28.11.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 307/31


DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2022/2311 DER KOMMISSION

vom 21. Oktober 2022

zur Änderung der in der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 153/2013 festgelegten technischen Regulierungsstandards durch befristete Sofortmaßnahmen in Bezug auf die Anforderungen an Sicherheiten

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (1), insbesondere auf Artikel 46 Absatz 3,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 153/2013 der Kommission (2) enthält technische Regulierungsstandards für die Anforderungen an zentrale Gegenparteien (CCPs), wonach diese lediglich hochliquide Sicherheiten mit einem minimalen Kredit- und Marktrisiko akzeptieren dürfen.

(2)

Die jüngsten Politik- und Marktentwicklungen haben einen signifikanten Anstieg der Preise und der Volatilität auf den Energiemärkten und im Zuge dessen einen deutlichen Anstieg der Einschusszahlungen, die CCPs zur Deckung der entsprechenden Risikopositionen leisten müssen, bewirkt. Diese höheren Einschusszahlungen haben bei nichtfinanziellen Gegenparteien, denen zur Deckung ihrer Einschussanforderungen in der Regel weniger und weniger liquide Vermögenswerte zur Verfügung stehen, zu Liquiditätsengpässen geführt. Diese nichtfinanziellen Gegenparteien sahen sich infolge dessen gezwungen, Positionen entweder abzubauen oder nicht angemessen abzusichern, was sie zusätzlichen Preisschwankungen aussetzt.

(3)

Um unter den derzeitigen Umständen ein reibungsloses Funktionieren der Finanz- und Energiemärkte der Union zu gewährleisten und nichtfinanzielle Gegenparteien, die auf geregelten Gas- und Strommärkten tätig sind, die von in der Union niedergelassenen CCPs gecleart werden, von dem hohen Liquiditätsdruck zu befreien, sollte der Pool anerkannter Sicherheiten, der nichtfinanziellen Clearingmitgliedern zur Verfügung steht, während eines befristeten Zeitraums auf unbesicherte Bankgarantien ausgeweitet werden.

(4)

Um die auf den Märkten für Energiederivate festgestellten Liquiditätsengpässe anzugehen, sollten CCPs auch von öffentlichen Stellen emittierte oder abgesicherte Garantien als anerkannte Sicherheiten für finanzielle und nichtfinanzielle Gegenparteien betrachten, da diese Garantien ein geringes Gegenparteiausfallrisiko aufweisen, unwiderruflich und unbedingt sind und innerhalb der Liquidationsperiode des Portfolios des ausfallenden Clearingmitglieds in Anspruch genommen werden können, sodass sie ein begrenztes Liquiditätsrisiko aufweisen.

(5)

Die Risiken im Zusammenhang mit einer Ausweitung der anerkannten Sicherheiten auf unbesicherte Bankgarantien und öffentliche Garantien dürften begrenzt bleiben, da diese Ausweitung dem Risikomanagement der CCP unterliegen würde und alle anderen anwendbaren Anforderungen der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 153/2013 weiterhin gelten würden.

(6)

Die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 153/2013 sollte daher entsprechend geändert werden.

(7)

Zur weiteren Begrenzung der Risiken, die entstehen, wenn unbesicherte Bankgarantien für nichtfinanzielle Clearingmitglieder und öffentliche Garantien für finanzielle und nichtfinanzielle Clearingmitglieder als anerkannte Sicherheiten akzeptiert werden, sollten diese Maßnahmen befristet sein und für einen Zeitraum von zwölf Monaten gelten, um die Marktteilnehmer zu entlasten und Anreize für ihre Rückkehr an die Märkte zu schaffen.

(8)

Angesichts der jüngsten Marktentwicklungen ist es notwendig, den Pool anerkannter Sicherheiten, der nichtfinanziellen Clearingmitgliedern zur Verfügung steht, so rasch wie möglich auszuweiten. Diese Verordnung sollte daher umgehend in Kraft treten.

(9)

Diese Verordnung beruht auf dem Entwurf technischer Regulierungsstandards, der der Kommission von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) nach Anhörung der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde, des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken und des Europäischen Systems der Zentralbanken vorgelegt wurden.

(10)

Die ESMA hat zu diesem Entwurf weder öffentliche Konsultationen durchgeführt noch die potenziellen Kosten und Vorteile analysiert, da dies gemessen an Umfang und Auswirkungen der anzunehmenden Änderungen und angesichts der Dringlichkeit und des begrenzten Umfangs der vorgeschlagenen Änderungen äußerst unverhältnismäßig gewesen wäre. Die ESMA hat angesichts der Dringlichkeit keine Empfehlung von der nach Artikel 37 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) eingesetzten Interessengruppe Wertpapiere und Wertpapiermärkte eingeholt. Die Interessengruppe Wertpapiere und Wertpapiermärkte wird gemäß dieser Bestimmung entsprechend in Kenntnis gesetzt —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 153/2013 wird wie folgt geändert:

1.

In Artikel 39 wird folgender zweiter Absatz angefügt:

„Bis zum 29. November 2023 werden für die Zwecke von Artikel 46 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 öffentliche Garantien, die die in Anhang I genannten Bedingungen erfüllen, als hochliquide Sicherheiten betrachtet.“

2.

In Artikel 62 Absatz 2 wird folgender Satz angefügt:

„Anhang I Abschnitt 2 Absatz 1 Buchstabe h gilt vom 29. November 2022 bis zum 29. November 2023 jedoch nicht für Geschäfte mit Derivaten im Sinne von Artikel 2 Nummer 4 Buchstaben b und d der Verordnung (EU) Nr. 1227/2011.“

3.

Anhang I wird gemäß dem Anhang der vorliegenden Verordnung geändert.

Artikel 2

Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 21. Oktober 2022

Für die Kommission

Die Präsidentin

Ursula VON DER LEYEN


(1)   ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 1.

(2)  Delegierte Verordnung (EU) Nr. 153/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf technische Regulierungsstandards für Anforderungen an zentrale Gegenparteien (ABl. L 52 vom 23.2.2013, S. 41).

(3)  Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 84).


ANHANG

In Anhang I der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 153/2013 wird folgender Abschnitt 2a eingefügt:

ABSCHNITT 2a

Öffentliche Garantien

„Bis zum 29. November 2023 kann eine öffentliche Garantie, die die in Abschnitt 2 Absatz 2 genannten Bedingungen für eine Zentralbankgarantie nicht erfüllt, gemäß Artikel 46 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 als Sicherheit anerkannt werden, sofern sie alle folgenden Bedingungen erfüllt:

a)

Sie wird explizit von einer der folgenden Stellen emittiert oder garantiert:

i)

von einem Zentralstaat im EWR;

ii)

von regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften im EWR, wenn es aufgrund von deren speziellen Steuererhebungsbefugnissen und aufgrund spezifischer institutioneller Vorkehrungen zur Verringerung ihres Ausfallrisikos in puncto Risiko keinen Unterschied zwischen den Risikopositionen regionaler oder lokaler Gebietskörperschaften und den Risikopositionen des Zentralstaats des betreffenden Mitgliedstaats gibt;

iii)

von der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, vom Europäischen Stabilitätsmechanismus bzw. von der Union;

iv)

von einer in Artikel 117 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (*1) genannten multilateralen Entwicklungsbank mit Sitz in der Union;

b)

die CCP kann nachweisen, dass sie nach einer internen Bewertung ein geringes Kreditrisiko aufweist;

c)

sie lautet auf eine der folgenden Währungen:

i)

eine Währung, für die die CCP gegenüber der zuständigen Behörde nachweisen kann, dass sie zur angemessenen Steuerung des betreffenden Risikos in der Lage ist;

ii)

eine Währung, in der die CCP Transaktionen cleart, innerhalb des Limits der für die Deckung der Risikopositionen der CCP in dieser Währung verlangten Sicherheiten;

d)

sie ist unwiderruflich und unbedingt, und die garantierenden Stellen können sich nicht auf eine Ausnahme oder ein anderes rechtliches oder vertragliches Mittel stützen, um gegen die Auszahlung der Garantie Einspruch zu erheben;

e)

sie kann innerhalb der Liquidationsperiode des Portfolios des ausfallenden Clearingmitglieds, das die Sicherheit stellt, ohne regulatorische, rechtliche oder operative Einschränkungen und ohne einschlägige Forderungen Dritter in Anspruch genommen werden.

Für die Zwecke von Buchstabe b verwendet die CCP bei der dort genannten Bewertung eine definierte und objektive Methode, die nicht vollständig auf externen Stellungnahmen basiert.


(*1)  Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1).“ “