20.7.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 238/1


EMPFEHLUNG DES EUROPÄISCHEN AUSSCHUSSES FÜR SYSTEMRISIKEN

vom 25. Mai 2020

zu Liquiditätsrisiken aufgrund von Einschusszahlungen

(ESRB/2020/6)

(2020/C 238/01)

DER VERWALTUNGSRAT DES EUROPÄISCHEN AUSSCHUSSES FÜR SYSTEMRISIKEN —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (1), insbesondere auf Artikel 3 Absatz 2 Buchstaben b, d und f und Artikel 16 bis 18,

gestützt auf den Beschluss ESRB/2011/1 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 20. Januar 2011 zur Verabschiedung der Geschäftsordnung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (2), insbesondere auf Artikel 15 Absatz 3 Buchstabe e und Artikel 18 bis 20,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Das zentrale Clearing sowie der Austausch von Einschusszahlungen für nicht zentral geclearte Transaktionen sind von erheblichem Nutzen für die Finanzstabilität, insbesondere in Bezug auf die Steuerung des Gegenparteirisikos. Das umfangreichere zentrale Clearing von Derivaten sowie die Besicherung von nicht zentral geclearten Derivatpositionen haben die Widerstandsfähigkeit der Derivatemärkte seit der Finanzkrise von 2008 erheblich gestärkt. Diese Reformen — unter der Leitung des Finanzstabilitätsrates auf der Grundlage von auf G20-Ebene getroffenen Vereinbarungen — haben dazu beigetragen, dass die jüngsten Finanzmarktspannungen weithin keinen Anlass zur Besorgnis über das Gegenparteiausfallrisiko gegeben haben. Das zentrale Clearing führt außerdem zu optimalen Netting-Möglichkeiten und damit zu Liquiditätseinsparungen, auch in Bezug auf Nachschusszahlungen, durch die die Bewegungen der Marktpreise automatisch abgebildet werden.

(2)

Erschütterungen des Marktes wie Einbrüche bei Preisen für Vermögenswerte und hohe Marktvolatilität haben ansteigende Nachschusszahlungen zur Folge und können außerdem zu erheblichen Einschussforderungen bei Positionen in Barsicherheiten, Rohstoffen und Derivaten führen. Einschusszahlungen sind für die zentrale Gegenpartei (Central Counterparty — CCP) für die Steuerung des Gegenparteiausfallrisikos von grundlegender Bedeutung, stellen einen wesentlichen Bestandteil des Risikomanagements dar und tragen zur systemischen Widerstandsfähigkeit bei.

(3)

Die genannten Marktverhältnisse können auf die Liquiditätssteuerung der Marktteilnehmer, auf deren Finanzierungsbedarf und gegebenenfalls sogar auf deren Zahlungsfähigkeit weitreichende Auswirkungen haben, falls der Liquiditätsstress zu gezielten Notverkäufen von Vermögenswerten führt.

(4)

Letztendlich können die externen Effekte, die sich aus den erheblichen Marktbewegungen und den damit einhergehenden Einschussforderungen ergeben, die Stabilität des Finanzsystems gefährden.

(5)

Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie und der jüngste kräftige Volatilitätsanstieg des Ölpreises haben unter anderem zu erheblichen Einschussforderungen auf den zentral geclearten und den nicht zentral geclearten Märkten geführt. Seit Mitte Februar 2020 sind die Ersteinschusszahlungen im Zuge der höheren Transaktionenvolumina gestiegen — bei den börsennotierten Derivaten noch erheblicher als bei den außerbörslichen Derivaten —, was die Antwort der Berechnungsmodelle auf die potentiell höheren Verluste in der Zukunft wegen der gestiegenen Marktvolatilität darstellt. Des Weiteren haben die CCP zur Deckung der Marktbewegungen hohe untertätige Nachschusszahlungen abgerufen und eingezogen, bei denen die entsprechende Zahlung oft erst am nächsten Morgen erfolgt, sodass die Liquidität vorübergehend auf den Konten der CCP gehalten wird. Im März wurde seitdem ein beträchtlicher Anstieg der täglichen Nachschusszahlungen in bilateralen Portfolios beobachtet.

(6)

Viele Clearingmitglieder haben bei Ersteinschusszahlungen einen außerordentlich deutlichen Anstieg beobachtet und einige Clearingmitglieder könnten auch eine Zunahme an Liquiditätsengpässen verzeichnen. Dennoch ist bei keiner der in der Union niedergelassenen CCP ein Ausfall aufgetreten. Einschusszahlungen könnten wegen Liquiditätsengpässen erhebliche Auswirkungen auf Nichtbanken — über Clearingtätigkeiten für Kunden oder im Rahmen von nicht zentral geclearten Transaktionen — gehabt haben. Es wird von den künftigen Volatilitätsschwankungen und dem Fortbestand der Widerstandsfähigkeit ihres jeweiligen Liquiditätsmanagements abhängen, ob die Marktteilnehmer künftig Einschusszahlungen abdecken werden können.

(7)

In der Gesamtschau können außerdem sowohl die Konzentration bei den CCP und Clearingmitgliedern als auch die Verflechtung der CCP hinsichtlich gemeinsamer Clearingmitglieder, Liquiditätsgeber, Depotbanken und Investitionspartner die Ausbreitung von Liquiditätsrisiken verstärken.

(8)

Die technischen Regulierungsstandards und die Leitlinien zu Maßnahmen bezüglich der Anti-Prozyklizität, die gemäß der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) eingeführt wurden, sollen das Risiko der prozyklischen Effekte der Einschusszahlungen für CCP verringern. Die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 153/2013 der Kommission (4) sieht spezifische Regelungen zur Prozyklizität von Einschusspflichten und Sicherheiten vor, die die nationalen zuständigen Behörden beachten müssen. Die Änderungen der EMIR, die durch die Verordnung (EU) 2019/834 des Europäischen Parlaments und des Rates (EMIR-REFIT) (5) eingeführt wurden, führen zwar zu einer größeren Transparenz bei der Festlegung von Einschusszahlungen zwischen CCP und Clearingmitgliedern, jedoch gilt diese Transparenzanforderung nicht für die Beziehung zwischen Clearingmitgliedern und deren Kunden.

(9)

Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) ist für die makroprudenzielle Aufsicht über das Finanzsystem in der Union verantwortlich. Zur Erfüllung seines Auftrags leistet der ESRB einen Beitrag zur Eindämmung von Systemrisiken für die Finanzstabilität, einschließlich solcher mit Bezug auf Liquidität. Dabei bewertet der ESRB die Risiken für das Finanzsystem, die sich aus hohen Einschusspflichten ergeben können, und schlägt Maßnahmen zur Risikoeindämmung vor.

(10)

Der ESRB anerkennt die Vorteile von Liquiditätseinsparungen für das Finanzsystem als Ganzes, die mit dem vom zentralen Clearing generierten multilateralen Nettingvorteil im Zusammenhang stehen, und begrüßt die systemischen Vorteile des zentralen Clearings als wichtiges Mittel zur Stärkung der Finanzstabilität, das solide Risikomanagement-Methoden in Bezug auf das Kredit- und Liquiditätsrisiko sicherstellt und entwickelt.

(11)

Der ESRB anerkennt weiterhin, dass politische Maßnahmen bezüglich der Einschusszahlungen den Schutz gegen das Gegenparteiausfallrisiko nicht gefährden dürfen. Gegenparteien, einschließlich CCP-Clearingmitglieder und deren Kunden, sollten sicherstellen, dass ihre Liquidität zur fristgerechten Erfüllung von Einschusspflichten ausreicht. Aus Sicht der Finanzstabilität ist es jedoch auch vorteilhaft, wenn sichergestellt ist, dass die Risikomanagemententscheidungen der CCP die Clearingmitglieder, deren Kunden und andere Gegenparteien nicht unnötigerweise durch übermäßige prozyklische Merkmale belasten, wodurch unbeabsichtigt eine Liquiditätsverknappung auftritt, die Solvenzprobleme nach sich ziehen kann. Der ESRB prognostiziert, dass die CCP als Reaktion auf die vorliegende Empfehlung sicherstellen werden, dass ihr Risikomanagement und ihre Widerstandsfähigkeit solide bleiben und Marktteilnehmer weiterhin gegen Ausfallverluste schützen.

(12)

Empfehlungen A und D sollen sicherstellen, dass plötzliche und erhebliche (also prozyklische) Änderungen und Klippeneffekte in Bezug auf Ersteinschusszahlungen (einschließlich Zuschläge für Einschusszahlungen) und Sicherheiten begrenzt werden: i) von CCP gegenüber ihren Clearingmitgliedern, ii) von Clearingmitgliedern gegenüber ihren Kunden sowie iii) im bilateralen Bereich, wo sie Folge von ungeprüftem Vertrauen auf die Bonitätseinstufung und wohl von prozyklischen internen Kreditscoring-Methoden sind. Die Liquiditätsplanung sollte soweit möglich durch die Minimierung von unerwarteten und immensen Einschusszahlungen prognostizierbar und kontrollierbar sein. Angemessene und durchsetzbare Kündigungsfristen bei Änderungen der Einschusszahlungen und Abschlagsprotokolle vorzusehen, kann dazu beitragen, dass sich die Marktteilnehmer in geordneter Weise anpassen.

(13)

Empfehlung B soll sicherstellen, dass CCP jegliche Vorkommnisse, die ein Liquiditätsdefizit zur Folge haben könnten, umfassend in ihren Liquiditätsstresstests einbinden, und einen Anreiz geben, ihre Systeme im Hinblick auf Rückgriffe auf Liquiditätsgeber zu verbessern. Dies wird zur Verbesserung der Widerstandsfähigkeit des gesamten Marktes führen, da die CCP und ihre Liquiditätsgeber stark verdichtet und eng verzahnt zusammenarbeiten und da ein solches umsichtiges Liquiditätsmanagement bei jeder CCP das Risikomanagement aus systemischer und makroprudenzieller Sicht verbessern.

(14)

Empfehlung C soll sicherstellen, dass die CCP unter Aufrechterhaltung ihrer finanziellen Solidität die Asymmetrie bei der Zahlung von Intertagesnachschüssen minimieren — und dass sie ihre Einschussregelungen und -pläne dahingehend gestalten, dass diese prognostizierbar sind und übermäßige Liquiditätsengpässe bei Clearingmitgliedern, die zu Zahlungsausfällen führen könnten, vermieden werden.

(15)

Diese Empfehlung gilt unbeschadet des geldpolitischen Mandats der Zentralbanken der Union.

(16)

Empfehlungen des ESRB werden veröffentlicht, nachdem den Adressaten die geplante Veröffentlichung mitgeteilt wurde, der Verwaltungsrat den Rat der Europäischen Union über die geplante Veröffentlichung in Kenntnis gesetzt hat und der Rat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hat —

HAT FOLGENDE EMPFEHLUNG ERLASSEN:

ABSCHNITT 1

EMPFEHLUNGEN

Empfehlung A — Minimierung von Klippeneffekten bei der Nachfrage nach Sicherheiten

1.

Es wird empfohlen, dass die zuständigen Behörden sich darum bemühen, dass sichergestellt ist, dass CCP die Leistungsfähigkeit ihrer Grundsätze in akuten Stressphasen im Sinne von Artikel 28 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 153/2013 überprüfen und die Ergebnisse an die jeweils zuständige Behörde melden.

2.

Es wird empfohlen, dass die zuständigen Behörden sich darum bemühen, dass sichergestellt ist, dass unter Berücksichtigung der nach Empfehlung A Nummer 1 erzeugten Überprüfungsergebnisse und soweit rechtlich zulässig und vereinbar mit der finanziellen Solidität der CCP:

i)

die Modelle und Parameter der CCP zur Festsetzung der Einschussanforderungen sowie die Grundsätze und Verfahren der CCP für die Annahme und Bewertung von Sicherheiten und zur Bestimmung von umsichtigen Abschlägen nicht unnötigerweise und nicht übermäßig plötzliche Änderungen in erheblichem Umfang zur Folge haben, die zu Klippeneffekten bei den Ersteinschusszahlungen (einschließlich Zuschlägen zu Einschusszahlungen) und Sicherheiten führen. die CCP dafür Sorge tragen, dass ihre Modelle, Parameter, Grundsätze und Verfahren:

a.

kleinstufige Skalen für die internen Kreditscoring-Modelle ansetzen sowie schrittweise vorgehen, sodass Änderungen an Einschussanforderungen (einschließlich Zuschlägen zu Einschusszahlungen) und an Besicherungsregelungen berücksichtigt werden, ohne dass sich diese Ratingherabstufungen in den Gesamtrisikomanagementpraktiken übermäßig verzögert widerspiegeln.

b.

einen umfassenden Ansatz heranziehen, um prozyklische Merkmale im Sinne der aufsichtlichen Anforderungen an Prozyklizität in Artikel 41 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 zu minimieren, insbesondere bei Herabstufungen von Kreditratings.

ii)

die CCP die jeweils zuständigen Behörden unbeschadet Artikel 49 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 unterrichten und die zuständigen Behörden die Mitglieder des nach Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 eingerichteten Kollegiums unterrichten, wenn sie:

a.

die Liste der anerkannten Sicherheiten einschränken,

b.

Risikoabschläge auf Sicherheiten wesentlich ändern,

c.

die nach Artikel 42 der Delegierten Verordnung Nr. 153/2013 der Kommission angewendeten Konzentrationsgrenzen wesentlich herabsetzen.

Soweit eine zügige Umsetzung der Risikomanagemententscheidungen dadurch nicht behindert wird, sollten diese Informationen rechtzeitig vor der Umsetzung übermittelt werden.

3.

Es wird empfohlen, dass die jeweils zuständigen Behörden der Clearingmitglieder mit den Clearingmitgliedern im Rahmen der laufenden Aufsichtstätigkeit -soweit dies rechtlich zulässig ist — zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Verwendung der Risikomanagementverfahren durch die Clearingmitglieder im Rahmen ihrer Clearingdienstleistungen gegenüber den Kunden nicht zu plötzlichen und erheblichen Änderungen und Klippeneffekten bei Einschussforderungen und der Einziehung von Einschusszahlungen (es sei denn, diese plötzlichen und erheblichen Änderungen und Klippeneffekte sind unvermeidbare Folgen von Marktereignissen) sowie bei den Besicherungspraktiken im Falle von Herabstufungen von Kreditratings führt und weder die Solidität der von den Clearingmitgliedern angewendeten Risikomanagementpraktiken wesentlich schmälert noch deren Widerstandsfähigkeit berührt.

4.

Es wird empfohlen, dass die jeweils zuständigen Behörden der finanziellen Gegenparteien und der nichtfinanziellen Gegenparteien, die nicht zentral geclearte OTC-Derivatekontrakte und Wertpapierfinanzierungsgeschäfte tätigen, sich — soweit dies rechtlich zulässig ist — darum bemühen, sicherzustellen, dass ihre Risikomanagementverfahren im Falle von Herabstufungen von Kreditratings nicht zu plötzlichen und erheblichen Änderungen und Klippeneffekten bei Einschussforderungen und -einziehung sowie Besicherungspraktiken führt. Dies kann zum Beispiel dadurch erreicht werden, dass die Gegenparteien aufgefordert werden:

i)

bei Herabstufungen von Kreditratings eine schrittweise und kleinteilige Stufenfolge in ihrem Gesamtrisikomanagementpraktiken zu verwenden,

ii)

einen umfassenden Ansatz beizubehalten um prozyklische Merkmale im Sinne der aufsichtlichen Anforderungen in Artikel 11 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 zu minimieren, insbesondere bei Herabstufungen von Kreditratings.

Empfehlung B — Stressszenario für die Beurteilung des zukünftigen Liquiditätsbedarfs

1.

Es wird empfohlen, dass die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) die Entwürfe für die nach Artikel 44 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 und insbesondere Artikel 32 Absatz 4 dieser Entwürfe für die technischen Regulierungsstandards erarbeiteten technischen Regulierungsstandards (6) überarbeitet und Bestimmungen aufnimmt, die die CCP verpflichten, in ihre Stressszenarien im Sinne von Artikel 44 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 den Ausfall von zwei Unternehmen einzubinden, die der CCP gegenüber Dienstleistungen erbringen und deren Ausfall die Liquiditätssituation des CCP wesentlich beeinflussen kann.

2.

Bis die ESMA in Bezug auf Empfehlung B Nummer 1 Maßnahmen ergreift und eventuell entsprechende Rechtsvorschriften der Europäischen Union eingeführt werden, wird empfohlen, dass die zuständigen Behörden sich — soweit rechtlich zulässig — bemühen sicherzustellen, dass in die Stressszenarien nach Artikel 44 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 der Ausfall von zwei Unternehmen eingebunden ist, die der CCP gegenüber Dienstleistungen erbringen und deren Ausfall die Liquiditätssituation der CCP beeinflussen kann; diese Unternehmen können unter anderem Liquiditätsgeber, Abrechnungsdienstleister oder andere Dienstleister sein, deren Ausfall die Liquiditätssituation des CCP beeinflussen kann.

3.

Es wird empfohlen, dass die zuständigen Behörden sich — soweit rechtlich zulässig — bemühen sicherzustellen, dass die Abhilfemaßnahmen der CCP, um etwaige Ausfälle von Mitteln zur Deckung des in den zusätzlichen nach Empfehlung B Nummer 2 oder Empfehlung B Nummer 1 genannten Stressszenarien ermittelten Liquiditätsbedarfs auszugleichen, in Zeiten von Marktstress keine zusätzliche Belastung für die Clearingmitglieder darstellen, sobald entsprechende unionsrechtliche Vorschriften in Kraft sind. Zu diesem Zweck sollten die zuständigen Behörden sicherstellen, dass die CCP zusätzliche Liquiditätsmittel bei alternativen Quellen nachfragen.

4.

Es wird empfohlen, dass die ESMA zusammen mit den zuständigen Behörden — soweit rechtlich zulässig — mit den CCP und — soweit möglich — mit den zuständigen Behörden in Drittländern zusammenarbeiten, um abgestimmte Liquiditätsstresstests durchzuführen, die den in Empfehlung B Nummer 1 und Nummer 2 genannten Ausfall von zwei Unternehmen einbeziehen.

Empfehlung C — Minimierung von Liquiditätsengpässen im Zusammenhang mit der Einziehung von Einschusszahlungen

1.

Es wird empfohlen, dass die zuständigen Behörden sich darum bemühen sicherzustellen, dass die CCP, sobald sie zur Minimierung ihrer Kreditrisikopositionen Einschusszahlungen abrufen und einziehen, das Herbeiführen von unnötigen Liquiditätsengpässen bei Clearingmitgliedern versuchen zu vermeiden, soweit dies rechtlich zulässig und mit den angemessenen Risikomanagementpraktiken und der finanziellen Widerstandsfähigkeit der CCP vereinbar ist, insbesondere indem sichergestellt wird, dass:

i)

die CCP in Bezug auf untertätig abgerufene und eingezogene Einschusszahlungen — soweit verfahrenstechnisch und rechtlich möglich — gesondert erfassen:

a.

Einschusszahlungen, die potenzielle Risikopositionen abdecken, einschließlich solcher, die sich aus Positionen ergeben, die am gleichen Tag eingegangen und durch Novation aufgerechnet werden;

b.

Einschusszahlungen, die tatsächlich eingetretene Risiken, die sich aus Marktbewegungen am selben Tag ergeben, abdecken und deren Einziehung und Auszahlung die CCP am selben Tag prüfen sollten;

ii)

wenn Clearingmitglieder zusätzlich zu den Sicherheiten, die zur Abdeckung des Risikos, das sich aus den im Konto erfassten Positionen ergibt, erforderlich sind, einschließlich untertätig durch Novation aufgerechnete Positionen und untertätig angestiegene Risikopositionen, Sicherheiten für Ersteinschusszahlungen gestellt haben, ziehen die CCP — wenn verfahrenstechnisch möglich — die Verwendung der Überschussbesicherung vor der Einziehung von Zuschlägen für Einschusszahlungen vor, es sei denn, das Clearingmitglied stellt die zusätzliche Einschusszahlung freiwillig. Dieses Verfahren sollte prognostizierbar, transparent und geordnet durchgeführt werden.

iii)

Die CCP stellen sicher, dass das Verfahren zur Einziehung von Erstein- und Nachschusszahlungen nicht zu übermäßigen betrieblichen Einschränkungen bei den Clearingmitgliedern führt, die zusätzliche Liquiditätsrisiken bergen können.

2.

Es wird empfohlen, dass die jeweils zuständigen Behörden die Clearingmitglieder überwachen und — wenn erforderlich und rechtlich zulässig und mit geeigneten Risikomanagementpraktiken und finanzieller Widerstandsfähigkeit vereinbar — im Rahmen der laufenden Aufsichtstätigkeit mit den Clearingmitgliedern zusammenarbeiten, sodass die Clearingmitglieder bei der Ausgabe von Einschussforderungen und der Einziehung von Erstein- und Nachschusszahlungen von ihren Kunden, einschließlich finanzieller und nichtfinanzieller Gegenparteien, zur Minimierung ihrer Kreditrisikopositionen unnötige Liquiditätsengpässe für ihre Kunden zu vermeiden versuchen. Dies kann zum Beispiel dadurch erreicht werden, dass sichergestellt wird, dass:

i)

wenn Kunden zur Besicherung, die zur Abdeckung des Risikos erforderlich ist, das sich aus den im Konto erfassten Positionen ergibt, einschließlich untertätig durch Novation aufgerechnete Positionen und untertätig angestiegene Risikopositionen, ausreichende Sicherheiten für Ersteinschusszahlungen gestellt haben, ziehen die Clearingmitglieder die Verwendung der Überschussbesicherung vor der Einziehung von Zuschlägen für Einschusszahlungen vor, es sei denn, der Kunde stellt die zusätzliche Einschusszahlung freiwillig.

ii)

Die Clearingmitglieder stellen sicher, dass das Verfahren zur Einziehung von Erstein- und Nachschusszahlungen nicht zu übermäßigen betrieblichen Einschränkungen bei den Kunden führt, die zusätzliche Liquiditätsrisiken bergen können.

Empfehlung D — Minimierung der Prozyklizität bei der Erbringung von Clearingdiensten an den Kunden und bei Wertpapierfinanzierungsgeschäften

1.

Es wird empfohlen, dass die jeweils zuständigen Behörden zu Diskussionen auf internationaler Ebene beitragen, indem sie an etwaigen internationalen Foren und Standardisierungsgremien teilnehmen, und zwar zur Minimierung der Prozyklizität bei Eischusszahlungs- und Abschlagspraktiken im Rahmen von der Erbringung von Kundendiensten im Zusammenhang mit börslich und außerbörslich gehandelten Derivaten sowie mit zentral und nicht zentral geclearten Wertpapierfinanzierungsgeschäften. In diesen Diskussionen sollte die Entwicklung von weltweiten Standards für Mindestanforderungen für die Minimierung von Prozyklizität im Rahmen der Erbringung dieser Dienste das Ziel sein.

2.

Nach Festlegung solcher weltweiten Standards wird empfohlen, dass die Europäische Kommission prüft, sie in Unionsgesetzgebung zu überführen.

ABSCHNITT 2

UMSETZUNG

1.   Begriffsbestimmungen

1.

Für die Zwecke dieser Empfehlung gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:

a)

„Zuständige Behörde“ ist die Behörde, die von einem Mitgliedstaat im Sinne von Artikel 22 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 benannt wird.

b)

„CCP“ hat die in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 genannte Bedeutung.

c)

„Clearing“ hat die in Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 genannte Bedeutung.

d)

„Clearingmitglied“ hat die in Artikel 2 Nummer 14 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 genannte Bedeutung.

e)

„Derivat“ oder „Derivatekontrakt“ hat die in Artikel 2 Nummer 5 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 genannte Bedeutung.

f)

„Jeweils zuständige Behörde“ ist die zuständige Behörde, die in den in Artikel 2 Nummer 8 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 genannten Rechtsakten aufgeführt wird sowie die zuständige Behörde, die ein Mitgliedstaat gemäß Artikel 10 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 für die Zwecke desselben Artikels benennt.

g)

„Finanzielle Gegenpartei“ hat die in Artikel 2 Nummer 8 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 genannte Bedeutung.

h)

„Nichtfinanzielle Gegenpartei“ hat die in Artikel 2 Nummer 9 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 genannte Bedeutung.

i)

„Kunde“ hat die in Artikel 2 Nummer 15 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 genannte Bedeutung.

2.   Umsetzungskriterien

Bei der Umsetzung der vorliegenden Empfehlung sollte unter Berücksichtigung von Zweck und Inhalt jeder Empfehlung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angemessen Rechnung getragen werden.

3.   Zeitrahmen für die Nachverfolgung

Gemäß Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 müssen die Adressaten dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem ESRB mitteilen, welche Maßnahmen sie zur Umsetzung der Empfehlung ergriffen haben, oder ein eventuelles Nichthandeln begründen. Die Mitteilungen sollten innerhalb der folgenden Fristen übermittelt werden:

1.   Empfehlung A

a)

Die zuständigen Behörden werden ersucht, dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem ESRB bis zum 30. November 2020 das Formular in Anhang I zur Umsetzung der Empfehlung A Nummern 1 und 2 zu übermitteln.

b)

Die jeweils zuständigen Behörden werden ersucht, dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem ESRB bis zum 30. November 2020 das Formular in Anhang I zur Umsetzung der Empfehlung A Nummern 3 und 4 zu übermitteln.

2.   Empfehlung B

a)

Die ESMA wird ersucht, dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem ESRB bis zum 31. Dezember 2021 das Formular in Anhang I zur Umsetzung der Empfehlung B Nummer 1 zu übermitteln.

b)

Die zuständigen Behörden werden ersucht, dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem ESRB bis zum 30. November 2020 das Formular in Anhang I zur Umsetzung der Empfehlung B Nummern 2, 3 und 4 zu übermitteln.

3.   Empfehlung C

a)

Die zuständigen Behörden werden ersucht, dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem ESRB bis zum 30. November 2020 das Formular in Anhang I zur Umsetzung der Empfehlung C Nummer 1 zu übermitteln.

b)

Die jeweils für die Clearingmitglieder zuständigen Behörden werden ersucht, dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem ESRB bis zum 30. November 2020 das Formular in Anhang I zur Umsetzung der Empfehlung C Nummer 2 zu übermitteln.

4.   Empfehlung D

a)

Die zuständigen Behörden und die jeweils zuständigen Behörden werden ersucht, dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem ESRB bis zum 31. Dezember 2021 das Formular in Anhang I zur Umsetzung der Empfehlung D Nummer 1 zu übermitteln.

b)

Die Kommission wird ersucht, dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem ESRB bis zum 31. Dezember 2022 das Formular in Anhang I zur Umsetzung der Empfehlung D Nummer 2 zu übermitteln.

4.   Überwachung und Bewertung

1.

Der Verwaltungsrat bewertet die von den Adressaten mitgeteilten Maßnahmen und Begründungen und kann gegebenenfalls entscheiden, dass die vorliegende Empfehlung nicht befolgt wurde und ein Adressat sein Nichthandeln nicht angemessen begründet hat.

2.

Die im Handbuch des ESRB zur Beurteilung der Umsetzung seiner Empfehlungen dargelegte Methodik, in der das Verfahren zur Beurteilung der Umsetzung der Empfehlungen des ESRB (7) beschrieben wird, findet keine Anwendung.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 25. Mai 2020.

Der Leiter des ESRB-Sekretariats,

im Auftrag des Verwaltungsrats des ESRB,

Francesco MAZZAFERRO


(1)  ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 1.

(2)  ABl. C 58 vom 24.2.2011, S. 4.

(3)  Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 1).

(4)  Delegierte Verordnung (EU) Nr. 153/2013 der Kommission vom 19.Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf technische Regulierungsstandards für Anforderungen an zentrale Gegenparteien (ABl. L 52 vom 23.2.2013, S. 41).

(5)  Verordnung (EU) 2019/834 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 in Bezug auf die Clearing-Pflicht, die Aussetzung der Clearing-Pflicht, die Meldepflichten, die Risikominderungstechniken für nicht durch eine zentrale Gegenpartei geclearte OTC-Derivatekontrakte, die Registrierung und Beaufsichtigung von Transaktionsregistern und die Anforderungen an Transaktionsregister (ABl. L 141 vom 28.5.2019, S. 42).

(6)  Entwurf für technische Regulierungsstandards gemäß Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (ESMA/2012/600).

(7)  Handbook on the assessment of compliance with ESRB recommendations, April 2016, abrufbar unter:https://www.esrb.europa.eu/pub/pdf/recommendations/160502_handbook.en.pdf


ANHANG I

Mitteilung der aufgrund dieser Empfehlung ergriffenen Maßnahmen

1.   Angaben zum Adressaten

Empfehlung

 

Land des Adressaten

 

Institut

 

Name und Kontaktdaten des Adressaten

 

Datum der Mitteilung

 

2.   Mitteilung der Maßnahmen

Empfehlung

Kommen Sie der Empfehlung nach? (ja/nein/nicht zutreffend)

Beschreibung der Maßnahmen, die ergriffen wurden, um die Einhaltung der Empfehlung zu gewährleisten

Begründung für die teilweise Einhaltung oder Nichteinhaltung

Empfehlung A Nummer 1

 

 

 

Empfehlung A Nummer 2

 

 

 

Empfehlung A Nummer 3

 

 

 

Empfehlung A Nummer 4

 

 

 

Empfehlung B Nummer 1

 

 

 

Empfehlung B Nummer 2

 

 

 

Empfehlung B Nummer 3

 

 

 

Empfehlung B Nummer 4

 

 

 

Empfehlung C Nummer 1

 

 

 

Empfehlung C Nummer 2

 

 

 

Empfehlung D Nummer 1

 

 

 

Empfehlung D Nummer 2

 

 

 

3.   Hinweise

1.

Dieses Formular wird für die Mitteilung gemäß Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 verwendet.

2.

Jeder Adressat soll dem ESRB das ausgefüllte Formular über das ESRB-Sekretariat elektronisch über DARWIN im dafür vorgesehenen Ordner oder per E-Mail an notifications@esrb.europa.eu übermitteln. Das ESRB-Sekretariat sorgt für die Übermittlung der Mitteilungen an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission in aggregierter Form.

3.

Wenn eine Empfehlung keine Anwendung findet, im Feld „Kommen Sie der Empfehlung nach?“„nicht zutreffend“ auswählen.

4.

Von den Adressaten wird erwartet, dass sie alle relevanten Informationen und Unterlagen im Zusammenhang mit der Umsetzung der Empfehlungen bereitstellen, einschließlich Informationen über den Inhalt und den Zeitpunkt der ergriffenen Maßnahmen.

5.

Erfüllt ein Adressat die Anforderungen nur teilweise, so sollte er eine vollständige Erläuterung des Ausmaßes der Nichteinhaltung sowie weitere Einzelheiten der teilweisen Erfüllung vorlegen. In der Erläuterung sollten die relevanten Teile der Empfehlung, denen die Adressaten nicht nachkommen, eindeutig angegeben werden.