23.7.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 243/1


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 20. Juli 2020

zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets

(2020/C 243/01)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 136 in Verbindung mit Artikel 121 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (2), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Das Euro-Währungsgebiet expandiert weiter, die Aussichten sind jedoch durch miteinander verbundene Risiken charakterisiert, und es zeichnen sich Unsicherheiten ab. Darüber hinaus droht die Gefahr, dass es aufgrund schwacher Produktivität und alternder Bevölkerungen erneut für längere Zeit zu niedrigem Wachstum und geringer Inflation kommt. Während die Produktionslücke seit 2017 positiv ist und 2018 bei 0,7 % des potenziellen Bruttoinlandsprodukts (BIP) lag, dürfte das Potenzialwachstum unter dem Vorkrisenniveau bleiben (3). Die Kerninflation blieb 2018 und 2019 im Bereich zwischen 1 und 1½ % und wird den Prognosen zufolge in den Jahren 2020 und 2021 bei etwa 1½ % bleiben. Die Arbeitsmarktindikatoren verbessern sich weiter, wenn auch langsamer, und das Beschäftigungswachstum wird sich voraussichtlich weiter verlangsamen; ferner bestehen nach wie vor Herausforderungen in Bezug auf die Qualität der Arbeitsplätze. Der Anstieg der Nominallöhne hat sich mit einem Wachstum von etwa 2¼ % im Jahr 2018, nach mehreren Jahren unter 2,0 %, gefestigt, wird auf etwa 2½ % im Jahr 2019 geschätzt und soll im Zeitraum 2020-2021 wieder auf 2¼ % sinken. Trotz guter Arbeitsmarktbedingungen sind die Reallöhne nur langsam gestiegen; ihr Wachstum ist mit unter 1 % im Jahr 2018 nach wie vor gering, es wird für 2019 auf etwa denselben Wert geschätzt und in den Jahren 2020 und 2021 auf 0,7 % bzw. 0,8 % veranschlagt. Wie im Warnmechanismusbericht 2020, der von der Kommission am 17. Dezember 2019 angenommen wurde, erwähnt, dürfte sich der Leistungsbilanzüberschuss des Euro-Währungsgebiets verringern, aber nahe an seinem Höchstwert bleiben. Mitgliedstaaten mit einem Defizit haben ihre Leistungsbilanzdefizite verringert oder in Überschüsse umgekehrt, auch wenn sie noch immer einen hohen negativen Nettoauslandsvermögensstatus (NAVS) verzeichnen.

Gleichzeitig haben einige Mitgliedstaaten zwar ihre Leistungsbilanzüberschüsse verringert, weisen aber immer noch anhaltend hohe Leistungsbilanzüberschüsse auf und erhöhen somit ihren NAVS. Die Leistungsbilanzdynamik im Euro-Währungsgebiet wird durch die nachlassende Auslandsnachfrage beeinflusst, insbesondere in exportorientierten Mitgliedstaaten mit hohen Leistungsbilanzüberschüssen, die in hohem Maße von der Exportnachfrage aus dem Ausland abhängig sind. Auch eine günstige Nachfrage-Dynamik ist wichtig; zudem würden Mitgliedstaaten mit hohen Überschüssen ebenfalls zum Abbau der Ungleichgewichte beitragen, indem sie bessere Voraussetzungen für ein stärkeres Lohnwachstum — unter Achtung der Rolle der Sozialpartner — sowie für öffentliche und private Investitionen schaffen.

(2)

Um das Wachstumspotenzial zu erhöhen und gleichzeitig ökologische und soziale Nachhaltigkeit zu gewährleisten sowie die reale Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets voranzutreiben, sind Strukturreformen erforderlich, damit für mehr nachhaltiges Wachstum gesorgt wird, sowie Investitionen in materielles und immaterielles Kapital, damit die Produktivität gesteigert wird. Dies würde insbesondere den Mitgliedstaaten zugute kommen, deren Wachstumspotenzial deutlich unter dem Durchschnitt des Euro-Währungsgebiets liegt. Es wäre auch notwendig, um zu verhindern, dass es in der Wirtschaft des Euro-Währungsgebiets über einen längeren Zeitraum zu geringem Potenzialwachstum und geringer Produktivität, niedriger Preisinflation und niedrigem Lohnwachstum sowie zunehmender Ungleichheit kommt. Soll das Euro-Währungsgebiet seine Wachstumsdynamik wieder in Gang setzen, mittel- bis langfristig den stärkeren Druck überwinden, der sich unter anderem aus der ungünstigen demografischen Entwicklung ergibt, und den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft leichter bewältigen, so sind Reformen und Investitionen nach wie vor von entscheidender Bedeutung; dies würde dem Euro-Währungsgebiet und seinen Mitgliedstaaten ferner dabei helfen, die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu erreichen.

(3)

Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels — eines der größten systemischen Risiken für die Weltwirtschaft, die Finanzsysteme und die Gesellschaften heutzutage — werden allmählich spürbar. Risiken für die Weltwirtschaft durch den Klimawandel und allgemein durch Umweltschäden werden zunehmend sichtbar, und sie werden weitreichende Auswirkungen haben, auch auf die schwächsten Bevölkerungsgruppen unserer Gesellschaften. Ohne geeignete Begleitmaßnahmen könnten sich negative Auswirkungen auf die Widerstandsfähigkeit unserer Volkswirtschaften, die Inklusivität und das langfristige Wachstumspotenzial ergeben. In diesem Zusammenhang wären Investitionen und die Schaffung der regulatorischen und finanziellen Voraussetzungen für einen geordneten Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Wenn die Herausforderungen in den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz auf die richtige Weise angegangen werden, sind sie auch eine Chance, die europäische Wirtschaft auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung neu zu beleben. In diesem Sinne hat die Kommission einen europäischen Grünen Deal als Wachstumsstrategie Europas vorgeschlagen. In diesem Sinne hat die Kommission einen europäischen Grünen Deal als Wachstumsstrategie Europas vorgeschlagen; er wird einen Vorschlag für das erste europäische Klimagesetz umfassen, mit dem das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 gesetzlich verankert werden soll. Gleichzeitig muss beim Übergang zu einer grünen Wirtschaft den Auswirkungen auf die verschiedenen Teile der Gesellschaft Rechnung getragen werden. Investitionen zur Erleichterung des Übergangs zu einer nachhaltigen Wirtschaft müssen mit der Bepreisung von CO2-Emissionen, einer angemessenen Regulierung in allen Sektoren und Investitionen in Qualifikationen sowie der Unterstützung des beruflichen Wechsels einhergehen, um sicherzustellen, dass alle Bürgerinnen und Bürger die Vorteile des technologischen Wandels nutzen können, insbesondere in den Sektoren und Regionen, die beim Übergang zu einer digitalen und grünen Wirtschaft hinterherhinken.

(4)

Die Mobilisierung öffentlicher und privater Mittel für Investitionen in den Übergang zu einer digitalen und grünen Wirtschaft kann dazu beitragen, das Wachstum kurzfristig zu stützen und die langfristigen Herausforderungen zu bewältigen, vor denen unsere Volkswirtschaften stehen. Die digitale Revolution kann zwar Chancen in Bezug auf Produktivität, Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen mit sich bringen, sie kann aber auch Herausforderungen mit sich bringen, insbesondere für weniger qualifizierte Arbeitnehmer, die nicht über die erforderlichen Kompetenzen verfügen, um mit neuen Technologien arbeiten zu können. Unterschiedliche Geschwindigkeiten beim Übergang zur digitalen Wirtschaft in den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets könnten ein erhebliches Risiko für Konvergenz und makroökonomische Stabilität darstellen. Dies könnte durch starke Agglomerationseffekte, von denen häufig Großstädte und Marktführer profitieren, und eine „Winner-takes-all-Dynamik“, die häufig im Bereich der digitalen Technologien auftritt, noch verstärkt werden, was Ungleichheiten weiter vergrößern und sich negativ auf die Konvergenz auswirken kann. Investitionen sollten auf die Förderung von Forschung und Innovation, aber auch auf die breitere Streuung von Innovationen in der gesamten Wirtschaft abzielen.

(5)

Eine stärker koordinierte Investitionsstrategie in Verbindung mit verstärkten Reformanstrengungen auf Ebene des Euro-Währungsgebiets wäre von entscheidender Bedeutung, um nachhaltiges Wachstum zu fördern und auf die langfristigen Herausforderungen wie den klimabedingten und den technologischen Wandel zu reagieren. Das Haushaltsinstrument für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit würde den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets finanzielle Unterstützung bei der Umsetzung von Vorschlägen bieten, die in der Regel aus Reform- und Investitionspaketen bestehen sollten. Mit InvestEU, das ebenfalls zum Investitionsplan für ein zukunftsfähiges Europa beitragen wird, sollen ferner zusätzliche Investitionen mobilisiert werden, um Innovationen und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Union weiter zu fördern, unter anderem durch die Finanzierung nachhaltiger Infrastrukturen. Die kohäsionspolitischen Mittel, die eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung unserer Regionen und ländlichen Gebiete spielen, sind auch für den klimabedingten und den technologischen Wandel relevant, indem sie eine nachhaltige Entwicklung fördern. Die Europäische Investitionsbank stellt bereits 25 % ihrer Gesamtfinanzierung für klimaschutzbezogene Investitionen bereit und gab bekannt, diesen Anteil verdoppeln zu wollen. Um die Nachhaltigkeitsziele der Union zu erreichen, wäre es von wesentlicher Bedeutung, Investitionsprojekte auf nationaler und subnationaler Ebene durchzuführen, die die Anpassung an den Klimawandel und den Klimaschutz, die Energiewende, die Dekarbonisierung oder die Kreislaufwirtschaft betreffen. Investitionen in netzgebundene Wirtschaftszweige und Infrastruktur können dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit des Euro-Währungsgebiets zu verbessern und den Übergang zu einem nachhaltigeren Verkehrssystem zu fördern. Darüber hinaus sind Investitionen in immaterielle Vermögenswerte wie Forschung, Entwicklung und Qualifikation ebenfalls von entscheidender Bedeutung, um das Euro-Währungsgebiet auf die anstehenden Herausforderungen vorzubereiten.

(6)

Die Auswirkungen der wirtschaftlichen Expansion in den letzten Jahren waren in den Mitgliedstaaten und zwischen den Regionen und Mitgliedstaaten nicht gleichmäßig spürbar. Auch wenn das verfügbare Einkommen in jüngster Zeit gestiegen ist, liegt es in mehreren Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets nach wie vor unter dem Vorkrisenniveau. Die Zahl der von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen ist in den meisten Mitgliedstaaten rückläufig und liegt nun 5 Mio. unter dem Höchststand von 2012, im Euro-Währungsgebiet liegt sie jedoch nach wie vor über dem Niveau von 2008. Nach einer Zeit zunehmend auseinanderlaufender Entwicklungen haben sich einige Mitgliedstaaten in den letzten Jahren den Mitgliedstaaten mit dem höchsten BIP pro Kopf angenähert. Allerdings ist der Einkommensanteil der einkommensstärksten Bevölkerungsgruppen in den letzten zehn Jahren langsam gestiegen, und es bestehen nach wie vor große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Um die Aufwärtskonvergenz innerhalb der Mitgliedstaaten und zwischen ihnen zu fördern, wäre es wichtig, politische Maßnahmen zu unterstützen, die darauf abzielen, im Einklang mit den Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen sowohl die Effizienz als auch die Gerechtigkeit zu erhöhen. Diese politischen Maßnahmen sollten zu besseren makroökonomischen Ergebnissen mit gerechter geteiltem Nutzen für die Gesamtgesellschaft führen, was auch zur Stärkung des Zusammenhalts im Euro-Währungsgebiet beiträgt.

(7)

Für ein robustes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum sowie eine wirksame Reaktion auf anhaltend niedrige Inflation, sich abschwächende Wirtschaftsaussichten und Risiken für das langfristige Wachstum ist ein kohärenter und ausgewogener makroökonomischer Politik-Mix im Euro-Währungsgebiet, der unter anderem geld-, haushalts- und strukturpolitische Elemente umfasst, unabdingbar. Die Europäische Zentralbank verfolgt eine akkommodierende Geldpolitik, die dazu beitragen soll, die Inflation in Richtung auf ihr mittelfristiges Inflationsziel zu bringen und zugleich Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Die Haushaltspolitik muss den geldpolitischen Kurs ergänzen, ebenso wie Strukturreformen in verschiedenen Sektoren, einschließlich derjenigen, die zur Vollendung der Architektur der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) erforderlich sind.

(8)

Die Koordinierung der nationalen Haushaltspolitik unter uneingeschränkter Einhaltung des Stabilität- und Wachstumspakts und gleichzeitiger Berücksichtigung des verfügbaren haushaltspolitischen Spielraums und der Übertragungseffekte zwischen den Mitgliedstaaten trägt zum ordnungsgemäßen Funktionieren der WWU bei. Der fiskalische Kurs des Euro-Währungsgebiets dürfte 2020 und 2021 weitgehend neutral bis leicht expansiv sein. Gleichzeitig ist die nationale Haushaltspolitik nach wie vor nicht ausreichend differenziert. Durch die Verfolgung einer umsichtigen Haushaltspolitik könnten hoch verschuldete Mitgliedstaaten die Staatsverschuldung auf einen Abwärtspfad bringen, die Anfälligkeit für Schocks verringern und das uneingeschränkte Funktionieren automatischer Stabilisatoren im Falle eines Konjunkturabschwungs ermöglichen. Andererseits würde eine weitere Ankurbelung der Investitionen und anderer produktiver Ausgaben in Mitgliedstaaten mit einer günstigen Haushaltslage kurz- und mittelfristig das Wachstum fördern und gleichzeitig dazu beitragen, die Wirtschaft des Euro-Währungsgebiets wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Falls Abwärtsrisiken auftreten, sollten differenzierte finanzpolitische Reaktionen erfolgen, um auf aggregierter Ebene einen stärker unterstützenden Kurs einzuschlagen und zugleich für die uneingeschränkte Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu sorgen. Länderspezifische Gegebenheiten sollten berücksichtigt und Prozyklizität so weit wie möglich vermieden werden. Die Mitgliedstaaten sollten bereit sein, politische Strategien in der Euro-Gruppe abzustimmen.

(9)

Haushaltspolitische Strukturreformen sind nach wie vor entscheidend, wenn es darum geht, die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu verbessern, das Wachstumspotenzial der Wirtschaft zu vergrößern und im Falle eines Abschwungs eine wirksame antizyklische Haushaltspolitik zu ermöglichen. Gut funktionierende haushaltspolitische Rahmen auf nationaler Ebene können zusammen mit regelmäßigen und gründlichen Ausgabenüberprüfungen und einem effektiven, transparenten öffentlichen Auftragswesen die Effizienz und Wirksamkeit öffentlicher Ausgaben stärken und die Glaubwürdigkeit und Qualität haushaltspolitischer Strategien erhöhen. Eine verbesserte Zusammensetzung der nationalen Haushalte auf der Einnahmen- wie Ausgabenseite — unter anderem durch die Verlagerung der Ressourcen hin zu öffentlichen Investitionen, die auf gut konzipierten Investitionsstrategien basieren, und durch die Entwicklung von Instrumenten für die umweltgerechte Haushaltsplanung — würde die wachstumsfördernde Wirkung der öffentlichen Haushalte verstärken, die Produktivität steigern und dazu beitragen, die drängenden langfristigen Herausforderungen des Übergangs zu einer grünen und digitalen Wirtschaft zu meistern. Eine Vereinfachung und Modernisierung der Steuersysteme und die Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Steuervermeidung, nämlich durch Maßnahmen zur Bekämpfung aggressiver Steuerplanung, die den laufenden Beratungen im inklusiven Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) über die noch offenen Fragen zur Aushöhlung der Steuerbemessungsgrundlage und Gewinnverlagerung (BEPS) Rechnung tragen, sind unerlässlich, um die Steuersysteme effizienter und gerechter zu machen. Die Leichtigkeit, mit der mobile Ressourcen innerhalb des Euro-Währungsgebiets verschoben werden können, ist zwar einer der Grundpfeiler des Binnenmarktes, vergrößert andererseits aber auch den Spielraum für Steuerwettbewerb. Die Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten ist daher von entscheidender Bedeutung, um gegen Gewinnverlagerungen und schädliche Steuerpraktiken vorzugehen und bei der Unternehmensbesteuerung einen allgemeinen Wettlauf nach unten zu verhindern.

Das Hinarbeiten auf eine Einigung über eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage sowie auf eine Einigung im inklusiven Rahmen der OECD über die noch offenen BEPS-Fragen mit dem Ziel, die Gewinnverteilung auf einzelne Länder zu überprüfen und eine effektive Mindestbesteuerung zu gewährleisten, könnte hierbei einen entscheidenden Beitrag leisten. Die Steuern im Euro-Währungsgebiet sind relativ hoch, und vor allem der Faktor Arbeit wird stark besteuert, während Immobilien- oder Umweltsteuern nur einen sehr geringen Anteil der Steuereinnahmen ausmachen. Die Immobilien- und Umweltsteuern können jedoch weniger schädlich für Wachstum sowie Arbeitskräfteangebot und -nachfrage sein. Ein verstärkter Einsatz von Umweltsteuern kann zu nachhaltigem Wachstum beitragen, indem Anreize für ein umweltschonenderes Verhalten von Verbrauchern und Erzeugern geschaffen werden. Bei der Besteuerung müssten die Klimaschutzdimension stärker berücksichtigt und die Emissionen sowie die Verlagerung von CO2-Emissionen konsequenter angegangen werden. Die Förderung eines weltweit koordinierten Vorgehens würde die Wirksamkeit dieser Maßnahmen weiter verbessern. Um den Übergang zu einer grünen Wirtschaft zu erleichtern, wird daher vorgeschlagen werden, die Konzeption von haushaltspolitischen Maßnahmen, die zu Umweltverpflichtungen führen, zu fördern und die Richtlinie 2003/96/EG (4) des Rates zu überarbeiten; ferner wird ein mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) vereinbares CO2-Grenzausgleichssystem angeregt, falls dies erforderlich ist, um eine Verlagerung von CO2-Emissionen zu verhindern.

(10)

Strukturelle und institutionelle Reformen, die zu mehr Wettbewerb auf den Warenmärkten, einer höheren Ressourceneffizienz sowie einer Verbesserung des Unternehmensumfelds und der Qualität der öffentlichen Verwaltung einschließlich einer effizienteren Justiz führen, sind wichtig für die Widerstandsfähigkeit der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets. Robuste Wirtschaftsstrukturen und geeignete politische Strategien verhindern, dass sich Schocks maßgeblich und dauerhaft auf Einkommen und Arbeitskräfteangebot auswirken, und können die Durchführung der Fiskal- und Geldpolitik erleichtern sowie auseinanderstrebende Entwicklungen, insbesondere bei Konjunkturrückgang, begrenzen, indem sie günstigere Voraussetzungen für nachhaltiges und inklusives Wachstum schaffen. Besser koordinierte und umgesetzte Strukturreformen — insbesondere die in den länderspezifischen Empfehlungen genannten -könnten positive Übertragungseffekte zwischen den Mitgliedstaaten bewirken. Die nationalen Ausschüsse für Produktivität können hierbei eine bedeutende Rolle spielen, indem sie die Eigenverantwortung für die Reformen auf nationaler Ebene stärken und die Umsetzung verbessern. Reformen sind auch erforderlich, um drängende langfristige Herausforderungen wie den Klimawandel und den technologischen Wandel bewältigen zu können. Die Vertiefung der Binnenmarktintegration, die sich als wichtiger Motor für Wachstum und Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten erwiesen hat, kann ebenfalls zur Förderung des Produktivitätswachstums beitragen.

(11)

In der europäischen Säule sozialer Rechte sind 20 Grundsätze festgelegt, um Gleichbehandlung und Zugang zum Arbeitsmarkt, faire Arbeitsbedingungen, sozialen Schutz und Inklusion sicherzustellen. Dieser Rahmen soll als Kompass für eine Aufwärtskonvergenz in Richtung besserer Arbeits- und Lebensbedingungen dienen. Stärkere und inklusivere Volkswirtschaften und Gesellschaften können wiederum die Widerstandsfähigkeit der Union und des Euro-Währungsgebiets erhöhen. Reformen und Investitionen in Qualifikationen, die Erleichterung beruflicher Wechsel und ein wirksamerer sozialer Schutz sind auch wichtige Begleitmaßnahmen zu einem gerechten und fairen Übergang zu einer grünen und digitalen Wirtschaft. Die vollständige Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte auf allen Ebenen unter gebührender Berücksichtigung der jeweiligen Zuständigkeiten wird für die Förderung der Aufwärtskonvergenz von entscheidender Bedeutung sein.

(12)

Reformen zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung, zur Bekämpfung der Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit, zur Förderung der Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze, zur Unterstützung erfolgreicher Arbeitsmarktübergänge, zur Verringerung der Segmentierung und zur Förderung des sozialen Dialogs können dazu beitragen, das inklusive Wachstum anzukurbeln, die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit und die automatische Stabilisierung zu verbessern, Ungleichverteilungen zu verringern und Armut sowie soziale Ausgrenzung zu bekämpfen. Individuelle Unterstützung bei beruflichem Wechsel, Ausbildung und Umschulung tragen entscheidend zur rechtzeitigen Wiedereingliederung von Arbeitssuchenden bei. Aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sollten gut in die Sozialpolitik integriert werden und die aktive Eingliederung in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft fördern. Der lebenslange Zugang zu hochwertiger allgemeiner und beruflicher Bildung erfordert angemessene Investitionen zur Verbesserung des Humankapitals und der Qualifikationen, auch vor dem Hintergrund des Übergangs zu einer grünen und digitalen Wirtschaft. Dies trägt mittel- und langfristig zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit, der Produktivität, der Innovationsfähigkeit und der Löhne bei und erhöht die Widerstandsfähigkeit des Euro-Währungsgebiets. Die Rechtsvorschriften zum Beschäftigungsschutz müssen für faire und angemessene Arbeitsbedingungen für alle Arbeitnehmer sorgen, insbesondere im Hinblick auf neue, atypische Beschäftigungsformen, welche zwar neue Möglichkeiten schaffen, aber zugleich Herausforderungen mit sich bringen, was Arbeitsplatzsicherheit und Sozialschutz betrifft.

Wirksame und tragfähige Sozialschutzsysteme sind ebenfalls entscheidend, wenn es darum geht, ein angemessenes Einkommen und den Zugang zu hochwertigen Dienstleistungen zu gewährleisten. Rentenreformen und Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben können eine erhebliche fördernde Wirkung auf die Erwerbsbeteiligung haben und so die langfristige Tragfähigkeit der europäischen Sozialsysteme sicherstellen. Eine steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit wäre vor allem bei Gering- und Zweitverdienern sinnvoll. Die Einbeziehung der Sozialpartner in beschäftigungspolitische, soziale und wirtschaftliche Reformen ist von entscheidender Bedeutung, um die Eigenverantwortung zu stärken und die Umsetzung der Reformen zu unterstützen. Ebenso ist die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Organisationen von Vorteil. Es ist wichtig, dass Tarifverträge unter uneingeschränkter Achtung der Autonomie der Sozialpartner zur Verwirklichung der Ziele der unten aufgeführten Empfehlungen 1 bis 5 beitragen.

(13)

Der Finanzsektor im Euro-Währungsgebiet ist seit der Krise robuster geworden, weist jedoch nach wie vor Schwachstellen auf, die beseitigt werden müssen. Die hohe Verschuldung von Unternehmen und Privathaushalten, die durch die verschuldungsfreundlichen Steuersysteme vieler Staaten begünstigt wird, kann unter Umständen Risiken bergen. Die Notwendigkeit einer Anpassung der Geschäftsmodelle der Banken, das Niedrigzinsumfeld und der zunehmende Wettbewerb durch andere Finanzierungsformen wirken sich weiterhin nachteilig auf die Rentabilität der Banken aus. Bei der Risikominderung, insbesondere beim Abbau notleidender Kredite, wurden kontinuierliche Fortschritte erzielt. Dort, wo der Anteil notleidender Kredite nach wie vor hoch ist, sind gleichwohl weitere kontinuierliche Anstrengungen erforderlich, und alle Mitgliedstaaten sollten geeignete politische Maßnahmen treffen, um eine Anhäufung notleidender Kredite zu verhindern. Im März 2018 legte die Kommission ein Paket zur Risikominderung vor, um sowohl die Altlasten in Form notleidender Kredite leichter in Angriff nehmen zu können als auch eine künftige Anhäufung zu verhindern. Im Rahmen der Legislativmaßnahmen zu notleidenden Krediten wurde im April 2019 die Verordnung (EU) 2019/630 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) angenommen, mit der eine gesetzlich vorgeschriebene „aufsichtsrechtliche Letztsicherung“ eingeführt wird, um das Risiko einer unzureichenden Unterlegung künftiger notleidender Kredite zu vermeiden; es sind jedoch weitere Fortschritte beim Problem der notleidenden Kredite notwendig, insbesondere was den Entwurf der Richtlinie über Sekundärmärkte für notleidende Kredite betrifft.

Bei der Verbesserung des bestehenden Rahmens zur Bekämpfung der Geldwäsche wurden bereits Fortschritte erzielt. Wie jedoch in den Berichten der Kommission vom Juli 2019 hervorgehoben wurde, ist in der Union ein umfassenderer Ansatz zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Finanzierung terroristischer Aktivitäten notwendig, um die festgestellten strukturellen Mängel zu beheben. Hierzu muss insbesondere geprüft werden, wie sich durch Maßnahmen der Union die Harmonisierung verstärken und die Überwachung und Durchsetzung der Vorschriften verbessern lassen.

(14)

Die Stärkung der Bankenunion ist seit 2013 ein vorrangiges Vorhaben, um Finanzstabilität zu gewährleisten, die Finanzmarktfragmentierung zu verringern und die Kreditvergabe an die Wirtschaft in Krisenzeiten zu schützen. Es wurden weitere Fortschritte erzielt, unter anderem durch die Einigung über den Rechtsrahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) für die gemeinsame Letztsicherung für den einheitlichen Abwicklungsfonds, doch ist eine weitere Stärkung notwendig. In diesem Zusammenhang beauftragte der Euro-Gipfel die Euro-Gruppe, vorbehaltlich der nationalen Verfahren die Arbeit am ESM-Reformpaket fortzusetzen und weiter an allen Elementen zur weiteren Stärkung der Bankenunion zu arbeiten und zwar auf einvernehmlicher Basis. Es wurde eine hochrangige Arbeitsgruppe eingesetzt, die einen Fahrplan für die Aufnahme der politischen Verhandlungen über ein europäisches Einlagenversicherungssystems (EDIS) erarbeiten soll. Es ist wichtig Fortschritte zu machen, um die Vorteile der Bankenunion in Bezug auf private Risikoteilung, Finanzstabilität und Wirtschaftswachstum nutzen zu können und dabei gleichzeitig die Möglichkeiten der Arbitrage zwischen den Mitgliedstaaten zu verringern. Letztlich sollten diese Fortschritte die finanzielle und wirtschaftliche Souveränität Europas gewährleisten. Dies erfordert, dass die Arbeit an allen Elementen, auch an jenen, die in der hochrangigen EDIS-Arbeitsgruppe erörtert werden, unverzüglich und mit dem gleichen Maß an Ehrgeiz fortgesetzt wird. Die Arbeit am ESM-Reformpaket sollte abgeschlossen werden, wozu auch die Einführung einer Letztsicherung für den einheitlichen Abwicklungsfonds gehört. Die Letztsicherung für den einheitlichen Abwicklungsfonds sollte einsatzfähig und vorzeitig nutzbar werden, sofern ausreichende Fortschritte bei der Risikominderung erzielt worden sind.

Es sollte weiter an Lösungen zur Überwindung der Einschränkungen in der aktuellen Ausgestaltung der Liquiditätsbereitstellung bei der Abwicklung gearbeitet werden. Schließlich hat die Kommission alle im Rahmen des Aktionsplans für die Kapitalmarktunion von 2015 angekündigten Maßnahmen umgesetzt. Allerdings bestehen nach wie vor rechtliche, steuerliche und regulatorische Hindernisse für die Schaffung einer Kapitalmarktunion und es sind weitere Anstrengungen notwendig, um diese zu überwinden — insbesondere was die Vorschriften über den Zugang zu Finanzierungen sowie bestimmte Unterschiede bei Insolvenz und Besteuerung betrifft — und um hohe, wirksame und konvergente Aufsichtsstandards zu erreichen.

(15)

Zur Stärkung der Architektur der Wirtschafts- und Währungsunion müssen die in der Erklärung des Euro-Gipfels vom 13. Dezember 2019 genannten Maßnahmen vorrangig verwirklicht werden, zugleich aber auch die Beratungen über andere Aspekte fortgesetzt werden. In der Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Vertiefung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion: Eine Bilanz vier Jahre nach dem Bericht der fünf Präsidenten“ vom 12. Juni 2019 werden eine Bestandsaufnahme vorgenommen und der Standpunkt der Kommission zu Bereichen aufgezeigt, auf die sich die Reformbemühungen kurz- und mittelfristig konzentrieren sollten. Mit einer politischen Einigung über die Merkmale eines Haushaltsinstruments für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit für das Euro-Währungsgebiet wurden einige Fortschritte bei der Wirtschaftsunion erzielt. Vorbehaltlich des Abschlusses der nationalen Verfahren wurde eine grundsätzliche Einigung über die Weiterentwicklung des ESM und die Überarbeitung des ESM-Vertrags erzielt. Im Rat konnte weder eine Einigung über eine fiskalische Stabilisierungsfunktion für das Euro-Währungsgebiet noch über eine Reform der Steuerung des Euro-Währungsgebiets erzielt werden.

(16)

Die Vertiefung der WWU würde zu besseren makroökonomischen Ergebnissen führen. Eine unvollständige WWU behindert die finanzielle Integration. Dies schränkt die Finanzierungsmöglichkeiten für Investitionen ein, die dringend benötigt werden, um eine inklusive, produktive, nachhaltige und stabile Wirtschaft zu fördern. Eine unvollständige WWU behindert auch die reibungslose Transmission der Geldpolitik im gesamten Euro-Währungsgebiet und schränkt die Fähigkeit Europas ein, über sein wirtschaftliches Schicksal zu bestimmen. Eine zentrale fiskalische Stabilisierungsfunktion wäre — sofern sie vereinbart wird — eine Ergänzung der Fähigkeit der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets, eine antizyklische Haushaltspolitik zu verfolgen. Der Rat nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission beabsichtigt, eine europäische Arbeitslosenrückversicherung vorzuschlagen, um die Bürgerinnen und Bürger bei wirtschaftlichen Krisen besser zu schützen. Die Stärkung der WWU ist in Verbindung mit einer soliden Politik auf europäischer und nationaler Ebene eine entscheidende Voraussetzung dafür, Europa mehr politisches Gewicht in der Welt zu verleihen, die internationale Rolle des Euro zu fördern und zu einer offenen, multilateralen und regelbasierten Weltwirtschaft beizutragen. Es ist wichtig, darüber weiterhin — unter uneingeschränkter Achtung des Binnenmarkts der Union — in einer gegenüber den Mitgliedstaaten, die nicht dem Euro-Währungsgebiet angehören, offenen und transparenten Weise zu beraten.

(17)

Der Beschäftigungsausschuss und der Ausschuss für Sozialschutz sind zu den beschäftigungs- und sozialpolitischen Aspekten dieser Empfehlung konsultiert worden —

EMPFIEHLT, dass die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets im Rahmen der Eurogruppe im Zeitraum 2020–2021 einzeln und gemeinsam

1.

in Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets mit Leistungsbilanzdefiziten oder hoher Auslandsverschuldung Reformen zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Verringerung der Auslandsverschuldung durchführen. In Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets mit hohen Leistungsbilanzüberschüssen sollten unter Achtung der Rolle der Sozialpartner die dem Lohnwachstum förderlichen Bedingungen gestärkt und Maßnahmen zur Förderung öffentlicher und privater Investitionen umgesetzt werden. In allen Mitgliedstaaten sollte durch Verbesserungen des Unternehmensumfelds und der Qualität der Institutionen die Produktivität gefördert und, insbesondere durch Vertiefung des Binnenmarkts im Interesse besser funktionierender Waren- und Dienstleistungsmärkte, die Widerstandsfähigkeit erhöht werden. Der faire und inklusive Übergang zu einer wettbewerbsfähigen grünen und digitalen Wirtschaft sollte durch öffentliche und private Investitionen materieller und immaterieller Art unterstützt werden;

2.

unter uneingeschränkter Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts bei der Verfolgung ihrer Politik öffentliche und private Investitionen fördern und die Qualität und Zusammensetzung der öffentlichen Finanzen verbessern. Mitgliedstaaten mit hoher Staatsverschuldung sollten eine umsichtige Politik verfolgen, um glaubhaft einen Abbau ihrer Staatsverschuldung einzuleiten. Mitgliedstaaten mit günstiger Haushaltslage sollten diese nutzen, um noch stärker hochwertige Investitionen anzuregen, wobei allerdings die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gewährleistet bleiben muss. Falls Abwärtsrisiken auftreten, sollten differenzierte finanzpolitische Reaktionen erfolgen, um auf aggregierter Ebene einen stärker unterstützenden Kurs einzuschlagen und zugleich für die uneingeschränkte Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu sorgen. Länderspezifische Gegebenheiten sollten berücksichtigt und Prozyklizität so weit wie möglich vermieden werden. Die Mitgliedstaaten sollten bereit sein, politische Strategien in der Euro-Gruppe abzustimmen. Die Wirksamkeit der nationalen haushaltspolitischen Rahmen sowie die Qualität der öffentlichen Finanzen sollten verbessert werden, und es sollten wachstumsfreundliche haushaltspolitische Maßnahmen steuerlicher und sonstiger Art ergriffen werden, die einer nachhaltigen und inklusiven Wirtschaft dienlich sind. Überdies sollten Maßnahmen der Union, die aggressive Steuerplanung bekämpfen und bei der Unternehmensbesteuerung einen Wettlauf nach unten verhindern, unterstützt und umgesetzt werden;

3.

die Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung stärken und in Kompetenzen investieren. Aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, die der Integration in den Arbeitsmarkt und erfolgreichen Arbeitsmarktübergängen — auch dem Wechsel zu mehr digitalen und grünen Arbeitsplätzen — dienen, sollten wirksamer gestaltet werden. Die Beteiligung am Arbeitsmarkt, auch für Frauen und gefährdete Gruppen, sollte gefördert und der Faktor Arbeit insbesondere bei Gering- und Zweitverdienern steuerlich entlastet werden. Die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze, faire Arbeitsbedingungen und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sollten unterstützt und der Segmentierung des Arbeitsmarkts entgegengewirkt werden. Der Zugang zu angemessenen und nachhaltigen Sozialschutzsystemen sollte erleichtert werden. Der soziale Dialog sollte effektiver gestaltet und Kollektivverhandlungen sollten gefördert werden;

4.

Folgemaßnahmen zur Erklärung des Euro-Gipfels vom 13. Dezember 2019 zur weiteren Stärkung der Bankenunion im Hinblick auf ihre Vollendung ergreifen, indem sie die Arbeit an allen Elementen, auch an jenen, die in der hochrangigen EDIS-Arbeitsgruppe erörtert werden, unverzüglich und mit dem gleichen Maß an Ehrgeiz fortsetzen. Die Arbeit am ESM-Reformpaket sollte abgeschlossen werden, wozu auch die Einführung einer Letztsicherung für den einheitlichen Abwicklungsfonds gehört. Die Letztsicherung für den einheitlichen Abwicklungsfonds sollte einsatzfähig und vorzeitig nutzbar gemacht werden, sofern ausreichende Fortschritte bei der Risikominderung erzielt worden sind. Es sollte weiter an Lösungen zur Überwindung der Einschränkungen in der aktuellen Ausgestaltung der Liquiditätsbereitstellung bei der Abwicklung gearbeitet werden. Der europäische Regulierungs- und Aufsichtsrahmen sollte gestärkt werden, auch durch Gewährleistung einer kohärenten und wirksamen Überwachung und Durchsetzung von Regeln zur Bekämpfung der Geldwäsche. Der geordnete Abbau hoher Schuldenstände im privaten Sektor sollte gefördert werden; hierfür sollten auch steuerliche Verschuldungsanreize verringert werden. Der zügige Abbau notleidender Kredite durch die Banken des Euro-Währungsgebiets sollte fortgesetzt und das Anwachsen solcher Kredite verhindert werden. Es sollten erneute Anstrengungen zur Vertiefung der Kapitalmarktunion unternommen werden;

5.

bei der Vertiefung der WWU ehrgeizige Fortschritte erzielen, insbesondere durch die rasche Umsetzung der in der Erklärung des Euro-Gipfels vom 13. Dezember 2019 genannten Maßnahmen, auch in Bezug auf das Haushaltsinstrument für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit, ebenso wie bei den Beratungen über andere Aspekte. Fortschritte in diesem Bereich werden auch die internationale Rolle des Euro stärken und die Wirtschaftsinteressen Europas auf globaler Ebene zur Geltung bringen; sie sollten unter uneingeschränkter Achtung des Binnenmarkts der Union erfolgen und in offener und transparenter Weise gegenüber den Mitgliedstaaten, die nicht dem Euro-Währungsgebiet angehören, angestrebt werden.

Geschehen zu Brüssel am 20. Juli 2020.

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

J. KLOECKNER


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25.

(3)  Alle in diesem Dokument enthaltenen Vorausschätzungen stammen aus der Herbstprognose 2019 der Europäischen Kommission.

(4)  Richtlinie 2003/96/EG vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. L 283 vom 31.10.2003, S. 51).

(5)  Verordnung (EU) 2019/630 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 im Hinblick auf die Mindestdeckung notleidender Risikopositionen (ABl. L 111 vom 25.4.2019, S. 4).