20.7.2023   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

LI 183/30


DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) 2023/1499 DES RATES

vom 20. Juli 2023

zur Durchführung der Verordnung (EU) 2020/1998 über restriktive Maßnahmen gegen schwere Menschenrechtsverletzungen und -verstöße

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) 2020/1998 des Rates vom 7. Dezember 2020 über restriktive Maßnahmen gegen schwere Menschenrechtsverletzungen und -verstöße (1), insbesondere auf Artikel 14 Absatz 1,

auf Vorschlag des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 7. Dezember 2020 hat der Rat die Verordnung (EU) 2020/1998 angenommen.

(2)

In der Erklärung des Hohen Vertreters im Namen der Europäischen Union vom 8. Dezember 2020 zur weltweiten Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte haben die Union und ihre Mitgliedstaaten ihr starkes Engagement für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte in der ganzen Welt bekräftigt. Durch die weltweite Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte wird die Entschlossenheit der Union unterstrichen, ihre Rolle bei der Bekämpfung schwerer Menschenrechtsverletzungen und -verstöße weltweit zu stärken. Die wirksame Wahrnehmung der Menschenrechte durch alle ist ein strategisches Ziel der Union. Die Achtung der Menschenwürde, der Freiheit, der Demokratie, der Gleichheit, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte sind Grundwerte der Union und ihrer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.

(3)

In seinen Schlussfolgerungen vom 14. November 2022 hat der Rat seine Besorgnis über die unverhältnismäßigen Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf Frauen und Mädchen weltweit sowie über die Verbreitung sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt (online und offline), auch im Zusammenhang mit Konflikten, zum Ausdruck gebracht. Er hat verstärkte Anstrengungen zur Verhütung und Bekämpfung solcher Gewalt angekündigt, um vollständige Rechenschaftspflicht zu gewährleisten und Straflosigkeit zu bekämpfen. Ferner hat er in seinen Schlussfolgerungen vom 5. und 6. Juni 2014 darauf hingewiesen, dass es zur Bekämpfung und Beseitigung aller Formen der Gewalt gegen Frauen abgestimmter politischer Maßnahmen auf allen einschlägigen Ebenen sowie eines umfassenden Ansatzes bedarf, der auf die Kernthemen Prävention, Dunkelziffer, Schutz, Opferhilfe sowie Strafverfolgung der Täter und andere gegen Täter gerichtete Maßnahmen abzielt. Der strategische Einsatz restriktiver Maßnahmen stärkt diesen Ansatz, indem der Druck erhöht wird, weitere Verletzungen und Verstöße zu verhindern, und – in Abstimmung mit anderen Unionsinstrumenten des Instrumentariums für Menschenrechte – auf solche Verletzungen und Verstöße sowie auf die dafür Verantwortlichen aufmerksam gemacht wird.

(4)

In diesem Zusammenhang sollten sechs Personen in die im Anhang I der Verordnung (EU) 2020/1998 enthaltene Liste der natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen, die restriktiven Maßnahmen unterliegen, aufgenommen werden.

(5)

Die Verordnung (EU) 2020/1998 sollte daher entsprechend geändert werden —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Anhang I der Verordnung (EU) 2020/1998 wird gemäß dem Anhang der vorliegenden Verordnung geändert.

Artikel 2

Diese Verordnung tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu Brüssel am 20. Juli 2023.

Im Namen des Rates

Der Präsident

J. BORRELL FONTELLES


(1)  ABl. L 410 I vom 7.12.2020, S. 1.


ANHANG

Die folgenden Einträge werden in die Liste der natürlichen Personen unter Abschnitt A („Natürliche Personen“) im Anhang I der Verordnung (EU) 2020/1998 aufgenommen:

 

Namen (Transliteration in das lateinische Alphabet)

Namen

Angaben zur Identität

Gründe für die Aufnahme in die Liste

Datum der Aufnahme in die Liste

„57.

Habibullah AGHA

alias

Mawlawi, Maulvi, Hadith, Sheikh

حبیب الله اغا

(paschtunische Schreibweise)

Position(en): Amtierender Taliban-Minister für Bildung

Geburtsdatum: 1954 oder 1955

Geburtsort: Vach Bakhto, Shah Wali Kot, Provinz Kandahar, Afghanistan

Staatsangehörigkeit: afghanisch

Geschlecht: männlich

Habibullah Agha wurde im September 2022 zum amtierenden Taliban-Minister für Bildung ernannt. In dieser Eigenschaft setzte Habibullah Agha die Taliban-Politik um, Mädchen den Zugang zur Sekundarschulbildung zu verwehren, indem er das Verbot für Schülerinnen, eine Sekundarschule über die sechste Klasse hinaus zu besuchen, verlängerte.

Darüber hinaus verschärfte Habibullah Agha persönlich die bestehende geschlechtsspezifische Diskriminierungspolitik der Taliban, indem er die Schließung privater Bildungseinrichtungen und von NRO betriebenen Bildungseinrichtungen, die zuvor als Bildungsstätte für Mädchen gedient hatten, angeordnet hat. Daher ist er persönlich für Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan verantwortlich, insbesondere für die systematische geschlechtsspezifische Unterdrückung im Bildungssektor. Er ist persönlich verantwortlich für die anhaltende Verletzung des Grundrechts afghanischer Mädchen auf Sekundarschulbildung und des Rechts auf Gleichbehandlung von Jungen und Mädchen im Bereich der Sekundarschulbildung, wodurch Mädchen weiter von der Gesellschaft ausgeschlossen werden.

In seiner Eigenschaft als amtierender Taliban-Minister für Bildung ist er daher für schwere Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan verantwortlich, insbesondere für die Verletzung des Rechts von Mädchen und Frauen auf Bildung und des Rechts auf Gleichbehandlung von Männern und Frauen.

20.7.2023

58.

Abdul Hakim HAQQANI

alias

Mawlawi Sheikh Abdul Hakim Haqqani Ishaqzai;

“Shaikhul Hadis” Maulvi Abdul Hakim „Haqqani“

شیخ الحدیث مولوي عبدالحکیم حقاني

لقضات شیخ عبدالحکیم حقاني

(paschtunische Schreibweise)

Position(en): Amtierender Oberster Taliban-Richter des Obersten Gerichtshofs Afghanistans

Qazi al-Quzzat (Oberster Richter)

Geburtsdatum: 1967

Geburtsort: Panjwayi, Provinz Kandahar, Afghanistan

Staatsangehörigkeit: afghanisch

Geschlecht: männlich

Abdul Hakim Haqqani ist gegenwärtig amtierender Oberster Taliban-Richter des Obersten Gerichtshofs Afghanistans; er wurde 2021 von der Taliban-Führung ernannt. In dieser Eigenschaft hat er das Rechtssystem dazu genutzt, geschlechtsspezifische Unterdrückung von Frauen zu praktizieren, indem Richterinnen vom afghanischen Gerichtssystem ausgeschlossen und der Zugang von Frauen zur Justiz systematisch beschränkt wurde, wodurch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen verstoßen wurde.

Neben seiner Rolle als amtierender Oberster Taliban-Richter fungiert Abdul Hakim Haqqani als ideologischer Führer der Taliban. Er hat durch seinen persönlichen Zugang zum Taliban-Führer Haibatullah Akhundzada politischen Einfluss ausgeübt, um die Taliban-Ideologie im Hinblick auf geschlechtsspezifischer Unterdrückung zu gestalten, insbesondere indem er Leitlinien für den systematischen Ausschluss von Frauen und Mädchen vom öffentlichen Leben in Afghanistan herausgegeben hat.

In seiner Eigenschaft als amtierender Oberster Taliban-Richter des Obersten Gerichtshofs Afghanistans ist er daher für schwere Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan verantwortlich, insbesondere für die Verletzung des Rechts von Frauen und Mädchen auf Zugang zur Justiz und des Rechts auf Gleichbehandlung von Männern und Frauen.

20.7.2023

59.

Abdul-Hakim SHAREI

alias

Sharae; Sharie; Shara’i

عبدالحکیم شریری

(paschtunische Schreibweise)

Position(en): Amtierender Taliban-Minister der Justiz

Titel: Shaikh-al-Hadith Mawlawi

Geburtsdatum: 1961

Geburtsort: Ayub-Khil, Provinz Khost, Afghanistan

Staatsangehörigkeit: afghanisch

Geschlecht: männlich

Nach der Machtübernahme durch die Taliban in Afghanistan leitete Abdul-Hakim Sharei in seiner Eigenschaft als amtierender Taliban-Minister der Justiz ein konzertiertes Vorgehen ein, um das nationale Justizsystem gegen afghanische Frauen zu wenden. So verhinderte er die Zulassung von Rechtsanwältinnen, nahm Frauen die Möglichkeit, eine rechtliche Vertretung zu erhalten, und entfernte Frauen von Stellen im Justizsystem. Durch seine Anweisung, den gesamten Rechtsrahmen Afghanistans zu überprüfen, wurde auch die Anwendung des Gesetzes zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen beendet.

Diese Politik stellt ein konzertiertes Vorgehen dar, um die Rechtsverweigerung als wirksames Instrument zur Förderung eines Systems geschlechtsspezifischer Unterdrückung zu nutzen, indem Frauen und Mädchen einer Situation der Gesetzlosigkeit und Straflosigkeit ausgesetzt werden, wofür Abdul-Hakim Sharei unmittelbar und persönlich verantwortlich ist.

In seiner Eigenschaft als amtierender Taliban-Minister der Justiz ist er daher für schwere Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan verantwortlich, insbesondere für die Verletzung des Rechts von Frauen und Mädchen auf Zugang zur Justiz und des Rechts auf Gleichbehandlung von Männern und Frauen.

20.7.2023

60.

James Mark NANDO

 

Position(en): Generalmajor, Südsudanesische Volksverteidigungsarmee (South Sudan People's Defence Forces – SSPDF)

Geburtsort: Ezo, Ezo County, West-Äquatoria, Südsudan

Anschrift: Juba, Südsudan

Staatsangehörigkeit: südsudanesisch

Geschlecht: männlich

James Nando ist ein hochrangiger Offizier der südsudanesischen Volksverteidigungsarmee (SSPDF), der den Rang eines Generalmajors innehat. Er befehligt Streitkräfte im südsudanesischen Bundesstaat West-Äquatoria, die weit verbreitete Angriffe auf die Zivilbevölkerung verübt haben. Seine Streitkräfte setzten systematisch sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt als Mittel ein, um die Bevölkerung zu terrorisieren.

In seiner Eigenschaft als Generalmajor ist er daher für schwere Menschenrechtsverletzungen in Südsudan verantwortlich, einschließlich sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt.

20.7.2023

61.

Mahamat SALLEH Adoum Kette

alias

Mahamet Salleh

 

Position(en): General der Volksfront für die Wiedergeburt Zentralafrikas (Front populaire pour la renaissance de la Centrafrique – FPRC)

Staatsangehörigkeit: Zentralafrikanische Republik

Geburtsort: Haute-Kotto Prefäktur, Zentralafrikanische Republik

Geschlecht: männlich

In seiner Eigenschaft als führende Persönlichkeit der Volksfront für die Wiedergeburt Zentralafrikas (FPRC) befehligte Mahamat Salleh Streitkräfte in der Zentralafrikanischen Republik, die weit verbreitete Angriffe auf die Zivilbevölkerung verübten. Jahrelang haben Salleh und die unter seiner Befehlsgewalt stehenden Kräfte wiederholt massiv Verbrechen im Zusammenhang mit sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt begangen, um die Zivilbevölkerung zu terrorisieren.

In seiner Eigenschaft als General der FPRC ist er daher für schwere Menschenrechtsverletzungen in der Zentralafrikanischen Republik verantwortlich, einschließlich sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt.

20.7.2023

62.

Igor Leonidovich KOLEDA

Iгор Леонiдович КОЛЕДА

(ukrainische Schreibweise)

Игорь Леонидович

КОЛЕДА

(russische Schreibweise)

Position(en): Befehlshaber der 30. motorisierten Schützenbrigade

Rang: Oberst

Geburtsdatum: 11.12.1973

Staatsangehörigkeit: russisch

Geschlecht: männlich

Identifikationsnummer der Streitkräfte: 540530367155

Igor Leonidovich Koleda ist Befehlshaber der 30. motorisierten Schützenbrigade der russischen Streitkräfte und steht im Rang eines Oberst. Die Brigade unter seiner Befehlsgewalt beteiligte sich Anfang 2022 an der rechtswidrigen Invasion Russlands in die Ukraine.

Anfang 2022 wandten Mitglieder der 30. motorisierten Schützenbrigade sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt gegen die ukrainische Zivilbevölkerung an, auch gegen mindestens eine minderjährige Person. Die ukrainischen Behörden haben ein Mitglied der 30. motorisierten Schützenbrigade als Verdächtigen sexueller Gewalt gegen Frauen ermittelt.

Das Ausmaß und die Schwere sexueller Gewalttaten in von Russland besetzten Gebieten der Ukraine weisen auf eine systematische Planung sowie darauf hin, dass die russischen Befehlshaber sich der sexuellen Gewalt durch Angehörige der Streitkräfte in der Ukraine bewusst sind und diese in einigen Fällen gefördert oder sogar angeordnet haben.

In seiner Eigenschaft als Befehlshaber der 30. motorisierten Schützenbrigade ist Igor Koleda daher für Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine verantwortlich, einschließlich sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt.

20.7.2023“