14.3.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 85/119


DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS (EU) 2022/418 DER KOMMISSION

vom 10. März 2022

über die Anwendbarkeit des Artikels 34 der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates auf nicht-kommerzielle Busverkehrsdienste in österreichischen Regionen im Zuständigkeitsbereich der regionalen Verkehrsverbünde Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) und Oberösterreichischer Verkehrsverbund (OÖVV)

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen C(2022) 1352)

(Nur der deutsche Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Funktionsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (1), insbesondere auf Artikel 35 Absatz 3,

nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für öffentliche Aufträge,

in Erwägung nachstehender Gründe:

1.   SACHVERHALT

1.1.   Der Antrag

(1)

Am 2. Oktober 2020 reichte die Ständige Vertretung Österreichs bei der Kommission im Namen der Österreichischen Postbus AG (im Folgenden „Postbus“ oder „Antragstellerin“) einen Antrag nach Artikel 35 Absatz 1 der Richtlinie 2014/25/EU (im Folgenden „Antrag“) ein. Der Antrag steht im Einklang mit den in Artikel 1 Absatz 1 und in Anhang I des Durchführungsbeschlusses (EU) 2016/1804 der Kommission (2) festgelegten formalen Anforderungen.

(2)

Die Antragstellerin gehört zur ÖBB-Gruppe (Österreichische Bundesbahnen). 100 % der Anteile an der Antragstellerin werden von der ÖBB-Personenverkehr AG gehalten, die selbst zu 100 % eine Tochtergesellschaft der ÖBB-Holding AG ist. Sämtliche Anteile an der ÖBB-Holding AG werden von der Republik Österreich gehalten. Die Antragstellerin ist im Bereich des Buspersonenverkehrs tätig.

(3)

Die Antragstellerin ist Auftraggeberin im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 2014/25/EU und übt eine Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Betrieb von Netzen zur Versorgung der Allgemeinheit mit Beförderungsleistungen per Bus im Sinne von Artikel 11 der genannten Richtlinie aus.

(4)

Fahrplangebundene Busdienstleistungen sind regelmäßige und öffentlich zugängliche Personenverkehrsdienste, die von einem Personenverkehrsbetreiber gegen Bezahlung auf bestimmten Beförderungsstrecken erbracht werden und es Personen ermöglichen, an zuvor festgelegten Haltestellen ein- und auszusteigen. Wenn staatliche Behörden einem Unternehmen für die Erbringung dieser Dienstleistungen eine finanzielle Gegenleistung gewähren, werden sie als nicht-kommerzielle Verkehrsdienstleistungen bezeichnet.

(5)

Für nicht-kommerzielle Busverkehrsdienste werden zwei verschiedene Arten von Aufträgen vergeben. Die erste Art ist die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge durch die zuständigen Verkehrsbehörden im Einklang mit den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates (3), die für öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße gilt. Die zweite Art ist die Vergabe von Aufträgen durch den mit der Ausführung eines solchen öffentlichen Dienstleistungsauftrags betrauten Betreiber, wie z. B. an eine Reinigungsfirma vergebene Aufträge für die Reinigung von Bussen oder Aufträge an ein Unternehmen, das Busse für die Nutzung durch den Betreiber zur Verfügung stellt.

(6)

Der Antrag betrifft nur die zweite Art von Aufträgen, d. h. die Vergabe von Aufträgen, mit denen die Erbringung von nicht-kommerziellen fahrplangebundenen Busverkehrsdiensten in Österreich ermöglicht werden soll, eine Tätigkeit, die mit dem Betrieb eines Netzes gemäß Artikel 11 der Richtlinie 2014/25/EU in Zusammenhang steht. Der Antrag deckt nicht die Vergabe von Aufträgen für die Ausübung von nicht-kommerziellen Busdienstleistungen ab, die direkt an die internen Betreiber vergeben werden. Er deckt auch nicht die Vergabe eines Auftrags über die Erbringung von Busverkehrsdiensten durch einen regionalen Verkehrsverbund an einen Busbetreiber, da solche Vergaben in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 fallen.

(7)

Dem Antrag war ursprünglich keine begründete Stellungnahme der Bundeswettbewerbsbehörde (im Folgenden „BWB“) angefügt. Da ein freier Marktzugang nicht auf der Grundlage des Artikels 34 Absatz 3 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2014/25/EU als gegeben angesehen werden kann, muss die Kommission gemäß Anhang IV Nummer 1 Buchstabe b dieser Richtlinie innerhalb von 130 Arbeitstagen einen Durchführungsbeschluss über den Antrag erlassen. Die ursprüngliche Frist wurde gemäß Nummer 2 des Anhangs IV zur Richtlinie 2014/25/EU ausgesetzt. Die Kommission sollte bis 28. Februar 2022 einen Durchführungsbeschluss erlassen.

(8)

Mit Schreiben vom 11. November 2020 bat die Kommission um zusätzliche Auskünfte durch die österreichischen Behörden. Am 2. Dezember 2020, am 23. Februar 2021 und am 23. März 2021 reichten die österreichischen Behörden Informationen ein. Die am 23. März 2021 eingereichten Unterlagen enthielten eine Stellungnahme der BWB, in der gemäß Artikel 34 Absätze 2 und 3 der Richtlinie 2014/25/EU analysiert wird, ob Artikel 34 Absatz 1 dieser Richtlinie auf die betreffenden Tätigkeiten zutrifft.

(9)

Am 19. Oktober 2021 grenzte die Antragstellerin den geografischen Anwendungsbereich des Antrags auf Ausnahmegenehmigung auf folgende zwei Teile des österreichischen Hoheitsgebiets ein: zum einen Wien, Niederösterreich und das Burgenland (für die der Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) zuständig ist) und zum anderen Oberösterreich (für das der Oberösterreichische Verkehrsverbund (OÖVV) zuständig ist). Die Antragstellerin reichte am 21. Oktober 2021 und am 8. November 2021 zusätzliche Informationen ein.

2.   RECHTSRAHMEN

(10)

Die Richtlinie 2014/25/EU gilt für die Vergabe von Aufträgen zur Ausübung von Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Bereitstellung oder dem Betreiben von Netzen zur Versorgung der Allgemeinheit mit Verkehrsleistungen per Eisenbahn, automatischen Systemen, Straßenbahn, Trolleybus, Bus oder Seilbahn, sofern die Tätigkeiten nicht gemäß Artikel 34 der genannten Richtlinie ausgenommen sind.

(11)

Nach Maßgabe von Artikel 34 der Richtlinie 2014/25/EU fallen Aufträge, die die Ausübung einer richtlinienrelevanten Tätigkeit ermöglichen sollen, nicht unter die Richtlinie, wenn die Tätigkeit in dem Mitgliedstaat, in dem sie ausgeübt wird, unmittelbar dem Wettbewerb auf Märkten ausgesetzt ist, die keiner Zugangsbeschränkung unterliegen.

(12)

Der unmittelbare Einfluss des Wettbewerbs wird nach objektiven Kriterien festgestellt, wobei die besonderen Merkmale des betreffenden Sektors zu berücksichtigen sind (4). Dieser Bewertung sind jedoch durch die kurzen Fristen und dadurch, dass sie sich auf die der Kommission vorliegenden Informationen stützen muss, gewisse Grenzen gesetzt. Diese Informationen stammen aus bereits verfügbaren Quellen oder wurden im Zuge der Anwendung von Artikel 35 der Richtlinie 2014/25/EU beschafft und können nicht durch zeitaufwendigere Methoden, wie etwa öffentliche Anhörungen, die an die beteiligten Wirtschaftsteilnehmer gerichtet sind, ergänzt werden (5).

(13)

Ob eine Tätigkeit unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt ist, sollte anhand verschiedener Indikatoren beurteilt werden, von denen keiner für sich genommen notwendigerweise den Ausschlag gibt. In Bezug auf den von diesem Beschluss betroffenen Markt stellen die Marktanteile ein Kriterium dar, das neben anderen Kriterien (z. B. eventuell vorhandenen Marktzutrittsschranken oder dem intermodalen Wettbewerb) berücksichtigt werden sollte.

3.   WÜRDIGUNG

(14)

Mit diesem Beschluss soll festgestellt werden, ob die Dienstleistungen, auf die sich der Antrag bezieht, (auf Märkten mit freiem Zugang im Sinne von Artikel 34 der Richtlinie 2014/25/EU) in einem Maße dem Wettbewerb ausgesetzt sind, mit dem sichergestellt wird, dass die Auftragsvergabe im Rahmen der betreffenden Tätigkeiten auch ohne die durch die in der Richtlinie 2014/25/EU festgelegten detaillierten Vorschriften für die Auftragsvergabe bewirkte Disziplin transparent, diskriminierungsfrei und auf der Grundlage von Kriterien erfolgt, anhand derer die Auftraggeber die wirtschaftlich günstigste Lösung ermitteln können.

(15)

Dieser Beschluss beruht auf der rechtlichen und tatsächlichen Situation per November 2021 und auf den von der Antragstellerin und den österreichischen Behörden, darunter das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (im Folgenden „BMK“), die BWB und die regionalen Verkehrsverbünde, eingereichten sowie den öffentlich verfügbaren Informationen.

3.1.   Unbeschränkter Marktzugang

(16)

Der Zugang zu einem Markt gilt als nicht beschränkt, wenn der betreffende Mitgliedstaat die einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts, durch die ein bestimmter Sektor oder ein Teil davon für den Wettbewerb geöffnet wird, umgesetzt hat und anwendet. Die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 gilt für öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße. Gemäß Artikel 5 Absatz 1 dieser Verordnung müssen öffentliche Dienstleistungsaufträge für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen in Form von Dienstleistungskonzessionen im Einklang mit den in der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 (6) festgelegten Regeln vergeben werden. Diese in Artikel 4 der Verordnung festgelegten Regeln umfassen unter anderem eine klare Definition der vom Betreiber eines öffentlichen Dienstes zu erfüllenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, der betreffenden geografischen Geltungsbereiche und der Laufzeit des Auftrags. Die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ist jedoch nicht in Anhang III der Richtlinie 2014/25/EU aufgeführt. Folglich muss die Antragstellerin nachweisen, dass der freie Marktzugang für die Bereitstellung von nicht-kommerziellen Busdienstleistungen faktisch und rechtlich gegeben ist

(17)

Sonstige öffentliche Dienstleistungsaufträge für Busverkehrsdienste, die nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen annehmen, müssen im Einklang mit den Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge zur Umsetzung (unter anderem) der Richtlinie 2014/25/EU vergeben werden.

(18)

Die einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften sind das Bundesgesetz über die linienmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Kraftfahrliniengesetz — KflG) (7) und das Bundesgesetz über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs (Öffentlicher Personennah- und Regionalverkehrsgesetz 1999 — ÖPNRV-G 1999) (8).

(19)

Das KflG gilt für regelmäßige und öffentlich zugängliche Personenverkehrsdienste, die von einem Personenverkehrsbetreiber gegen Bezahlung auf bestimmten Beförderungsstrecken erbracht werden und es Personen ermöglichen, an zuvor festgelegten Haltestellen ein- und auszusteigen. Konzessionen im Rahmen des KflG, die in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 fallen, werden für bestimmte Strecken gewährt. Wenn staatliche Behörden eine finanzielle Gegenleistung für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen gewähren, werden solche Beförderungsdienste als nicht-kommerzielle Verkehrsdienstleistungen bezeichnet.

(20)

Das ÖPNRV-G regelt die organisatorischen und finanziellen Aspekte des Betriebs von lokalen und regionalen öffentlichen Personenverkehrsdiensten (Schiene und Bus) sowie die Struktur und Zuständigkeit der Verkehrsverbünde.

(21)

Was den rechtlich freien Zugang zum Markt der nicht-kommerziellen Busverkehrsdienste betrifft, ist sowohl im KflG als auch im ÖPNRV-G festgelegt, dass der öffentliche Auftraggeber das Verkehrsunternehmen im Einklang mit den Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge auswählen muss, mit denen die Richtlinie 2014/25/EU und die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 umgesetzt werden.

(22)

Die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 und die österreichischen Rechtsvorschriften gelten für die Tätigkeiten der Antragstellerin. Obwohl die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 nicht in Anhang III der Richtlinie 2014/25/EU aufgeführt ist, sieht sie einen regulatorischen Rahmen vor, der geeignet ist, im Einzelfall einen angemessenen Wettbewerb zu gewährleisten. Nach Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ist mit Ausnahme von ganz bestimmten Fällen (Jahresdurchschnittswert weniger als 1 000 000 EUR, jährliche öffentliche Personenverkehrsleistung von weniger als 300 000 km oder (unmittelbare Gefahr einer) Unterbrechung der Verkehrsdienste) die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge auf der Grundlage eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens vorgeschrieben. Folglich findet bei der Vergabe der Aufträge für den Betrieb von Buslinien im vorliegenden Fall Wettbewerb statt, da diese Aufträge im Anschluss an offene Ausschreibungen in den beiden Regionen, die Gegenstand des Antrags sind, im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 vergeben werden.

(23)

Angesichts der genannten Punkte ist die Kommission der Auffassung, dass die Bedingungen des rechtlich freien Marktzugangs gegeben sind.

(24)

Was den faktisch freien Zugang zum Markt der nicht-kommerziellen Busverkehrsdienste betrifft, stellt die Kommission fest, dass in den letzten Jahren neue Marktteilnehmer in den Markt eingetreten sind. Zum Beispiel traten zwischen 2016 und 2020 drei Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten als Österreich in den beiden Regionen, die Gegenstand des Antrags sind, erfolgreich in den Markt ein.

(25)

Der Antragstellerin zufolge haben die beiden für die Auftragsvergabe zuständigen regionalen Behörden in den letzten Jahren infolge der Annahme der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 in zunehmendem Maße öffentliche Ausschreibungen für die Vergabe von Busverkehrsdiensten genutzt. In der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ist festgelegt, dass die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für Personenverkehrsdienste auf der Schiene und der Straße ab 3. Dezember 2019 mit den in Artikel 5 festgelegten Grundsätzen im Einklang stehen muss, wodurch die Direktvergabe streng eingeschränkt ist. Bis Juni 2021 lag der Anteil an wettbewerblichen Ausschreibungen bei 92 % für die Region im Zuständigkeitsbereich des VOR und bei 100 % für die Region im Zuständigkeitsbereich des OÖVV.

(26)

In ihrer Stellungnahme erkennen BMK und BWB die Tatsache an, dass der freie Marktzugang zum betreffenden Markt rechtlich und faktisch gegeben ist.

(27)

Für die Zwecke dieses Beschlusses kommt die Kommission zu dem Schluss, dass der freie Marktzugang zu den Märkten der nicht-kommerziellen Busverkehrsdienste im Gebiet der jeweiligen Regionen, die in den Zuständigkeitsbereich des VOR bzw. des OÖVV fallen, im Sinne des Artikels 34 der Richtlinie 2014/25/EU rechtlich und faktisch gegeben ist.

3.2.   Wettbewerbliche Würdigung

3.2.1.   Definition des sachlich relevanten Marktes

3.2.2.   Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes

(28)

Busverkehrsdienste in Österreich umfassen Folgendes: fahrplangebundene Busverkehrsdienste, die dem KflG unterliegen, und nicht-fahrplangebundene Busverkehrsdienste, die im Rahmen des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes (GelverkG) geregelt sind.

(29)

Das ÖPNRV-G sowie die Verordnung (EG) Nr. 1073/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates (9) unterscheiden zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen Busverkehrsdiensten. Gemäß Abschnitt 3 Absatz 2 des ÖPNRV-G sind Verkehrsdienste nur dann als kommerzielle Verkehrsdienste zu erachten, wenn keine Gegenleistung durch staatliche Behörden erfolgt. Gewähren staatliche Behörden eine finanzielle Gegenleistung, werden Verkehrsdienste als nicht-kommerziell eingestuft.

(30)

Beim Erwerb nicht-kommerzieller Verkehrsdienste oder Änderungen am bestehenden Betriebsplan muss der öffentliche Auftraggeber das Verkehrsunternehmen im Einklang mit den geltenden Bestimmungen der Rechtsvorschriften über öffentliche Aufträge und der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 auswählen. Im Allgemeinen unterliegen nicht-kommerzielle Busverkehrsdienste verbindlichen Ausschreibungsverfahren. Nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 am 7. Dezember 2019 wurde in Österreich eine zunehmende Anzahl an nicht-kommerziellen Busverkehrsdiensten im Rahmen von wettbewerblichen Ausschreibungsverfahren vergeben. Die bisherige Praxis der Kommission hinsichtlich Fusionen (10) bestätigt die Auffassung, dass kommerzielle Busverkehrsdienste und nicht-kommerzielle öffentliche Busverkehrsdienste aufgrund der Unterschiede bei der Art des Wettbewerbs verschiedene Produktmärkte darstellen.

(31)

Was den Markt für nicht-kommerzielle Busverkehrsdienste betrifft, so findet der Wettbewerb zwischen den Betreibern des öffentlichen Busverkehrs auf der Ebene der Angebote für Aufträge statt (also während der Vergabe der Aufträge zur Erbringung öffentlicher Busverkehrsdienste), und nicht nachträglich auf dem Markt auf der Ebene von Preisen, Kapazität, Häufigkeit der angebotenen Fahrten oder sonstigen Dienstleistungsmerkmalen. Im Vergleich zu kommerziellen Verkehrsdiensten haben die Betreiber nicht-kommerzieller Busverkehrsdienste in der Regel sehr wenig Einfluss auf die grundlegenden Dimensionen des Wettbewerbs, wie zum Beispiel Häufigkeit der angebotenen Fahrten, Tarife oder Komfort der Fahrgäste, da diese Merkmale von der Behörde festgelegt werden, die den Auftrag zur Erbringung der Dienstleistung vergibt. Betreiber nicht-kommerzieller Busverkehrsdienste sind verpflichtet, ihre Dienstleistungen gemäß dem Vertrag zu erbringen, der mit der Vergabebehörde geschlossen wurde, und können ihre Dienstleistungen nicht an die Bedürfnisse der Fahrgäste anpassen, wie es kommerzielle Betreiber normalerweise tun würden.

(32)

Die Antragstellerin argumentiert, dass nicht-kommerzielle Busverkehrsdienste, die von internen Betreibern erbracht werden, aus folgenden Gründen einen separaten relevanten Markt innerhalb des Marktes für nicht-kommerzielle Busverkehrsdienste darstellen könnten:

Die von internen Betreibern erbrachten Verkehrsdienste unterliegen nicht den verbindlichen Ausschreibungsverfahren, solange die in den einschlägigen Rechtsvorschriften (Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007, Artikel 10 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (11) oder Artikel 28 oder 29 der Richtlinie 2014/25/EU) festgelegten Anforderungen erfüllt sind.

Solange die Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 erfüllt sind, kann der Eigentümer die Kosten des internen Betreibers selbst dann erstatten, wenn diese Kosten höher sind als die Kosten, die den konkurrierenden Unternehmen entstehen.

Die Entscheidung, die Dienstleistungen selbst zu erbringen oder einzukaufen, beruht möglicherweise nicht ausschließlich auf den Kosten des internen Betreibers im Vergleich zu dem erwarteten Ergebnis einer wettbewerblichen Ausschreibung. Kommunale Verkehrsbetreiber beschäftigen häufig Arbeitnehmer mit besonderem Kündigungsschutz und müssten deren Lohnkosten selbst dann tragen, wenn ihr Angebot für einen Auftrag zur Erbringung öffentlicher Verkehrsdienste nicht angenommen wird.

Für Verkehrsdienste, die bisher von internen Betreibern erbracht wurden, gab es in Österreich bislang noch keine Ausschreibungen. Interne Betreiber selbst führen ebenfalls öffentliche Ausschreibungen für Unteraufträge durch. In solchen Fällen wird der erfolgreiche Ausschreibungsteilnehmer zum Unterauftragnehmer des internen Betreibers. Der interne Betreiber Wiener Linien GmbH & Co KG vergibt beispielsweise für etwa 44 % seiner Busverkehrsdienste Ausschreibungen an Unterauftragnehmer.

(33)

Das BMK bestätigte (12) die Auffassung der Antragstellerin in Bezug auf den Anwendungsbereich des sachlich relevanten Marktes.

(34)

Die Kommission akzeptiert, dass interne Betreiber zu einem gesonderten Markt gehören.

(35)

Für die Zwecke der Würdigung im Rahmen dieses Beschlusses und unbeschadet der Anwendung des Wettbewerbsrechts erachtet die Kommission den Markt für nicht-kommerzielle Busverkehrsdienste zur Personenbeförderung als den sachlich relevanten Markt.

3.2.3.   Definition des räumlich relevanten Marktes

(36)

Die Antragstellerin gibt an, dass der Rechtsrahmen für Busverkehrsdienste sowie das österreichische Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen in ganz Österreich einheitlich zur Anwendung kommen. Darüber hinaus müssen Ausschreibungsteilnehmer weitergehende Bestimmungen erfüllen, die für das Einreichen von Angeboten erforderlich sind, wie Bestimmungen in Bezug auf das Arbeitsrecht oder Tarifabkommen, gleichermaßen in ganz Österreich (Personalkosten für etwa 50 % der Gesamtkosten der planmäßigen Busverkehrsdienste). Andererseits weist die Antragstellerin auf erhebliche Unterschiede zwischen den Regionen aufgrund der vorhandenen regionalen Verkehrsverbünde hin, die für den Busverkehr zuständig sind.

(37)

Das BMK gab an, dass die auf regionaler Ebene beobachteten Unterschiede keine regionale Marktdefinition rechtfertigten.

(38)

In ihrer Stellungnahme erklärte die BWB, dass öffentliche Busverkehrsdienste von sieben regionalen Verkehrsverbünden ausgeschrieben werden, die zusammen das gesamte Hoheitsgebiet von Österreich abdecken. Interne Betreiber schreiben Unteraufträge aus, beispielsweise im Ballungsgebiet Wien. Jeder Verkehrsverbund schreibt nur Dienstleistungen in seinem Zuständigkeitsgebiet aus. Das BMK kam zu dem Schluss, dass die nicht zeitgleiche Ausschreibung und Vergabe von ausschließlich regionalen oder lokalen nicht-kommerziellen Busverkehrsdiensten und der Umstand, dass über die Vergabe sieben regionale aktive Verkehrsverbünde entscheiden, die dabei jeweils eigene Interessen verfolgen, eher gegen einen einheitlichen nationalen Markt spricht.

(39)

In ihrer Fusionspraxis hat die Kommission den relevanten geografischen Markt für Busverkehrsdienste als den Markt definiert, in dem für alle öffentlichen Verkehrsverbünde der gleiche Rechtsrahmen gilt (13).

(40)

Die Kommission stellt fest, dass die Zuständigkeit für die Organisation nicht-kommerzieller Busverkehrsdienste bei den zuständigen regionalen Verkehrsverbünden liegt. Diese Verbünde sind im Rahmen der Bedingungen, die durch die national geltenden Rechtsvorschriften (KflG, GelverkG, ÖPNRV-G und das Gesetz über die Vergabe von Aufträgen BVergG 2018) festgelegt sind, für die Gestaltung der Ausschreibungen verantwortlich.

(41)

In beiden Regionen, die Gegenstand des Antrags sind, schreiben die entsprechenden zuständigen regionalen Verkehrsverbünde und die internen Betreiber Bruttoaufträge (14) aus und die Hauptausschreibungsteilnehmer sind die gleichen.

(42)

Angesichts der genannten Punkte vertritt die Kommission zum Zwecke der Bewertung im Rahmen dieses Beschlusses und unbeschadet der Anwendung des Wettbewerbsrechts die Ansicht, dass es sich bei den relevanten geografischen Märkten einerseits um die Region im Zuständigkeitsbereich des VOR und andererseits um die Region im Zuständigkeitsbereich des OÖVV handelt.

3.3.   Marktanalyse

(43)

In Österreich wurden bestehende Aufträge für nicht-kommerzielle Busverkehrsdienste über wettbewerbliche Vergabeverfahren oder direkt vergeben. Eine große Mehrheit dieser Aufträge wurde nach einem Ausschreibungsverfahren vergeben. In der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 war für die Vergabe von Aufträgen, die in ihren Geltungsbereich fallen, eine Übergangsfrist bis Dezember 2019 festgelegt worden. Die Antragstellerin macht geltend, dass ihr rückläufiger Marktanteil in den beiden Regionen sowie der hohe Anteil an ausgeschriebenen Aufträgen, die hohe Zahl an Angeboten und die hohe Quote an Betreiberwechseln in beiden Regionen zeigen, dass diese Märkte unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt sind.

(44)

Laut BMK (15) sollte die Vergabe durch Betreiber, die diese ausgeschriebenen Dienstleistungen erbringen (z. B. der Betrieb von Buslinien oder die Vergabe von Unteraufträgen für bestimmte nicht-kommerzielle Verkehrsdienste) vom Geltungsbereich der Richtlinie 2014/25/EU ausgenommen werden, wenn ein wettbewerbliches Ausschreibungsverfahren zur Anwendung kommt, da diese Betreiber aufgrund des spezifischen Vergabeverfahrens zweifelsohne dem Wettbewerb unterliegen.

(45)

Die BWB argumentiert im Gegensatz dazu, dass die Rahmenbedingungen (lange Vertragslaufzeit, kleinteilige Ausschreibung, wenige aktive Ausschreibungsteilnehmer) hingegen eher wenig Spielraum für nachhaltigen Wettbewerb lassen. Sie ist daher für die Zwecke der betreffenden Fragestellung der Auffassung, dass das Gewicht des Arguments auf einen unzureichenden Wettbewerb hindeutet.

(46)

In ihrer Analyse berücksichtigt die Kommission mehrere Faktoren. Die Kommission teilt nicht die Ansicht des BMK, dass wettbewerbliche Ausschreibungen an sich ausreichend sind, um zu belegen, dass eine Tätigkeit unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt ist. Für nicht-kommerzielle Busverkehrsdienste sind wettbewerbliche Ausschreibungen zwar eine Voraussetzung, damit auf dem Markt ein Wettbewerb gegeben ist, die Kommission vertritt jedoch die Auffassung, dass andere Faktoren Berücksichtigung finden müssen.

(47)

Marktanteile sind ein wichtiger Aspekt, aber aufgrund der Tatsache, dass der Markt für nicht-kommerzielle Busverkehrsdienste Ausschreibungen oder Direktvergaben unterliegt, sollten die Anzahl der Ausschreibungsteilnehmer und die Erfolgsquote der verschiedenen Marktakteure berücksichtigt werden.

3.3.1.   Marktanteile, Anzahl der Ausschreibungsteilnehmer und Erfolgsquote

(48)

Alle Berechnungen der Marktanteile und Anhaltspunkte im Zusammenhang mit dem Anteil an ausgeschriebenen Aufträgen beruhen auf den von der Antragstellerin eingereichten Informationen (16).

3.3.1.1.   Ostösterreich (Wien, Niederösterreich und Burgenland)

(49)

Per 2021 machen nicht-kommerzielle Busverkehrsdienste in dieser Region [100 bis 110] Mio. planmäßige Kilometer (pkm) pro Jahr aus. Direktvergaben an interne Betreiber ausgenommen ([ca. 20 Mio.] pkm für Wiener Linien und Wiener Neustadt) liegt der relevante Markt bei [80 bis 90] Mio. pkm pro Jahr. Hauptauftraggeber sind der Verkehrsverbund Ostregion GmbH (VOR) mit [65 bis 70] Mio. pkm und Wiener Linien mit [15 bis 20] Mio. pkm.

(50)

Per November 2021 lag der Marktanteil der Antragstellerin in Ostösterreich bei [35 bis 45] % (im Jahr 2013, als erstmals offene Ausschreibungen durchgeführt wurden, lag der Anteil bei [45 bis 55] %). Die wichtigsten Wettbewerber verfügen über folgende Marktanteile: Dr. Richard ([25 bis 30] %), Gschwindl ([10 bis 15] %), Blaguss ([5 bis 10] %), N-Bus ([5 bis 10] %), Zuklin ([0 bis 5] %) und Retter ([0 bis 5] %).

(51)

In Ostösterreich wurden bis Juni 2021 92 % der bestehenden Aufträge (in Mio. pkm) ausgeschrieben.

(52)

Seit 2018 fanden in der Region 14 Ausschreibungsverfahren statt, für die insgesamt 75 Angebote eingingen, was einer durchschnittlichen Anzahl von 5,4 Ausschreibungsteilnehmern pro Verfahren entspricht. Neben der Antragstellerin hat ihr wichtigster Wettbewerber, Dr. Richard, an zwölf Ausschreibungen teilgenommen, mit einer Erfolgsquote von […] %. Die Erfolgsquote der Antragstellerin liegt bei […] %. Bei der Mehrheit der Ausschreibungsverfahren hießen die Gewinner Postbus oder Dr. Richard.

3.3.1.2.   Oberösterreich

(53)

Nicht kommerzielle Busverkehrsdienste in dieser Region machen [35-45] Mio. pkm pro Jahr aus. Direktvergaben an interne Betreiber ausgenommen ([ca. 5 Mio.] pkm für Linz und Steyr) liegt der relevante Markt im Jahr 2021 bei [30-40] Mio. pkm pro Jahr. Hauptauftraggeber ist die Oberösterreichische Verkehrsverbund-Org. GmbH Nfg. & Co KG (OÖVV) mit [30 bis 35] Mio. pkm. Die städtischen Busverkehrsdienste in Wels werden von EWW ausgeschrieben ([1 bis 2] Mio. pkm).

(54)

Im Jahr 2021 lag der Marktanteil der Antragstellerin in Oberösterreich bei [40 bis 50] % (im Jahr 2013, als erstmals offene Ausschreibungen durchgeführt wurden, lag der Anteil bei [60 bis 70] % und im Jahr 2020 bei [45 bis 55] %). Aufgrund der Gestaltung der Ausschreibungen in Oberösterreich, die kleine Lose begünstigt, konnten kleine Unternehmen fünf der zehn in jüngerer Zeit organisierten Ausschreibungen gewinnen. Insgesamt sind die wichtigsten Wettbewerber von Postbus in Oberösterreich Sabtours ([15 bis 20] % des Marktes), Welser ([10 bis 15] %), Stern & Hafferl ([5 bis 10] %), Dr. Richard ([5 bis 10] %) und Leitner ([5 bis 10] %).

(55)

Bis 2021 wurden in Oberösterreich 100 % der bestehenden Aufträge (in Mio. pkm) ausgeschrieben. Dem regionalen Verkehrsverbund zufolge wurden seit 2011 21 Vergabeverfahren organisiert, aufgeteilt in 90 Lose mit durchschnittlich 5,2 Ausschreibungsteilnehmern pro Los. Von den 90 Losen gewann Postbus […] ([…] %).

3.3.2.   Schlussfolgerungen zur wettbewerbsrechtlichen Würdigung

(56)

Die Antragstellerin hält einen eher hohen, aber rückläufigen Anteil an Aufträgen nicht-kommerzieller Busverkehrsdienste in den Regionen, die Gegenstand des Antrags sind. Ihr Marktanteil ist seit 2013 in Ostösterreich um nahezu […] % und in Oberösterreich um rund […] % zurückgegangen.

(57)

Der Anteil an wettbewerblichen Ausschreibungen ist in beiden Regionen sehr hoch, mit einem Anteil ausgeschriebener Aufträge von jeweils 92 % bzw. 100 %.

(58)

Die Zahl der Ausschreibungsteilnehmer je wettbewerblicher Ausschreibung ist höher als die durchschnittliche Zahl an Ausschreibungsteilnehmern an öffentlichen Aufträgen in der Union und liegt bei 5,4 (Ostösterreich) bzw. 5,2 (Oberösterreich). Es trifft zwar zu, dass die Antragstellerin in der Regel bei nahezu allen Ausschreibungsverfahren unabhängig vom Standort ein Angebot einreicht, aber dennoch besteht Wettbewerb durch andere Betreiber. Insbesondere Dr. Richard ist in beiden Regionen sehr aktiv, während andere Betreiber regelmäßig an Ausschreibungen in der Region teilnehmen, in der sie bereits aktiv sind.

(59)

Im Allgemeinen haben Aufträge für nicht kommerzielle Busverkehrsdienste in Österreich nach Angaben der Antragstellerin eine lange Vertragslaufzeit von etwa sechs bis zehn Jahren (17). Dies ist ein inhärentes Merkmal des Marktes, da die regionalen Verkehrsverbünde häufige komplexe Ausschreibungen vermeiden möchten. Dies mag dem Wettbewerb zwar abträglich sein (18), wird jedoch durch die Tatsache ausgeglichen, dass Ausschreibungen durch die jeweiligen regionalen Verkehrsverbünde meist in kleinen Losen erfolgen, die weniger als 1 Mio. pkm umfassen. Das letztgenannte Merkmal ist ein wichtiges Element, das den Markteintritt und letztlich den Wettbewerb in beiden Regionen begünstigt (19).

(60)

Die BWB argumentiert im Gegensatz dazu, dass die Rahmenbedingungen — wie lange Vertragslaufzeit, kleinteilige Ausschreibung, wenige aktive Ausschreibungsteilnehmer — hingegen eher wenig Spielraum für nachhaltigen Wettbewerb lassen. Sie ist daher für die Zwecke der betreffenden Fragestellung der Auffassung, dass das Gewicht des Arguments auf einen unzureichenden Wettbewerb hindeutet. Wichtig zu beachten ist jedoch, dass in der Schlussfolgerung der BWB die Wettbewerbssituation in ganz Österreich in Betracht gezogen wurde und dass die BWB sehr deutliche Unterschiede zwischen den Verkehrsverbünden einräumte. Die in der Stellungnahme der BWB genannten Faktoren sind für andere Regionen Österreichs wesentlich relevanter als für die durch den Antrag abgedeckten Regionen. Die Quote der wettbewerblichen Ausschreibungen lag im Jahr 2020 beispielsweise in Kärnten bei 30 % und in Tirol bei 32 % (gegenüber 92 % bzw. 100 % in der Region, die jeweils in den Zuständigkeitsbereich des VOR bzw. des OÖVV fällt). Die durchschnittliche Zahl der Ausschreibungsteilnehmer erreichte in Vorarlberg lediglich 2,3 im Vergleich zu mehr als fünf in den beiden Regionen, die Gegenstand des Antrags sind. Während der Marktanteil der Antragstellerin in Salzburg bei [70-80] % liegt, lag er in den beiden Regionen, die Gegenstand des Antrags sind, bei unter 50 %.

(61)

In Anbetracht der oben untersuchten Faktoren gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die Erbringung nicht-kommerzieller Busverkehrsdienste in den Verkehrsregionen, die in den Zuständigkeitsbereich des VOR bzw. des OÖVV fallen, unmittelbar dem Wettbewerb im Sinne von Artikel 34 Absatz 1 der Richtlinie 2014/25/EU ausgesetzt ist.

4.   SCHLUSSFOLGERUNG

(62)

Für die Zwecke dieses Beschlusses und unbeschadet der Anwendung des Wettbewerbsrechts der Europäischen Union sollten die Feststellungen der in den Erwägungsgründen 43 bis 55 erläuterten Marktanalyse als Anzeichen dafür betrachtet werden, dass nicht-kommerzielle Busverkehrsdienste in den zwei österreichischen Verkehrsregionen, die in den Zuständigkeitsbereich des VOR und des OÖVV fallen, dem Wettbewerb im Sinne von Artikel 34 der Richtlinie 2014/25/EU ausgesetzt sind. Daher sollte festgestellt werden, dass die Richtlinie 2014/25/EU auf Verträge, die die Ausübung dieser Tätigkeiten in den zwei Verkehrsregionen, die in den Zuständigkeitsbereich des VOR und des OÖVV fallen, keine Anwendung finden sollte.

(63)

Die Richtlinie 2014/25/EU sollte weiterhin auf Verträge Anwendung finden, die von Auftraggebern vergeben werden und dafür vorgesehen sind, die Erbringung nicht-kommerzieller Busverkehrsdienste im Gebiet der anderen Verkehrsregionen zu ermöglichen, die nicht durch diesen Beschluss abgedeckt sind.

(64)

Dieser Beschluss lässt die Anwendung der Wettbewerbsrechtsvorschriften und anderer Bereiche des Unionsrechts unberührt. Insbesondere sind die Kriterien und Methoden zur Bewertung gemäß Artikel 34 der Richtlinie 2014/25/EU, ob eine Tätigkeit unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt ist, nicht notwendigerweise dieselben, die für eine Beurteilung nach Artikel 101 oder 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates (20) herangezogen werden, was auch vom Gericht der Europäischen Union (21) bestätigt wurde —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Einziger Artikel

Die Richtlinie 2014/25/EU gilt nicht für Verträge, die von Auftraggebern vergeben werden und dafür vorgesehen sind, die Erbringung von nicht-kommerziellen Busverkehrsdiensten im Gebiet der Regionen, die im Zuständigkeitsbereich des Verkehrsverbundes Ost-Region liegen, sowie in der Region, die im Zuständigkeitsbereich des Oberösterreichischen Verkehrsverbunds liegt, zu ermöglichen.

Dieser Beschluss ist an die Republik Österreich gerichtet.

Brüssel, den 10. März 2022

Für die Kommission

Thierry BRETON

Mitglied der Kommission


(1)   ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 243.

(2)  Durchführungsbeschluss (EU) 2016/1804 der Kommission vom 10. Oktober 2016 über die Durchführungsmodalitäten für die Anwendung der Artikel 34 und 35 der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. L 275 vom 12.10.2016, S. 39).

(3)  Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 1).

(4)  Richtlinie 2014/25/EU, Erwägungsgrund 44.

(5)   Ebd.

(6)  Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 lautet: „Öffentliche Dienstleistungsaufträge werden nach Maßgabe dieser Verordnung vergeben. Dienstleistungsaufträge oder öffentliche Dienstleistungsaufträge gemäß der Definition in den Richtlinien 2004/17/EG oder 2004/18/EG für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen werden jedoch gemäß den in jenen Richtlinien vorgesehenen Verfahren vergeben, sofern die Aufträge nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen im Sinne jener Richtlinien annehmen.“

(7)  Österreichisches Bundesgesetzblatt (BGBl.) I Nr. 203/1999.

(8)  Österreichisches Bundesgesetzblatt (BGBl.) I Nr. 204/1999.

(9)  Verordnung (EG) Nr. 1073/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum grenzüberschreitenden Personenkraftverkehrsmarkt und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 (ABl. L 300 vom 14.11.2009, S. 88).

(10)  Sache COMP/M.5855 DB/Arriva vom 11.8.2010, Rn. 20 ff., Sache COMP/M.6818, Deutsche Bahn/Veolia vom 30.4.2013, Rn. 19, Sache COMP/M.6818, Deutsche Bahn/Veolia vom 30.4.2013, Rn. 25 ff.

(11)  Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65).

(12)  Antwort des BMK vom 2. Dezember 2020.

(13)  Sache COMP/M.5855 DB/Arriva vom 11.8.2010, Rn. 27.

(14)  Sache COMP/M.6818, Deutsche Bahn/Veolia, Beschluss vom 30.4.2013, Rn. 14: „Bei Bruttoaufträgen geben die Betreiber ein Gebot für die vollen Betriebskosten ab und alle Einnahmen gehen an den Auftraggeber; bei Nettoverträgen erhält der Betreiber alle Einnahmen und gibt nur ein Gebot für die notwendige Differenz zwischen den Fahrgeldeinnahmen und dem Betrag an, der für die Erzielung des angestrebten Gewinns erforderlich ist.“

(15)  Antwort des BMK vom 2. Dezember 2020.

(16)  Berechnung der Kommission auf Grundlage des Anhangs 3 der Stellungnahme der BWB.

(17)  Antrag, S. 28.

(18)  Siehe Erwägungsgrund 15 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007.

(19)  Mitteilung COM(2017) 572 „Eine funktionierende öffentliche Auftragsvergabe in und für Europa“, in der die Kommission den Standpunkt vertritt, dass die erste Maßnahme zur Verbesserung des Zugangs von KMU zu den Märkten für öffentliche Aufträge die Unterteilung von Aufträgen in Lose ist.

(20)  Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“) (ABl. L 24 vom 29.1.2004, S. 1).

(21)  Urteil des Gerichts vom 27. April 2016, Österreichische Post AG/Kommission, T-463/14, ECLI:EU:T:2016:243, Rn. 28. Siehe auch Richtlinie 2014/25/EU, Erwägungsgrund 44.