20.9.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 243/144


DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS (EU) 2022/1620 DER KOMMISSION

vom 19. September 2022

zur Festlegung von Muster-Notfallplänen für Fälle, in denen der Datenzugriff an den Außengrenzen technisch nicht möglich ist, einschließlich der von den Grenzbehörden anzuwendenden Ausweichverfahren gemäß Artikel 48 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2018/1240 des Europäischen Parlaments und des Rates

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) 2018/1240 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. September 2018 über die Einrichtung eines Europäischen Reiseinformations- und -genehmigungssystems (ETIAS) und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1077/2011, (EU) Nr. 515/2014, (EU) 2016/399, (EU) 2016/1624 und (EU) 2017/2226 (1), insbesondere auf Artikel 48 Absatz 4,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Mit der Verordnung (EU) 2018/1240 wurde das Europäische Reiseinformations- und -genehmigungssystem (ETIAS) für Drittstaatsangehörige eingerichtet, die von der Pflicht befreit sind, für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und den dortigen Aufenthalt im Besitz eines Visums zu sein.

(2)

Nach Artikel 47 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1240 sind die für die Durchführung der Grenzübertrittskontrollen an den Außengrenzübergangsstellen gemäß der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) zuständigen Grenzbehörden verpflichtet, Abfragen des ETIAS-Zentralsystems anhand der in der maschinenlesbaren Zone des Reisedokuments gespeicherten Daten durchzuführen. Unter bestimmten Umständen kann es vorkommen, dass eine Grenzbehörde aufgrund eines technischen Ausfalls innerhalb eines Teils des ETIAS-Informationssystems oder eines Ausfalls der nationalen Grenzinfrastruktur in einem Mitgliedstaat nicht in der Lage ist, eine Abfrage gemäß Artikel 47 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1240 durchzuführen.

(3)

Zweck dieses Beschlusses ist die Festlegung von Muster-Notfallplänen, einschließlich der von den Grenzbehörden an den Außengrenzen anzuwendenden Ausweichverfahren, für Situationen, in denen eine Grenzbehörde gegebenenfalls nicht in der Lage ist, eine solche Abfrage im ETIAS-Zentralsystem durchzuführen.

(4)

Die Muster-Notfallpläne sollen den Mitgliedstaaten als Leitlinien sowie als Grundlage — mit der Möglichkeit einer entsprechenden Anpassung — für die Ausarbeitung und Annahme ihrer nationalen Notfallpläne dienen, für Fälle, in denen eine Grenzbehörde bei der Durchführung von Grenzübertrittskontrollen an den Außengrenzübergangsstellen gemäß der Verordnung (EU) 2016/399 nicht in der Lage ist, eine Abfrage im ETIAS-Zentralsystem durchzuführen.

(5)

Die Grenzbehörden sollten bei einem technischen Ausfall vorübergehend von der Verpflichtung abweichen können, Abfragen im ETIAS-Zentralsystem durchzuführen und den Status der Reisegenehmigungen über das in Artikel 31 der Verordnung (EU) 2018/1240 genannte Überprüfungsinstrument zu verifizieren. Darüber hinaus ist es notwendig, den Inhalt der Benachrichtigungen der Grenzbehörden für den Fall festzulegen, dass die Abfrage des ETIAS-Zentralsystems aufgrund eines Ausfalls der nationalen Grenzinfrastruktur in einem Mitgliedstaat technisch nicht möglich ist.

(6)

Da die Verordnung (EU) 2018/1240 den Schengen-Besitzstand ergänzt, hat Dänemark gemäß Artikel 4 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks mitgeteilt, die Verordnung (EU) 2018/1240 in nationales Recht umzusetzen. Dänemark ist daher durch diesen Beschluss gebunden.

(7)

Dieser Beschluss fällt nicht in den Anwendungsbereich der in Beschluss 2002/192/EG des Rates (3) vorgesehenen Maßnahmen. Er stellt eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands dar, an denen sich Irland nicht beteiligt. Irland beteiligt sich daher nicht an der Annahme dieses Beschlusses und ist weder durch diesen Beschluss gebunden noch zu seiner Anwendung verpflichtet.

(8)

Für Island und Norwegen stellt dieser Beschluss eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands im Sinne des Übereinkommens zwischen dem Rat der Europäischen Union sowie der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Assoziierung der beiden letztgenannten Staaten bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (4) dar, die zu dem in Artikel 1 Buchstabe A des Beschlusses 1999/437/EG des Rates (5) genannten Bereich gehören.

(9)

Für die Schweiz stellt dieser Beschluss eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands im Sinne des Abkommens zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (6) dar, die zu dem in Artikel 1 Buchstabe A des Beschlusses 1999/437/EG in Verbindung mit Artikel 3 des Beschlusses 2008/146/EG des Rates (7) genannten Bereich gehören.

(10)

Für Liechtenstein stellt dieser Beschluss eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands im Sinne des Protokolls zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über den Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zu dem Abkommen zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (8) dar, die zu dem in Artikel 1 Buchstabe A des Beschlusses 1999/437/EG in Verbindung mit Artikel 3 des Beschlusses 2011/350/EU des Rates (9) genannten Bereich gehören.

(11)

Für Zypern, Bulgarien und Rumänien sowie Kroatien stellt dieser Beschluss einen auf dem Schengen-Besitzstand aufbauenden oder anderweitig damit zusammenhängenden Rechtsakt im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 der Beitrittsakte von 2003, des Artikels 4 Absatz 1 der Beitrittsakte von 2005 beziehungsweise des Artikels 4 Absatz 1 der Beitrittsakte von 2011 dar.

(12)

Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates (10) angehört und hat am 18. Februar 2022 eine Stellungnahme abgegeben.

(13)

Die in diesem Beschluss vorgesehenen Maßnahmen stehen mit der Stellungnahme des Ausschusses „Intelligente Grenzen“ (ETIAS) im Einklang —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Muster-Notfallpläne für Fälle, in denen der Datenzugriff an den Außengrenzen technisch nicht möglich ist

(1)   Wenn eine Abfrage gemäß Artikel 48 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EU) 2018/1240 technisch nicht möglich ist, können die Grenzbehörden

a)

von Drittstaatsangehörigen verlangen, dass sie den Status ihrer Reisegenehmigung (gültig, verweigert, annulliert oder aufgehoben) und die Gültigkeitsdauer angeben; zu diesem Zweck können die Grenzbehörden eine Internetverbindung einrichten oder den Zugang zu den an den Grenzübergangsstellen installierten Geräten gewähren, mit denen sich Drittstaatsangehörige bei dem im Delegierten Beschluss (EU) 2019/970 der Kommission (11) genannten Überprüfungsinstrument anmelden können;

b)

Informationen über Einreisen lokal speichern, beispielsweise Identitätsdaten oder Reisedokumentendaten, um eine nachträgliche Überprüfung des Status der Reisegenehmigung von Drittstaatsangehörigen zu ermöglichen, die während des Zeitraums, in dem die Abfrage technisch nicht möglich war, eingereist sind; die Grenzbehörden dürfen diese Informationen nur für den Zeitraum, in dem die Abfrage technisch nicht möglich ist, und zur anschließenden Überprüfung speichern, oder

c)

vorübergehend von ihrer Verpflichtung zur Abfrage des ETIAS-Zentralsystems entbunden werden.

(2)   Die Benachrichtigungen gemäß Artikel 48 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EU) 2018/1240 müssen unverzüglich über die von den Grenzbehörden, den nationalen ETIAS-Stellen und der ETIAS-Zentralstelle gemeinsam genutzten Kommunikationskanäle erfolgen.

(3)   Die Benachrichtigungen gemäß Artikel 48 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2018/1240, die die Grenzbehörden an die ETIAS-Zentralstelle und ihre jeweiligen nationalen ETIAS-Stelle übermitteln, müssen folgende Angaben enthalten:

a)

die von dem Ausfall betroffene(n) Grenzübergangsstelle(n) und die Behörde, die die Abfrage nicht durchführen kann, und

b)

Datum und Uhrzeit des Ausfalls;

c)

soweit möglich, eine Beschreibung des Ausfalls und die Reaktionszeit für die Behebung des Problems.

Die ETIAS-Zentralstelle übermittelt im Rahmen der Unterrichtung von eu-LISA und der Kommission gemäß Artikel 48 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2018/1240 die von den Grenzbehörden erhaltenen Daten.

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieser Beschluss tritt am zwanzigsten Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Brüssel, den 19. September 2022

Für die Kommission

Die Präsidentin

Ursula VON DER LEYEN


(1)  ABl. L 236 vom 19.9.2018, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Unionskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1).

(3)  Beschluss 2002/192/EG des Rates vom 28. Februar 2002 zum Antrag Irlands auf Anwendung einzelner Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf Irland (ABl. L 64 vom 7.3.2002, S. 20).

(4)  ABl. L 176 vom 10.7.1999, S. 36.

(5)  Beschluss 1999/437/EG des Rates vom 17. Mai 1999 zum Erlass bestimmter Durchführungsvorschriften zu dem Übereinkommen zwischen dem Rat der Europäischen Union und der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Assoziierung dieser beiden Staaten bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (ABl. L 176 vom 10.7.1999, S. 31).

(6)  ABl. L 53 vom 27.2.2008, S. 52.

(7)  Beschluss 2008/146/EG des Rates vom 28. Januar 2008 über den Abschluss — im Namen der Europäischen Gemeinschaft — des Abkommens zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (ABl. L 53 vom 27.2.2008, S. 1).

(8)  ABl. L 160 vom 18.6.2011, S. 21.

(9)  Beschluss 2011/350/EU des Rates vom 7. März 2011 über den Abschluss — im Namen der Europäischen Union — des Protokolls zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über den Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zum Abkommen zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands in Bezug auf die Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen und den freien Personenverkehr (ABl. L 160 vom 18.6.2011, S. 19).

(10)  Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).

(11)  Delegierter Beschluss (EU) 2019/970 der Kommission vom 22. Februar 2019 über das in Artikel 31 der Verordnung (EU) 2018/1240 des Europäischen Parlaments und des Rates genannte Instrument für Antragsteller, das ihnen ermöglicht, den Status der Bearbeitung ihres Antrags sowie die Gültigkeitsdauer und den Status ihrer Reisegenehmigungen zu überprüfen (ABl. L 156 vom 13.6.2019, S. 15).