3.2.2023   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 41/1


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 30. Januar 2023

für eine angemessene Mindestsicherung zur Gewährleistung einer aktiven Inklusion

(2023/C 41/01)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 292 in Verbindung mit Artikel 153 Absatz 1 Buchstabe j,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Im Hinblick auf ein Leben in Würde in allen Lebensabschnitten zielt diese Empfehlung auf die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung sowie auf ein hohes Beschäftigungsniveau ab; dies soll erreicht werden, indem eine angemessene Einkommensunterstützung, insbesondere eine Mindestsicherung, ein wirksamer Zugang zu unterstützenden und essenziellen Dienstleistungen für Personen ohne ausreichende Mittel und die Integration arbeitsfähiger Personen in den Arbeitsmarkt im Einklang mit dem Ansatz der aktiven Inklusion gefördert werden.

(2)

Gemäß Artikel 151 AEUV verfolgen die Union und die Mitgliedstaaten unter anderem folgende Ziele: die Förderung der Beschäftigung, die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, einen angemessenen sozialen Schutz und die Bekämpfung von Ausgrenzung.

(3)

In Artikel 34 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (1) sieht vor, dass die Union das Recht auf Zugang zu den Leistungen der sozialen Sicherheit und zu den sozialen Diensten anerkennt und achtet. Die Charta sieht auch vor, dass jeder Mensch, der in der Union seinen rechtmäßigen Wohnsitz hat und seinen Aufenthalt rechtmäßig wechselt, Anspruch auf Leistungen der sozialen Sicherheit und soziale Vergünstigungen hat, und dass die Union, um die soziale Ausgrenzung und die Armut zu bekämpfen, das Recht auf soziale Unterstützung und Wohnunterstützung anerkennt und achtet, um diejenigen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen.

(4)

In der Empfehlung 92/441/EWG des Rates (2) vom über gemeinsame Kriterien für ausreichende Zuwendungen und Leistungen im Rahmen der Systeme der sozialen Sicherung wird empfohlen, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen eines globalen und kohärenten Instrumentariums zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung anerkennen, dass jeder Mensch einen grundlegenden Anspruch auf ausreichende Zuwendungen und Leistungen hat, um ein menschenwürdiges Leben führen zu können, und ihre Systeme der sozialen Sicherung, sofern erforderlich, anzupassen. In Anbetracht des Inhalts der vorliegenden Empfehlung ist es angezeigt, die Empfehlung 92/441/EWG zu ersetzen.

(5)

Die Empfehlung 2008/867/EG der Kommission (3) zur aktiven Eingliederung der aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzten Personen enthält eine umfassende Strategie zur Erleichterung der Eingliederung arbeitsfähiger Menschen in eine nachhaltige und hochwertige Beschäftigung sowie zur Gewährung von Zuwendungen, die ein Leben in Würde ermöglichen, und zur Förderung der sozialen Teilhabe zugunsten derjenigen, die keiner Beschäftigung nachgehen können. Dieser integrierte Ansatz, der auf einer Kombination dreier Aktionsbereiche beruht — angemessene Einkommensunterstützung, inklusive Arbeitsmärkte und Zugang zu hochwertigen Dienstleistungen —, ist besonders wichtig für die Personen, die am weitesten vom Arbeitsmarkt entfernt oder von der Gesellschaft ausgeschlossen sind.

(6)

Im November 2017 proklamierten das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission die europäische Säule sozialer Rechte (4), die 20 Grundsätze zur Unterstützung gut funktionierender und fairer Arbeitsmärkte und Sozialsysteme umfasst. Grundsatz Nummer 14 besagt, dass jede Person, die nicht über ausreichende Mittel verfügt, in jedem Lebensabschnitt das Recht auf angemessene Grundsicherungsleistungen hat, die ein würdevolles Leben gewährleisten, sowie auf einen wirksamen Zugang zu dafür erforderlichen Gütern und Dienstleistungen und für diejenigen, die in der Lage sind zu arbeiten, sind Grundsicherungsleistungen an spezifische und verhältnismäßige Bedingungen geknüpft und umfassen angemessene Anreize zur (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt.

(7)

In ihrer Mitteilung vom 4. März 2021 mit dem Titel „Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte“ (5) hat die Kommission die Ziele für ein starkes soziales Europa dargelegt. Im Juni 2021 begrüßte der Europäische Rat im Einklang mit der von den Staats- und Regierungschefs am 8. Mai 2021 unterzeichneten Erklärung von Porto das soziale Ziel der Union zur Verringerung der Armut, wonach die Zahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen bis 2030 um mindestens 15 Mio. gegenüber 2019 verringert werden sollte, darunter mindestens fünf Millionen Kinder. Der Europäische Rat begrüßte außerdem die Kernziele in den Bereichen Beschäftigung und Kompetenzen, wonach insbesondere mindestens 78 % der Bevölkerung im Alter von 20 bis 64 Jahren erwerbstätig sein sollten und mindestens 60 % aller Erwachsenen jedes Jahr an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen sollten. Ein überarbeitetes sozialpolitisches Scoreboard und ein Benchmarking-Rahmen für die Mindestsicherung, auf die sich der Ausschuss für Sozialschutz geeinigt hat, stärken die analytische Grundlage aus dem Europäischen Semester, dem Gemeinsamen Beschäftigungsbericht und den länderspezifischen Empfehlungen.

(8)

In der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und ihren Zielen wird darauf hingewiesen, dass nachhaltiges Wirtschaftswachstum mit der Beseitigung von Armut und anderen Entbehrungen, der Verringerung von Ungleichheiten und einem verbesserten Zugang zur Gesundheitsversorgung, Bildung und Beschäftigung einhergehen muss.

(9)

In seiner Entschließung vom 24. Oktober 2017 (6) über Strategien zu der Sicherstellung des Mindesteinkommens als Mittel zur Armutsbekämpfung forderte das Europäische Parlament die Mitgliedstaaten auf, ein angemessenes Mindesteinkommen einzuführen, und hob die Rolle des Mindesteinkommens als Mittel zur Armutsbekämpfung hervor. In seinen Schlussfolgerungen vom 12. Oktober 2020 über „Stärkung der Mindestsicherung zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung in der COVID-19-Pandemie und darüber hinaus“ (7) forderte der Rat die Kommission auf, eine Aktualisierung des Unionsrahmens einzuleiten, um die nationalen Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Bereich der Mindestsicherung wirksam zu unterstützen und zu ergänzen. Auf der Konferenz zur Zukunft Europas forderten die Bürgerinnen und Bürger einen gemeinsamen Unionsrahmen für das Mindesteinkommen.

(10)

Die vorliegende Empfehlung baut auf den Ergebnissen der Bewertungen auf, in denen die Kommission die Fortschritte bei der Umsetzung der Empfehlung 2008/867(EG) überprüft hat. In den Bewertungen wurde die Richtigkeit des Ansatzes der aktiven Inklusion bestätigt, jedoch auch auf spezifische Herausforderungen hingewiesen, unter anderem im Zusammenhang mit der mangelnden Angemessenheit, der begrenzten Inanspruchnahme und der geringen Abdeckung durch die Mindestsicherung, den potenziellen negativen Anreizen aus den Steuer- und Sozialleistungssystemen sowie einem schwierigen Zugang zu hochwertigen Dienstleistungen zur Förderung der sozialen Inklusion und der Arbeitsmarktintegration. Darüber hinaus wurde in den Bewertungen gefordert, einen größeren Schwerpunkt auf die angemessene Unterstützung der sozialen Inklusion nicht arbeitsfähiger Menschen zu legen.

(11)

Trotz der Fortschritte in den letzten zehn Jahren bei der Verringerung von Armut und sozialer Ausgrenzung in der Union waren 2021 noch über 95,4 Mio. Menschen von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht, wobei dieses Risiko für Frauen höher lag. Die Tatsache, dass das Armutsrisiko für Menschen, die in Haushalten (quasi) ohne Erwerbseinkommen leben, und die Armut in vielen Mitgliedstaaten zugenommen haben und gleichzeitig die Wirkung von Sozialtransfers auf die Armutsminderung nachgelassen hat, gibt Anlass zur Sorge. Die Union und ihre Mitgliedstaaten sollten mehr unternehmen und effizienter vorgehen, um die am stärksten gefährdeten und benachteiligten Menschen zu unterstützen.

(12)

Nachhaltige und hochwertige Beschäftigung ist der beste Weg aus Armut und sozialer Ausgrenzung. Wird gewährleistet, dass mehr Menschen auf dem Arbeitsmarkt sind, so trägt dies gleichzeitig zur Finanzierung der Sozialschutzsysteme bei und verbessert deren finanzielle Tragfähigkeit, was wiederum einen Beitrag zur Generationengerechtigkeit und zur Förderung des sozialen Zusammenhalts leistet. Um ein höheres Beschäftigungsniveau zu erreichen, ist es von größter Bedeutung, dass erfolgreiche Arbeitsmarktübergänge unterstützt werden.

(13)

Die sozialen und wirtschaftlichen Vorteile angemessener und passgenauer sozialer Sicherheitsnetze traten während der Ausgangsbeschränkungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie noch deutlicher zutage. Frauen und benachteiligte Gruppen wurden von den Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 unverhältnismäßig stark getroffen, insbesondere was den Zugang zur Gesundheitsversorgung — sowohl zu Leistungen für die körperliche als auch die geistige Gesundheit —, zu Bildungsangeboten und zu anderen einschlägigen Dienstleistungen anbelangt, wodurch sich auch bereits bestehende Einschränkungen beim Zugang zur Beschäftigung verschärft haben (8). Die Lehren aus der COVID-19-Krise haben außerdem gezeigt, wie wichtig angemessene, umfassende und widerstandsfähige Sozialschutzsysteme sind, die präventiv wirken und in der Lage sind, auf Schocks zu reagieren, um die wirtschaftliche Erholung zu unterstützen.

(14)

Makroökonomische Trends, die mit der Globalisierung, dem ökologischen und dem digitalen Wandel, dem demografischen Wandel und den sich verändernden Arbeitsmustern zusammenhängen, sorgen nach wie vor für Veränderungen in der Union. Umfassende und robuste soziale Sicherheitsnetze, die eine angemessene Einkommensunterstützung gewährleisten und Arbeitsmarktübergänge erleichtern, einschließlich der Förderung von Umschulung und Weiterbildung, können dazu beitragen, dass diese Prozesse gerecht und inklusiv verlaufen. Veränderungen der Laufbahnmuster, verbunden mit der Zunahme atypischer Beschäftigungsformen, können es für Geringverdienende schwieriger machen, Zugang zu versicherungsbasierten Sozialschutzsystemen zu erhalten, und zu einer höheren Nachfrage nach alternativen Unterstützungsmaßnahmen wie der Mindestsicherung führen. Des Weiteren wirken sich der drastische Anstieg der Energiepreise und die zunehmende Inflation infolge des ungerechtfertigten und rechtswidrigen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine auf Haushalte mit niedrigem Einkommen und Haushalte mit niedrig mittlerem Einkommen im unteren Bereich aus. Maßnahmen der Einkommensunterstützung können sich gezielt an schutzbedürftige Gruppen richten und sind mit der Aufrechterhaltung von Anreizen zur Senkung des Energiebedarfs und zur Verbesserung der Energieeffizienz vereinbar.

(15)

Der Schwerpunkt dieser Empfehlung liegt auf „Personen ohne ausreichende Mittel“, d. h. Personen in Haushalten, in denen die für ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen sowie für ihre Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben unerlässlichen finanziellen und materiellen Ressourcen unzureichend, unregelmäßig oder nicht gesichert sind. Für diejenigen, die arbeitsfähig sind, müssen robuste soziale Sicherheitsnetze durch besondere Unterstützungsmaßnahmen, die aktive Arbeitsmarktmaßnahmen, Unterstützung bei der Arbeitssuche sowie Aus- und Weiterbildung miteinander verknüpfen, die (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt erleichtern. Für diese hilfebedürftigen Menschen, einschließlich derjenigen, die nicht arbeiten können, gewährleisten diese Netze eine angemessene Einkommensunterstützung und unterstützende Dienstleistungen. Soziale Sicherheitsnetze sind also kein passives Instrument, sondern befördern so weit wie möglich aktiv die sozioökonomische Integration und die soziale Aufwärtsmobilität, indem sie zur Verbesserung von Inklusion und Beschäftigungsaussichten beitragen.

(16)

Soziale Sicherheitsnetze umfassen eine Reihe von Geld- und Sachleistungen, die Einkommensunterstützung und Zugang zu unterstützenden und essenziellen Dienstleistungen bieten. Wichtige Bestandteile der Einkommensunterstützung sind Mindestsicherungsleistungen, d. h. beitragsunabhängige und bedürftigkeitsabhängige Geldleistungen, die als letztes Auffangnetz fungieren und die Lücke zu einem bestimmten Gesamteinkommensniveau in Haushalten schließen sollen, wenn andere Einkommensquellen oder Leistungen ausgeschöpft sind oder nicht ausreichen, um ein Leben in Würde zu gewährleisten. In einigen Mitgliedstaaten können die Mindestsicherungsleistungen mit anderen Geldleistungen für den Haushalt und seine Mitglieder, wie beispielsweise Kinder- und Familienbeihilfen, Wohngeld, Leistungen bei Arbeitslosigkeit, Invaliditäts-, Alters- oder Lohnergänzungsleistungen, kombiniert werden. Sie können auch Mindestrenten und Arbeitseinkommen aufstocken. Die vorliegende Verordnung betrifft in erster Linie die Mindestsicherung und berührt nicht die Empfehlung des Rates zum Zugang zum Sozialschutz für Arbeitnehmer und Selbstständige (9).

(17)

Die Mindestsicherung ist ein Schlüsselelement in den Strategien zur Überwindung von Armut und Ausgrenzung und kann als automatischer Stabilisator wirken. In Wirtschaftskrisen kann es zur Unterstützung einer nachhaltigen und inklusiven Erholung, zur Abfederung des Rückgangs der Haushaltseinkommen und zur Eindämmung der Zahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen beitragen. Für diejenigen, die in der Lage sind zu arbeiten, sollten Mindestsicherungsleistungen an spezifische und verhältnismäßige Bedingungen geknüpft sein und angemessene Anreize zur (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt umfassen. Um Hysterese-Effekte auf dem Arbeitsmarkt zu vermeiden und ein hohes Beschäftigungsniveau, eine hohe Erwerbsintensität, einen nachhaltigen Übergang in den Arbeitsmarkt und Aufwärtsmobilität bei den Einkommen zu fördern, sollte die Gestaltung der Mindestsicherung mit der Konzeption von Arbeitsanreizen einhergehen.

(18)

Sachleistungen können Geldleistungen ergänzen, indem sie den Zugang zu bestimmten Leistungen wie frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung (im Einklang mit der Empfehlung (EU) 2021/1004 des Rates (10) zur Einführung einer Europäischen Garantie für Kinder), Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege, Sozialwohnungen, Beschäftigung und Ausbildung sowie wesentlichen Dienstleistungen erleichtern. Die Bereitstellung solcher Sachleistungen kann dazu beitragen, die Bewertung der Angemessenheit der Einkommensunterstützung in ihren Kontext einzuordnen. Bestimmte Sachleistungen, die im Rahmen gezielter Programme für Personen ohne ausreichende Mittel bereitgestellt werden und den allgemeinen Verbrauch unterstützen (zum Beispiel Lebensmittelgutscheine oder die Erstattung von direkt mit dem Wohnen verbundenen Kosten, einschließlich ermäßigter Energiepreise), können bei der Bewertung der Angemessenheit der Einkommensunterstützung berücksichtigt werden, sofern diese Leistungen unmittelbar zur Verbesserung der Einkommenssituation der Empfänger von Mindestsicherung beitragen.

(19)

Mehr Engagement für die Umsetzung integrierter und robuster sozialer Sicherheitsnetze kann nicht nur die soziale und gesundheitliche Lage derjenigen verbessern, die am weitesten vom Arbeitsmarkt entfernt sind, sondern auch dauerhafte soziale und wirtschaftliche Vorteile für die Union mit sich bringen, den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt stärken und zu gerechteren, resilienteren und stärker von Zusammenhalt geprägten Gesellschaften führen. Weitere Anstrengungen sind erforderlich, um den Zugang einkommensschwacher Menschen zum versicherungsbasierten Sozialschutzsystem zu verbessern und ihnen so beim Erwerb von Sozialleistungsansprüchen zu helfen, insbesondere durch die Förderung hochwertiger Beschäftigung, und um die Bereitstellung von Einkommensunterstützung im Rahmen der jeweiligen Systeme zu koordinieren. Diese sozialen Sicherheitsnetze sollten auch dazu beitragen, dass Menschen in Armut einen besseren Zugang zu medizinischer Versorgung und gesunder Ernährung erhalten. Die Mitgliedstaaten sollten bestrebt sein, die Wirksamkeit und Effizienz ihrer Sozialschutzsysteme insgesamt zu erhöhen — auch durch die Förderung des Arbeitsmarktzugangs —, um zu verhindern, dass Menschen in Armut geraten oder langfristig auf Mindestsicherung angewiesen sind.

(20)

Alle Mitgliedstaaten verfügen über soziale Sicherheitsnetze — die Fortschritte im Hinblick auf Zugänglichkeit und Angemessenheit dieser Netze sind jedoch uneinheitlich. Die Gestaltung der Systeme ist von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschieden und spiegelt unterschiedliche nationale Traditionen und die Gesamtarchitektur der Sozialschutzsysteme und das Wechselspiel von Geld- und Sachleistungen wider. Dennoch stehen die Mitgliedstaaten vor ähnlichen Herausforderungen. Zwar wurde eine gewisse Konvergenz erzielt, doch waren die bisher angenommenen Reformen nicht immer ausreichend oder wurden schleppend umgesetzt, was sich in den seit längerem bestehenden einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters widerspiegelt. Die nationalen Pläne im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität sehen Unterstützung für Reformen und Investitionen in den betreffenden Mitgliedstaaten vor, um die Wirksamkeit, Gestaltung und Resilienz ihrer Sozialschutzsysteme zu stärken, unter anderem durch eine bessere Gestaltung der Mindestsicherung und die Gewährleistung einer Aufwärtskonvergenz in Bezug auf Angemessenheit und Abdeckung. Bei mehreren Investitionen liegt der Schwerpunkt auch auf der Bekämpfung der Energiearmut und auf der Verbesserung des Zugangs zu wesentlichen Dienstleistungen für finanziell schwächere Haushalte.

(21)

Einkommensunterstützung gilt als angemessen, wenn sie ein Leben in Würde in allen Lebensphasen gewährleistet. Um die Angemessenheit der Einkommensunterstützung insgesamt sicherzustellen, bedarf es einer soliden und transparenten Methode, mit der die Mindestsicherung auf der Grundlage einschlägiger Indikatoren und unter Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse der Haushalte festgelegt, regelmäßig überprüft und, wann immer es angebracht ist, jährlich angepasst wird. Als Richtschnur für die Bewertung der Angemessenheit können Referenzwerte dienen, wie die nationale Armutsgefährdungsschwelle, oder Methoden mit einem national festgelegten Waren- und Dienstleistungskorb, der die Lebenshaltungskosten und Bedürfnisse von Personen ohne ausreichende Mittel in einem bestimmten Mitgliedstaat oder einer bestimmten Region widerspiegelt. Die Angemessenheit kann auch anhand eines bestimmten Arbeitseinkommens, z. B. des Einkommens eines Geringverdieners oder eines Mindestlohnempfängers, geprüft werden, wobei die Armutsgefährdungsschwelle zu achten ist und die Lebenshaltungskosten und Bedürfnisse von Personen ohne ausreichende Mittel zu berücksichtigen sind. Es liegt zwar auf der Hand, dass das Einkommen aus Arbeit (auf Mindestlohnhöhe) höher sein sollte als das Einkommen aus Sozialleistungen, es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass sich der Bezug von Mindestsicherungsleistungen bei den betreffenden Personen — durchschnittlich gesehen — erheblich negativ auf die Wahrscheinlichkeit auswirkt, einen Arbeitsplatz zu finden. Da bei der Leistungsangemessenheit nationale Unterschiede bestehen, sollten die Mitgliedstaaten schrittweise auf ein angemessenes Niveau der allgemeinen Einkommensunterstützung hinarbeiten. Bei der Festlegung und Anpassung der Höhe der Mindestsicherung sollten die Mitgliedstaaten das Inflationsniveau (insbesondere bei Lebensmitteln und Energie), steigende Lebenshaltungskosten und die Lohnentwicklung berücksichtigen.

(22)

Die Anspruchskriterien einer Mindestsicherung können für bestimmte Gruppen ein Hindernis für den Leistungszugang darstellen. Kinder sind grundsätzlich als Mitglieder des Haushalts anspruchsberechtigt. Wenn das Mindestalter für die Antragstellung jedoch bei über 18 Jahren liegt, könnte dies den Zugang zu Leistungen für junge Erwachsene einschränken. Beschränkungen im Zusammenhang mit der Mindestdauer des rechtmäßigen Aufenthalts können den Zugang für Nicht-Staatsangehörige einschränken, während das Fehlen eines ständigen Wohnsitzes den Bezug von Mindestsicherungsleistungen für Obdachlose oder Menschen, die in benachteiligten Gebieten leben (z. B. in Roma-Siedlungen), erschweren kann. Eine Bedürftigkeitsprüfung ist zwar ein wesentliches Element, um eine angemessene Ausrichtung der Mindestsicherung zu garantieren, jedoch kann eine unzureichende Abdeckung auch dann entstehen, wenn dabei ein entsprechender Höchstwert für Einkommen und Vermögenswerte auf einem niedrigen Niveau festgelegt wird, da dies den Ausschluss einiger Haushalte trotz Armut zur Folge haben kann. Die Einführung von nicht diskriminierenden Kriterien für den Zugang zur Mindestsicherung lässt Ausnahmen von der Gleichbehandlung, die im Unionsrecht, wie z. B. der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (11), festgelegt oder nach diesem zulässig sind, unberührt.

(23)

Lücken in der Abdeckung durch die Mindestsicherung sollten geschlossen werden, und die Kontinuität der Abdeckung über verschiedene Lebensabschnitte hinweg sollte durch die Einführung transparenter und nichtdiskriminierender Zugangskriterien sichergestellt werden. Der Zugang zur Mindestsicherung sollte nicht durch Bestimmungen in Bezug auf das Alter, das Bestehen eines ständigen Wohnsitzes oder das Erfordernis eines unverhältnismäßig langen rechtmäßigen Aufenthalts behindert werden. Die Bedürftigkeitsprüfung umfasst in der Regel verschiedene Arten von Einkommen (z. B. aus Erwerbstätigkeit oder bereits gewährten Leistungen) und bestimmte Vermögenswerte (z. B. Eigentum). Anknüpfungspunkt für die in der Bedürftigkeitsprüfung verwendeten Schwellenwerte und die von der Bedürftigkeitsprüfung ausgeschlossenen Arten von Einkommen und Vermögen sollte ein Leben in Würde sein, wobei verschiedene Arten und Größen von Haushalten in einem bestimmten Mitgliedstaat Berücksichtigung finden sollten. Ein niedriges Arbeitseinkommen (z. B. ein einmaliges oder unregelmäßiges Einkommen) sollte bei der Bedürftigkeitsprüfung verhältnismäßig behandelt werden, sodass Arbeitsanreize für diejenigen, die in der Lage sind zu arbeiten, gewahrt bleiben und die antragstellende Person nicht von (möglicherweise niedrigeren) Leistungen ausgeschlossen wird. Der Zugang zur Mindestsicherung muss zügig und ohne unnötige Verzögerung gewährt werden, und der Anspruch sollte unbegrenzt sein, sofern die antragstellende Person weiterhin die Anspruchskriterien und die spezifischen Bedingungen erfüllt, die einer regelmäßigen Überprüfung unterliegen. Die für die Bearbeitung des Antrags vorgesehene Frist von 30 Tagen ab seiner Vorlage kann bei Bedarf unterbrochen werden, um alle Fakten zu ermitteln, vorausgesetzt, dass die Personen ohne ausreichende Mittel, soweit möglich, eine angemessene vorläufige Unterstützung erhalten.

(24)

In Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs und verschiedenartiger Krisensituationen kann eine flexibel gestaltete Mindestsicherung — z. B. mit vorübergehend vereinfachten Zugangsregelungen, durch die Lockerung der Anspruchskriterien oder die Verlängerung des Leistungsbezugs — eine wichtige Rolle bei der Abmilderung der negativen sozialen Folgen und bei der Stabilisierung der Wirtschaft spielen. Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung, die zu einer Senkung des Schutzniveaus führen, anstatt die Wirksamkeit der Regelungen zu verbessern, sollten nur als letztes Mittel eingesetzt und von einer Abschätzung der Verteilungsfolgen begleitet werden, um negative Auswirkungen auf die am stärksten benachteiligten Personen abzumildern; das Schutzniveau sollte in jedem Fall angemessen bleiben.

(25)

Unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand, mangelndes Bewusstsein oder Angst vor Stigmatisierung oder Diskriminierung können dazu führen, dass Personen, die Anspruch auf eine Mindestsicherung haben, keinen entsprechenden Antrag stellen. Die Inanspruchnahme der Mindestsicherung lässt sich steigern, indem fragmentierte Systeme vermieden und Antragsverfahren allgemein zugänglich und einfach gestaltet werden sowie indem potenziellen Antragstellern administrative Unterstützung angeboten wird. Weitere Maßnahmen sind erforderlich, damit Alleinerziehende (überwiegend Frauen) leichter Mindestsicherungsleistungen in Anspruch nehmen können. Darüber hinaus sollten proaktive Sensibilisierungs- und Informationsmaßnahmen insbesondere auf sozial benachteiligte Gebiete und die am stärksten ausgegrenzten Haushalte, einschließlich der Roma, ausgerichtet sein, wobei die Datenschutzvorschriften zu beachten sind. Schwer zugängliche digitale Instrumente oder mangelnde Kompetenzen für deren Nutzung können ebenfalls ein Hindernis für den wirksamen Zugang zu Leistungen darstellen, auch für Menschen mit Behinderungen. Eine regelmäßige Überwachung und Analyse relevanter Daten kann dazu beitragen, die Ursachen der Nichtinanspruchnahme zu verstehen und die politischen Maßnahmen zu verbessern.

(26)

Die Bedürftigkeitsprüfung erfolgt zwar auf Haushaltsebene, jedoch werden dabei häufig die Stellung von Einzelpersonen im Haushalt, eine mögliche ungleiche Verteilung des Einkommens innerhalb der Familie oder der Wunsch nach Selbstbestimmtheit nicht berücksichtigt. Dies wirkt sich insbesondere auf Frauen aus, da sie mit höherer Wahrscheinlichkeit ein niedrigeres Einkommen, niedrigere Arbeitsentgelte und größere Betreuungs- und Pflegeverpflichtungen haben. Ohne notwendigerweise die Praxis der Bedürftigkeitsprüfung zu ändern und den Gesamtbetrag der dem Haushalt gewährten Leistungen zu erhöhen, können Lösungen, die es im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten ermöglichen, dass die einzelnen Haushaltsmitglieder ihren Teil der Einkommensunterstützung erhalten, zur Gleichstellung der Geschlechter, zu wirtschaftlicher Unabhängigkeit und zur Einkommenssicherheit von Frauen, jungen Erwachsenen und Menschen mit Behinderungen beitragen.

(27)

Die Stärkung inklusiver, für alle zugänglicher Arbeitsmärkte ist wichtig, um die langfristige Abhängigkeit von Einkommensunterstützung zu verringern. Aktivierungsanforderungen und aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen können zu einer engagierteren Arbeitssuche und einer höheren Akzeptanz von Stellenangeboten beitragen, wenn Unterstützungsdienste wie Beratung, Coaching und Unterstützung bei der Arbeitssuche sowie Maßnahmen zur Gewährleistung der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben einbezogen werden. Im Einklang mit der Empfehlung des Rates vom 30. Oktober 2020 zum Thema „Eine Brücke ins Arbeitsleben — Stärkung der Jugendgarantie“ (12) sollte jungen Menschen, die weder arbeiten, noch eine Schule besuchen oder eine Ausbildung absolvieren“ die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind, besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, indem ihnen geholfen wird, so schnell wie möglich die allgemeine bzw. berufliche Bildung fortzusetzen oder auf den Arbeitsmarkt zurückkehren, wobei der Bezug von Einkommensunterstützung an besonders starke Aktivierungsmaßnahmen geknüpft sein sollte. Im Einklang mit der Strategie der Kommission für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021-2030 (13) sollte auch den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Weiterbildungs- und Umschulungsmöglichkeiten, personalisierte Unterstützung und Anleitung, die auf spezifische Bedürfnisse zugeschnitten sind, die Gewährleistung hochwertiger Arbeitsplätze, die Förderung des Erhalts von Arbeitsplätzen und die Ermöglichung des beruflichen Aufstiegs können für alle Altersgruppen den Übergang in eine Beschäftigung unterstützen. Die regelmäßige Überprüfung von Anreizen und Negativanreizen aus den Steuer- und Sozialleistungssystemen, die schrittweise Einstellung der Einkommensunterstützung bei Aufnahme einer Beschäftigung bzw. die Möglichkeit, die Einkommensunterstützung mit dem Arbeitsentgelt zu kombinieren, können das verfügbare Einkommen des Haushalts erhöhen und so dazu beitragen, dass sich Arbeit lohnt, Armut trotz Erwerbstätigkeit verringert wird und Anreize für eine reguläre Beschäftigung geschaffen werden. Gleichzeitig müssen Lohnergänzungsleistungen sorgfältig konzipiert werden, um Niedriglohnfallen zu vermeiden.

(28)

Eine Beschäftigung in der Sozialwirtschaft könnte ein Sprungbrett für eine Tätigkeit in anderen Bereichen des Arbeitsmarktes sein. Der Übergang in die Beschäftigung sollte durch gezielte Maßnahmen für Arbeitgeber unterstützt werden, erforderlichenfalls flankiert durch gezielte finanzielle Anreize.

(29)

Dienstleistungen der sozialen Inklusion, wie Sozialarbeit, Beratung, Coaching, Mentoring, psychologische Unterstützung und verschiedene Rehabilitationsprogramme sowie Maßnahmen zur Erleichterung des Zugangs zu anderen unterstützenden oder wesentlichen Dienstleistungen sind ebenfalls erforderlich, um robuste soziale Sicherheitsnetze aufzubauen. Außerdem sollten die Bemühungen fortgesetzt werden, um die Qualität der Dienstleistungen im Einklang mit dem vom Sozialschutzausschuss entwickelten freiwilligen europäischen Qualitätsrahmen für Sozialdienstleistungen (14) zu verbessern und die Kontinuität des Zugangs zu wesentlichen Dienstleistungen sicherzustellen. Die Maßnahmen zur Beseitigung finanzieller und nichtfinanzieller Hindernisse, die einem gleichberechtigten und universellen Zugang zu Dienstleistungen im Wege stehen, sollten ebenfalls verstärkt werden.

(30)

Eine individuellere Unterstützung, mit der die komplexen Bedürfnisse von Personen ohne ausreichende Mittel und ihrer Haushalte festgestellt und angegangen werden sollen, kann erheblich zu ihrer erfolgreichen sozialen und wirtschaftlichen Integration beitragen. Eine Bedarfsanalyse ist eine Vorbedingung, um einen maßgeschneiderten Inklusionsplan für Personen eines bestimmten Haushalts ohne ausreichende Mittel auszuarbeiten (individuell oder gemeinsam für alle), in dem die Art der erforderlichen Unterstützung und die vereinbarten Ziele festgelegt sind. Die Unterstützung sollte — in Abhängigkeit von der individuellen Situation und der Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt — angemessen abgestufte Maßnahmen zur sozialen Inklusion bzw. aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen umfassen, wobei ein ausgewogenes Verhältnis zwischen positiven Anreizen und Aktivierungsanforderungen zu gewährleisten ist. Auch die im Einklang mit der Empfehlung des Rates vom 15. Februar 2016 zur Wiedereingliederung Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt (15) geschlossenen Wiedereingliederungsvereinbarungen können diesem Zweck dienen und bei Bedarf entsprechend angepasst werden.

(31)

Wirksame Governance-Mechanismen sind für die Schaffung robuster soziale Sicherheitsnetze von entscheidender Bedeutung. Bei der Verwaltung und Erbringung der Leistungen sollten die mit dem digitalen Wandel einhergehenden Möglichkeiten genutzt werden und gleichzeitig sollte eine Ausgrenzung durch die digitale Kluft vermieden werden. Es sollten Anstrengungen unternommen werden, um eine enge Koordinierung und Abstimmung der bestehenden Systeme und Leistungen sowie ihre Koordinierung mit anderen Politikbereichen sicherzustellen. Besondere Aufmerksamkeit ist der Stärkung der operativen Kapazitäten sämtlicher beteiligter Institutionen zu widmen. Durch den Datenaustausch und eine engere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Verwaltungsebenen und Diensten, auch im Wege von förmlichen Vereinbarungen oder zentralen Anlaufstellen, wird eine besser integrierte Unterstützung erleichtert. Eine zuverlässige Überwachung und eine regelmäßige Bewertung der politischen Auswirkungen unter Einbeziehung aller Interessenvertreter können zu mehr Effizienz, fundierter Politikgestaltung und mehr Transparenz der nationalen Systeme beitragen.

(32)

Die Organisationen der Zivilgesellschaft spielen oft eine wichtige ergänzende Rolle bei der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung. Ihre gezielten Tätigkeiten können Behörden bei der Gestaltung und Umsetzung von Inklusions- und Aktivierungsmaßnahmen unterstützen. Indem sie materielle und psychosoziale Unterstützung für die Schwächsten anbieten, tragen die Organisationen der Zivilgesellschaft dazu bei, die menschliche Würde wiederherzustellen und die soziale Inklusion zu unterstützen, während sie diejenigen, die in der Lage sind zu arbeiten, auf dem Weg in Beschäftigung begleiten.

(33)

Das Voneinander-Lernen und der Austausch bewährter Verfahren auf Unionsebene zusammen mit analytischen Arbeiten zur Weiterentwicklung des bestehenden Benchmarking-Rahmens der Union für die Mindestsicherung, unter anderem durch die Verbesserung der Verfügbarkeit und Vergleichbarkeit einschlägiger Indikatoren und der Regelmäßigkeit der Daten, sollten die Mitgliedstaaten bei der Gestaltung und Umsetzung nationaler Reformen unterstützen.

(34)

Es stehen Unionsmittel zur Verfügung, um die Umsetzung dieser Empfehlung zu unterstützen. Im Rahmen des Europäischen Sozialfonds Plus, der mit der Verordnung (EU) 2021/1057 des Europäischen Parlaments und des Rates (16) eingerichtet wurde, sollte jeder Mitgliedstaat mindestens 25 % seiner ESF + -Mittel für die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung bereitstellen. Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung und InvestEU können gleichermaßen Investitionen in unterstützende soziale Infrastruktur fördern, wie etwa den sozialen Wohnungsbau, frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung sowie Ausstattung und Zugang zu hochwertigen Dienstleistungen. Das Instrument für technische Unterstützung und die Aufbau- und Resilienzfazilität unterstützen die Mitgliedstaaten bereits bei der Gestaltung und Umsetzung von Strukturreformen im Bereich der Mindestsicherung.

(35)

Die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen insgesamt und die angemessene Finanzierung der Mindestsicherungsleistungen sind für ihre Widerstandsfähigkeit, Effizienz und Wirksamkeit von entscheidender Bedeutung. Die Umsetzung dieser Empfehlung sollte sich nicht nennenswert auf das finanzielle Gleichgewicht der Sozialschutzsysteme der Mitgliedstaaten auswirken.

(36)

Verteilungsfolgenabschätzungen sind ein nützliches Instrument, um die Auswirkungen von haushaltspolitischen Maßnahmen und anderen Reformen und Investitionen auf verschiedene Einkommensgruppen, darunter die am stärksten benachteiligten Gruppen, zu ermitteln. Sie können daher zu einer effizienteren und wirksameren Gestaltung von Steuer- und Sozialleistungsreformen beitragen und somit sicherstellen, dass niemand zurückgelassen wird. Eine Mitteilung der Kommission vom 28. September 2022 mit dem Titel „Bessere Abschätzung der Verteilungsfolgen von Maßnahmen der Mitgliedstaaten“ (17), enthält Leitlinien für die Mitgliedstaaten, wie sie Verteilungsfolgenabschätzungen am besten in ihre politischen Entscheidungsprozesse einbetten können.

(37)

Die Umsetzung dieser Empfehlung darf nicht dazu genutzt werden, das durch nationale Rechtsvorschriften oder die Empfehlung 92/441/EWG vorgesehene Schutzniveau zu senken. Den Mitgliedstaaten steht es frei, günstigere Bestimmungen als die hier empfohlenen einzuführen oder beizubehalten.

(38)

Diese Empfehlung berührt nicht die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Festlegung und Organisation ihrer Sozialschutzsysteme—

HAT FOLGENDE EMPFEHLUNG ABGEGEBEN:

ZIEL

1.

Diese Empfehlung zielt auf die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung ab, um ein Leben in Würde in allen Lebensphasen zu gewährleisten; dies soll durch die Förderung einer angemessenen Einkommensunterstützung, insbesondere einer Mindestsicherung, eines wirksamen Zugangs zu unterstützenden und wesentlichen Dienstleistungen für Personen ohne ausreichende Mittel und der Integration von Personen, die in der Lage sind zu arbeiten, in den Arbeitsmarkt, im Einklang mit dem Ansatz der aktiven Inklusion erreicht werden.

BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

2.

Für die Zwecke dieser Empfehlung bezeichnet der Ausdruck

a)

„Personen ohne ausreichende Mittel“ Personen in Haushalten, in denen die für ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen sowie für ihre Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben unerlässlichen finanziellen und materiellen Ressourcen unzureichend oder nicht gesichert sind oder unregelmäßig bezogen werden;

b)

„Einkommensunterstützung“ die Gesamtheit aller Arten von Geldleistungen, die dem betreffenden Haushalt und seinen Mitgliedern gewährt werden, einschließlich Mindestsicherungsleistungen;

c)

„Mindestsicherung“ ein beitragsunabhängiges und bedürftigkeitsabhängiges Sicherheitsnetz im Rahmen der Sozialschutzsysteme als letzte Möglichkeit für Personen ohne ausreichende Mittel;

d)

„Abdeckung“ den Anspruch auf Mindestsicherung gemäß der Definition in den nationalen Rechtsvorschriften;

e)

„Inanspruchnahme“ der Anteil der Personen ohne ausreichende Mittel, die Anspruch auf Mindestsicherung haben und diese tatsächlich beanspruchen;

f)

„unterstützende Dienstleistungen“ Dienstleistungen, die auf spezifische Bedürfnisse von Personen ohne ausreichende Mittel ausgerichtet sind und die deren Befähigung zur Integration in die Gesellschaft und gegebenenfalls in den Arbeitsmarkt zum Ziel haben, einschließlich Dienstleistungen zur sozialen Inklusion, z. B. Sozialarbeit, Beratung, Coaching, Mentoring, psychologische Unterstützung, Rehabilitation und andere allgemeine unterstützende Dienstleistungen, einschließlich frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung, Gesundheitsversorgung, Langzeitpflege, allgemeiner und beruflicher Bildung und Wohnraumbeschaffung;

g)

„wesentliche Dienstleistungen“ Dienstleistungen, die Wasser-, Sanitär- und Energieversorgung, Verkehrsdienste, Finanzdienstleistungen und digitale Kommunikation umfassen;

h)

„effektiver Zugang zu Dienstleistungen“ eine Situation, in der einschlägige Dienstleistungen leicht verfügbar, erschwinglich, zugänglich und von guter Qualität sind sowie zügig bereitgestellt werden, wobei die potenziellen Nutzer gleichberechtigten Zugang zu diesen Dienstleistungen haben und über deren Existenz sowie den Anspruch darauf informiert sind;

i)

„Inklusionsplan“ eine Vereinbarung oder eine Reihe von Vereinbarungen mit Personen ohne ausreichende Mittel mit dem Ziel, ihre soziale Inklusion bzw. bei Personen, die in der Lage sind zu arbeiten, ihre Integration in den Arbeitsmarkt zu fördern.

ANGEMESSENHEIT DER EINKOMMENSUNTERSTÜTZUNG

3.

Es wird empfohlen, dass Mitgliedstaaten, robuste soziale Sicherheitsnetze bereitstellen und, wenn nötig, verstärken, die in allen Lebensabschnitten ein Leben in Würde gewährleisten, die angemessene Einkommensunterstützung durch Mindestsicherungsleistungen und andere damit verbundene Geldleistungen — und Sachleistungen kombinieren und den effektiven Zugang zu unterstützenden und wesentlichen Dienstleistungen ermöglichen. Eine solide Einkommensunterstützung kann durch die Bereitstellung von Sachleistungen unterstützt werden.

4.

Im Hinblick auf eine angemessene Einkommensunterstützung wird empfohlen, dass Mitgliedstaaten die Höhe der Mindestsicherung im Rahmen einer transparenten, soliden und im Einklang mit dem nationalen Recht festgelegten Methodik unter Einbeziehung einschlägiger Interessenvertreter festsetzen. Dabei sollte die Methodik Folgendes berücksichtigen: allgemeine Einkommensquellen, besondere Bedürfnisse benachteiligter Haushalte, Einkommen von Geringverdienenden oder Personen mit Mindestlohn, Lebensstandard und Kaufkraft, Preisniveau und damit verbundene Entwicklungen sowie sonstige relevante Elemente.

5.

Es wird empfohlen, dass — unter Wahrung von Anreizen für die (Wieder-)Eingliederung von Personen, die in der Lage sind zu arbeiten, in den Arbeitsmarkt und ihren Verbleib auf dem Arbeitsmarkt — die Einkommensunterstützung für Personen ohne ausreichende Mittel schrittweise ein Niveau erreicht, das mindestens einem der folgenden Niveaus entspricht:

a)

der nationalen Armutsgefährdungsschwelle; oder

b)

dem Geldwert notwendiger Güter und Dienstleistungen, einschließlich angemessener Ernährung, Wohnraum, Gesundheitsversorgung und wesentlicher Dienstleistungen, gemäß den nationalen Definitionen; oder

c)

anderen, mit den unter Buchstaben a oder b genannten Niveaus vergleichbare Niveaus, die in einzelstaatlichen Rechtsvorschriften festgelegt sind bzw. einzelstaatlichen Gepflogenheiten entsprechen.

6.

Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, bis spätestens 2030 schrittweise ein angemessenes Niveau der Einkommensunterstützung gemäß Nummer 5 zu erreichen und gleichzeitig die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen wahren.

7.

Es wird empfohlen, dass die Mitgliedstaaten die Höhe der Mindestsicherung regelmäßig überprüfen und sie gegebenenfalls anpassen, um die Angemessenheit der Einkommensunterstützung aufrechtzuerhalten, und dabei auch Sachleistungen berücksichtigen.

8.

Im Hinblick auf die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter, der Einkommenssicherheit und der wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Frauen, jungen Erwachsenen und Menschen mit Behinderungen wird empfohlen, dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass auf Antrag die Mindestsicherung auch einzelnen Haushaltsmitgliedern gewährt werden kann.

ABDECKUNG DURCH DIE MINDESTSICHERUNG

9.

Es wird empfohlen, dass Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass alle Personen ohne ausreichende Mittel, einschließlich junger Erwachsener, durch eine Mindestsicherung geschützt sind, die gesetzlich festgeschrieben ist; dabei sollte Folgendes festgelegt sein:

a)

transparente und nichtdiskriminierende Anspruchskriterien, die den effektiven Zugang zur Mindestsicherung unabhängig vom Bestehen eines ständigen Wohnsitzes gewährleisten, wobei gleichzeitig sichergestellt wird, dass die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts verhältnismäßig ist;

b)

Schwellenwerte für die Bedürftigkeitsprüfung, die den Lebensstandard in einem Mitgliedstaat für verschiedene Arten und Größen von Haushalten widerspiegeln und andere Arten von Einkommen (und Vermögenswerten) des Haushalts in angemessener Weise berücksichtigen;

c)

Bearbeitungszeit für einen Antrag, wobei sicherzustellen ist, dass die Entscheidung ohne unnötige Verzögerung und in der Praxis spätestens 30 Tage nach Einreichung des Antrags ergeht;

d)

die Kontinuität des Zugangs zur Mindestsicherung, solange Personen ohne ausreichende Mittel die gesetzlich festgelegten Anspruchskriterien und -voraussetzungen erfüllen, wobei die Anspruchsvoraussetzungen regelmäßig überprüft werden und Personen, die in der Lage sind zu arbeiten, Zugang zu spezifischen und verhältnismäßigen Maßnahmen für eine aktive Inklusion gewährt wird;

e)

einfache, schnelle, unparteiische und kostenlose Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren, wobei sicherzustellen ist, dass Personen ohne ausreichende Mittel entsprechend unterrichtet sind und effektiven Zugang zu solchen Verfahren haben;

f)

Maßnahmen, die gewährleisten, dass mit den sozialen Sicherheitsnetzen auf verschiedene Arten von Krisen reagiert werden kann und negative sozioökonomische Folgen solcher Krisen wirksam abgefedert werden können.

INANSPRUCHNAHME DER MINDESTSICHERUNG

10.

Es wird empfohlen, dass die Mitgliedstaaten die uneingeschränkte Inanspruchnahme der Mindestsicherung durch folgende Maßnahmen fördern oder erleichtern:

a)

Verringerung des Verwaltungsaufwands, unter anderem durch die Vereinfachung der Antragsverfahren und die Gewährleistung einer schrittweisen Anleitung für diejenigen, die eine solche benötigen, wobei auf die Verfügbarkeit digitaler und nicht digitaler Instrumente zu achten ist;

b)

Gewährleistung des Zugangs zu benutzerfreundlichen, kostenlosen und aktualisierten Informationen über Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Mindestsicherung;

c)

Kontaktaufnahme mit Personen ohne ausreichende Mittel, um sie für die Leistungen zu sensibilisieren und die Inanspruchnahme, insbesondere durch Alleinerziehende, zu erleichtern, unter anderem durch die Einbeziehung einschlägiger Interessenvertreter auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene;

d)

Bekämpfung von Stigmatisierung und unbewusster Voreingenommenheit im Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung;

e)

Einleitung von Schritten zur Verbesserung oder Entwicklung von Beurteilungsmethoden und regelmäßige Bewertung der Nichtinanspruchnahme der Mindestsicherung mit diesen Methoden und, wenn angebracht, damit verbundener Maßnahmen zur Aktivierung für den Arbeitsmarkt, um Hindernisse zu ermitteln und Abhilfemaßnahmen einzuführen.

ZUGANG ZU INKLUSIVEN ARBEITSMÄRKTEN

11.

Um eine hohe Beschäftigungsquote und inklusive Arbeitsmärkte zu fördern, wird empfohlen, dass Mitgliedstaaten — gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern — Maßnahmen zur Aktivierung für den Arbeitsmarkt ergreifen, Hindernisse für den (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt bzw. für den Verbleib auf dem Arbeitsmarkt beseitigen, Menschen, die in der Lage sind zu arbeiten, auf ihrem Weg zu einer hochwertigen Beschäftigung unterstützen, Arbeitsanreize schaffen, Armut trotz Erwerbstätigkeit und Arbeitsmarktsegmentierung bekämpfen, Anreize für eine reguläre Beschäftigung schaffen, gegen nicht angemeldete Erwerbstätigkeit vorgehen und Beschäftigungsmöglichkeiten vermitteln, indem:

a)

gewährleistet wird, dass die Aktivierungsanforderungen ausreichende Anreize für den (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt bieten, aufeinander aufbauen und verhältnismäßig sind; besondere Aufmerksamkeit sollte jungen Erwachsenen gewidmet werden, damit sie so schnell wie möglich in die allgemeine und berufliche Bildung oder auf den Arbeitsmarkt zurückkehren;

b)

Investitionen in Humankapital durch inklusive Maßnahmen der allgemeinen und beruflichen Bildung, Förderung von Weiterbildung und Umschulung, insbesondere von Personen mit geringen oder veralteten Kompetenzen, verbessert werden — auch durch Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern;

c)

die Möglichkeit vorgesehen wird, Einkommensunterstützung mit Einkünften aus Arbeit zu kombinieren, die Einkommensunterstützung schrittweise einzustellen oder den Anspruch darauf während kurzer oder sporadischer Arbeit, Probezeiten oder Praktika zu behalten;

d)

die Anreize und Negativanreize, die sich aus den Steuer- und Sozialleistungssystemen ergeben, regelmäßig überprüft werden;

e)

Beschäftigungsmöglichkeiten im Bereich der Sozialwirtschaft unterstützt werden, unter anderem durch die Vermittlung praktischer Arbeitserfahrung;

f)

der Übergang in eine Beschäftigung durch ein Maßnahmenangebot für Arbeitgeber und Arbeitnehmer erleichtert wird, wie z. B. Einstellungsanreize, Unterstützung vor bzw. nach der Stellenvermittlung, Mentoring, Beratung, Förderung des Arbeitsplatzerhalts und des beruflichen Aufstiegs.

ZUGANG ZU UNTERSTÜTZENDEN UND WESENTLICHEN DIENSTLEISTUNGEN

12.

Es wird empfohlen, dass Mitgliedstaaten Folgendes sicherstellen:

a)

einen effektiven und gleichberechtigten Zugang zu unterstützenden Dienstleistungen, auch im Einklang mit den Qualitätsgrundsätzen, die im freiwilligen europäischen Qualitätsrahmen für Sozialdienstleistungen festgelegt sind;

b)

Gewährleistung eines kontinuierlichen effektiven Zugangs zu wesentlichen Dienstleistungen, einschließlich Energie;

c)

Beseitigung finanzieller und nichtfinanzieller Hindernisse für einen effektiven Zugang zu unterstützenden und wesentlichen Dienstleistungen.

INDIVIDUELLE UNTERSTÜTZUNG

13.

Um für Personen ohne ausreichende Mittel die vielfältigen Hindernisse auf dem Weg zur sozialen Inklusion und — für Personen, die in der Lage sind zu arbeiten — zur Beschäftigung auszuräumen, wird empfohlen, dass Mitgliedstaaten, einen individualisierten Ansatz entwickeln und die Erbringung von Dienstleistungen koordinieren, und zwar durch folgende Maßnahmen:

a)

Durchführung einer mehrdimensionalen Bedarfsanalyse, bei der zunächst die Hindernisse für soziale Inklusion und Beschäftigung untersucht werden, anschließend unterstützende und wesentliche Dienstleistungen ermittelt werden, die zur Beseitigung dieser Hindernisse notwendig sind, und schließlich die erforderlichen Unterstützungsmaßnahmen festgelegt werden; und

b)

Erstellung eines hierauf basierenden Inklusionsplans — spätestens drei Monate nach der ersten Inanspruchnahme der Mindestsicherung —, in dem

i)

gemeinsame Ziele und Fristen festgelegt werden sollten;

ii)

ein auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittenes Unterstützungspaket dargelegt werden sollte, das aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und/oder Maßnahmen zur Förderung der sozialen Inklusion umfasst;

iii)

ein Fallmanager oder eine einheitliche Anlauf- und Leistungsstelle benannt wird, die für die fortlaufende Unterstützung sorgt, rechtzeitig an zuständige Dienste verweist und die Fortschritte bei der Umsetzung des Inklusionsplans regelmäßig überwacht;

c)

für langzeitarbeitslose Personen ohne ausreichende Mittel die Überprüfung und erforderlichenfalls Anpassung der bestehenden Wiedereingliederungsvereinbarung im Einklang mit der Empfehlung des Rates zur Wiedereingliederung Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt, um die Vereinbarung durch Elemente des Inklusionsplans gemäß Buchstabe b zu ergänzen.

GOVERNANCE, ÜBERWACHUNG UND BERICHTERSTATTUNG

14.

Im Hinblick auf eine wirksame Gestaltung und Umsetzung robuster sozialer Sicherheitsnetze auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene wird empfohlen, dass Mitgliedstaaten,

a)

Lücken, Überschneidungen und Fragmentierung verschiedener Leistungen und Systeme zu vermeiden, um ein kohärentes Paket von Einkommensunterstützung, Aktivierungsmaßnahmen und unterstützenden Dienstleistungen bereitzustellen;

b)

die operativen Kapazitäten der für Einkommensunterstützung zuständigen Behörden, der Arbeitsverwaltungen und der Anbieter unterstützender Dienstleistungen zu stärken und ihre Zusammenarbeit zu verbessern, unter anderem durch die gemeinsame Nutzung von Daten und die Förderung stärker integrierter Dienstleistungsmodelle;

c)

einschlägige Interessenvertreter wie regionale und lokale Behörden, Sozialpartner, Organisationen der Zivilgesellschaft und Akteure der Sozialwirtschaft zur wirksamen Beteiligung an der Gestaltung, Umsetzung, Überwachung und Bewertung von Mindestsicherungsregelungen zu befähigen;

d)

eine angemessene, mit der allgemeinen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen im Einklang stehende Finanzierung der sozialen Sicherheitsnetze sicherzustellen.

15.

Um eine bessere Informationsgrundlage für die Politikgestaltung zu schaffen, wird empfohlen, dass Mitgliedstaaten

a)

die Umsetzung von Strategien zur Einkommensunterstützung, insbesondere der Mindestsicherung, und der zugehörigen Maßnahmen zur Aktivierung für den Arbeitsmarkt sowie den Zugang zu Dienstleistungen fortlaufend überwachen, unter anderem durch die Verbesserung der Verfügbarkeit und Qualität einschlägiger, nach Geschlecht, Alter und, falls verfügbar, Behinderung aufgeschlüsselter Daten auf allen Verwaltungsebenen und durch regelmäßige Bewertungen, sowie Anpassungen vornehmen, um die Ziele dieser Empfehlung so effizient wie möglich zu erreichen;

b)

unter Einhaltung der Datenschutzvorschriften Mechanismen entwickeln oder verbessern, die es ermöglichen, den Werdegang von Personen ohne ausreichende Mittel in Bezug auf ihre soziale Inklusion oder ihren Übergang in eine Beschäftigung zu verfolgen;

c)

die Kommission regelmäßig über die zur Umsetzung dieser Empfehlung eingeleiteten oder geplanten Maßnahmen unterrichten und sich dabei gegebenenfalls auf bestehende nationale Strategien, Pläne oder Berichte stützen, einschließlich jener, die im Rahmen bestehender Berichterstattungsverfahren wie der offenen Methode der Koordinierung, dem Europäischen Semester und anderen einschlägigen Programmplanungs- und Berichterstattungsmechanismen der Union vorgelegt wurden; der erste Bericht sollte die Ergebnisse und Empfehlungen der unter Buchstabe a genannten Bewertungen enthalten.

16.

Der Rat begrüßt die Absicht der Kommission,

a)

weiterhin zusammen mit den Mitgliedstaaten im Ausschuss für Sozialschutz an dem Benchmarking-Rahmen für die Mindestsicherung zu arbeiten und die Verfügbarkeit und Vergleichbarkeit einschlägiger Indikatoren und Daten zu verbessern;

b)

das Voneinander-Lernen und die Verbreitung von Ergebnissen und bewährten Verfahren unter den Mitgliedstaaten zu stärken;

c)

die Fortschritte bei der Umsetzung dieser Empfehlung auf der Grundlage der unter Nummer 15 Buchstabe c genannten Dokumente, im Ausschuss für Sozialschutz sowie im Hinblick auf den Zugang zu inklusiven Arbeitsmärkten in enger Zusammenarbeit mit dem Beschäftigungsausschuss und dem Netzwerk der öffentlichen Arbeitsverwaltungen regelmäßig zu überprüfen und alle drei Jahre einen gemeinsamen Bericht der Kommission und des Ausschusses für Sozialschutz über die Fortschritte bei der Umsetzung dieser Empfehlung auszuarbeiten;

d)

die Fortschritte bei der Umsetzung dieser Empfehlung im Rahmen des Europäischen Semesters und in Zusammenarbeit mit dem Ausschuss für Sozialschutz zu überwachen.

e)

eine Bestandsaufnahme der Maßnahmen vorzunehmen, die als Reaktion auf diese Empfehlung ergriffen wurden, insbesondere im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Verringerung von Armut und sozialer Ausgrenzung, die Erhöhung des Beschäftigungsniveaus und die Verbesserung der Teilnahme an Bildungsmaßnahmen, und dem Rat bis 2030 Bericht zu erstatten.

17.

Die Empfehlung 92/441/EWG wird durch die vorliegende Empfehlung ersetzt.

Geschehen zu Brüssel am 30. Januar 2023.

Im Namen des Rates

Der Präsident

P. KULLGREN


(1)  ABl. C 326 vom 26.10.2012, S. 391.

(2)  Empfehlung 92/441/EWG des Rates vom 24. Juni 1992 über gemeinsame Kriterien für ausreichende Mittel und Sozialhilfe in den Sozialschutzsystemen (ABl. L 245 vom 26.8.1992, S. 46).

(3)  Empfehlung 2008/867/EG der Kommission vom 3. Oktober 2008 zur aktiven Eingliederung von vom Arbeitsmarkt ausgeschlossenen Personen (ABl. L 307 vom 18.11.2008, S. 11).

(4)  Interinstitutionelle Proklamation zur europäischen Säule sozialer Rechte (ABl. C 428 vom 13.12.2017, S. 10).

(5)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte“ (COM(2021) 102 final).

(6)  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. Oktober 2017 über Strategien zu der Sicherstellung des Mindesteinkommens als Mittel zur Armutsbekämpfung (2016/2270(INI)) (ABl. C 346 vom 27.9.2018, S. 156).

(7)  Schlussfolgerungen des Rates vom 12. Oktober 2020„Stärkung der Mindestsicherung zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung in der COVID-19-Pandemie und darüber hinaus“.

(8)  Europäische Kommission, Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration, Gemeinsamer Beschäftigungsbericht 2022, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2022.

(9)  Empfehlung des Rates vom 8. November 2019 zum Zugang zum Sozialschutz für Arbeitnehmer und Selbstständige (ABl. C 387 vom 15.11.2019, S. 1).

(10)  Empfehlung (EU) 2021/1004 des Rates vom 14. Juni 2021 zur Einführung einer europäischen Garantie für Kinder (ABl. L 223 vom 22.6.2021, S. 14).

(11)  Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158 vom 30.4.2004, S. 77).

(12)  Empfehlung des Rates vom 30. Oktober 2020 zum Thema „Eine Brücke ins Arbeitsleben — Stärkung der Jugendgarantie“ und zur Ersetzung der Empfehlung des Rates vom 22. April 2013 zur Einführung einer Jugendgarantie (ABl. C 372 vom 4.11.2020, S. 1).

(13)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Union der Gleichstellung: Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021-2030 vom 3. März 2021 (COM(2021) 101 final).

(14)  A Voluntary European Quality Framework for Social Services (Ein freiwilliger europäischer Qualitätsrahmen für Sozialdienstleistungen), SPC/2010/10 final.

(15)  Empfehlung des Rates vom 15. Februar 2016 zur Wiedereingliederung Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt (ABl. C 67 vom 20.2.2016, S. 1).

(16)  Verordnung (EU) 2021/1057 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Juni 2021 zur Einrichtung des Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1296/2013 (ABl. L 231 vom 30.6.2021, S. 21).

(17)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Bessere Abschätzung der Verteilungsfolgen von Maßnahmen der Mitgliedstaaten“ (COM(2022) 494 final).