9.12.2022 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
L 317/141 |
EMPFEHLUNG (EU) 2022/2415 DES RATES
vom 2. Dezember 2022
zu Leitprinzipien für die Valorisierung von Wissen
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 182 Absatz 5 und Artikel 292 Sätze 1 und 2,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) |
Am 10. April 2008 nahm die Kommission die Empfehlung 2008/416/EG (1) zum Umgang mit geistigem Eigentum bei Wissenstransfertätigkeiten und für einen Praxiskodex für Hochschulen und andere öffentliche Forschungseinrichtungen an. Der Rat begrüßte und unterstützte in seiner Entschließung vom 30. Mai 2008 diese Empfehlung und den Praxiskodex (2). Durch diese Empfehlung und diesen Praxiskodex erhielten viele öffentlich finanzierte Produzenten von Wissen Auftrieb. Einige Mitgliedstaaten haben strategische Investitionen in die Infrastrukturen und Dienste im Bereich des Wissenstransfers getätigt, z. B. in Technologietransferbüros und andere Vermittler, und manche Mitgliedstaaten haben spezifische Strategien in Bezug auf das geistige Eigentum umgesetzt. Weitere Maßnahmen zur Förderung des Wissenstransfers auf Unionsebene wurden im Rahmen der Innovationsunion (2010) entwickelt. |
(2) |
In den Schlussfolgerungen des Rates vom 29. Mai 2018 zur „Beschleunigung des Wissensaustauschs in der EU“ wurde festgehalten, dass die Union das von ihr hervorgebrachte einschlägige wissenschaftliche und technologische Wissen in vollem Umfang nutzen und sicherstellen muss, dass die Übertragung der Ergebnisse von Projekten im Bereich Forschung und Entwicklung (FuI) auf Gesellschaft und Wirtschaft wirksamer erfolgt, sodass die Wirkung von FuI-Investitionen maximiert wird. Der Rat ersuchte die Mitgliedstaaten zudem, die Anstrengungen zu intensivieren, um bewährte Verfahren im Hinblick auf den Wissenstransfer zu prüfen und auszutauschen, und forderte die Kommission auf, eine Strategie für die Verbreitung und die praktische Nutzung der Ergebnisse von FuI-Projekten zu entwickeln und umzusetzen, um die Verfügbarkeit und Nutzung dieser Ergebnisse weiter zu steigern und ihre etwaige Übernahme zu beschleunigen. |
(3) |
In der Mitteilung der Kommission vom 10. März 2020 mit dem Titel „Eine neue Industriestrategie für Europa“ und deren aktualisierter Fassung von 2021 wurde die Bedeutung des Umgangs mit geistigem Eigentum hervorgehoben, indem insbesondere die Forschungsgemeinschaft für geistiges Eigentums sensibilisiert wird und eine Normungsstrategie als Fundament für eine entschlossenere Haltung in Bezug auf die Interessen der Union angekündigt wird. Zu den wichtigsten Prioritäten des Aktionsplans der Union für geistiges Eigentum vom 25. November 2020 (3) zur Förderung von Erholung und Resilienz der Union gehören die Förderung einer wirksamen Nutzung und Verbreitung von Rechten des geistigen Eigentums sowie die Sicherstellung des leichteren Zugangs zu und der gemeinsamen Nutzung von durch Rechte des geistigen Eigentums geschützten Vermögenswerten in Krisenzeiten. |
(4) |
In der Normungsstrategie der Union wird betont, wie wichtig es ist, Forschende und Innovatoren für die strategische Bedeutung der Normung zu sensibilisieren und die FuI-Gemeinschaft frühzeitig in die Entwicklung von Normen einzubeziehen, um so einschlägiges Fachwissen und einschlägige Kompetenzen im Normungsbereich aufzubauen. In der Strategie heißt es ferner, dass die Kommission einen europäischen Verhaltenskodex für Forschende im Bereich Normung ausarbeiten wird, um Normung und FuI stärker zu verknüpfen. |
(5) |
In den Schlussfolgerungen des Rates vom 1. Dezember 2020 zum „Neuen Europäischen Forschungsraum“ wurde festgestellt, dass zusätzliche Anstrengungen erforderlich sind, um die intellektuellen und wissenschaftlichen Vorteile der Union in neue Produkte und Dienstleistungen umzusetzen, die den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht werden. Der Rat begrüßte die Initiative der Kommission, die Empfehlung 2008/416/EG im Einklang mit der neuen Industriestrategie für Europa zu überarbeiten. |
(6) |
In den Schlussfolgerungen des Rates vom 28. Mai 2021 zur „Vertiefung des Europäischen Forschungsraums: Schaffung attraktiver und nachhaltiger Laufbahnen und Arbeitsbedingungen für Forschende und Verwirklichung der Mobilität Hochqualifizierter“ wird betont, dass Reformen der nationalen Forschungssysteme unterstützt werden müssen, um die Attraktivität von Forschungslaufbahnen zu gewährleisten, die Unterschiede bei der Entlohnung anzugehen und gleichzeitig die Belohnungs- und Beurteilungssysteme zu verbessern. |
(7) |
Die Empfehlung (EU) 2021/2122 des Rates zu einem „Pakt für Forschung und Innovation in Europa“ (4) wurde die Valorisierung von Wissen als einer der Prioritätsbereiche für gemeinsame Maßnahmen zur Förderung des Europäischen Forschungsraums (EFR) genannt. In dem Pakt werden auch die Wertschöpfung sowie die gesellschaftliche und wirtschaftliche Wirkung als Teil der gemeinsamen Werte und Grundsätze im Bereich FuI in der Union anerkannt, die die Mitgliedstaaten bei der Entwicklung ihrer FuI-Systeme berücksichtigen sollten. |
(8) |
Die politische Agenda für den Europäischen Forschungsraum für den Zeitraum 2022–2024, die den Schlussfolgerungen des Rates vom 26. November 2021 zur künftigen Governance des Europäischen Forschungsraums (EFR) beigefügt ist, enthält eine Maßnahme zur „Aktualisierung der EU-Leitlinien für eine bessere Valorisierung von Wissen“. Das erste Ergebnis dieser Maßnahme soll die „Entwicklung und Billigung von Leitprinzipien für die Valorisierung von Wissen“ sein. Die Maßnahme umfasst auch die Entwicklung eines Verhaltenskodex für die intelligente Nutzung von geistigem Eigentum und eines Verhaltenskodex für Forschende im Bereich Normung, mit denen detailliertere Leitlinien für die Umsetzung bestimmter Aspekte der Wissensvalorisierung gegeben werden sollen. |
(9) |
Offene Wissenschaft, die ein in der Verordnung (EU) 2021/695 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) festgelegter Ansatz für das wissenschaftliche Verfahren ist, der auf offener kooperativer Arbeit, Instrumenten und der Verbreitung von Wissen beruht, ist eine Standardmethode für die Arbeit im Rahmen der FuI-Rahmenprogramme der Union und gemäß der Empfehlung (EU) 2021/2122 ein weiterer Schwerpunktbereich für gemeinsame Maßnahmen. In der Empfehlung (EU) 2018/790 der Kommission (6) werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, nationale Strategien für die Verbreitung und den freien Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen sowie für die Verwaltung mit Forschungsdaten, insbesondere über die Europäische Cloud für offene Wissenschaft, festzulegen und umzusetzen. Im Abschlussbericht zur Plattform für eine Politik der offenen Wissenschaft (7) wird die verstärkte Sensibilisierung für den Wert des geistigen Eigentums und den Umgang mit durch Rechte des geistigen Eigentums geschützten Vermögenswerten unter den Punkten aufgeführt, die ein gemeinsames Forschungssystem für Innovation umfassen sollte. In den Schlussfolgerungen des Rates vom 10. Juni 2022 zur „Forschungsbewertung und Umsetzung der offenen Wissenschaft“ wird vorgeschlagen, dass bei der Entwicklung der Systeme der Forschungsbewertung in Europa auch die Valorisierung von Wissen berücksichtigt werden sollte. |
(10) |
In der Mitteilung der Kommission vom 19. Februar 2020 mit dem Titel „Eine europäische Datenstrategie“ werden der öffentliche Sektor und die Unternehmen nachdrücklich aufgefordert, die aus den Daten erwachsende Chance für soziales und wirtschaftliches Wohlergehen wahrzunehmen, und die Auffassung vertreten, dass dieses Datenpotenzial genutzt werden sollte, um den Bedürfnissen des Einzelnen gerecht zu werden und somit eine Wertschöpfung für die Wirtschaft und Gesellschaft zu bewirken. Die datengetriebene Innovation kann den Bürgerinnen und Bürgern enorme Vorteile bringen, beispielsweise durch eine verbesserte personalisierte Medizin, durch eine neue Mobilität und durch ihren Beitrag zum europäischen Grünen Deal. |
(11) |
In der Mitteilung der Kommission vom 29. April 2021 mit dem Titel „Bessere Rechtsetzung: Mit vereinten Kräften für bessere Rechtsvorschriften“ wird hervorgehoben, dass wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Eckpfeilern einer besseren Rechtsetzung zählen und für eine genaue Beschreibung des Problems, für ein echtes Verständnis der Kausalität und damit der Interventionslogik sowie für die Bewertung der Auswirkungen unerlässlich sind. Hochwertige Forschung kann nicht sehr kurzfristig erfolgen; um sicherzustellen, dass relevante Erkenntnisse zur Verfügung stehen, wenn sie benötigt werden, muss der Bedarf an Erkenntnissen daher besser antizipiert und koordiniert werden. Hierzu gehört auch, die Wissenschaft besser zu mobilisieren und in den Regulierungsprozess einzubeziehen. |
(12) |
Die Förderung von Querschnittskompetenzen wie Unternehmergeist, Kreativität, kritisches Denken und bürgerschaftliches Engagement gehört zu den Zielen der Mitteilungen der Kommission „über die Vollendung des europäischen Bildungsraums bis 2025“, „über eine europäische Hochschulstrategie“ und über eine „Europäische Kompetenzagenda für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz“. Im strategischen Rahmen für den europäischen Bildungsraum werden die Zusammenarbeit und das Peer-Learning zwischen den Mitgliedstaaten und wichtigen Akteuren gefördert, beispielsweise in Form von Arbeitsgruppen. |
(13) |
Das FuI-Ökosystem hat sich seit der Empfehlung 2008/416/EG der Kommission, die sich in erster Linie an öffentliche Forschungseinrichtungen (8) richtet, grundlegend verändert. Eine Aktualisierung ist erforderlich, um den Schwerpunkt auf die Wertmaximierung aller Wissensgüter zu legen, die von verschiedenen Arten von Akteuren in einem dynamischen FuI-Ökosystem generiert werden. Neue Herausforderungen und Entwicklungen sollten angegangen werden; dazu gehören beispielsweise die immer komplexeren Wissenswertschöpfungsketten, durch neue Technologien entstehende neue Marktchancen, neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Industrie und Hochschulen sowie zwischen dem öffentlichen Sektor und Hochschulen, die Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern sowie die ausländische Einflussnahme auf FuI und die Gegenseitigkeit bei der Verwaltung geistiger Vermögenswerte im Rahmen der internationalen FuI-Zusammenarbeit. |
(14) |
Die Vielfalt der Kanäle und Instrumente für die Valorisierung von Wissen (9) sollte berücksichtigt werden, um auf Nachhaltigkeit, gesellschaftliche Herausforderungen und andere sektorspezifische politische Prioritäten einzugehen und eine multidisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern, die sich nicht auf die herkömmliche Domäne des Wissenstransfers in Technologiebereichen beschränkt, sondern auch Bereiche wie die Sozialwissenschaften, die Geisteswissenschaften und die Künste einbezieht, einschließlich unter Betrachtung der Querverbindungen zwischen Sozial-, Umwelt- und Wirtschaftspolitik. |
(15) |
Ziel der Leitprinzipien für die Valorisierung von Wissen sollte es sein, eine gemeinsame Linie für Maßnahmen und politische Initiativen zur Verbesserung der Wissensvalorisierung in der Union festzulegen, indem insbesondere a) der Kreis der Akteure und der Umfang der Tätigkeiten gegenüber der Empfehlung 2008/416/EG ausgeweitet wird, b) eine Schwerpunktsetzung auf das gesamte FuI-Ökosystem und dessen Verbindungen, die gemeinsame Gestaltung durch Akteure und die Wertschöpfung für die Gesellschaft verankert wird, c) der Anwendungsbereich der Leitlinien dahingehend ausgeweitet wird, dass sie sich auch auf die Verwaltung geistiger Vermögenswerte erstrecken und herausgestellt wird, wie wichtig die Entwicklung unternehmerischer Kultur, Vorgehensweisen und Kompetenzen ist, und d) die neuen Erfordernisse zur Steigerung der Wirkung von FuI hervorgehoben werden, indem beispielsweise auf neue und fortbestehende politische Herausforderungen eingegangen wird, die Bürgerbeteiligung verstärkt wird und die verschiedenen FuI-Akteure bewährte Verfahren austauschen. |
(16) |
Die wichtigsten Konzepte sollten in den Leitprinzipien für die Valorisierung von Wissen folgendermaßen bestimmt werden: Die „Valorisierung von Wissen“ ist der Prozess der Schaffung von sozialen und wirtschaftlichen Werten aus Wissen, indem verschiedene Bereiche und Sektoren miteinander verknüpft und Daten, Know-how und Forschungsergebnisse in nachhaltige Produkte, Dienstleistungen, Lösungen und wissensbasierte Strategien umgewandelt werden, die Nutzen für die Gesellschaft bringen. Die Konzentration auf die Wissensvalorisierung macht es erforderlich, den Anwendungsbereich der Empfehlung 2008/416/EG auf das gesamte FuI-Ökosystem und den immer vielfältigeren Kreis seiner Akteure auszuweiten. Die Valorisierung von Wissen ist ein Paradigmenwechsel im Hinblick darauf, dass neue Aspekte berücksichtigt werden, durch die der Wert bestehender und künftiger FuI und Wissensgüter, einschließlich des impliziten Wissens, also des Wissens, das nicht als Information in Form von Dokumentation, wissenschaftlichen Unterlagen, Vorträgen, Konferenzen oder über andere Kommunikationskanäle kodifiziert und weitergegeben werden kann, maximiert wird. Dieses Wissen wird zwischen Personen in einem gemeinsamen sozialen Kontext und in räumlicher Nähe wirksamer weitergegeben (10). Die Wissensvalorisierung wird Vorteile für die Politikgestaltung mit sich bringen und neue Methoden zur Überwachung und Bewertung von FuI durch die Entwicklung von Indikatoren und Bewertungsinstrumenten ermöglichen. Sie wird sich auf die Finanzierung von FuI auswirken und einen Mehrwert für Wissenschaft und Forschung und deren Ergebnisse schaffen. Voraussetzung für die Wissensvalorisierung ist, dass Akteure des FuI-Ökosystems sowie die Nutzer oder Begünstigten von Wissen und Innovation mitwirken, wobei die Nutzung und Weiterverwendung von Wissen und die gegenseitige Bereicherung durch Wissen über verschiedene Sektoren hinweg zum Nutzen der Gesellschaft einen besonderen Schwerpunkt bildet. Daher stellt die Valorisierung von Wissen ein weiter gefasstes Konzept als die Verbreitung von Wissen dar und geht damit einher, dass Wissen und Ergebnisse bekannt und zugänglich gemacht werden. Schließlich dürfte die Wissensvalorisierung zur Verwirklichung der Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (11) und zum europäischen Grünen Deal beitragen. Als „geistige Vermögenswerte“ gelten alle Ergebnisse, Dienstleistungen oder Produkte, die durch FuI-Tätigkeiten generiert werden, wie Patente, Urheberrechte, Marken, Veröffentlichungen, Daten, Know-how, Prototypen, Prozesse, Verfahrensweisen, Technologien, Erfindungen, Software oder Geschäftsmodelle. Wenn der Schwerpunkt weiter gefasst wird, sodass er nicht mehr allein auf der Verwaltung und dem Schutz von Rechten des geistigen Eigentums liegt, werden auch die Chancen für die Wertschöpfung steigen. Um den vollen Wert der durch FuI-Tätigkeiten generierten geistigen Vermögenswerte nutzen zu können, müssen Organisationen, die FuI-Tätigkeiten durchführen, geistige Vermögenswerte im weiteren Sinne verwalten, und zwar sowohl jene, die rechtlich geschützt werden können, wie Patente, Urheberrechte, Marken, als auch andere geistige Vermögenswerte, die im Rahmen von Valorisierungsaktivitäten genutzt werden könnten. Dazu müssen Strategien für die Verwaltung dieser geistigen Vermögenswerte und die Förderung spezifischer und bereichsübergreifender Kompetenzen entwickelt werden, damit das volle Potenzial der generierten geistigen Vermögenswerte ausgeschöpft werden kann. Eine effiziente Verwaltung geistiger Vermögenswerte ist Voraussetzung für eine effiziente Wissensvalorisierung. |
(17) |
Der Grundsatz der Offenheit unterstützt die Wertschöpfung, und der Einsatz von Instrumenten für die Verwaltung geistiger Vermögenswerte kann zu einer besseren Nutzung der Ergebnisse führen, einen positiven Beitrag zur Innovation leisten und den Mehrwert wissenschaftlicher Ergebnisse insgesamt steigern (12). Da für wissenschaftliche Daten — solange die Vorschriften über das geistige Eigentum eingehalten werden — der Grundsatz „so offen wie möglich und so geschlossen wie nötig“ gilt, ist es wichtig anzuerkennen, dass sowohl die offene Wissenschaft als auch die offene Innovation, deren grundlegende Prämisse es ist, den Innovationsprozess für alle aktiven Akteure zu öffnen, sodass Wissen freier ausgetauscht und in Produkte und Dienstleistungen umgewandelt werden kann, mit denen neue Märkte geschaffen werden, wodurch eine stärkere Kultur der unternehmerischen Initiative gefördert wird (13), die Instrumente für die Verwaltung geistiger Vermögensgegenstände nutzen und auf sie zurückgreifen. Die sinnvolle Nutzung von Forschungsergebnissen zur Schaffung sozioökonomischer Vorteile wird auch den Gesamtnutzen und die Bedeutung der wissenschaftlichen Forschung für die Gesellschaft erhöhen. |
(18) |
Vorgehensweisen, Prozesse, Fähigkeiten und Kompetenzen von Unternehmen sowie jene, die die Zusammenarbeit mit Bürgerinnen und Bürgern, der Zivilgesellschaft und den politischen Entscheidungsträgern erleichtern, sind notwendige Bestandteile erfolgreicher Initiativen zur Valorisierung von Wissen. Um aus Wissen einen neuen Wert zu schaffen — unabhängig davon, ob es sich dabei um inkrementelle oder disruptive Innovationen, faktenbasierte Politikgestaltung oder das Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger handelt — sind Einstellungen, Verfahrensweisen bzw. eine Kultur des proaktiven/unternehmerischen sowie des auf gemeinsame Gestaltung und sektorübergreifend ausgerichteten Engagements erforderlich, zusammen mit unternehmerischen Anstrengungen in einigen oder allen Phasen des Valorisierungsprozesses. Auf diese Weise könnte der Valorisierungsprozess dahingehende Anpassungen in den Bildungssystemen und Laufbahnen von Forschenden anstoßen, dass diese stärker auf die Förderung von Fähigkeiten, Kompetenzen und Verhaltensweisen ausgerichtet sind, die zu mehr Kreativität und gesellschaftlicher Wertschöpfung führen würden. Die Entwicklung und Nutzung unternehmerischer Ansätze und von an Vielfalt und Beteiligung/Kooperation orientierter Ansätze ist daher wichtig für eine wirksame Valorisierung. |
(19) |
Unternehmerische Prozesse und Methoden sind experimentelle Entdeckungen und über Organisationsgrenzen hinweg gemeinsam geschaffene Maßnahmen, bei denen viele einander ergänzende Kompetenzen eine Rolle spielen. In diesem Zusammenhang wird der unternehmerische Prozess als eine an der Entdeckung orientierte Methode betrachtet, mit der markt- und gesellschaftsbezogene Herausforderungen und Chancen angegangen werden, indem geistige Vermögenswerte für eine gegebene Gruppe von Interessenträgern experimentell weiterentwickelt und in neuartige und nützliche Werte (Innovationen) umgewandelt werden. Für solche Prozesse und Methoden sind die notwendigen sozialen und unternehmerischen Kompetenzen und Fähigkeiten erforderlich, um sozialen Wissensübertragungseffekten über die Kommerzialisierung hinaus den Weg zu ebnen. Die Nutzung von auf der offenen Methode beruhenden Koordinierungsnetzen, Werkzeugen und Instrumenten des EFR und des strategischen Rahmens für den europäischen Bildungsraum wird die Wissensvalorisierung und die Entwicklung entsprechender Kompetenzen fördern. |
(20) |
Die Leitprinzipien sollten daher die Entwicklung, Nutzung und Verwaltung unternehmerischer Vorgehensweisen, Prozesse und Kompetenzen auf allen an der Wissensvalorisierung beteiligten gesellschaftlichen Ebenen des privaten und des öffentlichen Sektors abdecken. Dieser neue Anwendungsbereich erfordert, dass die politischen Entscheidungsträger ihre politischen Ziele entsprechend anpassen und neue Ansätze einführen, die für die Valorisierung von Wissen notwendig sind. Diese Leitprinzipien sollen die politischen Entscheidungsträger in den Mitgliedstaaten dabei unterstützen, diese Anforderungen zu erfüllen. |
(21) |
Die Leitprinzipien dieser Empfehlung sollten also für politische Initiativen gelten, die sich an alle an FuI-Tätigkeiten beteiligten Kategorien von Akteuren des Ökosystems richten, unter anderem:
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(22) |
Die Leitprinzipien sollten so formuliert werden, dass sie für alle oder die meisten der in Erwägungsgrund 21 aufgeführten Kategorien anwendbar sind. Die Umsetzung der Prinzipien sollte durch Verhaltenskodizes -einen Verhaltenskodex für die intelligente Nutzung von geistigem Eigentum sowie einen Verhaltenskodex für Forschende im Bereich Normung — an die jeweiligen Zielakteure angepasst werden. Bei Bedarf könnten zusammen mit den Interessenträgern weitere einschlägige Verhaltenskodizes erstellt werden. |
(23) |
Die Leitprinzipien sollten nicht-verbindlicher Art sein. Bei ihrer Anwendung sollte das Völkerrecht, das Unionsrecht und das nationale Recht geachtet werden, und sie sollten bei den Bemühungen, den Rechtsrahmen der Union so zu gestalten, dass er die Wissensvalorisierung unterstützt, berücksichtigt werden. Die Leitprinzipien sollten im Interesse eines möglichst breiten gesellschaftlichen Nutzens angewendet werden, wozu auch gehört, dass sie zu einer nachhaltigen Gesellschaft im Einklang mit den Leitlinien der Union zur Bekämpfung von ausländischer Einflussnahme auf FuI beitragen sollten (14). Nach Möglichkeit und je nach Kontext sollten bei den Valorisierungsaktivitäten neben herkömmlichen Gewinntreibern auch die Bedürfnisse der Gesellschaft und der Nutzen für die Gesellschaft berücksichtigt werden. Ein Beispiel dafür ist die sozialverträgliche Lizenzierung, bei der im Rahmen der Lizenzierung von geistigen Vermögenswerten sichergestellt werden sollte, dass die Preisfestsetzung für die Endprodukte und Dienstleistungen nicht deren Erschwinglichkeit beeinträchtigt. Die Leitprinzipien sollten darauf ausgerichtet sein, den Wert von FuI-Investitionen über den herkömmlichen Wissenstransfer hinaus zu maximieren und alle Akteure des FuI-Ökosystems einzubinden. |
(24) |
Die Valorisierung von Wissen ist ein komplexer Prozess, der erhebliche Ressourcen erfordert, wenn sichergestellt werden soll, dass in der Union das erforderliche Spektrum an Kompetenzen und skalierbaren Kapazitäten entwickelt wird und Bestand hat. Voraussetzung dafür sind kontinuierliche und verstärkte Investitionen in die Aus- und Weiterbildung von Fachleuten und Förderern für den Wissenstransfer und die Wissensvermittlung, die als Vermittler zwischen den betreffenden FuI-Akteuren agieren. Dabei ist besonders wichtig, auch KMU dafür zu gewinnen, dass sie sich im Rahmen starker nationaler und regionaler Innovationsökosysteme einbringen. Darüber hinaus sollte die Proaktivität von Start-up-Unternehmen und Scale-up-Unternehmen jeder Größe gefördert und Überzeugungsarbeit zur Risikobereitschaft von Partnern aus der Industrie geleistet werden — |
EMPFIEHLT,
dass die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission die folgenden Leitprinzipien für die Valorisierung von Wissen anwenden:
1. |
Valorisierung von Wissen in der Forschungs- und Innovationspolitik
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2. |
Fähigkeiten und Kompetenzen
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3. |
Anreizsystem
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4. |
Verwaltung geistiger Vermögenswerte
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5. |
Relevanz in öffentlichen Finanzierungsprogrammen
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6. |
Peer-Learning
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7. |
Leistungsparameter, Überwachung und Bewertung
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Die Empfehlung 2008/416/EG wird durch die vorliegende Empfehlung ersetzt.
Geschehen zu Brüssel am 2. Dezember 2022.
Im Namen des Rates
Der Präsident
J. SÍKELA
(1) Empfehlung 2008/416/EG der Kommission vom 10. April 2008 zum Umgang mit geistigem Eigentum bei Wissenstransfertätigkeiten und für einen Praxiskodex für Hochschulen und andere öffentliche Forschungseinrichtungen (ABl. L 146 vom 5.6.2008, S. 19).
(2) Entschließung des Rates zum Umgang mit geistigem Eigentum bei Wissenstransfertätigkeiten und für einen Praxiskodex für Hochschulen und andere öffentliche Forschungseinrichtungen.
(3) Das Innovationspotenzial der EU optimal nutzen — Aktionsplan für geistiges Eigentum zur Förderung von Erholung und Resilienz der EU.
(4) Empfehlung (EU) 2021/2122 des Rates vom 26. November 2021 zu einem Pakt für Forschung und Innovation in Europa (ABl. L 431 vom 2.12.2021, S. 1).
(5) Verordnung (EU) 2021/695 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. April 2021 zur Einrichtung von „Horizont Europa“, dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, sowie über dessen Regeln für die Beteiligung und die Verbreitung der Ergebnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) Nr. 1290/2013 und (EU) Nr. 1291/2013 (ABl. L 170 vom 12.5.2021, S. 1).
(6) Empfehlung (EU) 2018/790 der Kommission vom 25. April 2018 über den Zugang zu wissenschaftlichen Informationen und deren Bewahrung (ABl. L 134 vom 31.5.2018, S. 12).
(7) Europäische Kommission, Generaldirektion Forschung und Innovation, Mendez, E., Progress on Open Science: Towards a Shared Research Knowledge System: Final Report of the Open Science Policy Platform, Lawrence, R.(Herausgeber), Amt für Veröffentlichungen, 2020.
(8) Unter dem Begriff „öffentliche Forschungseinrichtung“ werden sowohl spezialisierte Technologieforschungseinrichtungen als auch Hochschuleinrichtungen verstanden, die Forschung und Entwicklung sowie Forschungsausbildung mit erheblicher finanzieller Unterstützung aus öffentlichen und halböffentlichen Quellen (z. B. wohltätigen und gemeinnützigen Organisationen) betreiben.
(9) Europäische Kommission, Generaldirektion Forschung und Innovation, Research & Innovation Valorisation Channels and Tools: Boosting the Transformation of Knowledge into New Sustainable Solutions, Amt für Veröffentlichungen, 2020.
(10) OECD-Bericht Global Competition for Talent: Mobility of the Highly Skilled.
(11) Vereinte Nationen, Resolution der Generalversammlung, verabschiedet am 25. September 2015, Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (A/RES/70/1).
(12) Europäische Kommission, Generaldirektion Forschung und Innovation, Open Science and Intellectual Property Rights: How Can They Better Interact?: State of the Art and Reflections: Executive Summary, Amt für Veröffentlichungen, 2022.
(13) Europäische Kommission, Generaldirektion Forschung und Innovation, Open Innovation, Open Science, Open to the World: A Vision for Europe, Amt für Veröffentlichungen, 2016, S. 13.
(14) Europäische Kommission, Generaldirektion Forschung und Innovation, Tackling R&I Foreign Interference: Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, Amt für Veröffentlichungen, 2022.
(15) Eine Sammlung von Beispielen für bewährte Verfahren ist auf der Plattform der Europäischen Kommission zur Valorisierung von Wissen verfügbar; dort können Beispiele für bewährte Verfahren durchgehend eingereicht werden.