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Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 5. Oktober 1995 zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Beschäftigungs- und Sozialbereich

Amtsblatt Nr. C 296 vom 10/11/1995 S. 0013 - 0014


ENTSCHLIESSUNG DES RATES UND DER IM RAT VEREINIGTEN VERTRETER DER REGIERUNGEN DER MITGLIEDSTAATEN vom 5. Oktober 1995 zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Beschäftigungs-und Sozialbereich (95/C 296/05)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION UND DIE IM RAT VEREINIGTEN VERTRETER DER REGIERUNGEN DER MITGLIEDSTAATEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

gestützt auf die Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedstaaten sowie der Kommission vom 11. Juni 1986 (1) sowie auf alle später verabschiedeten diesbezüglichen Entschließungen, insbesondere der Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 29. Mai 1990 zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (2),

gestützt auf die Schlußfolgerungen über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die auf den Tagungen des Europäischen Rates in Korfu am 24./25. Juni 1994, in Essen am 9./10. Dezember 1994 und in Cannes am 26./27. Juni 1995 angenommen wurden,

in Erwägung nachstehender Gründe:

Gemäß Artikel F Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union "achtet die Union die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben."

Die Mitgliedstaaten haben in der Einheitlichen Europäischen Akte auf die Notwendigkeit hingewiesen, "gemeinsam für die Demokratie einzutreten, wobei sie sich auf die in den Verfassungen und Gesetzen der Mitgliedstaaten, in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Europäischen Sozialcharta anerkannten Grundrechte, insbesondere Freiheit, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit, stützen."

Trotz der Fortschritte aufgrund der von den Mitgliedstaaten in den letzten Jahren unternommenen Bemühungen, die persönlichen Grundrechte zu garantieren und die Integrationspolitik zu fördern, gibt es weiterhin rassistische und fremdenfeindliche Gewalt in der Europäischen Union, die nachteilige Folgen für den sozialen Zusammenhalt mit sich bringt.

Die derzeitige Arbeitslosigkeit führt zu einer Zunahme der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, schließt Millionen Menschen in der Europäischen Union von jeder würdigen Beteiligung am wirtschaftlichen, sozialen und politischen Leben aus und ist ein Nährboden für rassistisch und fremdenfeindlich orientierte Verhaltensweisen.

Die Beseitigung jeder Art von direkter oder indirekter Rassendiskriminierung sowie von Einstellungen und Verhaltensweisen, die durch Rassismus und Fremdenfeindlichkeit beeinflußt werden, erfordert wirkungsvolle einzelstaatliche Vorschriften und deren Kontrolle durch die nationalen, regionalen und lokalen Behörden.

Das Europäische Parlament hat am 27. Oktober 1994 (3) und am 27. April 1995 (4) Entschließungen angenommen und insbesondere seine Besorgnis über die Wahlerfolge von Parteien geäußert, die von fremdenfeindlichen und rassistischen Ideen abhängen.

In seiner Entschließung vom 19. Januar 1995 zum Weißbuch über die europäische Sozialpolitik (5) hat das Europäische Parlament die Kommission aufgefordert, "Vorschläge vorzulegen, um den Menschen unabhängig von Alter, Rasse, Geschlecht, Behinderung und Religionszugehörigkeit gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu garantieren."

Die Kommission beabsichtigt, eine Mitteilung an das Parlament und den Rat auszuarbeiten, in der sie ihren diesbezüglichen Aktionsplan detailliert darlegen wird.

Die Schlußfolgerungen des Rates vom 30. Mai 1995 sowie der Schlußbericht der Beratenden Kommission "Rassismus und Fremdenfeindlichkeit", die auf der Tagung des Europäischen Rates in Korfu eingesetzt wurde, sollten berücksichtigt werden.

1995 ist von den Vereinten Nationen zum "Internationalen Jahr der Toleranz" erklärt worden; der Europarat ist auf der Grundlage der Wiener Erklärung übereingekommen, in diesem Jahr im Rahmen seines Aktionsplans eine europäische Kampagne gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz durchzuführen.

Die Organe der Europäischen Union und die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sollen im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten die für die Durchführung dieser Entschließung erforderlichen Maßnahmen ergreifen.

Diese Entschließung berührt weder das Gemeinschaftsrecht, insbesondere hinsichtlich der Freizügigkeit, noch die einschlägigen einzelstaatlichen Bestimmungen, insbesondere hinsichtlich der sozialen Sicherheit, des Aufenthaltsrechts und des Zugangs zur Beschäftigung, die für die Personen gelten, die nicht unter das Gemeinschaftsrecht fallen -

1. VERURTEILEN aufs schärfste Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in all ihren Formen, die offenkundige Verletzung der Persönlichkeitsrechte sowie die Intoleranz aus religiösen Gründen, insbesondere im Beschäftigungs- und Sozialbereich;

2. NEHMEN ZUR KENNTNIS, daß das Europäische Parlament wiederholt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht hat, daß rassistische Gewaltakte in zahlreichen Ländern Europas zunehmen und die Wahlpropaganda in einigen dieser Länder verstärkt an fremdenfeindliche Gefühle appelliert;

3. ERKENNEN AN, wie wichtig es ist, daß auf der Ebene der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten - im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten - in der Sozialpolitik eine auf dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung und der Chancengleichheit beruhende Politik als Beitrag zur gemeinsamen Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit betrieben wird;

4. VERMERKEN mit Interesse, daß der Rat gegenwärtig Maßnahmen prüft, die auf folgendes abzielen:

a) jedwede Aufforderung zu Diskriminierung, Gewalt und rassistisch oder religiös motiviertem Haß im innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten als Straftat einzustufen;

b) die Gerichts- und Verwaltungspraktiken der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung der als Straftat eingestuften Verhalten einander anzunähern;

c) die internationale Zusammenarbeit auf diesem Gebiet, und zwar konkret in bezug auf die Kontrolle rassistischen Materials jeglicher Art und seiner grenzüberschreitenden Verbreitung, zu verbessern;

5. STELLEN MIT GENUGTUUNG FEST, daß das für Arbeit und Sozialfragen zuständige Mitglied der Kommission speziell mit der Frage der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie mit den Fragen betraut worden ist, die mit einer Diskriminierung aufgrund von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Zusammenhang stehen;

6. ERSUCHEN die Kommission, in ihrer Mitteilung eine Übersicht über die im Rahmen der gegenwärtigen Gemeinschaftsprogramme durchgeführten Maßnahmen sowie darüber zu geben, welche künftigen Maßnahmen hinsichtlich der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit möglich sind;

7. FORDERN die Mitgliedstaaten AUF, sich unter Berücksichtigung der Empfehlungen der Beratenden Kommission "Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" um Fortschritte auf dem Weg zur Erreichung der folgenden gemeinsamen Ziele zu bemühen:

a) Gewährleistung des Schutzes der Menschen vor jeder Form von Diskriminierung aufgrund ihrer Rasse, Hautfarbe, Religion oder ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft;

b) Förderung der Beschäftigung und der Berufsausbildung als wichtiges Mittel zur Integration von Personen, die sich regelmäßig in einem bestimmten Mitgliedstaat aufhalten, wobei die Vielfältigkeit der Gesellschaft berücksichtigt werden sollte;

c) Bekämpfung von Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt gegenüber Arbeitnehmern, die sich rechtmäßig in den einzelnen Mitgliedstaaten aufhalten;

d) Förderung der Chancengleichheit der gegenüber der Diskriminierung anfälligsten Personengruppen, namentlich Frauen, Jugendliche und Kinder;

e) Förderung des Eintretens für die demokratischen Grundsätze und die Menschenrechte sowie für die kulturelle und religiöse Vielfalt seitens der Jugend und der Öffentlichkeit in Europa;

f) Förderung der Zusammenarbeit und des Erfahrungsaustausches zwischen den Mitgliedstaaten im Bereich der auf die Stärkung des sozialen Zusammenhalts ausgerichteten Arbeitsmethoden und -modalitäten;

8. FORDERN die Mitgliedstaaten AUF, folgende Maßnahmen zu ergreifen:

a) Ratifikation der die Bekämpfung jeder Form von Rassendiskriminierung betreffenden internationalen Rechtsakte durch die Mitgliedstaaten, die diese noch nicht ratifiziert haben;

b) Förderung des Respekts vor der Verschiedenartigkeit und der Gleichheit der Menschen sowie der Toleranz im Rahmen der Unterrichtssysteme, der Einrichtungen für die Berufsausbildung und die Ausbildung der Ausbilder sowie im Rahmen der Ausbildungsprogramme für Beamte und Unternehmensführungskräfte;

c) Unterstützung der Bürgerinitiativen und -organisationen, die sich aktiv und mit demokratischen Mitteln für die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit einsetzen, sowie entschlossene Zusammenarbeit mit ihnen gemäß den einzelstaatlichen Gepflogenheiten;

d) Förderung wirksamer Mittel der Selbstkontrolle, wie z. B. von Verhaltenskodexen, für die im Medienbereich Tätigen;

9. ERSUCHEN die Sozialpartner - unter Respektierung ihres autonomen Status - aktiv an der Verwirklichung der in dieser Entschließung genannten Ziele mitzuwirken und in ihrem Handeln die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu unterstützen.

(1) ABl. Nr. C 158 vom 25. 6. 1986, S. 1.

(2) ABl. Nr. C 157 vom 27. 6. 1990, S. 1.

(3) ABl. Nr. C 323 vom 21. 11. 1994, S. 154.

(4) ABl. Nr. C 126 vom 22. 5. 1995, S. 75.

(5) ABl. Nr. C 43 vom 20. 2. 1995, S. 63.