gemeineigentum stimmten die Manager auf Kosten der längerfristigen Perspektive des Unternehmens den höheren Löhnen zu, die ihrerseits zu einer Aufblähung des Kreditvolumens im Bankensystem führten.

8.18. Auch die durch Gewerkschaften und die Wirtschaftskammer ausgehandelten Tarifverträge sahen zumindest eine Indexierung der Löhne am Anstieg des Preisniveaus vor. Wegen der durch den gegewärtigen Umstrukturierungsprozeß in der slowenischen Wirtschaft verursachten Liquiditätsprobleme hielten zahlreiche Unternehmen diese Tarifverträge jedoch nicht ein und fühlten sich dadurch nicht gebunden.

8.19. Eine Hauptaufgabe der Gewerkschaften wird neben ihren bereits erwähnten Aufgaben in der Gewährleistung des rechtlichen Beistands im Bereich Arbeitsrecht gesehen. Die Gesetzgebung auf diesem Gebiet ist jedoch in Slowenien noch nicht sehr umfangreich. Ein akuter Engpaß besteht bei den Arbeitsgerichten, die personell unterbesetzt sind, so daß selbst unkomplizierte Gerichtsverfahren oft über mehrere Jahre hin anhängig sind. Das Gesetz zur Reform der Arbeitsgerichtsbarkeit ist schon fast zwei Jahre im Parlament. Selbst nach dessen Verabschiedung würden noch etwa vier bis fünf Jahre bis zur Implementierung des neuen Gesetzes vergehen.

8.20. Bezueglich des Themas Mitwirkung der Arbeitnehmer an der Verwaltung der Unternehmen wurde ein Gesetz im August 1993 verabschiedet. Es sieht zum einen eine Vertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft oder Genossenschaft vor. Zum anderen ist auch eine Mitbestimmung via Betriebsrat bzw. Ombudsmann in direkt den Arbeitsbereich der Arbeitnehmer betreffenden Fragen vorgesehen. Auch einzelne Arbeitnehmer haben bestimmte Vorschlagsrechte. Die slowenischen Gewerkschaften sind derzeit jedoch noch nicht darauf vorbereitet, die Rechte aus dem Gesetz voll auszuüben.

8.21. Derzeit werden in den meisten Unternehmen Betriebsräte gerade erst eingerichtet. Aufgrund der Neuheit des Gesetzes ist eine Konsultation der Arbeitnehmervertretung durch die Betriebsleitung noch nicht routinemässig eingespielt. Bis die Mitbestimmung der Arbeitnehmer zu einem fest etablierten Bestandteil der slowenischen Unternehmenskultur wird, werden wohl noch einige Jahre vergehen.

8.22. Der Mittelstand spielt in der slowenischen Wirtschaft eine besondere Rolle. Kleine und mittlere Betriebe (KMU) stellen über 70 % der in der Wirtschaftskammer eingetragenen Unternehmen. Sie sind u.a. im Handwerk in Genossenschaften organisiert.

8.23. Die slowenische Regierung bemüht sich, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu fördern. Dafür gibt es ein separates Ministerium für KMU sowie einen aus Regierungsmitteln bereitgestellten Fonds zur Förderung von KMU. Dieser Fonds stellt befristete Kredite zur Verfügung, gewährt Zinssubventionen für Investitionsvorhaben und übernimmt Garantien. Daneben werden die Geschäftsergebnisse der KMU überwacht und erfolgversprechende Projekte, die auf den Europäischen Binnenmarkt der EU ausgerichtet sind, gefördert.

8.24. Ausserdem trägt die slowenische Wirtschaftskammer zur Mittelstandsförderung bei, indem sie u.a. Weiterbildungsseminare für Führungskräfte durchführt. Trotz der schon laufenden Maßnahmen sind im Vergleich zum bestehenden Bedarf die zur Förderung des Mittelstandes bereitstehenden finanziellen Mittel noch eher gering. Für die Durchführung des dualen Ausbildungssystems ist die Wirtschaftskammer ebenfalls zuständig.

8.25. Zum Zweck der Exportförderung gibt es in Slowenien ein spezielles Kreditprogramm, unter dem Garantien zur Exportbesicherung via das Banksystem vergeben werden. Ausserdem können den Unternehmen Zuschüsse aus einem speziellen Fonds zu solchen Investitionen gegeben werden, welche die Exporte auf westliche Märkte erhöhen. Slowenien verfolgt prinzipiell eine von Exporten getriebene Wachstumsstrategie. Heute werden etwas über 30 % der industriellen Produktion exportiert. Langfristig soll dieser Anteil auf 60-70 % steigen. Angesichts dieser Ziele sind jedoch die derzeit zur Exportförderung zur Verfügung stehenden Mittel zu gering.

8.26. Zur Besteuerung der Unternehmen gibt es einen einheitlichen Körperschaftssteuersatz von 30 %, womit Slowenien zu den Ländern mit einer eher geringen steuerlichen Belastung der Unternehmen zählt. Bei Reinvestitionen kann die Steuerbasis um 20 % reduziert werden, bei Einstellung eines Teils des Gewinns in Reserven kann die Steuerbasis um 10 % reduziert werden. Für Unternehmensneugründungen gibt es ebenfalls Steuererleichterungen (im ersten Jahr 100 %, im zweiten 66 %, im dritten Jahr 33 %). Ähnliche Ermässigungen sind bei Unternehmen in speziell geförderten Regionen möglich.

8.27. Ausgeschüttete Gewinne und Dividenden werden mit 15 % Quellensteuer belegt. Unternehmen müssen daneben Pflichtbeiträge zu den Sozialabgaben leisten, die etwa 25 % auf die Bruttolöhne betragen.

8.28. Es gibt eine progressive persönliche Einkommensteuer. Der geringste Steuersatz beträgt 17 %, der Spitzensteuersatz 50 %. Ein Problem liegt jedoch in der noch relativ weitverbreiteten Steuerhinterziehung.

8.29. Bei der indirekten Besteuerung will Slowenien zum 1. Januar 1995 die Mehrwert- bzw. Umsatzsteuer nach dem System einführen, das in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union benutzt wird. Im Moment gilt eine einphasige Verbrauchersteuer, die beim Verkauf an den Endverbraucher anfällt. Der allgemeine Steuersatz beträgt 20 %. Unter den ermässigten Satz von 10 % fallen u.a. Baumaterialien, Kohle, Wein und Kleidung. Ein Satz von 5 % gilt z.B. für Gebrauchtwagen, Düngemittel und landwirtschaftliche Geräte. Ein Spitzensatz auf Luxusartikel von 32 % findet auf Teppiche, Schmuck und ähnliches Anwendung. Exporte sind von der Steuer befreit.

8.30. Die Interessen der Verbraucher werden in Slowenien durch einen 1990 gegründeten Verbraucherschutzverband wahrgenommen. Dieser Verband hat derzeit 3 500 Mitglieder (Privatpersonen). Er finanziert sich aus dem Mitgliedsbeitrag, erhält von der Regierung jedoch projektbezogene Mittel, wie z.B. zur Veröffentlichung eines Verbraucherschutzmagazins. Der grösste Teil der Verbandsarbeit wird durch sehr engagierte Freiwillige verrichtet. Durch Information der Verbraucher wird zum Verständnis des marktwirtschaftlichen Systems und der freien Preisbildung beigetragen. Durch ein Netz von Telefoninformationsdiensten auf ehrenamtlicher Basis können die Verbraucher Auskünfte zu Warenangeboten erhalten, aber auch Beschwerden und Beanstandungen vortragen. Der Verbraucherschutzverband ist Mitglied der Internationalen Verbraucherorganisation sowie erstes osteuropäisches Mitglied der Internationalen Testorganisation.

8.31. Die slowenische Landwirtschaft ist in Klein- und Mittelbetrieben bäuerlicher Familienstruktur zu rund 80 % organisiert, während 20 % landwirtschaftliche Großbetriebe sind. 1993 arbeiteten knapp 4 % der slowenischen Bevölkerung in der Landwirtschaft, 2 % im Fischereiwesen.

8.32. Angebaut werden neben Getreide auch Mais, Hopfen, Kartoffel und Zuckerrüben, Obst in Vielfalt und Gemüse jeder Art. Der Weinbau (weiß und rot) hat eine jahrhundertelange gute Tradition. Slowenische Weine können sich in der Qualität durchaus mit den besten Weinen der grossen europäischen Anbaugebiete messen.

8.33. Die Landwirtschaft in Slowenien befindet sich heute zum überwiegendem Teil in Privateigentum. Vor etwa 20 Jahren wurde aufgehört, landwirtschaftliche Kooperativen zu bilden. Danach gab es eine personenbezogene Begrenzung der Eigentumsrechte an Grund und Boden auf 10 ha pro Person. Diese Hektaranzahl wurde Ende der 70er Jahre auf 20 ha pro Person angehoben. Heute ist das Eigentum an landwirtschaftlichem Grund und Boden für slowenische Bürger flächenmässig unbegrenzt möglich.

8.34. Es ist vorauszusehen, daß auch die heute noch bestehenden landwirtschaftlichen Kooperativen nach und nach ihre Existenzgrundlage verlieren werden. Diese Entwicklung wurde durch das Gesetz zur "Denationalisierung" eingeleitet. Danach wird viel landwirtschaftlich nutzbarer Grund und Boden an ehemalige Landbesitzer zurückgegeben. Dazu gehört insbesondere auch die römisch-katholische Kirche, die ihre Ansprüche auf ihren einstmals sehr weitläufigen Land- und Forstbesitz angemeldet hat.

8.35. Für Umweltschutz gibt es in Slowenien ein separates Ministerium, das zur Umsetzung von regionalen Programmen mit dem Arbeitsministerium und anderen Instanzen zusammenarbeitet. Im Bereich des Endverbrauchs setzen einige Maßnahmen im Recyclingbereich an. So ist z.B. das Einsammeln von Altpapier, Altglas und Batterien in den Städten bereits weit verbreitet. Auch gibt es Projekte zur Müllbeseitigung an Strassenrändern, die in den Grundschulen auf eine Bewusstseinsänderung zu umweltbewussten Verbrauchern hinwirken sollen.

8.36. Autos mit eingebauten Katalysatoren erhalten Steuervergünstigungen, bleifreies Benzin ist an praktisch allen Tankstellen erhältlich. Für die beim Produktionsprozeß in der Industrie anfallenden Emissionen und sonstigen Abfallstoffe gibt es noch kaum Umweltvorschriften. Die Schwellenwerte bei der höchstzulässigen Umweltbelastung liegen - verglichen mit den in Deutschland angewandten, strengsten Vorschriften in der EU - relativ hoch.

8.37. Slowenien verfügt über ein Kernkraftwerk, dessen Kapazität etwa 20 % des slowenischen Bedarfs deckt. Da es sich nicht um ein Modell mit den neuesten Sicherheitsmaßnahmen handelt, fordern einige Gruppen von Umweltschützern dessen Stillegung.

9. Rechtlicher Rahmen der Zusammenarbeit mit der Europäischen Union

9.1. Slowenien hat schon als Teil des ehemaligen Jugoslawien im Rahmen des seit 1980 geltenden Handels- und Kooperationsabkommens seine Handelsbeziehungen mit der Europäischen Gemeinschaft ausgebaut. Nach der Auflösung des ehemaligen Jugoslawien und der staatlichen Unabhängigkeit Sloweniens wurde eine Überarbeitung jenes Abkommens fällig. Dieses neugefasste Abkommen wurde am 5. April 1993 unterzeichnet.

9.2. Zum 1. September 1993 trat das neue Handels- und Kooperationsabkommen der Europäischen Gemeinschaft mit Slowenien in Kraft. In vielen Bereichen (Telekommunikation, Statistik, Angleichung der Gesetzgebung etc.) soll ein verstärkter Informationsaustausch stattfinden und die Zusammenarbeit gefördert werden. Neu eingefügt wurde eine Menschenrechtsklausel, die auch den Schutz der Minderheiten einschließt.

9.3. Handelspolitisch wird darin die Abschaffung von quantitativen Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung für industrielle Produkte ab sofort festgelegt. Für die übrigen Produkte soll der Zugang für slowenische Produkte zum Europäischen Binnenmarkt erleichtert werden. Dabei gelten je nach Produktklasse unterschiedliche Zollsätze. Für einige Produkte gibt es Zollplafonds, bei deren Überschreitung ein höherer Zollsatz zur Anwendung kommt. Für landwirtschaftliche Produkte gelten bestimmte Kontingente, die durch Aufteilung des ehemaligen Globalkontingents zustande gekommen sind. Bei den zukünftigen Verhandlungen ist bei Wein besondere Aufmerksamkeit geboten.

9.4. Für bestimmte sensible Produkte, wie z.B. Stahl, gelten Sonderregelungen. So wurde am 23. Juli 1993 ein neues Textilabkommen mit Sonderregelungen paraphiert, in dem z.B. Kontingente durch Zollplafonds und ein System der Doppelkontrolle ersetzt werden. Dieses Abkommen gewährt mehr Begünstigungen als das Handels- und Kooperationsabkommen. Die Anwendung wurde vorgezogen, so daß dieses Textilabkommen seit 1. Januar 1994 in Kraft ist. Instrumente zur Verteidigung gegen unfaire Handelspraktiken (Antidumpingzölle, Retorsionszölle sowie andere Schutzmaßnahmen) bleiben im gegenseitigen Handelsverkehr weiterhin in begründeten Fällen anwendbar.

9.5. Zum Kooperationsabkommen gehört ein Finanzprotokoll. Demnach stellt die Europäische Union Slowenien bis Ende 1997 insgesamt 150 Mio. ECU in Form von Darlehen über die Europäische Investitionsbank (EIB) zur Verfügung. Diese Darlehen sollen dem Ausbau der Transportwege dienen, an denen die Europäische Union wegen der strategischen Lage Sloweniens als Verkehrsknotenpunkt ein Interesse hat. Die Darlehen sollen eine Zinsbonifikation von 2 Prozentpunkten erhalten. Die Mittel dafür (20 Mio. ECU) kommen aus dem Haushalt der Europäischen Union. Ein erstes Darlehen über 47 Mio. ECU hat die EIB schon im Dezember 1993 für die Instandsetzung der wichtigsten slowenische Eisenbahnverbindung zwischen der italienischen Grenze bei Triest und Maribor bereitgestellt.

9.6. Daneben wurde ein Transportabkommen mit Slowenien abgeschlossen, das ebenfalls seit 1. September 1993 in Kraft ist. Es gehört inhaltlich mit dem Finanzprotokoll zusammen. In diesem Abkommen räumt Slowenien den Lastkraftwagen der Europäischen Union im Gegenzug zur finanziellen Hilfe freien Transit durch sein Territorium ein. Ausserdem sollen die Formalitäten an der Grenze vereinfacht werden. Weiterhin verpflichtet sich Slowenien, bestimmten internationalen Konventionen im Transportbereich beizutreten (u.a. AETR).

9.7. Gleichzeitig mit dem Handels- und Kooperationsabkommen wurde von den zwölf Mitgliedstaaten der EU und Slowenien eine Gemeinsame Erklärung über einen politischen Dialog unterzeichnet. Das Ziel dabei ist die Konsolidierung der Beziehungen zwischen der EU und Slowenien, um die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen dort zu unterstützen und neue Formen der Kooperation zu entwickeln. Das erste offizielle Treffen in diesem Rahmen fand im Dezember 1993 statt.

9.8. Seit 1992 erhält Slowenien auch Mittel aus dem PHARE-Programm (Hilfsprogramm der Europäischen Union zur Restrukturierung der Wirtschaft in den mittel- und osteuropäischen Ländern). In diesem Rahmen stellte die Europäische Gemeinschaft unter dem ersten Programm für Slowenien im Jahre 1992 Hilfsmittel von insgesamt 9 Mio. ECU bereit, davon 6,7 Mio. an technischer Unterstützung, wobei die anderen Mittel im Rahmen des Tempus-Programms benutzt wurden. Im Jahre 1993 stellte die Europäische Gemeinschaft für Slowenien 11 Mio. ECU an PHARE-Mitteln zur Verfügung, davon 7,5 Mio. technische Hilfe. Für 1994 ist aufgrund der gut funktionierenden bilateralen Zusammenarbeit eine Quasi-Verdoppelung der bisherigen Mittel geplant. 12,5 Mio. ECU sollen für technische Hilfe verwendet werden können, 2,5 Mio. im Rahmen des Tempus Programms und weitere 4 Mio. für andere technische Programme zur Förderung der regionalen Kooperation (z.B. EUREKA, ACE).

9.9. Die slowenische Regierung hat als Prioritäten zur Verwendung der PHARE-Mittel folgende Bereiche vorgesehen: wirtschaftliche Umstrukturierung und Privatisierung (von Unternehmen und dem Finanzsektor), Restrukturierung des öffentlichen Sektors (Energie, Transport und Telekommunikation) und eine stärkere wirtschaftliche Integration mit der Europäischen Union. Als konkretes Beispiel sei die durch PHARE-Mittel unterstützte Modernisierung der slowenischen Kurorte mit Thermalquellen angeführt, um die für Slowenien wichtigen Einkünfte aus der Tourismusbranche auch langfristig zu sichern. Von den gesellschaftlichen Gruppen in Slowenien wird jedoch eine erhöhte Transparenz und verbesserte Projektinformation über das PHARE-Programm erwünscht.

9.10. Die Europäische Union pflegt durch ihre unterschiedlichen Institutionen ausserdem Kontakte mit verschiedenen Ministerien und slowenischen Behörden und organisiert von Zeit zu Zeit Möglichkeiten zum Dialog und zum Informationsaustausch. Ein Beispiel dafür ist ein Seminar, das von der Europäischen Kommission Ende November vergangenen Jahres in Brüssel organisiert wurde und an dem Vertreter verschiedener Ministerien Sloweniens teilnehmen konnten.

9.11. Ausserdem wird Slowenien bereits an einigen anderen Gemeinschaftsprojekten beteiligt. Ein Beispiel ist die Ende Januar 1994 mit Eurostat unterzeichnete Vereinbarung zur Kooperation im Bereich der Statistik. Demnach erhält Slowenien, zusammen mit den sechs mittel- und osteuropäischen Staaten, die bereits Europaabkommen mit der Europäischen Gemeinschaft abgeschlossen haben, technische Hilfe zur Harmonisierung der slowenischen Statistiken mit den in der Europäischen Union verwendeten. Dafür können in Slowenien ein Teil der Eurostat für diesen Zweck zur Verfügung stehenden Mittel von insgesamt 5,5 Mio. ECU verwendet werden.

10. Vorschläge für ein zukünftiges Europaabkommen

10.1. Das mit Slowenien geschlossene Handels- und Kooperationsabkommen enthält eine evolutorische Klausel. Artikel 50 sieht nämlich vor, daß "die vertragschließenden Parteien bei frühestmöglicher Gelegenheit die Möglichkeit zum Abschluß eines Europaabkommens" (Assoziierungsabkommen) prüfen werden.

10.2. Ein Europaabkommen würde in mehreren Aspekten wesentlich weitgehender sein als das bestehende Handels- und Kooperationsabkommen. Handelspolitisch wäre damit ein schrittweiser Abbau der gegenseitigen Zölle und sonstigen Handelsbeschränkungen bis hin zur Begründung einer Freihandelszone verbunden. Diese Liberalisierung des Handels würde sich über den Grossteil des gegenseitigen Handels erstrecken und während eines Übergangszeitraumes schrittweise verwirklicht werden.

10.3. Ausserdem enthält ein Europaabkommen normalerweise Bestimmungen über einen institutionalisierten, politischen Dialog, über Niederlassungsfreiheit und die (zahlenmässig meist begrenzte) Mobilität der Arbeitnehmer (Recht auf "nationale Behandlung"), über Zusammenarbeit beim Umweltschutz, zum interkulturellen Austausch etc.

10.4. Zusätzlich zu dieser weitgehenden Liberalisierung des gegenseitigen Handels enthält ein Europaabkommen vor allem auch einen Hinweis auf die vom assoziierten Land angestrebte Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union.

10.5. In einem Europaabkommen verpflichtet sich der assoziierte Staat auch zu einer Annäherung seiner Gesetzgebung an die der Europäischen Union. Da der assoziierte Staat in einem solchen Abkommen seinen Beitrittswillen schriftlich bekundet hat, besteht zu dieser wichtigen Harmonisierung der Gesetzgebung dann auch ein verstärkter Anreiz.

10.6. Seinerseits hat Slowenien seinen Willen bekundet, möglichst bald Verhandlungen über ein Europaabkommen mit der Europäischen Union zu beginnen und diese vor Ende des Jahres 1994 abzuschließen. Slowenien strebt mittelfristig ausdrücklich eine Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union mit allen daraus resultierenden Rechten und Pflichten an.

10.7. Andererseits ist zum internen Verfahren in der Europäischen Union zu bemerken, daß die Europäische Kommission ihrerseits im Dezember 1993 bereits erste Sondierungsgespräche zu einem Europaabkommen in Slowenien geführt hat. Dabei wurde festgestellt, daß bei Verhandlungen dazu keine grösseren Komplikationen zu erwarten wären.

10.8. Mit seinem Beschluß vom 8. Februar 1993 hat der Rat der EU grünes Licht dafür gegeben, daß alle diejenigen Staaten, inklusive der aus dem ehemaligen Jugoslawien hervorgegangenen (insbesondere also auch Slowenien), die die dazu notwendigen Bedingungen erfuellen, sich um einen Beitritt zu Europäischen Union bewerben können. Ausserdem hat der Rat als Vorbereitung dazu die nötigen unterstützenden Maßnahmen (Europaabkommen) in Aussicht gestellt. Im April 1994 wird die Kommission den Rat um ein Verhandlungsmandat für ein Europaabkommen ersuchen, so daß Verhandlungen über ein Europaabkommen mit Slowenien etwa im Mai 1994 aufgenommen werden können.

11. Zusammenfassende Bemerkungen und abschließende Empfehlungen

11.1. Slowenien ist nach dem Pro-Kopf-Einkommen und den Lebensverhältnissen der Bevölkerung das wohlhabendste Land unter allen Ländern in Mittel- und Osteuropa. Das Land hat eine lange Tradition als Teil des Herzens von Europa, die sich in der Kultur, Mentalität und Lebensart der Bevölkerung deutlich widerspiegelt. Durch die Autonomie Sloweniens sowie die Besonderheiten des sozialistischen Systems im ehemaligen Jugoslawien sind die Führungskräfte in Wirtschaft und Verwaltung selbständiges Handeln gewöhnt wie in keinem anderen mittel- und osteuropäischen Land.

11.2. Die pluralistische Demokratie, das Rechtsstaatsprinzip, die Achtung der Menschen- und Minderheitenrechte sind durch die slowenische Verfassung garantiert und werden auch voll praktiziert. In Slowenien sind die wichtigsten Rahmengesetze zur Schaffung marktwirtschaftlicher Institutionen schon in Kraft. Darüber hinaus hat das Land wirksame Maßnahmen zur Modernisierung und Umstrukturierung seiner Wirtschaft ergriffen. Die makroökonomische Stabilisierungspolitik der Regierung war bisher erfolgreich, so daß u.a. die slowenische Währung die stabilste in Mittel- und Osteuropa ist.

11.3. Slowenien versucht sehr intensiv und gewissenhaft, sich rasch der Europäischen Union anzunähern. Diese Anstrengungen umfassen die Orientierung mit dem Ziel der Harmonisierung der Gesetzgebung mit der in der EU, die Übernahme von Euronormen und die Zusammenarbeit auf allen sonst möglichen Gebieten.

11.4. Die Europäische Union ist bei weitem der wichtigste Handelspartner des Landes. Auch für die Europäische Union ist der Handel mit Slowenien vom Umfang her durchaus bedeutend im Vergleich zu anderen Ländern Mittel- und Osteuropas (der Wert entspricht z.B. 80 % des EU-Handels mit Ungarn oder ist 9x so viel wie der EU-Handel mit Bulgarien).

11.5. Zwischen der Europäischen Union und Slowenien besteht eine Komplementarität im Aussenhandel, die durch die unterschiedlichen komparativen Vorteile sowie das niedrigere Lohnniveau in Slowenien zustande kommt.

11.6. Durch die geographische Lage befindet sich Slowenien für die Europäische Union an einer strategisch wichtigen Stelle bei der Vollendung des Binnenmarktes. Ausserdem ist Slowenien ein wichtiges Transitland für den Handel der Europäischen Union mit den Ländern Zentral- und Osteuropas.

11.7. Aus allen diesen Erwägungen ergibt sich, daß ein Europaabkommen der rechtliche Rahmen ist, der Slowenien noch fehlt, um die wirtschaftliche und demokratische Lage im Lande zu festigen und seine angestrebte Integration mit der Europäischen Union zu vertiefen.

11.8. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß begrüsst Initiativen wie das von der Europäischen Kommission für Vertreter der slowenischen Ministerien und Verwaltung organisierte Seminar. Er hält die Weiterführung solcher informativer Kontakte mit den unterschiedlichen Ebenen der slowenischen Behörden für zweckmässig, um die Anpassung in Slowenien zu erleichtern und den Entscheidungsträgern zu helfen, beim weiteren Integrationsprozeß auf der richtigen Schiene zu bleiben.

11.9. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß befürwortet die baldige Aufnahme von Verhandlungen seitens der Europäischen Union zu einem Europaabkommen mit Slowenien. Er hofft, daß diese Verhandlungen bis Ende des Jahres 1994 abgeschlossen werden.

11.10. Da in Slowenien die wirtschaftlichen und sozialen Gruppen schon relativ gut formiert sind und Einfluß auf für die Wirtschaft des Landes wichtige Entscheidungen nehmen, hält es der Wirtschafts- und Sozialausschuß für zweckmässig, ein Forum für eine regelmässige Kooperation mit den im WSA vertretenen wirtschaftlichen und sozialen Gruppen der EU vorzusehen. Eine solche Zusammenarbeit soll insbesondere auf Probleme im slowenischen Wirtschaftsleben im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Austausch mit der EU aufmerksam machen helfen und so eine Annäherung an die Strukturen und das Wirtschaftsleben in der Europäischen Union erleichtern.

11.11. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß schlägt daher als institutionelle Einrichtung im Rahmen des auszuhandelnden Europaabkommens die Bildung eines Beratenden Paritätischen Ausschusses vor. Dazu könnte ein Artikel ähnlich dem im folgenden formulierten in das Europaabkommen aufgenommen werden.

Vorschlag für die Einfügung eines Artikels in das Assoziierungsabkommen (Europa-Abkommen) der Europäischen Union mit Slowenien betreffend die Einsetzung eines Beratenden Paritätischen Ausschusses

1. Es wird ein Beratender Paritätischer Ausschuß der wirtschaftlichen und sozialen Gruppen der Europäischen Union und Sloweniens mit der Aufgabe eingesetzt, den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen ihnen zu fördern.

2. Er besteht aus je sechs Mitgliedern des Wirtschafts- und Sozialausschusses der Europäischen Union und vergleichbaren wirtschaftlichen und sozialen Gruppen Sloweniens.

3. Dieser Dialog und diese Zusammenarbeit erstrecken sich auf alle wirtschaftlichen und sozialen Aspekte der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Slowenien unter besonderer Berücksichtigung der im Europaabkommen genannten Bereiche.

4. Der Beratende Paritätische Ausschuß gibt sich seine Geschäftsordnung.

11.12. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß hält es für zweckmässig, daß die Verhandlungen über ein Europaabkommen als Vorlauf für später bevorstehenden Beitrittsverhandlungen für eine Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union dienen. Daher sollten in den Verhandlungen für ein Europaabkommen alle die wesentlichen Gedanken abgedeckt werden, die aufgrund eines späteren Antrag auf Vollmitgliedschaft für Beitrittsverhandlungen von Bedeutung sein könnten.

11.13. Nach Meinung des Ausschusses sollte Slowenien bei der Prüfung, ob Slowenien für eine Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union reif ist, allein aufgrund seines eigenen Entwicklungsstandes und seiner Verdienste im Reformprozeß betrachtet werden. Insbesondere sollten keine Parallelen gezogen werden zu anderen Ländern des ehemaligen Jugoslawien. Auch sollte diese Beurteilung nicht von politischen Entwicklungen bezueglich der übrigen Länder Zentral- und Osteuropas abhängig gemacht werden.

11.14. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß ist der Ansicht, daß Slowenien bei einer gut vorbereiteten Übergangszeit im Rahmen des Europaabkommens nach voller Realisierung der Freihandelszone mit der EU so reif sein wird, daß man Slowenien eine erneute Übergangszeit nach dem späteren Beitritt zur EU ersparen kann, so daß Slowenien zu dem gegebenen Zeitpunkt direkt und ohne die sonst üblichen, zeitlich begrenzten Vorbehalte und Einschränkungen Mitglied der Europäischen Union mit allen Rechten und Pflichten werden könnte.

11.15. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß ist der Ansicht, daß die Ausgestaltung eines solchen Europaabkommens mit der Republik Slowenien in der gesamten Region der Balkan- und Mittelmeeranrainerländer eine stabilisierende Funktion zur Friedenssicherung ausüben und zur schrittweisen wirtschaftlichen Prosperität beitragen kann.

Geschehen zu Brüssel am 28. April 1994.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Susanne TIEMANN