9.9.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 234/23


DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS (EU) 2022/1494 DER KOMMISSION

vom 7. September 2022

in Bezug auf die ungelösten Einwände hinsichtlich der Bedingungen für die Erteilung einer Zulassung für das Biozidprodukt Mouskito Spray gemäß der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen C(2022) 6264)

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (1), insbesondere auf Artikel 36 Absatz 3,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 19. Oktober 2015 stellte das Unternehmen Laboratoria Qualiphar N.V./S.A. (im Folgenden „Antragsteller“) gemäß Artikel 34 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 bei den zuständigen Behörden mehrerer Mitgliedstaaten, darunter Frankreich, einen Antrag auf zeitlich parallele gegenseitige Anerkennung des Biozidprodukts Mouskito Spray (im Folgenden „Biozidprodukt“). Bei dem Biozidprodukt handelt es sich um ein gebrauchsfertiges Produkt zum Schutz der Haut des Menschen vor Insektenstichen, das den Wirkstoff Ethylbutylacetylaminopropionat (IR 3535) enthält. Belgien ist der Referenzmitgliedstaat, der für die Bewertung des Antrags gemäß Artikel 34 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 zuständig ist.

(2)

Den Angaben des Antragstellers zufolge soll das Produkt in Gebieten mit gemäßigtem Klima vor Mücken (Aedes aegypti, Culex quinquefasciatus), Stechfliegen (Stomoxys calcitrans), Bienen (Apis mellifera), Wespen (Vespula vulgaris), Sandfliegen (Phlebotomus) und Herbstmilben (Trombicula autumnalis) schützen.

(3)

Am 11. Juli 2019 übermittelte Frankreich gemäß Artikel 35 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 der Koordinierungsgruppe Einwände, denen zufolge das Biozidprodukt die Voraussetzung gemäß Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i der genannten Verordnung in Bezug auf die Verwendung gegen Bienen und Wespen nicht erfülle. Die übermittelten Einwände wurden am 16. September 2019 in der Koordinierungsgruppe erörtert.

(4)

Da in der Koordinierungsgruppe keine Einigung erzielt werden konnte, befasste Belgien gemäß Artikel 36 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 am 7. November 2019 die Kommission mit den ungelösten Einwänden. Belgien übermittelte der Kommission gleichzeitig eine detaillierte Darstellung des Punktes, über den keine Einigung unter den Mitgliedstaaten erzielt werden konnte, sowie die Gründe für die unterschiedlichen Auffassungen. Diese Darstellung wurde den betroffenen Mitgliedstaaten und dem Antragsteller übermittelt.

(5)

Frankreich stimmt der Empfehlung des Referenzmitgliedstaats, das Produkt zur Verwendung gegen Wespen und Bienen zuzulassen, nicht zu. Frankreich ist insbesondere der Ansicht, dass die Wirksamkeit für diese bestimmte Verwendungsart in dem vom Antragssteller vorgelegten Simulationstest nicht nachgewiesen wurde, da die Konzeption des Tests die Bestimmung der Dauer des vollständigen Schutzes (2) nicht zulasse, weil das Produkt nicht auf einer hautähnlichen Oberfläche aufgebracht worden sei.

(6)

Belgien macht geltend, dass der Antragsteller die Tests entsprechend den Vorgaben der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Leitlinien durchgeführt hat und dass kein etabliertes Protokoll für Wespen und Bienen vorliegt. Belgien ist der Ansicht, dass eine spezifische Angabe nicht allein aus dem Grund zurückgewiesen werden kann, dass kein etabliertes Testprotokoll existiert, und dass daher eine Sachverständigenmeinung herangezogen werden muss. Belgien räumt zwar ein, dass mit dem vom Antragsteller vorgelegten Test keine Dauer des vollständigen Schutzes bestimmt wurde, kommt jedoch aufgrund der Sachverständigenmeinung zu dem Schluss, dass die Angabe, der zufolge das Produkt Bienen und Wespen abwehrt, hinreichend untermauert wurde.

(7)

Am 17. Dezember 2021 ersuchte die Kommission die Europäische Chemikalienagentur (im Folgenden „Agentur“) gemäß Artikel 36 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 um eine Stellungnahme zu dieser Frage. Die Agentur wurde ersucht anzugeben, i) ob die Bestimmung der Dauer des vollständigen Schutzes notwendig ist, um die Wirksamkeit gegen Bienen und Wespen zu bewerten, und ob der vom Antragsteller durchgeführte Simulationstest die Bestimmung der Dauer des vollständigen Schutzes zulässt, ii) ob Simulationstests auf einer hautähnlichen Oberfläche durchgeführt werden sollten und iii) ob mit dem durchgeführten Simulationstest Daten gewonnen wurden, die zeigen, dass das Biozidprodukt gegen Wespen und Bienen schützt, indem es diese in der empfohlenen Dosis abwehrt, und die daher die Angabe „wehrt Wespen und Bienen ab“ unterstützen.

(8)

Am 2. März 2022 gab der Ausschuss für Biozidprodukte der Agentur seine Stellungnahme ab (3).

(9)

Der Agentur zufolge sind Daten zur Wirksamkeit in Bezug auf die tatsächlichen Verwendungsbedingungen notwendig, die die Angaben zum Produkt untermauern. Die Schutzdauer ist insbesondere bei Produkten, die gefährliche Insekten abwehren sollen, ein sehr wichtiger Parameter, zumal Bienen- und Wespenstiche aufgrund allergischer Reaktionen ein echtes Problem für gefährdete Personen darstellen.

(10)

Die Agentur räumt ein, dass es keine etablierten Testprotokolle oder -kriterien für die Wirksamkeit topischer Repellentien gegen Wespen und Bienen gibt, und ist der Auffassung, dass es in der Verantwortung des Antragstellers liegt, Daten zur Wirksamkeit aus Studien vorzulegen, die derart konzipiert sind, dass sie die praktische Verwendungssituation nachbilden, um die Angabe zu untermauern.

(11)

Bei den vom Antragsteller durchgeführten Tests handelt es sich um Feldversuche in Obstwiesen. Die abwehrende Wirkung des Biozidprodukts wurde anhand von Fallen in Form von Kunststoffflaschen untersucht, die mit Zuckerlösung und Reinigungsmitteln gefüllt waren, um die Zielorganismen zu fangen. Die Oberfläche der Fallen wurde mit dem Testprodukt behandelt oder blieb unbehandelt. Der Agentur zufolge könnte für Repellentien gegen Bienen und Wespen ein Testaufbau mit Fallen, die als Testobjekt ein Lockmittel statt Menschen einsetzen, akzeptabel sein, vor allem aufgrund der ethischen Probleme, die sich ergäben, wenn Menschen unvermeidbaren und schmerzhaften Bienen- und Wespenstichen ausgesetzt würden. Die Daten, die im Rahmen des vom Antragsteller durchgeführten Feldversuchs erhoben wurden, lassen es jedoch nicht zu, die Dauer des vollständigen Schutzes zu bestimmen.

(12)

Die Agentur weist ferner darauf hin, dass es sich bei der Oberfläche der als Fallen verwendeten Flaschen um ein nichtporöses Material handelt, das sich — insbesondere in Bezug auf Absorption und Geruch — wesentlich von Materialien unterscheidet, welche die Eigenschaften der menschlichen Haut nachempfinden, und dass dieser Umstand die Wirksamkeit des Abwehrmittels beeinträchtigen könnte. Die Konzeption des Tests sollte die praktische Verwendungssituation so weit wie möglich nachbilden; so wäre die Verwendung einer absorbierenden hautähnlichen Oberfläche oder Textur, wie beispielsweise Tierhaut, oder eines anderen künstlichen, porösen Materials vorzuziehen, das so verändert wurde, dass es die menschliche Haut nachbildet.

(13)

Nach Ansicht der Agentur sind die vom Antragsteller vorgelegten Daten aus den Feldversuchen grundsätzlich gültig, könnten die Wirksamkeit von als Raum- oder Oberflächenrepellentien verwendeten Produkten nachweisen und daher die Angabe „wehrt Bienen und Wespen ab“ unterstützen. Für die beabsichtigte Verwendung — d. h. als topisches Abwehrmittel gegen Bienen und Wespen, das auf die Haut aufgetragen wird und so den Nutzer vor Insektenbissen/-stichen schützen soll — ist der vorgelegte Test jedoch nicht relevant. Die gewonnenen Daten sollten für diese beabsichtigte Verwendung relevant sein. Die in den Tests verwendete behandelte Oberfläche der Fallen bildet die praktische Anwendungssituation nicht ausreichend nach; daher kann der Testaufbau nicht als geeignet angesehen werden, um die Wirksamkeit des Produkts für die angegebene Verwendung nachzuweisen.

(14)

Unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Agentur ist die Kommission der Ansicht, dass das Biozidprodukt nicht die Voraussetzung gemäß Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 in Bezug auf die Verwendung als Abwehrmittel gegen Wespen und Bienen erfüllt.

(15)

Die in diesem Beschluss vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ständigen Ausschusses für Biozidprodukte —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Das mit der Nummer BC-SC020110-71 in das Register für Biozidprodukte eingetragene Biozidprodukt erfüllt nicht die Voraussetzung gemäß Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 in Bezug auf die Verwendung als Abwehrmittel gegen Wespen und Bienen.

Artikel 2

Dieser Beschluss ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Brüssel, den 7. September 2022

Für die Kommission

Stella KYRIAKIDES

Mitglied der Kommission


(1)   ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1.

(2)  Die Dauer des vollständigen Schutzes ist definiert als der Zeitraum zwischen dem Aufbringen des Abwehrmittels und dem Auftreten von zwei oder mehr Stichen auf der behandelten Haut oder dem ersten bestätigten Stich (ein Stich, dem binnen 30 Minuten ein weiterer folgt).

(3)  ECHA opinion ECHA/BPC/318/2022, https://echa.europa.eu/documents/10162/3443002/art_38_ethyl_butylacetylaminopropionate_bpc_opinion_en.pdf/1b489ec3-7868-2814-a3aa-a34557f4374d?t=1655449588766