4.3.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 74/3


VERORDNUNG (EU) 2021/382 DER KOMMISSION

vom 3. März 2021

zur Änderung der Anhänge der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über Lebensmittelhygiene hinsichtlich des Allergenmanagements im Lebensmittelbereich, der Umverteilung von Lebensmitteln und der Lebensmittelsicherheitskultur

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (1), insbesondere auf Artikel 13 Absatz 1 Buchstaben c und d,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 enthält allgemeine Lebensmittelhygienevorschriften für Lebensmittelunternehmer unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass die Sicherheit der Lebensmittel auf allen Stufen der Lebensmittelkette, einschließlich der Primärproduktion, gewährleistet sein muss. Die Lebensmittelunternehmer müssen daher die allgemeinen Hygienevorschriften gemäß den Anhängen I und II der genannten Verordnung einhalten.

(2)

Am 30. Oktober 2014 aktualisierte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (im Folgenden die „Behörde“) ihr wissenschaftliches Gutachten zur Bewertung allergener Lebensmittel und Lebensmittelzutaten für die Zwecke der Kennzeichnung (2) und wies dabei darauf hin, dass das Auftreten von Lebensmittelallergien in ganz Europa sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern auf 3 % bis 4 % geschätzt wird. Die Behörde kam zu dem Schluss, dass Lebensmittelallergien zwar einen relativ kleinen Teil der Bevölkerung betreffen, eine allergische Reaktion jedoch schwerwiegend und sogar potenziell tödlich sein kann und dass immer deutlicher wird, dass die Lebensqualität von Menschen mit Lebensmittelallergien oder -unverträglichkeiten ganz erheblich eingeschränkt ist.

(3)

Im September 2020 verabschiedete die Codex-Alimentarius-Kommission einen Verhaltenskodex für das Allergenmanagement im Lebensmittelbereich für Lebensmittelunternehmer (CXC 80-2020), der Empfehlungen enthält, wie Lebensmittelallergene durch einen harmonisierten Ansatz in der Lebensmittelkette auf der Grundlage allgemeiner Hygieneanforderungen eingedämmt werden können.

(4)

Angesichts der Annahme des globalen Standards CXC 80-2020 und der Erwartungen der Verbraucher und Handelspartner, dass in der EU erzeugte Lebensmittel mindestens diesem globalen Standard entsprechen, ist es erforderlich, Vorschriften zur Einführung einer guten Hygienepraxis festzulegen, um das Vorhandensein der in Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 aufgeführten Allergien oder Unverträglichkeiten auslösenden Stoffe in Ausrüstungen, Transportbehältern und/oder Containern, die für die Ernte, zur Beförderung oder zur Lagerung von Lebensmitteln verwendet werden, zu verhindern oder zu begrenzen. Da eine Kontamination von Lebensmitteln sowohl auf der Ebene der Primärproduktion als auch auf dieser Produktion nachgelagerten Stufen erfolgen kann, sollten die Anhänge I und II der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 geändert werden.

(5)

Die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ für ein faires, gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem, die von der Kommission angenommen wurde, ist ein Schlüsselelement der Initiative für einen europäischen Grünen Deal. Die Verringerung der Lebensmittelverschwendung ist eines der Ziele der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“, die auch zur Verwirklichung einer Kreislaufwirtschaft beitragen wird. Mit der Umverteilung von Lebensmittelüberschüssen für den menschlichen Verzehr, insbesondere durch Lebensmittelspenden in Fällen, in denen dies unbedenklich ist, wird sowohl gewährleistet, dass essbare Lebensmittelressourcen für den Zweck mit der höchsten Wertschöpfung verwendet werden, als auch, dass Lebensmittelverschwendung vermieden wird.

(6)

Am 27. September 2018 nahm die Behörde ein zweites wissenschaftliches Gutachten zu Ansätzen für die Gefahrenanalyse für bestimmte kleine Einzelhändler und Lebensmittelspenden (3) an. Laut diesem Gutachten bringen Lebensmittelspenden auf der Ebene des Einzelhandels mehrere neue Herausforderungen für die Lebensmittelsicherheit mit sich, weshalb darin mehrere zusätzliche allgemeine Hygienevorschriften empfohlen werden. Daher müssen bestimmte Vorschriften festgelegt werden, um die Umverteilung von Lebensmitteln zu fördern und zu erleichtern und gleichzeitig ihre Sicherheit für die Verbraucher zu gewährleisten.

(7)

Im September 2020 nahm die Codex-Alimentarius-Kommission eine Überarbeitung ihres globalen Standards Allgemeine Grundsätze der Lebensmittelhygiene (CXC 1-1969) an. Mit dem überarbeiteten Standard CXC 1-1969 wird das Konzept der „Lebensmittelsicherheitskultur“ als allgemeiner Grundsatz eingeführt. Die Lebensmittelsicherheitskultur erhöht die Lebensmittelsicherheit durch die Sensibilisierung und die Verbesserung des Verhaltens der Beschäftigten in Lebensmittelbetrieben. Diese Auswirkungen auf die Lebensmittelsicherheit wurden in mehreren wissenschaftlichen Publikationen aufgezeigt.

(8)

In Anbetracht der Überarbeitung des globalen Standards und der Erwartungen der Verbraucher und Handelspartner, dass in der EU erzeugte Lebensmittel mindestens diesem globalen Standard entsprechen, ist es erforderlich, allgemeine Vorschriften in Bezug auf die Lebensmittelsicherheitskultur in die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 aufzunehmen.

(9)

Die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 sollte entsprechend geändert werden.

(10)

Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die Anhänge I und II der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 werden gemäß dem Anhang der vorliegenden Verordnung geändert.

Artikel 2

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 3. März 2021

Für die Kommission

Die Präsidentin

Ursula VON DER LEYEN


(1)  ABl. L 139 vom 30.4.2004, S. 1.

(2)  http://www.efsa.europa.eu/sites/default/files/consultation/140523.pdf

(3)  EFSA Journal 2018;16(11):5432.


ANHANG

1.   

Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 wird wie folgt geändert:

In Teil A Abschnitt II wird folgende Nummer 5a eingefügt:

„5a.

Ausrüstungen, Transportbehälter und/oder Container, die für die Ernte, zur Beförderung oder zur Lagerung eines der in Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 genannten Stoffe oder Erzeugnisse, die Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen, verwendet werden, dürfen nicht für die Ernte, zur Beförderung oder zur Lagerung von Lebensmitteln verwendet werden, die diesen Stoff oder dieses Erzeugnis nicht enthalten, es sei denn, die Ausrüstungen, Transportbehälter und/oder Container wurden gereinigt und es wurde zumindest überprüft, dass sie keine sichtbaren Reste dieses Stoffes oder Erzeugnisses enthalten.“

2.   

Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 wird wie folgt geändert:

a)

Die Einleitung erhält folgende Fassung:

„EINLEITUNG

Die Kapitel V, Va, VI, VII, VIII, IX, X, XI, XIa und XII gelten für alle Stufen der Produktion, der Verarbeitung und des Vertriebs von Lebensmitteln. Für die übrigen Kapitel gilt Folgendes:

Kapitel I gilt für alle Betriebsstätten, in denen mit Lebensmitteln umgegangen wird, ausgenommen die Betriebsstätten gemäß Kapitel III;

Kapitel II gilt für alle Räumlichkeiten, in denen Lebensmittel zubereitet, behandelt oder verarbeitet werden, ausgenommen Essbereiche und die Betriebsstätten gemäß Kapitel III;

Kapitel III gilt für alle in der Überschrift dieses Kapitels genannten Betriebsstätten;

Kapitel IV gilt für alle Beförderungen.“

b)

Nach Kapitel V wird folgendes Kapitel Va eingefügt:

„KAPITEL Va

Umverteilung von Lebensmitteln

Lebensmittelunternehmer dürfen Lebensmittel unter folgenden Bedingungen zum Zweck von Lebensmittelspenden umverteilen:

1.

Die Lebensmittelunternehmer überprüfen routinemäßig, ob die unter ihre Verantwortung fallenden Lebensmittel nicht gesundheitsschädlich und ob sie gemäß Artikel 14 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (*1) für den Verzehr durch den Menschen geeignet sind. Fällt die Überprüfung zufriedenstellend aus, können die Lebensmittelunternehmer die Lebensmittel im Einklang mit Nummer 2 umverteilen:

im Fall von Lebensmitteln, für die gemäß Artikel 24 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 ein Verbrauchsdatum gilt, vor Ablauf dieses Datums;

im Fall von Lebensmitteln, für die gemäß Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe r der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 ein Mindesthaltbarkeitsdatum gilt, bis zu und nach diesem Datum oder

im Fall von Lebensmitteln, für die gemäß Anhang X Nummer 1 Buchstabe d der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 kein Mindesthaltbarkeitsdatum vorgeschrieben ist, zu jedem beliebigen Zeitpunkt.

2.

Lebensmittelunternehmer, die die unter Nummer 1 genannten Lebensmittel handhaben, bewerten, ob die Lebensmittel nicht gesundheitsschädlich sind und für den Verzehr durch den Menschen geeignet sind, wobei sie mindestens Folgendes berücksichtigen:

das Mindesthaltbarkeitsdatum oder das Verbrauchsdatum, wobei gewährleistet sein muss, dass die verbleibende Haltbarkeitsdauer ausreicht, um eine sichere Umverteilung und Verwendung durch den Endverbraucher zu ermöglichen;

gegebenenfalls die Unversehrtheit der Verpackung;

die ordnungsgemäßen Lager- und Beförderungsbedingungen, einschließlich der geltenden Temperaturanforderungen;

gegebenenfalls das Datum des Einfrierens gemäß Anhang II Abschnitt IV Nummer 2 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (*2);

die organoleptischen Bedingungen;

die Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit gemäß der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 931/2011 der Kommission (*3) bei Erzeugnissen tierischen Ursprungs.

(*1)  Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1)."

(*2)  Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs (ABl. L 139 vom 30.4.2004, S. 55)."

(*3)  Durchführungsverordnung (EU) Nr. 931/2011 der Kommission vom 19. September 2011 über die mit der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates festgelegten Rückverfolgbarkeitsanforderungen an Lebensmittel tierischen Ursprungs (ABl. L 242 vom 20.9.2011, S. 2).“"

c)

In Kapitel IX wird folgende Nummer 9 angefügt:

„9.

Ausrüstungen, Transportbehälter und/oder Container, die zur Verarbeitung, Handhabung, Beförderung oder Lagerung eines der in Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 genannten Stoffe oder Erzeugnisse, die Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen, verwendet werden, dürfen nicht für die Verarbeitung, Handhabung, Beförderung oder Lagerung von Lebensmitteln verwendet werden, die diesen Stoff oder dieses Erzeugnis nicht enthalten, es sei denn, die Ausrüstungen, Transportbehälter und/oder Container wurden gereinigt und es wurde zumindest überprüft, dass sie keine sichtbaren Reste dieses Stoffes oder Erzeugnisses enthalten.“

d)

Nach Kapitel XI wird folgendes Kapitel XIa eingefügt:

„KAPITEL XIa

Lebensmittelsicherheitskultur

1.

Die Lebensmittelunternehmer müssen eine angemessene Lebensmittelsicherheitskultur einführen, aufrechterhalten und nachweisen, indem sie folgende Anforderungen erfüllen:

a)

Verpflichtung der Betriebsleitung im Einklang mit Nummer 2 sowie aller Beschäftigten zur sicheren Produktion und Verteilung von Lebensmitteln;

b)

Führungsrolle bei der Produktion sicherer Lebensmittel und der Einbeziehung aller Beschäftigten in die Verfahren zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit;

c)

Sensibilisierung aller Beschäftigten des Unternehmens für Gefahren für die Lebensmittelsicherheit und für die Bedeutung der Lebensmittelsicherheit und -hygiene;

d)

offene und klare Kommunikation zwischen allen Beschäftigten des Unternehmens, sowohl innerhalb eines Tätigkeitsbereiches als auch zwischen hintereinandergeschalteten Tätigkeitsbereichen, einschließlich der Mitteilung von Abweichungen und Erwartungen;

e)

Verfügbarkeit ausreichender Ressourcen zur Gewährleistung eines sicheren und hygienischen Umgangs mit Lebensmitteln.

2.

Die Betriebsleitung verpflichtet sich unter anderem zu Folgendem:

a)

sicherzustellen, dass die Aufgaben und Zuständigkeiten innerhalb jedes Tätigkeitsbereichs des Lebensmittelunternehmens klar kommuniziert werden;

b)

die Integrität des Lebensmittelhygienesystems bei der Planung und Umsetzung von Änderungen zu wahren;

c)

sich zu vergewissern, dass Kontrollen rechtzeitig und effizient durchgeführt werden und die Dokumentation auf dem neuesten Stand ist;

d)

sicherzustellen, dass das Personal angemessen geschult und beaufsichtigt wird;

e)

zu gewährleisten, dass die einschlägigen regulatorischen Anforderungen erfüllt werden;

f)

eine kontinuierliche Verbesserung des Managementsystems des Unternehmens für die Lebensmittelsicherheit zu fördern, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Entwicklungen in den Bereichen Wissenschaft, Technologie und bewährte Verfahren.

3.

Bei der Umsetzung der Lebensmittelsicherheitskultur sind Art und Größe des Lebensmittelunternehmens zu berücksichtigen.“

(*1)  Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1).

(*2)  Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs (ABl. L 139 vom 30.4.2004, S. 55).

(*3)  Durchführungsverordnung (EU) Nr. 931/2011 der Kommission vom 19. September 2011 über die mit der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates festgelegten Rückverfolgbarkeitsanforderungen an Lebensmittel tierischen Ursprungs (ABl. L 242 vom 20.9.2011, S. 2).““