16.9.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 328/1


DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS (EU) 2021/1484 DER KOMMISSION

vom 8. September 2021

betreffend den Antrag auf Registrierung der Europäischen Bürgerinitiative mit dem Titel „Gewährleistung einer mit den EU-Verträgen und dem Völkerrecht im Einklang stehenden gemeinsamen Handelspolitik“ gemäß der Verordnung (EU) 2019/788 des Europäischen Parlaments und des Rates

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen C(2021) 6607)

(Nur der englische Text ist verbindlich)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) 2019/788 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über die Europäische Bürgerinitiative (1), insbesondere auf Artikel 6 Absätze 2 und 3,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 5. Juli 2019 wurde der Kommission ein Antrag auf Registrierung der Europäischen Bürgerinitiative mit dem Titel „Gewährleistung einer mit den EU-Verträgen und dem Völkerrecht im Einklang stehenden gemeinsamen Handelspolitik“ vorgelegt.

(2)

Am 4. September 2019 erließ die Kommission den Beschluss (EU) 2019/1567 (2), mit dem die Registrierung der Bürgerinitiative abgelehnt wurde.

(3)

Gegen diesen Beschluss wurde beim Gericht Klage erhoben. In seinem Urteil vom 12. Mai 2021 in der Rechtssache T-789/19 (3) erklärte das Gericht den Beschluss (EU) 2019/1567 für nichtig, da die Kommission ihrer Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen war. Insbesondere hatte die Kommission nicht dargelegt, warum Artikel 215 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die einzig mögliche Rechtsgrundlage für den vorgeschlagenen Rechtsakt sei und weshalb dieser Rechtsakt nicht in den Anwendungsbereich der gemeinsamen Handelspolitik falle und dementsprechend auf der Grundlage von Artikel 207 AEUV erlassen werden könnte.

(4)

Um dem Urteil T-789/19 des Gerichts nachzukommen, sollte ein neuer Beschluss über den Antrag auf Registrierung dieser Europäischen Bürgerinitiative erlassen werden.

(5)

Die Verordnung (EU) Nr. 211/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (4), die zum Zeitpunkt der Annahme des Beschlusses (EU) 2019/1567 galt, wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2020 aufgehoben und durch die Verordnung (EU) 2019/788 ersetzt. Daher muss der Antrag auf Registrierung nun nach diesem neuen Rechtsrahmen geprüft werden.

(6)

Am 8. Juni 2021 unterrichtete die Kommission die Organisatorengruppe gemäß Artikel 6 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2019/788 über ihre Bewertung, dass die Registrierungsanforderungen des Artikels 6 Absatz 3 Buchstaben a, d und e dieser Verordnung erfüllt sind, und dass die Anforderung des Artikels 6 Absatz 3 Buchstabe b nicht anwendbar ist. Da die Kommission jedoch auf der Grundlage des Wortlauts der Initiative in der Fassung des Antrags vom 5. Juli 2019 nicht darauf schließen konnte, dass sie die Anforderung des Artikels 6 Absatz 3 Buchstabe c erfüllt, forderte die Kommission die Organisatoren zur Klarstellung ihre Initiative auf.

(7)

Nach der vorläufigen Bewertung der Kommission scheint die Initiative das Ziel der Annahme restriktiver Unionsmaßnahmen (Sanktionen) zu verfolgen, und scheint daher unter Artikel 215 AEUV zu fallen, der als Vorbedingung vorsieht, dass der Rat einen Beschluss gemäß Titel V Kapitel 2 (Besondere Bestimmungen über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik) des Vertrags über die Europäische Union erlässt. Die Kommission führte aus, dass sie ohne den vorherigen Beschluss des Rates keinen Vorschlag machen kann und dass dieser Vorschlag jedenfalls gemeinsam mit dem Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vorgelegt werden muss. Sie wies ferner darauf hin, dass aus dem Wortlaut der Initiative nicht klar hervorging, ob sie allein das Ziel hat, ein allgemeines Verbot aller Erzeugnisse aus illegalen Siedlungen in besetzten Gebieten zu verhängen, oder ob auch andere Formen der Regulierung an den Grenzen der Union in Betracht gezogen werden. Schließlich forderte die Kommission die Organisatoren auf, zu klären, ob die Initiative gebietsspezifisch ist oder auf ein allgemeines Verbot abzielt, das sich nicht gegen ein bestimmtes Land oder Gebiet richtet.

(8)

Am 17. Juli 2021 übermittelten die Organisatoren den Kommissionsdienststellen ein Schreiben mit Erläuterungen zu den Zielen ihrer Initiative. Sie erklärten, zu bezwecken, dass „es eine EU-Handelspolitik nur im Zusammenhang mit Gebieten gibt, die einen rechtlich gültigen Status haben“, und dass sie „erreichen wollen, dass die Handelspolitik der EU sicherstellt, dass es keinen Handel mit unter Gewaltanwendung illegal besetzten oder erworbenen Gebieten gibt, gerade wegen der Beschränkungen, die sich aus dem Völkerrecht ergeben“.

(9)

Am 10. August 2021 wurde der Kommission eine geringfügig geänderte Fassung der Initiative vorgelegt.

(10)

Die Ziele der Initiative sind wie folgt angegeben: „Wir wollen die Regulierung des Geschäftsverkehrs mit Unternehmen des Besatzers erreichen, die in besetzten Gebieten ansässig oder tätig sind, indem verhindert wird, dass Waren, die ihren Ursprung in den besetzten Gebieten haben, auf den EU-Markt gelangen.“ Als Hüterin der Verträge muss die Kommission die Kohärenz der Politik der Union und die Wahrung der Grundrechte und des Völkerrechts in allen Bereichen des EU-Rechts, einschließlich der gemeinsamen Handelspolitik, gewährleisten. Sie muss auf der Grundlage der gemeinsamen Handelspolitik Rechtsakte vorschlagen, mit denen verhindert wird, dass juristische Personen in der EU Erzeugnisse, die ihren Ursprung in illegalen Siedlungen besetzter Gebiete haben, in die EU einführen sowie auch, dass juristische Personen in der EU Erzeugnisse in diese Gebiete ausführen. Mit diesen Rechtsakten soll sichergestellt werden, dass die Integrität des Binnenmarkts gewährleistet und die Aufrechterhaltung solcher rechtswidriger Situationen nicht unterstützt wird.“

(11)

Insofern als die Kommission in der Initiative aufgefordert wird, einen Vorschlag für einen Rechtsakt vorzulegen, mit dem sichergestellt werden soll, dass die Europäische Union keine Handelsbeziehungen mit Unternehmen eines Besatzers unterhält, die in gemäß dem Völkerrecht besetzten Gebieten ansässig oder tätig sind, wird in der Initiative eine Maßnahme gefordert, mit der der internationale Handel der EU allgemein geregelt werden soll, und die auf kein bestimmtes Land oder Gebiet abzielt. Nach ständiger Rechtsprechung fällt eine Maßnahme, die „speziell den internationalen Warenaustausch betrifft, weil [sie] im Wesentlichen den Handelsverkehr fördern, erleichtern oder regeln soll und sich direkt und sofort auf ihn auswirkt“ (5), in den Anwendungsbereich der gemeinsamen Handelspolitik und sollte sich auf Artikel 207 AEUV stützen. In diesem Zusammenhang scheint es, dass die in der Initiative vorgesehene Maßnahme die Verhängung von Einfuhr- und Ausfuhrverboten oder -beschränkungen gegenüber nach dem Völkerrecht besetzten Gebieten erfordern würde. Eine solche Maßnahme würde daher einen spezifischen Bezug (6) zum internationalen Handelsverkehr aufweisen und folglich in den Anwendungsbereich von Artikel 207 AEUV fallen, selbst wenn mit ihr außenpolitische Zwecke verfolgt (7) werden.

(12)

Angesichts der von den Organisatoren in ihrem Schreiben vom 17. Juli 2021 beigebrachten Erläuterungen und der geringfügig geänderten Initiative geht die Kommission davon aus, dass sie in der geänderten Initiative aufgefordert wird, einen Vorschlag für einen Rechtsakt gemäß Artikel 207 AEUV vorzulegen, mit dem sichergestellt werden soll, dass die Union keine Handelsbeziehungen mit Unternehmen eines Besatzers unterhält, die in besetzten Gebieten ansässig oder tätig sind, und dass in der Initiative somit eine Handelsmaßnahme allgemeiner Natur gefordert wird, die nicht auf ein bestimmtes Land oder Gebiet abzielt.

(13)

Damit potenzielle Unterzeichner das Ziel der Initiative in ihrer registrierten Fassung verstehen, sollte die Organisatorengruppe sicherstellen, dass die Einzelheiten der Initiative, die in den Formularen gemäß Anhang III der Verordnung (EU) 2019/788 und gegebenenfalls im zentralen Online-Sammelsystem bzw. im individuellen Online-Sammelsystem veröffentlicht werden, den Hinweis enthalten, dass mit der Initiative eine Maßnahme zur allgemeinen Regelung des internationalen Handelsverkehrs der EU gefordert wird, die auf kein bestimmtes Land oder Gebiet abzielt.

(14)

Somit liegt — wie in Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe c der Verordnung (EU) 2019/788 vorgeschrieben — kein Teil der Initiative offenkundig außerhalb des Rahmens, in dem die Kommission befugt ist, einen Vorschlag für einen Rechtsakt der Union vorzulegen, um die Verträge umzusetzen.

(15)

Diese Schlussfolgerung greift der Beurteilung der Frage, ob die konkreten tatsächlichen und materiellen Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Kommission, einschließlich der Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in diesem Fall erfüllt sind, nicht vor.

(16)

Die Organisatorengruppe hat geeignete Nachweise dafür vorgelegt, dass sie die Anforderungen gemäß Artikel 5 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EU) 2019/788 erfüllt und die Kontaktpersonen gemäß Artikel 5 Absatz 3 Unterabsatz 1 der genannten Verordnung benannt hat.

(17)

Die Initiative ist weder offenkundig missbräuchlich, unseriös oder schikanös noch verstößt sie offenkundig gegen die Werte der Union, wie sie in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union festgeschrieben sind, oder gegen die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Rechte.

(18)

Abschließend ist festzustellen, dass die Initiative „Gewährleistung einer mit den EU-Verträgen und dem Völkerrecht im Einklang stehenden gemeinsamen Handelspolitik“, sofern ihre Ziele die angeforderten zusätzlichen Informationen aufweisen, alle Anforderungen gemäß Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2019/788 erfüllt und daher registriert werden sollte —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Die Europäische Bürgerinitiative mit dem Titel „Gewährleistung einer mit den EU-Verträgen und dem Völkerrecht im Einklang stehenden gemeinsamen Handelspolitik“ wird mit den folgenden zusätzlichen Angaben zu den Zielen der Initiative registriert: „In der Initiative wird die Kommission daher aufgefordert, einen Vorschlag für einen Rechtsakt im Rahmen der gemeinsamen Handelspolitik vorzulegen, der allgemeiner Natur ist und nicht auf ein bestimmtes Land oder Gebiet abzielt.“

Die Organisatorengruppe veröffentlicht die registrierte Initiative in den Formularen gemäß Anhang III der Verordnung (EU) 2019/788 sowie im zentralen Online-Sammelsystem oder gegebenenfalls im individuellen Online-Sammelsystem.

Die Kommission veröffentlicht dieselben Informationen über den Umfang der Registrierung der Initiative im Register.

Artikel 2

Dieser Beschluss ist an die Organisatorengruppe der Europäischen Bürgerinitiative mit dem Titel „Gewährleistung einer mit den EU-Verträgen und dem Völkerrecht im Einklang stehenden gemeinsamen Handelspolitik“, vertreten durch Herrn Tom MOERENHOUT und Herrn Giovanni FASSINA als Kontaktpersonen, gerichtet.

Brüssel, den 8. September 2021

Für die Kommission

Věra JOUROVÁ

Vizepräsidentin


(1)   ABl. L 130 vom 17.5.2019, S. 55.

(2)  Beschluss (EU) 2019/1567 der Kommission vom 4. September 2019 über die vorgeschlagene Bürgerinitiative „Gewährleistung einer mit den EU-Verträgen und dem Völkerrecht im Einklang stehenden gemeinsamen Handelspolitik“ (ABl. L 241 vom 19.9.2019, S. 12).

(3)  Urteil des Gerichts vom 12. Mai 2021, Moerenhout u. a/Kommission, T-789/19, ECLI:EU:T:2021:260.

(4)  Verordnung (EU) Nr. 211/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 über die Bürgerinitiative (ABl. L 65 vom 11.3.2011, S. 1).

(5)  Urteile des Gerichtshofs vom 22. Oktober 2013, Kommission/Rat, C-137/12, ECLI:EU:C:2013:675, Rn. 57, und vom 18. Juli 2013, Daiichi Sankyo, C-414/11, ECLI:EU:C:2013:520, Rn. 51.

(6)  Gutachten 2/15 vom 16. Mai 2017, Freihandelsabkommen mit Singapur, ECLI:EU:C:2017:376, Rn. 37.

(7)  Urteile des Gerichtshofs vom 17. Oktober 1995, Werner, C-70/94, ECLI:EU:C:1995:328, Rn. 10, und vom 17. Oktober 1995, Leifer, C-83/94, ECLI:EU:C:1995:329, Rn. 10.