21.5.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 133/1


DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2019/807 DER KOMMISSION

vom 13. März 2019

zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Bestimmung der Rohstoffe mit hohem Risiko indirekter Landnutzungsänderungen, in deren Fall eine wesentliche Ausdehnung der Produktionsflächen auf Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand zu beobachten ist, und die Zertifizierung von Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen und Biomasse-Brennstoffen mit geringem Risiko indirekter Landnutzungsänderungen

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (1), insbesondere auf Artikel 26 Absatz 2 Unterabsatz 4,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Um das Problem der indirekten Landnutzungsänderungen (ILUC) anzugehen, ist die Kommission gemäß der Richtlinie (EU) 2018/2001 verpflichtet, einen delegierten Rechtsakt zu erlassen, in dem die Kriterien für die Bestimmung der Rohstoffe mit hohem Risiko indirekter Landnutzungsänderungen, in deren Fall eine wesentliche Ausdehnung der Produktionsflächen auf Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand zu beobachten ist, sowie für die Zertifizierung von Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen oder Biomasse-Brennstoffen mit geringem Risiko indirekter Landnutzungsänderungen festgelegt werden. Entsprechende Bestimmungen sollten dem Bericht über den Stand der weltweiten Ausdehnung der einschlägigen Rohstoffproduktion (im Folgenden der „Bericht über die Ausdehnung der Rohstoffproduktion“), der dem Europäischen Parlament und dem Rat heute vorgelegt wird, beigefügt werden.

(2)

ILUC können auftreten, wenn Flächen, die zuvor für die Nahrungsmittel- und Futtermittelproduktion genutzt wurden, für die Produktion von Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen und Biomasse-Brennstoffen umgewidmet werden. In diesem Fall muss die Nachfrage nach Nahrungs- und Futtermitteln jedoch weiterhin gedeckt werden, was dazu führen kann, dass landwirtschaftliche Flächen auf Gebiete mit hohem Kohlenstoffbestand wie Wälder, Feuchtgebiete und Torfmoorflächen ausgedehnt werden und dadurch zusätzliche Treibhausgasemissionen entstehen.

(3)

Bei den sowohl in der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (2) als auch in der Richtlinie (EU) 2018/2001 festgelegten Nachhaltigkeitskriterien und Kriterien für Treibhausgaseinsparungen werden ILUC-Emissionen nicht berücksichtigt.

(4)

In der Richtlinie (EU) 2015/1513 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) wurde nicht nur die Existenz von ILUC-Emissionen bestätigt, sondern auch anerkannt, dass die Höhe der Treibhausgasemissionen infolge von ILUC — ungeachtet der Unsicherheiten bei ihrer Berechnung — die Treibhausgaseinsparungen einzelner Biokraftstoffe und Biobrennstoffe im Sinne der genannten Richtlinie ganz oder teilweise aufheben könnten. Daher wurde mit der genannten Richtlinie für Kraftstoffe, die aus Getreide und sonstigen Kulturpflanzen mit hohem Stärkegehalt, Zuckerpflanzen, Ölpflanzen und aus als Hauptkulturen vorrangig für die Energiegewinnung auf landwirtschaftlichen Flächen angebauten Kulturpflanzen gewonnen werden, ein Gesamtgrenzwert für die Menge eingeführt, die auf die in der Richtlinie 2009/28/EG festgelegten Ziele angerechnet werden kann. Diesem Grenzwert zufolge darf der Beitrag solcher Kraftstoffe zum Endenergieverbrauch im Straßen- und Schienenverkehr in den einzelnen Mitgliedstaaten höchstens 7 % betragen.

(5)

In der Richtlinie (EU) 2018/2001 wird die Begrenzung des Verbrauchs von aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen gewonnenen Biokraftstoffen und Biomasse-Brennstoffen im Verkehrssektor beibehalten und durch die Einführung spezifischer nationaler Grenzwerte für den Gesamtbeitrag dieser Kraftstoffe zum Ziel für Energie aus erneuerbaren Quellen, das die Union bis 2030 verwirklichen will, noch weiter untermauert. Diese Grenzwerte beruhen auf dem jeweiligen nationalen Anteil dieser Kraftstoffe am Endenergieverbrauch im Schienen- und Straßenverkehr in den einzelnen Mitgliedstaaten im Jahr 2020, wobei zwar die Möglichkeit einer Steigerung um einen Prozentpunkt besteht, 7 % jedoch nicht überschritten werden dürfen.

(6)

In der Richtlinie (EU) 2018/2001 wird auch gefordert, für aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen gewonnene Biokraftstoffe, flüssige Biobrennstoffe und Biomasse-Brennstoffe mit hohem ILUC-Risiko, in deren Fall eine wesentliche Ausdehnung der Rohstoffproduktion auf Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand zu beobachten ist, als spezifischen Grenzwert den im Jahr 2019 in dem betreffenden Mitgliedstaat verzeichneten Verbrauch heranzuziehen. Ab dem 31. Dezember 2023 sollte ihr Beitrag bis spätestens 2030 schrittweise auf 0 % sinken.

(7)

Zwar wird weithin anerkannt wird, dass die Verwendung von Nahrungs- und Futtermittelpflanzen für die Produktion von Kraftstoffen mit ILUC-Risiken verbunden ist, doch geht aus der wissenschaftlichen Literatur hervor, dass die Höhe der ILUC-Emissionen von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, unter anderem davon, welche Rohstoffe zur Produktion des erneuerbaren Kraftstoffs verwendet werden, wie stark die Nachfrage nach dem Rohstoff durch die Nutzung von Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen und Biomasse-Brennstoffen steigt und in welchem Umfang Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand weltweit geschützt werden.

(8)

Die wissenschaftliche Literatur zeigt auch, dass ILUC insbesondere bei Ölpflanzen das Potenzial für Treibhausgaseinsparungen durch Biokraftstoffe, flüssige Biobrennstoffe und Biomasse-Brennstoffe beeinträchtigen. Daher wird allgemein davon ausgegangen, dass bei erneuerbaren Kraftstoffen, die aus solchen Rohstoffen hergestellt werden, ein höheres ILUC-Risiko besteht. Dem wird in Anhang VIII Teil A der Richtlinie 2009/28/EG und in der Richtlinie (EU) 2018/2001 Rechnung getragen. Dem Bericht über die Ausdehnung des Rohstoffproduktion zufolge, der auf den neuesten verfügbaren wissenschaftlichen Daten über die weltweite Ausdehnung der Produktionsflächen für Nahrungs- und Futtermittelpflanzen auf Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand beruht, ist auch die beobachtete weltweite Ausdehnung der Produktionsflächen von Nahrungs- und Futtermittelpflanzen auf Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand größtenteils auf eben diese Kulturen zurückführen.

(9)

In dem Bericht über die Ausdehnung der Rohstoffproduktion wird auch darauf hingewiesen, dass verschiedene Faktoren dafür maßgeblich sind, wie sich die Ausdehnung der Produktionsflächen von Ölpflanzen auf Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand auf das Potenzial für Treibhausgaseinsparungen durch Biokraftstoffe, flüssige Biobrennstoffe und Biomasse-Brennstoffe auswirkt. Von diesen Faktoren spielen unter anderem die absolute und die relative Größenordnung der Flächenausdehnung seit einem bestimmten Bezugsjahr im Vergleich zur gesamten Produktionsfläche der betreffenden Kultur, der Anteil der Ausdehnung auf Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand sowie die Art der Fläche mit hohem Kohlenstoffbestand eine entscheidende Rolle, wenn für die Zwecke der Richtlinie (EU) 2018/2001 bestimmt werden soll, ob es sich um eine wesentliche Ausdehnung handelt. Diese Faktoren sowie die spezifischen Produktivitätsfaktoren für jede Kulturpflanzengruppe sollten daher bei der Festlegung der Kriterien für die Bestimmung der aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen gewonnenen Biokraftstoffe, flüssigen Biobrennstoffe und Biomasse-Brennstoffe mit hohem ILUC-Risiko, in deren Fall eine wesentliche Ausdehnung der Rohstoffproduktion auf Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand zu beobachten ist, berücksichtigt werden.

(10)

Unter Berücksichtigung aller vorstehenden Erwägungen, einschließlich aller einschlägigen wissenschaftlichen Informationen und Studien, der Unterschiede zwischen den verschiedenen Rohstoffen, des globalen Charakters der verschiedenen Rohstoffmärkte und der Funktionsweise dieser Märkte, des damit verbundenen Risikos von unbeabsichtigten oder kontraproduktiven Ab- und Umleitungseffekten, der relativen Verfügbarkeit vollständiger Daten und der regelmäßigen, häufigen Überprüfung dieser Daten sowie der einschlägigen internationalen Verpflichtungen der Europäischen Union gilt in diesem Stadium des Regulierungsverfahrens die Methode als die geeignetste, objektivste und ausgewogenste, die die allgemeine globale Situation jedes einzelnen Rohstoffs zugrunde legt und keinen Ansatz verfolgt, bei dem einzelne Länder diskriminiert würden. Unter Berücksichtigung der konkurrierenden, aber komplementären Ziele, die mit dieser Verordnung verfolgt werden, ist dies das beste Regulierungskonzept. Ein solches Konzept wird weiterhin dadurch in angemessener Weise ausgewogen, dass die Möglichkeit besteht, ein geringes ILUC-Risiko zu zertifizieren.

(11)

Gemäß Artikel 26 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2018/2001 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die in dieser Verordnung festgelegten Kriterien für die Bestimmung der Rohstoffe mit hohem Risiko indirekter Landnutzungsänderungen, in deren Fall eine wesentliche Ausdehnung der Produktionsflächen auf Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand zu beobachten ist, anzuwenden. Sie sollten sich dabei auf einen gemäß dieser Verordnung zu ändernden Anhang und die darin enthaltenen Informationen stützen. Die Kommission sollte den Bericht über die Ausdehnung der Rohstoffproduktion regelmäßig überprüfen, um veränderten Umständen und den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung zu tragen. Der Anhang sollte erforderlichenfalls geändert werden.

(12)

Unter bestimmten Umständen können die ILUC-Effekte von Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen und Biomasse-Brennstoffen, bei denen allgemein von einem hohen ILUC-Risiko ausgegangen wird, vermieden werden, und der Anbau der entsprechenden Rohstoffe kann sich sogar für die betreffenden Produktionsflächen als vorteilhaft erweisen. Für diese Fälle müssen Kriterien für die Ermittlung und die Zertifizierung von Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen und Biomasse-Brennstoffen mit geringem ILUC-Risiko festgelegt werden. Zertifizierte Biokraftstoffe, flüssige Biobrennstoffe oder Biomasse-Brennstoffe mit geringem ILUC-Risiko sollten von dem Grenzwert und dessen schrittweiser Senkung, die für aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen gewonnene Biokraftstoffe, flüssige Biobrennstoffe und Biomasse-Brennstoffe mit hohem ILUC-Risiko festgelegt wurden, ausgenommen werden, sofern sie die einschlägigen Nachhaltigkeitskriterien und die Kriterien für Treibhausgaseinsparungen gemäß Artikel 29 der Richtlinie (EU) 2018/2001 erfüllen.

(13)

Bei Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen oder Biomasse-Brennstoffen sollte nur dann von einem geringen ILUC-Risiko ausgegangen werden, wenn der Anbau der für ihre Produktion verwendeten Rohstoffe das Ergebnis ordnungsgemäß überprüfbarer Maßnahmen zu einer Steigerung der Produktivität ist, die über die bisherigen Verfahrensweisen hinausgeht. Außerdem sollten diese Maßnahmen die Nachhaltigkeit des Rohstoffs im Hinblick auf sämtliche im Bereich der Ziele für erneuerbare Energie festgelegten Anforderungen der Richtlinie 2009/28/EG oder der Richtlinie (EU) 2018/2001 gewährleisten.

(14)

Als weitere Garantie für die positiven Auswirkungen der Zertifizierung eines geringen ILUC-Risikos sollten die zusätzlichen Rohstoffe, die für Kraftstoffe mit geringem ILUC-Risiko verwendet werden, nur dann berücksichtigt werden, wenn sie aus einer begrenzten Kategorie von Maßnahmen resultieren. Insbesondere sollten — analog zu den Kriterien der finanziellen Zusätzlichkeit im Rahmen des Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung des Kyoto-Protokolls — nur Maßnahmen in Betracht gezogen werden, die finanziell attraktiv sind, da sie es ermöglichen, den aus einer solchen Zertifizierung resultierenden finanziellen Gewinn einzustreichen.

(15)

Darüber hinaus sollte das Zusätzlichkeitsprinzip nicht auf die zusätzlichen Rohstoffe angewandt werden, die auf aufgegebenen oder stark degradierten Flächen oder von unabhängigen Kleinerzeugern angebaut werden. Dies wäre in der Praxis angesichts des erheblichen Potenzials für Produktivitätssteigerungen und der bestehenden Hindernisse für die Finanzierung der notwendigen Investitionen mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden. Unbeschadet der Notwendigkeit, zusätzliche Rohstoffe zu produzieren und die Nachhaltigkeitskriterien einzuhalten, sollten daher Maßnahmen, die auf aufgegebenen oder stark degradierten Flächen oder von unabhängigen Kleinerzeugern ergriffen werden, vom Nachweis der Einhaltung der Kriterien der finanziellen Zusätzlichkeit ausgenommen werden. Im Lichte der im Rahmen mehrerer Analysen durchgeführten statistischen Arbeiten, darunter auch das Kleinerzeuger-Porträt der FAO, sollten Betriebe mit einer Fläche von weniger als 2 Hektar in diesem Zusammenhang als Kleinerzeuger betrachtet werden.

(16)

Es sollten nur tatsächliche Produktivitätssteigerungen bei bestehenden oder neuen Projekten berücksichtigt werden, die sich aus Maßnahmen ergeben, mit denen zusätzliche Erträge erzielt werden sollen. Daher sollte der Zertifizierungszeitraum auf eine vertretbare Dauer und Tragweite begrenzt werden, damit die einschlägigen Investitionen vollständig amortisiert und solide Verfahren zur Überwachung der Wirksamkeit der Zertifizierung eingeführt werden können.

(17)

Um ein reibungsloses Zertifizierungsverfahren für Biokraftstoffe, flüssige Biobrennstoffe oder Biomasse-Brennstoffe mit geringem ILUC-Risiko zu gewährleisten, sollten sich die Wirtschaftsakteure auf solide und verlässliche Zertifizierungsregeln verlassen können. Diese Regeln sollten auch der Rolle freiwilliger nationaler oder internationaler Regelungen im Sinne der Neufassung von Artikel 30 der Richtlinie (EU) 2018/2001 Rechnung tragen, mit dem die den Mitgliedstaaten übertragene Überprüfung gegenüber den entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie 2009/28/EG verstärkt wurde. Zusätzlich zu den nationalen Regelungen, die die Kommission gemäß Artikel 30 Absatz 6 der Richtlinie (EU) 2018/2001 anerkannt hat, können Biokraftstoffe, flüssige Biobrennstoffe und Biomasse-Brennstoffe mit geringem ILUC-Risiko im Rahmen freiwilliger Regelungen zertifiziert werden, da diese auch für die Zwecke der Zertifizierung der Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien gemäß Artikel 29 der Richtlinie (EU) 2018/2001 herangezogen werden.

(18)

Um zu gewährleisten, dass die von den Wirtschaftsbeteiligten bereitgestellten Informationen transparent, genau, verlässlich und betrugssicher sind, sollten übergeordnete Vorschriften für die Zertifizierung von Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen oder Biomasse-Brennstoffen mit geringem Risiko indirekter Landnutzungsänderungen eingeführt werden, die ein angemessenes unabhängiges Audit der von den Wirtschaftsbeteiligten eingereichten Anträge vorsehen. Solche Vorschriften, die unter anderem die Gruppenzertifizierung betreffen, können durch den Erlass von Durchführungsrechtsakten gemäß Artikel 30 Absatz 8 der Richtlinie (EU) 2018/2001 näher ausgeführt und weiter harmonisiert werden —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Gegenstand

Diese Verordnung enthält die Kriterien für die Bestimmung der Rohstoffe mit hohem ILUC-Risiko, in deren Fall eine wesentliche Ausdehnung der Produktionsflächen auf Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand zu beobachten ist, und für die Zertifizierung von Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen und Biomasse-Brennstoffen mit geringem ILUC-Risiko.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

1.

„Ölpflanzen“ Nahrungs- und Futtermittelpflanzen wie Raps, Ölpalmen, Sojabohnen und Sonnenblumen, die keine stärkehaltigen Pflanzen und Zuckerpflanzen sind und die gemeinhin als Rohstoffe für die Herstellung von Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen und Biomasse-Brennstoffen verwendet werden;

2.

„nicht genutzte Flächen“ Flächen, die während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Jahren vor dem Beginn des Anbaus des Rohstoffs zur Produktion von Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen und Biomasse-Brennstoffen weder für den Anbau von Nahrungs- und Futtermittelpflanzen oder anderer Energiepflanzen noch für die Erzeugung bedeutender Futtermengen für Weidetiere genutzt wurden;

3.

„aufgegebene Flächen“ nicht genutzte Flächen, die in der Vergangenheit für den Anbau von Nahrungs- und Futtermittelpflanzen genutzt wurden, auf denen jedoch der Anbau von Nahrungs- und Futtermittelpflanzen aufgrund biophysikalischer oder sozioökonomischer Zwänge eingestellt wurde;

4.

„stark degradierte Flächen“ Flächen im Sinne von Anhang V Teil C Nummer 9 der Richtlinie (EU) 2018/2001;

5.

„dem Zusätzlichkeitsprinzip entsprechende Maßnahme“ jede Verbesserung der landwirtschaftlichen Verfahren, die auf nachhaltige Weise zu einer Steigerung der Erträge von Nahrungs- und Futtermittelpflanzen auf Flächen führt, die bereits für den Anbau von Nahrungs- und Futtermittelpflanzen genutzt werden, sowie alle Maßnahmen, die den Anbau von Nahrungs- und Futtermittelpflanzen auf nicht genutzten Flächen, einschließlich aufgegebener Flächen, für die Produktion von Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen und Biomasse-Brennstoffen ermöglichen;

6.

„zusätzlicher Rohstoff“ die Menge an Nahrungs- und Futtermittelpflanzen, die gemessen an einem dynamischen Ertrags-Ausgangswert auf einer klar abgegrenzten Fläche zusätzlich produziert wurde und die direktes Ergebnis der Anwendung einer dem Zusätzlichkeitsprinzip entsprechenden Maßnahme ist;

7.

„dynamischer Ertragsausgangswert“ den durchschnittlichen Ertrag der abgegrenzten Fläche, auf der eine Zusätzlichkeitsmaßnahme getroffen wurde, der über den Dreijahreszeitraum, der dem Jahr, in dem diese Maßnahme getroffen wurde, unmittelbar vorausgeht, berechnet wird, wobei zum Ausschluss von Ertragsschwankungen der für die betreffende Kulturpflanze beobachtete mittlere Ertragszuwachs im vorausgehenden Jahrzehnt und die Ertragskurven über die Lebensdauer bei Dauerkulturen berücksichtigt werden;

8.

„Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand“ Feuchtgebiete, einschließlich Torfmoorflächen, und kontinuierlich bewaldete Gebiete im Sinne von Artikel 29 Absatz 4 Buchstaben a, b und c der Richtlinie (EU) 2018/2001;

9.

„Kleinerzeuger“ Landwirte, die in einem Betrieb mit einer landwirtschaftlichen Fläche von weniger als 2 Hektar, für den sie Eigentums-, Pacht- oder gleichwertige Rechte besitzen, die ihnen die Kontrolle über das Land verleihen, einer unabhängigen landwirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen und die nicht von einem Unternehmen beschäftigt werden, ausgenommen eine Genossenschaft, der sie mit anderen Kleinerzeugern angehören, sofern diese Genossenschaft nicht von einem Dritten kontrolliert wird;

10.

„Dauerkulturen“ nicht in die Fruchtfolge einbezogene Kulturen außer Dauergrünland und Dauerweideland, die für die Dauer von mindestens fünf Jahren auf den Flächen verbleiben und wiederkehrende Erträge liefern.

Artikel 3

Kriterien für die Bestimmung der Rohstoffe mit hohem Risiko indirekter Landnutzungsänderungen, in deren Fall eine wesentliche Ausdehnung der Produktionsflächen auf Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand zu beobachten ist

Zur Bestimmung der Rohstoffe mit hohem Risiko indirekter Landnutzungsänderungen, in deren Fall eine wesentliche Ausdehnung der Produktionsflächen auf Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand zu beobachten ist, kommen folgende kumulative Kriterien zur Anwendung:

a)

die durchschnittliche jährliche Ausdehnung des weltweiten Produktionsgebiets des Rohstoffs beträgt seit 2008 mehr als 1 % und erstreckt sich auf mehr als 100 000 Hektar;

b)

die Ausdehnung auf Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand hat an dieser Ausdehnung einen Anteil von mehr als 10 %, was mit folgender Formel berechnet wird:

Formula

Hierbei gilt:

xhcs = Anteil der Ausdehnung auf Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand;

xf = Anteil der Ausdehnung auf Flächen nach Artikel 29 Absatz 4 Buchstaben b und c der Richtlinie (EU) 2018/2001;

xp = Anteil der Ausdehnung auf Flächen nach Artikel 29 Absatz 4 Buchstabe a der Richtlinie (EU) 2018/2001 einschließlich Torfmoorflächen;

PF = Produktivitätsfaktor.

Der PF beträgt 1,7 bei Mais, 2,5 bei Palmöl, 3,2 bei Zuckerrüben, 2,2 bei Zuckerrohr und 1 bei allen anderen Kulturen.

Die Anwendung der in den Buchstaben a und b genannten Kriterien stützt sich auf die Informationen im Anhang in der gemäß Artikel 7 geänderten Fassung.

Artikel 4

Allgemeine Kriterien für die Zertifizierung von Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen und Biomasse-Brennstoffen mit geringem Risiko indirekter Landnutzungsänderungen

(1)   Für die Zertifizierung als Biokraftstoff, flüssiger Biobrennstoff und Biomasse-Brennstoff mit geringem Risiko indirekter Landnutzungsänderungen müssen alle nachstehenden Kriterien erfüllt sein:

a)

die Biokraftstoffe, flüssigen Biobrennstoffe und Biomasse-Brennstoffe erfüllen die Nachhaltigkeitskriterien und die Kriterien für Treibhausgaseinsparungen nach Artikel 29der Richtlinie (EU) 2018/2001;

b)

die Biokraftstoffe, flüssigen Biobrennstoffe und Biomasse-Brennstoffe wurden aus zusätzlichen Rohstoffen hergestellt, die durch dem Zusätzlichkeitsprinzip entsprechende Maßnahmen gemäß den spezifischen Kriterien des Artikels 5 gewonnen wurden;

c)

die betreffenden Wirtschaftsakteure sammeln die Nachweise, die zur Ermittlung der zusätzlichen Rohstoffe erforderlich sind, ordnungsgemäß und dokumentieren sorgfältig den angegebenen Sachverhalt, wonach es sich um die Produktion zusätzlicher Rohstoffe handelt.

(2)   Die Nachweise gemäß Absatz 1 Buchstabe c enthalten mindestens Informationen über die zur Produktion des zusätzlichen Rohstoffs getroffenen, dem Zusätzlichkeitsprinzip entsprechenden Maßnahmen, die Angabe der abgrenzten Flächen, auf denen diese Maßnahmen angewandt wurden, sowie die Angabe des durchschnittlichen jährlichen Ertrags der Flächen, auf denen diese Maßnahmen angewandt wurden, für den Dreijahreszeitraum, der dem Jahr, in dem die dem Zusätzlichkeitsprinzip entsprechende Maßnahme angewandt wurde, unmittelbar vorausgeht.

Artikel 5

Dem Zusätzlichkeitsprinzip entsprechende Maßnahmen

(1)   Die Zertifizierung als Biokraftstoff, flüssiger Biobrennstoff und Biomasse-Brennstoff mit geringem Risiko indirekter Landnutzungsänderungen kann nur erfolgen, wenn

a)

die dem Zusätzlichkeitsprinzip entsprechenden Maßnahmen, die für die Produktion zusätzlicher Rohstoffe ergriffen wurden, mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllen:

i)

sie werden ausschließlich deswegen finanziell attraktiv, weil die aus dem zusätzlichen Rohstoff gewonnenen Biokraftstoffe, flüssigen Biobrennstoffe und Biomasse-Brennstoffe auf die Ziele für erneuerbare Energien gemäß der Richtlinie 2009/28/EG oder der Richtlinie (EU) 2018/2001 angerechnet werden können, bzw. es bestehen ausschließlich deswegen keine Hindernisse für ihre Umsetzung;

ii)

sie ermöglichen den Anbau von Nahrungs- und Futtermittelpflanzen auf aufgegebenen Flächen oder stark degradierten Flächen;

iii)

sie werden von Kleinerzeugern angewandt;

b)

die dem Zusätzlichkeitsprinzip entsprechenden Maßnahmen werden nicht mehr als zehn Jahre vor der Zertifizierung der Biokraftstoffe, flüssigen Biobrennstoffe und Biomasse-Brennstoffen als Kraftstoffe mit geringem Risiko indirekter Landnutzungsänderungen getroffen.

Artikel 6

Audit- und Überprüfungsanforderungen für die Zertifizierung von Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen und Biomasse-Brennstoffen mit geringem Risiko indirekter Landnutzungsänderungen

(1)   Für die Zwecke der Zertifizierung von Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen und Biomasse-Brennstoffen mit geringem Risiko indirekter Landnutzungsänderungen gehen die Wirtschaftsteilnehmer wie folgt vor:

a)

sie legen zuverlässige Informationen zur Untermauerung ihrer Angaben vor, nach denen alle Anforderungen der Artikel 4 und 5 erfüllt sind;

b)

sie sorgen für ein angemessenes unabhängiges Audit der eingereichten Informationen und für ein angemessenes Maß an Transparenz, das der Notwendigkeit der öffentlichen Kontrolle des Prüfungsansatzes Rechnung trägt; und

c)

sie erbringen den Nachweis, dass Audits durchgeführt werden.

(2)   Das Audit erstreckt sich auf die Frage, ob die von den Wirtschaftsteilnehmern vorgelegten Informationen genau, verlässlich und betrugssicher sind.

(3)   Um nachzuweisen, dass eine Lieferung als Biokraftstoff, flüssiger Biobrennstoff oder Biomasse-Brennstoff mit geringem Risiko indirekter Landnutzungsänderungen eingestuft werden kann, müssen die Wirtschaftsakteure das Massenbilanzsystem nach Artikel 30 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2018/2001 anwenden. Die Einhaltung der nach Artikel 30 der Richtlinie (EU) 2018/2001 in den Artikeln 4 bis 6 festgelegten Kriterien kann im Rahmen freiwilliger Regelungen nachgewiesen werden.

Artikel 7

Überwachung und Überprüfung

Die Kommission überprüft bis zum 30. Juni 2021 alle relevanten Aspekte des Berichts über die Ausdehnung der Rohstoffproduktion, insbesondere die Angaben zur Ausdehnung der Rohstoffproduktion, sowie den Nachweis der Faktoren, die die Kleinerzeugerregelung gemäß Artikel 5 Absatz 1 rechtfertigen, und ändert gegebenenfalls diese Verordnung. Der überarbeitete Bericht wird dem Europäischen Parlament und dem Rat vorgelegt und bildet die Grundlage für die Anwendung der in Artikel 3 festgelegten Kriterien.

Die Kommission überprüft anschließend die im Bericht aufgeführten Daten unter Berücksichtigung der veränderten Umstände und der neuesten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Artikel 8

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 13. März 2019

Für die Kommission

Der Präsident

Jean-Claude JUNCKER


(1)  ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82.

(2)  Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG (ABl. L 140 vom 5.6.2009, S. 16).

(3)  Richtlinie (EU) 2015/1513 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 zur Änderung der Richtlinie 98/70/EG über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen und zur Änderung der Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (ABl. L 239 vom 15.9.2015, S. 1).


ANHANG

 

Durchschn. jährliche Ausdehnung der Produktionsfläche seit 2008 (in 1000 ha)

Durchschn. jährliche Ausdehnung der Produktionsfläche seit 2008 (in %)

Anteil der Ausdehnung auf Flächen nach Art. 29 Abs. 4 Buchst. b und c der Richtlinie (EU) 2018/2001

Anteil der Ausdehnung auf Flächen nach Artikel 29 Absatz 4 Buchst. a der Richtlinie (EU) 2018/2001

Getreide

 

 

 

 

Weizen

– 263,4

– 0,1 %

1 %

Mais

4 027,5

2,3 %

4 %

Zuckerpflanzen

 

 

 

 

Zuckerrohr

299,8

1,2 %

5 %

Zuckerrüben

39,1

0,9 %

0,1 %

Ölpflanzen

 

 

 

 

Raps

301,9

1,0 %

1 %

Ölpalmen

702,5

4,0 %

45 %

23 %

Sojabohnen

3 183,5

3,0 %

8 %

Sonnenblumen

127,3

0,5 %

1 %